Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (4. Kammer) - 4 Sa 115/14

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.11.2013, AZ: 4 Ca 589/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über einen im Wege der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Beklagten.

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Der Kläger war bei der Beklagten, die einen überregionalen Reifengroßhandel betreibt, vom 01.06.2011 bis zum 16.11.2012 als Buchhalter beschäftigt. Mit seiner am 15.02.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat er von der Beklagten die Zahlung von Arbeitsentgelt, Urlaubsabgeltung, die Erteilung eines Zeugnisses sowie die Erteilung einer Gehaltsabrechnung begehrt. Die Beklagte hat den Kläger ihrerseits im Wege der Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.280,00 € wegen unberechtigter Löschung von Datensätzen sowie auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von 14.892,56 € mit der Begründung in Anspruch genommen, der Kläger habe Geldbeträge in dieser Gesamthöhe, die ein Auslieferungsfahrer von Kunden entgegen genommen habe, für sich vereinnahmt.

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Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen streitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.11.2013 (Bl. 120-127 d. A.).

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Das Arbeitsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin H. der Klage auf Zahlung von Arbeitsvergütung nebst Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.282,82 € brutto sowie der Klage auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses stattgegeben. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage der Beklagten hat das Arbeitsgericht den Kläger wegen der unberechtigten Löschung von Datensätzen zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.280,00 € verurteilt. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Widerklage abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 8 bis 16 (= Bl. 127-135 d. A.) des Urteils vom 20.11.2013 verwiesen.

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Gegen das ihr am 05.02.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.03.2014 Berufung eingelegt und diese am 04.04.2014 begründet.

6

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe sie (bereits erstinstanzlich) lückenlos dargelegt, dass der Kläger die betreffenden Geldbeträge vereinnahmt habe. Die (frühere) Mitarbeiterin G. oder der Mitarbeiter D. hätten die von den Auslieferungsfahrern bei Kunden eingenommenen und im Betrieb abgelieferten Geldbeträge jeweils dem Kläger ausgehändigt. Bezüglich dieser Behauptung hätte das Arbeitsgericht durch Vernehmung der hierfür benannten Zeugen B. und G. Beweis erheben müssen. Darüber hinaus sei das unberechtigte Löschen von Datensätzen durch den Kläger als ein nach § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtender Eingriff in den eingerichteten und ausübten Gewerbebetrieb zu qualifizieren. Es komme daher insoweit nicht darauf an, ob der Kläger den Schaden (auch) dadurch verursacht habe, dass er selbst die Gelder vereinnahmt habe.

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Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 04.04.2014 (Bl. 169-178 d. A.) Bezug genommen.

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Die Beklagte beantragt,

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das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 14.892,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

12

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil insoweit, als das Arbeitsgericht die im Berufungsverfahren noch anhängige Widerklageforderung abgewiesen hat, nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungsschrift vom 14.05.2014 (Bl. 196-200 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

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Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die über den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag von 2.280,00 € hinausgehende Widerklage zu Recht abgewiesen.

II.

14

Die Widerklage ist in dem im Berufungsverfahren weiter verfolgten Umfang unbegründet. Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Zahlung vereinnahmter Geldbeträge in Höhe von insgesamt 14.892,56 €. Ein diesbezüglicher Anspruch ergibt sich vorliegend weder aus § 280 Abs. 1 BGB, noch aus § 812 Abs. 1 BGB oder aus § 823 Abs. 1 BGB.

15

Zwar hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe die in der Anlage B1 zum Schriftsatz vom 19.08.2013 (Bl. 46 d. A.) aufgeführten, von dem Fahrer K. bei Kunden erhaltenen und im Betrieb bei den Mitarbeitern G. und B. abgelieferten Geldbeträge für sich vereinnahmt. Die Beklagte hat indessen nicht ordnungsgemäß unter Beweis gestellt, dass dem Kläger die betreffenden Geldbeträge überhaupt zugeflossen sind. Diesbezüglich behauptet die Beklagte nämlich ausdrücklich, der Kläger habe die Gelder jeweils einen Tag nach Ablieferung durch den Fahrer K. von der Mitarbeiterin G. oder dem Mitarbeiter B. erhalten und bietet diesbezüglich Beweis an durch Vernehmung der beiden Zeugen G. und B. Dieser Beweisantrag stellt sich als unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag dar.

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Wird ein Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, so ist dieser Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart angehörende Geschehnisse oder Zustände. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben (BAG v. 15.12.1999 - 5 AZR 566/98 - AP Nr. 9 zu § 84 HGB, m. w. N.).

17

Vorliegend zielt der Beweisantritt der Beklagten nicht darauf ab, der Kläger habe bestimmte, in der Anlage B1 aufgelistete Geldbeträge von dem Zeugen B. und andere dieser Geldbeträge von der Zeugin G. erhalten, sondern darauf, der Kläger habe sämtliche dieser Gelder entweder von der Zeugin G. oder dem Zeugen B. erhalten. Insoweit fehlt es bereits an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen, da aus dem Sachvortrag der Beklagten nicht ersichtlich ist, von wem der beiden Zeugen der Kläger die Geldbeträge erhalten haben soll. Ein diesbezüglich konkreter Sachvortrag könnte daher allenfalls erst auf der Grundlage der Zeugenaussagen erfolgen. Der Beweisantritt der Beklagten dient daher letztlich der Ausforschung von Tatsachen, die es der Beklagten erst ermöglichen können, den Zufluss einzelner Gelder an den Kläger substantiiert vorzutragen, d. h., darzulegen, von welcher konkreten Person der Kläger welche konkreten Beträge erhalten haben soll. Das Beweisangebot der Beklagten, zwei Zeugen zu der Behauptung zu vernehmen, der Kläger habe einzelne Geldbeträge entweder von dem einen oder von dem anderen Zeugen erhalten, stellt sich somit als unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag dar.

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Die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe sämtliche der in der Anlage B1 (Bl. 46 d. A.) aufgelisteten Beträge selbst vereinnahmt, steht im Übrigen im krassen Widerspruch zu dem Umstand, dass die Beklagte den Fahrer K. in einem anderen Rechtsstreit (ArbG Koblenz, Az.: 4 Ca 3805/12, = LAG Rhld.-Pfalz, Az.: 5 Sa 388/13) auf Zahlung von 7.099,07 € mit der Begründung in Anspruch genommen hat, dieser habe zehn Einzelbeträge dieser Aufstellung selbst unterschlagen, und bezüglich fünf der Einzelpositionen in Höhe von insgesamt 3.495,27 € einen rechtskräftigen Titel gegen den Fahrer K. erwirkt hat.

19

Der Kläger ist der Beklagten auch nicht bereits deshalb zur Zahlung (weiteren) Schadensersatzes in Höhe von 14.892,56 € verpflichtet, weil er - wie vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt - die Buchungssätze bezüglich der in der Anlage B1 aufgelisteten Positionen unberechtigterweise gelöscht hat. Der dadurch der Beklagten entstandene Schaden beläuft sich auf die von der Beklagten zur Wiederherstellung der betreffenden Daten aufgewendeten und ihr vom Arbeitsgericht bereits im erstinstanzlichen Urteil zugesprochenen Kosten in Höhe von 2.280,00 €. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden, im Berufungsverfahren weiterverfolgten Widerklageforderung der Beklagten fehlt es jedoch an der erforderlichen Kausalität zwischen der Pflichtverletzung des Klägers (Löschung der Datensätze) und dem eingetretenen Schaden. Soweit die Beklagte (erstinstanzlich) vorgetragen hat, der Kläger habe durch das bewusste Löschen von Datensätzen den Verlust von Forderungen verursacht bzw. die Nachverfolgung dieser Forderungen unmöglich gemacht, so erweist sich dieses Vorbringen zum einen als unsubstantiiert und ist zum anderen nicht geeignet, einen Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung (Löschung der Datensätze) und dem eingetretenen Schaden zu begründen, soweit dieser die Kosten zur Wiederherstellung der Daten übersteigt.

III.

20

Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

21

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbstständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72a ArbGG), wird hingewiesen.

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