Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (2. Kammer) - 2 Sa 39/15

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 18.09.2014 - 1 Ca 859/14 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) trägt der Kläger.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers.

2

Der Kläger war aufgrund Arbeitsvertrages vom 09. November 2006 (Bl. 4 - 11 d. A.) vom 01. Januar 2007 bis zum 31. März 2014 bei der Beklagten als Mediaberater beschäftigt.

3

Mit notarieller Urkunde vom 11. Mai 2005 (Bl. 12 - 16 d. A.) bestellte der Kläger zugunsten der X-Bank eine Grundschuld und unterwarf sich wegen aller Ansprüche aus dieser Grundschuld der sofortigen Zwangsvollstreckung in das betreffende Beleihungsobjekt. Weiterhin übernahm er die persönliche Haftung für die Zahlung eines der Höhe der vereinbarten Grundschuld entsprechenden Geldbetrages und unterwarf sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser notariellen Urkunde in sein gesamtes Vermögen. Mit Abtretungserklärung vom 17. November 2008 (Bl. 23 d. A.) trat die X-Bank die vorgenannte Grundschuld sowie alle weiteren Rechte aus der Bestellungsurkunde einschließlich derjenigen aus der Übernahme der persönlichen Haftung und aus allen Unterwerfungsklauseln an die S-Immobilien GmbH (künftig: S) ab.

4

Von der S wurden der Beklagten Unterlagen über die Grundschuldbestellung und Abtretung über den Gerichtsvollzieher zugestellt, wovon dem Kläger entsprechende Kopien ausgehändigt wurden. Beide Parteien gingen davon aus, dass ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vorliege, was tatsächlich nicht der Fall war. Daraufhin überwies die Beklagte von August 2009 bis einschließlich Januar 2014 von den Vergütungsansprüchen des Klägers insgesamt 11.771,19 EUR an die S und behielt darüber hinaus 215,-- EUR an "Pfändungsgebühren" ein.

5

Unter dem 28. Februar 2014 schlossen die Parteien folgende Abtretungsvereinbarung (Bl. 30 d. A.):

6

1. Die C. GmbH hat aufgrund einer vermeintlichen Pfändung und Überweisung beziehungsweise einer Abtretung seit 08/2009 insgesamt 11.698,46 EUR an die Firma S-Immobilien GmbH, S-Straße 85, S-Stadt (S), vertreten durch den Geschäftsführer J. P. abgeführt und von dem Gehalt von Herrn A. einbehalten.

7

2. Die Firma C. GmbH tritt hiermit an Herrn A. ihre Forderung in Höhe von 11.771,19 EUR gegenüber der Firma S-Immobilien GmbH erfüllungshalber ab.

8

3. Herr A. nimmt die Abtretung an.

9

Der Kläger forderte sodann erfolglos die S zur Zahlung auf.

10

Mit seiner am 13. Mai 2014 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein eingereichten Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung der an die S abgeführten Beträge in Höhe von 11.771,19 EUR nebst den einbehaltenen Pfändungsgebühren von 215,-- EUR und den bis 07. März 2014 aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 1.479,62 EUR in Anspruch; wegen der Einzelheiten der Berechnung der Klageforderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 13. Juni 2014 verwiesen.

11

Hinsichtlich des wechselseitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 18. September 2014 - 1 Ca 859/14 - und ergänzend auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

12

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

13

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.465,73 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 11.986,11 EUR ab dem 08. März 2014 zu bezahlen.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Mit Urteil vom 18. September 2014 - 1 Ca 859/14 - hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

17

Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 21. Januar 2015 (Bl. 140 - 148 d. A.), der der Beklagten als Drittschuldnerin am 26. Januar 2015 zugestellt worden ist (BL: 149 d. A.), ist die titulierte Klageforderung gepfändet und der S. zur Einziehung überwiesen worden.

18

Gegen das ihr am 08. Januar 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 04. Februar 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 05. Februar 2015 eingegangen, Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

19

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der Kläger sie gemäß §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB ermächtigt habe, den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens an die S. abzuführen. Die ihr überlassenen Unterlagen über die Schulden des Klägers gegenüber der S. hätten ersichtlich dem Zweck gedient, dass sie als Arbeitgeberin in Zukunft den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens des Klägers an die S. abführen solle. Unabhängig davon sei die Klageforderung in Bezug auf die Ansprüche aus den Jahren 2009 und 2010 verjährt.

20

Die Beklagte beantragt,

21

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 18. September 2014 - 1 Ca 859/14 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

22

Der Kläger beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Er erwidert, er habe die Beklagte zu keinem Zeitpunkt ermächtigt, den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens an die S. abzuführen. Durch die Überweisungen der Beklagten habe sich auch nicht die vermeintliche Schuld reduziert, weil er insoweit nicht an die S. geleistet und die S. auch nicht Forderungsinhaber sei. Die Ansprüche seien auch nicht verjährt, weil er erst im Jahr 2014 erfahren habe, dass keine Pfändung seines Arbeitseinkommens erfolgt sei und die Beklagte somit ohne Rechtsgrund an die S. gezahlt habe. Im Hinblick darauf, dass er den Darlehensvertrag mit der X-Bank unter dem 06. März 2015 widerrufen habe, werde bestritten, dass an die S. wirksam eine Forderung abgetreten worden sei. Darüber hinaus würde eine Forderungsabtretung gegen § 399 1. Alt. BGB verstoßen, da die S. keine Bank sei und eine Inhaltsänderung durch die Abtretung der Kreditforderung erfolgen würde.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

27

Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Aufgrund des von der Beklagten vorgelegten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 21. Januar 2015, mit dem die titulierte Klageforderung gepfändet und der S. zur Einziehung überwiesen worden ist, kann der Kläger keine Zahlung mehr an sich verlangen.

28

1. Wird - wie hier - während des Rechtsstreits die rechtshängige Klageforderung von einem Drittgläubiger gepfändet und diesem zur Einziehung überwiesen, so kann der Kläger die Forderung nicht mehr einziehen und Zahlung an sich verlangen (LG Berlin 18. Oktober 1985 - 64 S 240/85 - juris; Münchener Kommentar zur ZPO 4. Aufl. § 829 Rn. 55). Die Pfändung tritt gemäß § 829 Abs. 3 ZPO mit der Zustellung des Beschlusses an den Drittschuldner ein und bleibt grundsätzlich bis zur Aufhebung bestehen (Thomas/Putzo ZPO 35. Aufl. Rn. 30). Dem Schuldner (Gläubiger der gepfändeten Forderung) sind durch die Pfändung Verfügungen zum Nachteil des pfändenden Gläubigers verboten (§ 829 Abs. 1 S. 2 ZPO). Der Schuldner, der bei Überweisung zur Einziehung Forderungsgläubiger bleibt, kann daher über die gepfändete Forderung nicht mehr zum Nachteil des pfändenden Gläubigers verfügen, solange die Pfändung besteht. Als eine dem Schuldner untersagte Verfügung ist insbesondere die Klage gegen den Drittschuldner auf Leistung an sich selbst anzusehen. Gegen diese Klage kann der Drittschuldner die Pfändung einwenden. Diesem Einwand vermag der Schuldner nur aufgrund Unwirksamkeit der Pfändung entgegenzutreten. Hingegen kann er nicht vortragen, die Pfändung sei nur anfechtbar (Münchener Kommentar zur ZPO 4. Aufl. § 829 Rn. 55).

29

2. Im Streitfall ist die titulierte Klageforderung mit dem von der Beklagten vorgelegten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 21. Januar 2015 gepfändet und der S. zur Einziehung überwiesen worden. Der Pfändungsbeschluss ist mit der am 26. Januar 2015 erfolgten Zustellung an die Beklagte als Drittschuldnerin gemäß § 829 Abs. 3 ZPO wirksam geworden. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit des Pfändungsbeschlusses sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auf etwaige Verfahrensverstöße, die nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtung des Pfändungsbeschlusses bewirken, kommt es nicht an. Der anfechtbare Pfändungsbeschluss ist bis zu seiner Aufhebung wirksam. Das Prozessgericht hat daher ungeachtet etwaiger Mängel des Beschlusses so lange von dessen Geltung auszugehen, wie er nicht in dem dafür vorgesehenen Verfahren aufgehoben ist (Zöller ZPO 30. Aufl. § 829 Rn. 27).

30

Zwar hat das Amtsgericht B-Stadt mit dem vorgelegten Beschluss vom 07. April 2015 - 107 AR 1/14 - (Bl. 165 - 167 d. A.) die Zwangsvollstreckung aus der der Gläubigerin für die notarielle Urkunde vom 11. Mai 2005 erteilten vollstreckbaren Ausfertigung vom 30. September 2014 für unzulässig erklärt (§ 775 Nr. 1 ZPO). Weiterhin hat das Amtsgericht L-Stadt mit dem vorgelegten Beschluss vom 16. Juni 2015 - 0 bp M 0000/14 - (Bl. 195, 196 d. A.) die Zwangsvollstreckung, soweit sie aus den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen des Amtsgerichts L-Stadt vom 21. Januar 2015 betrieben wird, einstweilen eingestellt. Allerdings liegt unstreitig kein Beschluss über die Aufhebung des vom Amtsgericht L-Stadt erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 21. Januar 2015 (§ 776 ZPO) vor. Darauf ist der Kläger bereits im Termin vom 28. Mai 2015 hingewiesen worden. Gleichwohl hat er ungeachtet des daraufhin ergangenen Auflagenbeschlusses auch im Fortsetzungstermin vom 24. September 2015 keinen Aufhebungsbeschluss (§§ 775 Nr. 1, 776 Abs. 1 Satz 1 ZPO) vorlegen können, sondern erklärt, dass ein Beschluss über die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 21. Januar 2015 nicht vorliege. Er hat auch nicht etwa seine Klage auf Zahlung an die S. umgestellt, zumal er diese nicht als Inhaberin einer gegen ihn gerichteten Forderung ansieht. Im Hinblick darauf, dass der Kläger aufgrund des weiterhin bestehenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 21. Januar 2015 die Forderung nicht mehr einziehen und Zahlung an sich verlangen kann, war die Klage als unbegründet abzuweisen (vgl. LG Berlin 18. Oktober 1985 - 64 S 240/85 - juris).

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

32

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen