Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (2. Kammer) - 2 Sa 673/14

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 07.10.2014 - 8 Ca 725/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten über Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche.

2

Die 1990 geborene Klägerin war in der Zeit vom 01. September 2009 bis 12. März 2012 aufgrund schriftlichen Berufsausbildungsvertrages (Bl. 60 d. A.) bei den US-Stationierungsstreitkräften (M. A. K-Stadt) als Auszubildende im Ausbildungsberuf "Kraftfahrzeugmechatronikerin" mit dem Schwerpunkt "Pkw-Technik" beschäftigt. Der Beklagte war in dieser Zeit ebenfalls Auszubildender bei den US-Stationierungsstreitkräften im gleichen Ausbildungsbetrieb.

3

In der Zeit vom 13. September 2011 bis 03. März 2012 war die Klägerin krankgeschrieben. In einem ärztlichen Befundbericht vom 20. Januar 2012 (Bl. 6, 7 d. A.) heißt es auszugsweise:

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"Befundbericht/Ärztliche Bescheinigung

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Die o.g. Patientin befindet sich seit dem 14.10.2011 in meiner ambulanten psychotherapeutischen Behandlung.

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(…)

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Seit ca. 1 ½ Jahren werde sie an ihrem Arbeitsplatz massiv gemobbt. (In welcher Form schildert die Patientin detailliert.) Vor vier Wochen sei die Situation eskaliert, indem es zu sexuellen Belästigungen (Vorzeigen entblößter männlicher Genitalien am Arbeitsplatz) gekommen sei.

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(…)

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Es bestand das Bild einer depressiven Reaktion (auf eine von außen auf sie einwirkende, belastende Situation).

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Insofern lag akut ein Krankheitsbild vor, das der Behandlung bedurfte und Arbeitsunfähigkeit auslöste.

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Aufgrund des Vorgefallenen und da sich - von meinem Kenntnisstand her - die Situation nicht verbessert hat, ist es der Patientin nicht zuzumuten, an ihren Ausbildungsplatz zurückzukehren und die Arbeit dort wieder aufzunehmen."

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Das Berufsausbildungsverhältnis der Klägerin endete aufgrund ihrer Eigenkündigung am 12. März 2012. Ab dem 01. August 2012 setzte die Klägerin ihre Ausbildung bei einem anderen Ausbildungsbetrieb fort. Ihre Ausbildung endete am 29. Juni 2013.

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Mit ihrer beim Arbeitsgericht am 11. Juni 2014 eingegangenen Klage vom 28. März 2014 hat die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500,-- EUR wegen der von ihr geschilderten Mobbingvorwürfe und des behaupteten Vorfalls einer sexuellen Belästigung durch den Beklagten am 12. September 2011 sowie Schadensersatz in Höhe des ihr entstandenen Verdienstausfalls in der Zeit von Dezember 2011 bis Juli 2012 in Höhe von insgesamt 1.641,85 EUR netto sowie weiteren 6.000,-- EUR brutto wegen des erst vier Monate später erfolgten Abschlusses ihrer Berufsausbildung (4 Monate x 1.500,-- EUR Gehalt als Geselle im Ausbildungsberuf der Klägerin) geltend gemacht.

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Wegen des wechselseitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 07. Oktober 2014 - 8 Ca 725/14 - Bezug genommen.

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Die Klägerin hat beantragt,

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1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 7.500,-- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.000,-- EUR brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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3. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.641,85 EUR netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Mit Urteil vom 07. Oktober 2014 - 8 Ca 725/14 - hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld gegenüber dem Beklagten, und zwar unabhängig davon, ob sich der Vorfall am 12. September 2011 so zugetragen habe, wie die Klägerin schriftsätzlich vorgetragen habe. Dem Beklagten sei hier "nur" der streitige Vorfall am 12. September 2011 von der Klägerin direkt vorgeworfen worden. Es fehle damit schon an einer systematischen Herabsetzung der Person der Klägerin. Das Gericht könne nur diesen einen Vorfall betrachten, denn die davor in Bezug auf den Beklagten genannten anderen Vorgänge seien nur unsubstantiiert und allgemein dargelegt. Ein einzelner Vorfall sei aber nicht geeignet, ein mobbingartiges Verhalten darzustellen. Daneben könnte der Vorfall kaum zu den gesundheitlichen Problemen der Klägerin geführt haben, selbst wenn er sich so zugetragen haben sollte. Auch wenn diese zwar im Januar im Attest der Ärztin erwähnt worden seien, fehle es an weiterem Sachvortrag der Klägerin, was ihre gesundheitlichen Einschränkungen gewesen seien. Das von ihr angebotene Sachverständigengutachten wäre auf einen zivilprozessual unzulässigen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen, zumal sich nach mehreren Jahren wahrscheinlich kaum feststellen lasse, was die Ursache der von der Klägerin behaupteten psychischen Probleme in diesem Zeitraum gewesen sein könnte. Im Übrigen wird hinsichtlich der Begründung des Arbeitsgerichts auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

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Gegen das ihr am 05. November 2014 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 05. Dezember 2014, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05. Februar 2015 mit Schriftsatz vom 05. Februar 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

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Die Klägerin trägt vor, das Arbeitsgericht sei rechtsirrig davon ausgegangen, dass ihr keine Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld gegenüber dem Beklagten zustünden. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts könne nicht offen bleiben, ob sich der streitgegenständliche Vorfall vom 12. September 2011 so zugetragen habe, wie sie ihn erstinstanzlich schriftlich vorgetragen habe. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass der behauptete Vorfall vom 12. September 2011 keinesfalls geeignet sei, eine Rechtsgutverletzung zu begründen, sei ihrer Ansicht nach falsch. Auch wenn der Beklagte zwar "nur" das Fass zum Überlaufen gebracht habe, sei dies allerdings ebenfalls eine Verletzungshandlung, die entsprechende Rechtsfolgen nach sich ziehe. Vor dem Hintergrund, dass dem Beklagten wie allen sonstigen Kollegen bekannt gewesen sei, dass sie bereits systematisch im Vorfeld herabgesetzt worden sei, führe insoweit auch bereits der Vorfall vom 12. September 2011 zu einem Schmerzensgeldanspruch. Soweit das Arbeitsgericht in seiner Urteilsbegründung außerdem die Auffassung vertreten habe, dass der von ihr geschilderte Vorfall nicht zu den gesundheitlichen Problemen geführt haben könne, so könne dies das Gericht sicherlich nicht aus eigener Sachkunde feststellen. Vielmehr hätte eine entsprechende Beweisaufnahme erfolgen müssen. Soweit das Gericht der Auffassung sei, dass die dargelegten gesundheitlichen Einschränkungen nicht hinreichend konkretisiert seien, so hätte ein Hinweis erfolgen müssen. Sie habe erstinstanzlich vorgetragen, dass sie sich seit dem streitgegenständlichen Ereignis in Behandlung befunden habe, was sich auch aus der als Anlage zur Klageschrift vorgelegten ärztlichen Stellungnahme ergebe.

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Die Klägerin beantragt,

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unter Abänderung des am 07. Oktober 2014 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - 8 Ca 725/14 -

26
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 7.500,-- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02. Juli 2014 zu zahlen,
27
2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.000,-- EUR brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02. Juli 2014 zu zahlen.
28
3. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.641,85 EUR netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02. Juli 2014 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

31

Er erwidert, das Arbeitsgericht habe zunächst zutreffend deutlich gemacht, dass der Vortrag der Klägerin in weiten Teilen mit Ausnahme des angeblichen und streitigen Vorfalls vom 12. September 2011 keinerlei Bezug zu ihm aufweise. Die Klägerin habe ihrer Klage eine Vielzahl angeblicher Vorkommnisse zugrunde gelegt, welche allerdings schon nach ihrem eigenen Vortrag nichts mit ihm zu tun hätten. Zu Recht habe daher das Arbeitsgericht ausschließlich auf den Vorfall vom 12. September 2011 abgehoben und hierauf bezogen rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Vortrag der Klägerin nicht die Voraussetzungen eines Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldanspruches erfülle. Er bestreite ausdrücklich, dass er am 12. September 2011 gegenüber der Klägerin sein Glied entblößt habe und sich in der von der Klägerin behaupteten Art und Weise ihr gegenüber verhalten habe. Im Übrigen sei der Vortrag der Klägerin bezüglich des angeblichen Vorfalls vom 12. September 2011 in sich widersprüchlich. Diesbezüglich verweise er auf seinen Schriftsatz vom 12. September 2014, in dem er eine Vielzahl von Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten im Vortrag der Klägerin aufgezeigt habe. Die Klägerin habe wegen des angeblichen Vorfalls vom 12. September 2011 mehrere sich widersprechende Sachverhaltsvarianten dargelegt, so dass keine Veranlassung bestehe, hierüber Ausforschungsbeweise zu erheben.

32

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E., F., H. und I.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19. November 2015 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

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Die Berufung der Klägerin hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.

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Zwar ist der von der Klägerin geschilderte Vorfall vom 12. September 2011 mit den von ihr angeführten gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Befundbericht/ärztliche Bescheinigung vom 20. Januar 2012) entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts derart schwerwiegend, dass er bereits für sich allein betrachtet geeignet ist, einen Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ggf. auch ihrer Gesundheit (§§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB) sowie materielle Schadensersatzansprüche im Falle einer vom Beklagten mitverursachten Gesundheitsbeeinträchtigung (§ 823 Abs. 1 BGB) zu begründen. Die als Anspruchstellerin darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat aber den ihr obliegenden Beweis nicht geführt, dass es tatsächlich zu dem - bestrittenen - Vorfall einer sexuellen Belästigung durch den Beklagten am 12. September 2011 gekommen ist.

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Die von ihr benannten Zeugen E., F., H. und I. haben bei ihrer Vernehmung im Termin vom 19. November 2015 den von der Klägerin behaupteten Vorfall vom 12. September 2011 nicht bestätigt. Im Übrigen hat die Klägerin im Termin vom 19. November 2015 auf die Vernehmung der weiteren von ihr benannten Zeugen verzichtet (§ 399 ZPO). Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme lässt sich nicht zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) feststellen, dass es tatsächlich zu dem von der Klägerin behaupteten Vorfall einer sexuellen Belästigung durch den Beklagten am 12. September 2011 gekommen ist. Mit Ausnahme des dem Beklagten konkret vorgeworfenen, aber nicht bewiesenen Vorfalls vom 12. September 2011 hat die Klägerin gemäß der zutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts nicht substantiiert dargelegt, ob und ggf. welche anderen Vorgänge dem Beklagten anzulasten sein sollen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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