Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 SaGa 6/15

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 17. Dezember 2015, Az. 5 SaGa 6/15, wird aufrechterhalten.

2. Die Verfügungsbeklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten nach einseitiger Erledigungserklärung noch darüber, ob das einstweilige Verfügungsverfahren in der Hauptsache erledigt ist.

2

Die Verfügungsklägerin hat mit Schriftsatz vom 05.05.2015 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit folgendem Inhalt beantragt:

3

Der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es bei Meidung einer Ordnungsstrafe bis zu € 250.000,00 […] zu unterlassen, zum Rückgriff zu Wettbewerbszwecken auf die ihr während des Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses bei der Verfügungsklägerin als Prokuristin und Vertriebsleiterin zugänglich gemachten und anvertrauten Unternehmensdaten, namentlich Kunden- und Lieferantendaten, Konditionen und Kalkulationen, diese an Dritte zu überlassen oder durch Dritte verwerten zu lassen oder selbst zu verwerten.

4

Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Urteil vom 11.05.2015 (Az. 1 Ga 5/15) teilweise als unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin.

5

Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat das Landgericht Mannheim am 20.05.2015 (Az. 23 O 36/15) gegen die von der Verfügungsbeklagten gegründete N. GmbH sowie gegen die Verfügungsbeklagte als deren Geschäftsführerin folgende einstweilige Verfügung erlassen:

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Den Antragsgegnerinnen wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000 […] geboten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken auf die von [der Verfügungsbeklagten] in ihrer Eigenschaft als Vertriebsleiterin und Prokuristen der Antragstellerin während des Dienstverhältnisses angefertigten verkörperten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Aufzeichnungen hierüber und gefertigte Abschriften bzw. Kopien, namentlich die Kundenlisten, die Lieferantenlisten, die Konditionenlisten und das Kontraktverzeichnis, sowie Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten der Antragstellerin zuzugreifen und diese zu verwerten.

7

Gegen die einstweilige Unterlassungsverfügung des Landgerichts Mannheim ist kein Widerspruch eingelegt worden.

8

In dem von der Verfügungsklägerin angestrengten Hauptsacheverfahren (Az. 1 Ca 660/15), hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen am 15.10.2016 (Ziff. 3 des Tenors) folgendes Urteil verkündet:

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Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000 […] zu unterlassen, für Wettbewerbszwecke die von ihr während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses bei der Klägerin angefertigten textlichen oder auf Datenträgern enthaltenen Aufzeichnungen der zum Geschäftsgeheimnis der Klägerin gehörenden Kundenlisten, Lieferantenlisten, das Kontraktverzeichnis sowie Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten zu verwerten oder an Dritte zu überlassen oder von diesen verwerten zu lassen.

10

Die Verfügungsklägerin hat im Hinblick auf die Verkündigung des vorläufig vollstreckbaren erstinstanzlichen Urteils im Hauptsacheverfahren, das von der Verfügungsbeklagten mit der Berufung angegriffen wird (Az. 5 Sa 139/16), das einstweilige Verfügungsverfahren im Termin vom 17.12.2015 vor der Berufungskammer in der Hauptsache für erledigt erklärt.

11

Weil im Termin vom 17.12.2015 für die Verfügungsbeklagte niemand erschienen ist, hat die Berufungskammer durch Versäumnisurteil festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist und der Verfügungsbeklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt. Gegen das am 21.12.2015 zugestellte Versäumnisurteil hat die Verfügungsbeklagte am 23.12.2015 Einspruch eingelegt. Sie widerspricht der Erledigungserklärung.

12

Das Landgericht Mannheim hat im dortigen Hauptsacheverfahren (Az. 23 O 79/15) gegen die N. GmbH und die Verfügungsbeklagte als deren Geschäftsführerin am 07.04.2016 folgendes Urteil verkündet:

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Die Beklagten werden bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu € 250.000 […] verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken auf die von [der Verfügungsbeklagten] in ihrer Eigenschaft als Vertriebsleiterin und Prokuristen der Klägerin während des Dienstverhältnisses angefertigten verkörperten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Aufzeichnungen hierüber und gefertigte Abschriften bzw. Kopien in Form von Kundenlisten, Lieferantenlisten, Konditionenlisten und dem Kontraktverzeichnis, sowie Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten der Klägerin zuzugreifen und diese zu verwerten.

14

Das Urteil wird vor dem OLG Karlsruhe mit der Berufung angegriffen (Az. 6 U 121/16).

15

Die Verfügungsbeklagte macht geltend, die Berufung sei von Anfang an unbegründet gewesen, so dass keine Erledigung eingetreten sei. Die Verfügungsklägerin habe nicht hinreichend dargelegt, dass und warum es sich bei den Daten, die sie kopiert haben soll, um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse iSd. § 17 UWG handele. Es sei weder ersichtlich noch von der Verfügungsklägerin dargetan, dass und warum sie die Daten, die sie kopiert haben soll, jemals für geschäftliche Zwecke oder für Zwecke des Wettbewerbs genutzt hätte oder nutzen würde. Die ursprüngliche Doppelung und inzwischen Vervierfachung der Anträge der Verfügungsklägerin erfolge rechtsmissbräuchlich.

16

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

17

das Versäumnisurteil vom 17.12.2015, Az. 5 SaGa 6/15, aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 11.05.2015, Az. 1 Ga 5/15, zurückzuweisen.

18

Die Verfügungsklägerin beantragt,

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das Versäumnisurteil vom 17.12.2015 aufrechtzuerhalten.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akten 5 Sa 83/16 (Kündigungsschutzverfahren) und 5 Sa 139/16 (Hauptsacheverfahren).

Entscheidungsgründe

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Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil der Berufungskammer vom 17.12.2015 ist zwar zulässig (§§ 64 Abs. 7, 59 ArbGG, § 338 ZPO), aber unbegründet. Das Versäumnisurteil der Berufungskammer ist aufrechtzuerhalten, § 343 Satz 1 ZPO. Die Berufung der Verfügungsklägerin ist begründet. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren hat sich erledigt.

22

Die Voraussetzungen der Erledigung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sind erfüllt. Schließt sich die Verfügungsbeklagte - wie hier - der Erledigungserklärung nicht an, erfordert die Feststellung der Erledigung nicht nur, dass der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz durch ein nach Rechtshängigkeit des Eilantrags eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden ist. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung muss darüber hinaus zum Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet gewesen sein. Dies war hier der Fall.

23

Das einstweilige Verfügungsverfahren hat sich erledigt, weil das Arbeitsgericht im Hauptsacheverfahren (Az. 1 Ca 139/16) am 15.10.2015 ein vorläufig vollstreckbares Urteil verkündet hat, aus dem die Verfügungsklägerin vollstrecken kann. Für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist damit der Verfügungsgrund entfallen (vgl. etwa Musielak/Voit/Huber ZPO 13. Aufl. § 916 Rn. 6; Zöller/Vollkommer 31. Aufl. ZPO § 91a Rn. 58 "Arrest und einstweilige Verfügung"; OLG Karlsruhe 24.01.1996 - 6 U 88/95).

24

Vor Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils im Hauptsacheverfahren war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig und begründet. Es bestand sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO). Der Verfügungsanspruch, dh. das dringende Eilbedürfnis für eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz, folgte bereits aus der Gefahr, dass die Verfügungsbeklagte die von ihr kopierten Daten nutzte, um Kunden und Lieferanten der Verfügungsklägerin zur Geschäftsanbahnung zu kontaktieren. Die Verfügungsklägerin hatte auch einen Verfügungsanspruch. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Berufungskammer insoweit Bezug auf die Entscheidungsgründe im Urteil vom 01.09.2016 im Hauptsacheverfahren zwischen den Parteien (Az. 5 Sa 139/16).

25

Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten kann der Verfügungsklägerin kein Rechtsmissbrauch (missbräuchliche Mehrfachverfolgung) vorgeworfen werden, weil sie Unterlassungsansprüche im einstweiligen Verfügungsverfahren und im Hauptsacheverfahren sowohl vor den Gerichten für Arbeitssachen als auch vor den Zivilgerichten verfolgt. Für dieses Vorgehen sind vernünftige Gründe ersichtlich, weil für die Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb, die auch gegen die von der Verfügungsbeklagten gegründete N. GmbH geltend gemacht werden, die Landgerichte - Kammern für Handelssachen - ausschließlich zuständig sind. Die Erhebung einer Zusammenhangsklage scheidet aus (BAG 10.06.2010 - 5 AZR 3/19).

III.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO.

27

Diese Entscheidung ist unanfechtbar, weil die Revision nicht zulässig ist (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

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