Urteil vom Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (6. Kammer) - 6 Sa 18/12

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 01.12.2011 – 5 Ca 134/11 – wird einschließlich des Hilfsantrages aus der Berufungsbegründung auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über (weitere) Ansprüche des Klägers auf Ausbildungsvergütung aus einem zwischenzeitlich beendeten Ausbildungsverhältnis.

2

Der Kläger absolvierte im Zeitraum 01.09.2007 bis 28.02.2011 im Betrieb der Beklagten eine Ausbildung für den Beruf des Konstruktionsmechanikers (Stahl- und Metallbau). Hierzu schlossen die Parteien am 28.08.2007 einen Ausbildungsvertrag ab, der eine monatliche Ausbildungsvergütung – im Verlauf des Ausbildungsverhältnisses ansteigend – von 280,00 bis 400,00 EUR brutto monatlich vorsah. Wegen der weiteren Einzelheiten des vorgenannten Vertrages wird auf Bl. 7 d.A. verwiesen.

3

Die Beklagte fertigt in ihrem Betrieb hauptsächlich Metallgeländer für Straßenbrücken sowie Lärmschutzelemente an. Sie beschäftigt hierzu ca. 47 Mitarbeiter, davon 37 Fachkräfte: Schlosser, Elektromonteure, Schweißer, Maler und Lackierer. Die letztgenannten Mitarbeiter führen – räumlich getrennt – Korrosionsschutzarbeiten durch. Die Beklagte ist seit 1996 in die Handwerksrolle eingetragen und Mitglied der IHK H. . Zur Durchführung der ihr regelmäßig als Subunternehmer übertragenen Arbeiten setzt die Beklagte unstreitig auch technische Gerätschaften ein.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine (weitere) Ausbildungsvergütung nach Maßgabe des Entgelttarifvertrages über die Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt (im Folgenden ETV) zu. Der vertraglichen Vergütungsabrede komme keine Rechtswirksamkeit zu, weil diese die tariflichen Vergütungssätze um mehr als 20% unterschreite und daher nicht mehr angemessen i.S.d. § 17 BBIG sei. Als angemessene Vergütung seien die Sätze aus dem vorstehend genannten Tarifvertrag heranzuziehen.

5

Dieser finde in fachlicher Hinsicht auf den Betrieb der Beklagten Anwendung, da – so hat der Kläger behauptet – die Beklagte die von ihr hergestellten Produkte industriell fertige. Für eine industrielle Prägung der Fertigung spreche auch, dass der Kläger in einem der Metall- und Elektroindustrie zuzuordnenden Beruf ausgebildet worden sei.

6

Für den streitgegenständlichen Zeitraum Januar 2008 bis Februar 2011 hat der Kläger erstinstanzlich weitere Vergütungsansprüche in Höhe von 17.800,22 EUR brutto geltend gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Rechenwerkes wird auf Seite 3, 4 der Klageschrift verwiesen.

7

Der Kläger hat beantragt,

8

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17.800,22 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5.120,00 EUR brutto seit dem 01.01.2009, aus 5.656,00 EUR seit dem 01.01.2010, aus 5.988,00 EUR brutto seit dem 01.01.2011 sowie aus 1.058,00 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie hat die Auffassung vertreten, der im Ausbildungsvertrag vereinbarten Vergütungsabrede komme Rechtswirksamkeit zu. Die dort aufgenommenen Vergütungssätze seien als angemessen i.S.d. § 17 BBiG anzusehen. Die Vereinbarung orientiere sich an den im Abkommen vom 05.06.1997 vereinbarten Sätzen für Auszubildende des metallverarbeitenden Handwerks in Sachsen-Anhalt, das – unstreitig – auch von dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt in dessen Aufstellung „Ausbildungsvergütungen nach Wirtschaftsbereichen im Land Sachsen-Anhalt – Stand 01. April 2009“ aufgeführt werde.

12

Keineswegs sei für die Ermittlung einer angemessenen Ausbildungsvergütung auf die Sätze aus dem ETV zurückzugreifen, da der Betrieb der Beklagten nicht in den fachlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages falle. Die Beklagte stelle vielmehr in handwerklicher Einzelfertigung ihre Produkte her. Eine industrielle Fertigung finde nicht statt. Die hauptsächlich von ihr gefertigten Brückengeländer wie auch Lärmschutzwände werden jeweils – unstreitig – aufgrund eines speziellen Auftrages hergestellt und eingebaut. Dabei dominieren ungeachtet des Einsatzes von technischen Hilfsmitteln die von den Fachkräften durchzuführenden Handarbeiten. Die bei der Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker vermittelten Fähigkeiten und Kenntnisse seien auch in einem Handwerksbetrieb nutzbringend verwendbar.

13

Im Übrigen sei der ETV schon deshalb nicht für die Ermittlung einer angemessen Ausbildungsvergütung heranzuziehen, weil dieser aufgrund des geringen Organisationsgrades der Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie im Land Sachsen-Anhalt in Höhe von lediglich 10 % nicht branchenüblich sei.

14

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 01.12.2011 die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehen keine weiteren Ansprüche auf Ausbildungsvergütung zu. Die Beklagte habe mit der von ihr nach Maßgabe des Ausbildungsvertrages gewährten Vergütung die Ansprüche des Klägers vollumfänglich erfüllt. Dieser Abrede komme Rechtswirksamkeit zu. Der Kläger habe nicht darlegen können, dass die von ihm begehrten Vergütungssätze nach Maßgabe des ETV die für den Betrieb der Beklagten angemessene Vergütung bilden. Aus seinem Sachvortrag lasse sich insbesondere nicht ableiten, dass der Betrieb der Beklagten fachlich diesem Tarifvertrag unterfalle. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 128 – 139 d.A. verwiesen.

15

Gegen dieses, ihm am 16.12.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.01.2012 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.03.2012 am 15.03.2012 begründet.

16

Mit seinem Rechtsmittel verfolgt er hauptsächlich sein erstinstanzliches Klageziel unter rechnerischer Korrektur des Klagantrages weiter und begehrt darüber hinaus hilfsweise weitere Ausbildungsvergütung in Höhe von 8.224,04 EUR brutto.

17

Er behauptet weiter, die Beklagte betreibe eine industriell geprägte Fertigung ihrer Produkte. Ein Austausch der bei der Beklagten tätigen Arbeitnehmer zwischen den einzelnen Herstellungsabschnitten finde nicht statt. Weiterhin sie die Vergütungsabrede wegen Intransparenz unwirksam.

18

Selbst wenn der ETV nicht als Bezugspunkt für die Ermittlung einer angemessenen Ausbildungsvergütung heranzuziehen sei, erweise sich die vereinbarte Ausbildungsvergütung als unangemessen. In diesem Fall sei auf die von der IHK H. im Jahr 2009 herausgegebenen Empfehlungen über die Höhe von Ausbildungsvergütungen im Metallhandwerk zurückzugreifen. Auch von diesen Sätzen weiche die vereinbarte Ausbildungsvergütung um mehr als 20 % nach unten ab und erweise sich daher als nicht angemessen i.S.d. § 17 BBiG. Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Rechenwerkes des Klägers wird auf Seite 10, 11 der Berufungsbegründung verwiesen.

19

Der Kläger beantragt,

20

das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 01.12.2011 – 5 Ca 134/11 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 17.822,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 5.120,00 seit dem 01.01.2009, aus EUR 5.656,00 seit dem 01.01.2010, aus EUR 5.988,00 seit dem 01.01.2011 sowie EUR 1.058,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

21

Hilfsweise,

22

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 8.224,04 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

23

Die Beklagte beantragt,

24

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

25

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und bestreitet weiterhin eine industrielle Ausrichtung ihres Betriebes. Zwar sei es korrekt, dass ihre Fachkräfte den besonderen Fähigkeiten entsprechend bei der Fertigung von Brückengeländern und Lärmschutzwänden eingesetzt werden. Ein Austausch zwischen den Mitarbeitern sei jedoch bei Bedarf ohne Weiteres möglich und im Hinblick auf die Größe des Betriebes im Vertretungsfall auch notwendig.

26

Entgegen der nunmehr zweitinstanzlich geäußerten Auffassung des Klägers seien auch die von der IHK H. herausgegebenen Empfehlungen nicht als Maßstab für die Ermittlung einer angemessenen Ausbildungsvergütung heranzuziehen. Diese Sätze seien nicht als branchenüblich für das Metallhandwerk im Land Sachsen-Anhalt anzusehen. Im Übrigen werden die von dem Kläger insoweit vorgetragenen Monatsbeträge der Höhe nach bestritten.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

28

Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die auf Zahlung von 17.800,22 EUR brutto gerichtete Vergütungsklage (Hauptantrag) zu Recht abgewiesen.

29

Der von dem Kläger im Berufungsrechtszug darüber hinaus hilfsweise verfolgte Anspruch auf Vergütung in Höhe von 8.224,04 EUR brutto ist ebenfalls nicht gegeben.

I.

30

Das mit dem Hauptantrag verfolgte Klagebegehren in Höhe von – rechnerisch richtigen – 17.822,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen ist nicht begründet.

1.

31

Die in der rechnerischen Korrektur des Klagantrages liegende Klagerweiterung ist gemäß §§ 533, 264 Nr. 2 ZPO zulässig.

2.

32

Die diesbezügliche Klage ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die mit dem Hauptantrag verfolgte Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht ein weitergehender Vergütungsanspruch in Höhe von 17.822,00 EUR brutto nebst Zinsen für den Zeitraum Januar 2008 bis Februar 2011 nicht zu.

33

Der Anspruch folgt – weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich – nicht aus § 17 Abs. 1 BBiG, wonach der Auszubildende einen Anspruch auf Zahlung einer angemessen, sich jährlich steigernden Ausbildungsvergütung hat, in Verbindung mit den Bestimmungen des ETV. Die Beklagte hat mit Zahlung der vertraglich vereinbarten Ausbildungsvergütung den Anspruch des Klägers auf eine angemessene Ausbildungsvergütung gem. § 362 Abs. 1 BGB erfüllt. Der getroffenen Vereinbarung kommt Rechtswirksamkeit zu.

34

a. Sie ist nicht nach § 25 BBiG wegen Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 BBiG nichtig. Es lässt sich nicht feststellen, dass die vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist.

35

Eine Ausbildungsvergütung ist angemessen, wenn sie hilft die Lebenshaltungskosten zu bestreiten und zugleich eine Mindestentlohnung für die Leistungen des Auszubildenden darstellt. Die Vertragsparteien haben bei der Höhe der Ausbildungsvergütung einen Spielraum. Daraus folgt, dass sich die Überprüfung nur darauf erstreckt, ob die vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die noch als angemessen anzusehen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichtet, stets als angemessen anzusehen. Fehlt eine tarifliche Regelung, kann auf branchenübliche Sätze abgestellt oder eine der Verkehrsauffassung des betreffenden Industriezweiges entsprechende Vergütung zugrunde gelegt werden. Die Höhe der Ausbildungsvergütung orientiert sich nicht an einem bestimmten Ausbildungsberuf, sondern an der Höhe der Sätze der Ausbildungsvergütung in dem jeweiligen Gewerbe bzw. Industriezweig (BAG 15.12.2005 – 6 AZR 224/05). Dabei ist eine Ausbildungsvergütung, die weniger als 80 % der tariflichen Vergütung beträgt, bei Ausbildungsverhältnissen, die nicht durch öffentliche Gelder finanziert werden, in der Regel nicht mehr angemessen (BAG 08.05.2002 – 6 AZR 191/02).

36

Nach diesen Rechtsgrundsätzen, denen sich die Kammer anschließt, ist – zusammengefasst – eine Ausbildungsvergütung in einem nicht durch Leistungen Dritter subventionierten Ausbildungsverhältnis noch angemessen und damit rechtswirksam vereinbart, wenn sie die für die Branche geltenden tariflichen Sätze nicht um mehr als 20 % unterschreitet. Darlegungspflichtig hierfür ist der eine höhere als die vereinbarte Vergütung begehrende Auszubildende. Dieser Darlegungslast ist der Kläger unter Anwendung der nachstehend aufgeführten Rechtssätze zur Abgrenzung zwischen einem Handwerks- und einem Industriebetrieb nicht nachgekommen.

37

Ein Unterschreiten der für den Betrieb der Beklagten geltenden tariflichen Sätze von mehr als 20 % ist von dem Kläger nicht substantiiert dargelegt worden.

38

aa. Dieses wäre nur anzunehmen, wenn der ETV fachlich für den Betrieb der Beklagten zur Anwendung käme. Voraussetzung hierfür ist, dass dieser Betrieb der Branche der Metall- und Elektroindustrie und nicht dem Metallhandwerk zuzuordnen wäre. Dies lässt sich nach dem sich bietenden Sachverhalt jedoch nicht feststellen. Für die Abgrenzung eines Handwerksbetriebes von einem Industriebetrieb kommt es wesentlich auf die Art und den Umfang der technischen Ausstattung des Betriebes an. Dabei spricht die Verwendung einer Vielzahl von Maschinen dann für eine industrielle Betrachtungsweise, wenn sie keinen Raum mehr für die Entfaltung der Handfertigkeiten lässt. Dienen die Maschinen dagegen nur der Erleichterung der Tätigkeit und der Unterstützung der Handfertigkeit, so spricht dies für die Annahme eines Handwerksbetriebes (BAG 27.06.1984 – 5 AZR 25/83). Im Einzelnen sprechen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 11.03.1981 – 4 AZR 1022/78 – juris Rz. 16 ff.) die folgenden Kriterien für die Zuordnung des Betriebes zum Handwerk:

39

1. Der Arbeitgeber muss als Handwerksmeister in die Handwerksrolle eingetragen sein.

40

2. Die Arbeitnehmer müssen ganz überwiegend „mit der Hand“ arbeiten. Dabei ist Maschinenarbeit, die dem Arbeiter die Handarbeit nur unterstützend erleichtert, ebenfalls noch als handwerkliche Fertigung anzusprechen.

41

3. Zur handwerklichen Fertigung gehört es weiter, dass die Produktion für den einzelnen namentlich feststehenden oder doch jedenfalls feststellbaren Kunden vorgenommen wird, nicht aber für den allgemeinen Markt.

42

4. Unschädlich ist, wenn ein Auftraggeber bzw. Besteller seinerseits ein Industriebetrieb ist.

43

5. Auch ein großer Personalbestand und ein beträchtlicher Umsatz sind unschädlich, da es inzwischen im Gefolge der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung den Begriff des „Großhandwerkers“ gibt.

44

Nach diesen Abgrenzungskriterien, denen sich die Kammer anschließt, lässt sich aus dem vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt in Verbindung mit dem unstreitigen Sachvortrag eine industrielle Ausrichtung des Betriebes der Beklagten, die demselben sein Gepräge gibt, nicht ableiten.

45

Dem steht bereits entgegen, dass die Beklagte in die Handwerksrolle seit dem Jahr 1996 eingetragen ist. Diesem Vortrag ist der Kläger, nachdem die Beklagte eine entsprechende Bestätigung zur Akte gereicht hat, nicht substantiiert entgegengetreten.

46

Weiter hat der Kläger eine industriell geprägte Produktion im Betrieb der Beklagten nicht darlegen können. Unstreitig stellt die Beklagte überwiegend Brückengeländer und Lärmschutzvorrichtungen an Straßen her. Dies geschieht ebenfalls unstreitig nicht „auf Vorrat“ für den allgemeinen Markt, sondern auftragsbezogen im Wege der Einzelanfertigung. Diese Produktionsweise spricht für eine handwerkliche Struktur des Betriebes. Gleiches gilt für den Einsatz der überwiegend – auch dies ist unstreitig – als Schlosser und Schweißer ausgebildeten gewerblichen Arbeitnehmer. Sachvortrag dahingehend, dass diese die Brückengeländer arbeitsteilig „am Fließband fertigen“, ist nicht dargetan. Zwar trägt der Kläger vor, die Arbeitnehmer seien auf einzelne Arbeitsschritte spezialisiert. Hieraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass ein Austausch der Arbeitnehmer bei Bedarf nicht erfolgen kann. Gegen eine solche Annahme (kein Austausch) spricht bereits die Größe des Betriebes. Die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass bei einem Bestand von 37 Fachkräften eine universelle Einsetzbarkeit, z.B. bei erhöhtem Arbeitsbedarf oder krankheitsbedingten Ausfällen, unverzichtbar ist, um die Produktion aufrecht zu erhalten. Ebenso wenig liegt Sachvortrag dahin vor, dass die Herstellung der Brückengeländer und Lärmschutzelemente überwiegend durch den Einsatz von technischen Geräten erfolgt, die menschliche Arbeitskraft also nur eine untergeordnete Rolle spielt. Aus dem Einsatz der von dem Kläger benannten technischen Geräte ergibt sich jedenfalls nicht nachvollziehbar, dass die unstreitig im Betrieb tätigen Fachkräfte quasi nur noch die ordnungsgemäße Funktion der Maschinen zu überprüfen haben.

47

Dahinstehen kann, auf welcher Grundlage die Mitgliedschaft der Beklagten in der IHK H. beruht, weil es für die tarifrechtliche Abgrenzung nicht auf gewerberechtliche Elemente ankommt (BAG 11.03.1981 aaO). Gleiches gilt für die Art der Ausbildung, die die Beklagte in ihrem Betrieb anbietet. Auch insoweit ist der Kläger dem Sachvortrag der Beklagten, ein Konstruktionsmechaniker sei in einem Handwerksbetrieb einsetzbar, nicht substantiiert entgegengetreten.

48

bb. Die danach für die Bewertung der Angemessenheit weiter in Betracht kommenden Sätze aus dem Abkommen für Auszubildende des metallverarbeitenden Handwerks in Sachsen-Anhalt vom 05.06.1997 begründen keine Abweichung der vereinbarten Vergütung um mehr als 20 % zuungunsten des Klägers.

49

b. Die Vergütungsabrede in Lit. E des Ausbildungsvertrages ist schließlich nicht wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (Transparenzgebot) rechtsunwirksam. Die Bestimmung regelt vielmehr exakt die Höhe der monatlichen Ausbildungsvergütung bezogen auf das jeweilige Ausbildungsjahr. Die von dem Kläger bemängelte Intransparenz folgt nicht aus der Abrede über die Vergütungshöhe, sondern aus der außerhalb des Vertrages liegenden, zwischen den Parteien streitigen Branchenzuordnung des Betriebes der Beklagten.

II.

50

Auch der nach den vorstehenden Ausführungen zur Entscheidung angefallene Hilfsantrag gerichtet auf Zahlung weiterer Ausbildungsvergütung in Höhe von 8.224,04 EUR brutto nebst Zinsen für den Zeitraum Januar 2008 bis Februar 2011 konnte keinen Erfolg haben.

1.

51

Der Hilfsantrag stellt gemäß §§ 533, 264 Nr. 1 ZPO keine Klagerweiterung dar. Der Sache nach ergänzt der Kläger in der Berufungsbegründung lediglich den Sachvortrag dahin, dass sein Anspruch auf angemessene Ausbildungsvergütung sich jedenfalls (teilweise) aus den von ihm nunmehr in den Rechtsstreit eingeführten Empfehlungen der IHK H. ergebe. Damit wird der bisherige Streitgegenstand nicht erweitert.

2.

52

Für den Kläger besteht jedoch auch nicht gemäß §§ 17 Abs. 1, 25 BBiG in Verbindung mit den IHK-Empfehlungen ein weiterer Vergütungsanspruch in der vorgenannten Höhe. Fehlt eine tarifliche Regelung auf die für die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung zurückgegriffen werden kann, kann auf branchenübliche Sätze abgestellt oder eine der Verkehrsauffassung des betreffenden Industriezweiges entsprechende Vergütung zugrunde gelegt werden (BAG 15.12.2005 – 6 AZR 224/05).

53

a. Dahin stehen kann, ob das Abkommen für Auszubildende des metallverarbeitenden Handwerks in Sachsen-Anhalt vom 05.06.1997 für den hier maßgeblichen Zeitraum noch als Orientierung im Sinne eines einschlägigen Tarifvertrages anzusehen ist und bereits dadurch ein Rückgriff auf die Empfehlungen der IHK „gesperrt“ ist.

54

b. Jedenfalls fehlt es an Sachvortrag des Klägers, dass die aus dem Jahr 2009 stammenden Empfehlungen der IHK die branchenübliche Ausbildungsvergütung im metallverarbeitenden Handwerk des Landes Sachsen-Anhalt im streitgegenständlichen Zeitraum darstellen. Eine Üblichkeit der Tarifvergütung kann angenommen werden, wenn mehr als 50 % der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebietes tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 % der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebietes beschäftigen (BAG 22.04.2009 – 5 AZR 436/08 – Rn. 24).

55

Der Kläger hat in der Berufungsbegründung keine näheren Angaben dazu gemacht, in welchem Umfang sich die vorgenannten Empfehlungen der IHK H. in Betrieben des metallverarbeitenden Handwerks in Sachsen-Anhalt bei dem Abschluss von Ausbildungsverträgen niederschlagen.

56

Aus der von dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt herausgegebenen Übersicht zu Ausbildungsvergütungen – Stand 01.04.2009 – ergibt sich jedenfalls keine Branchenüblichkeit der von der IHK empfohlenen Sätze. Die Übersicht – wie auch die fortgeschriebene Übersicht Stand 01.02.2012 – verweist vielmehr auf das vorgenannte Abkommen für Auszubildende des metallverarbeitenden Handwerks.

57

c. Aus den vorgenannten Gründen kann nach dem sich bietenden Sachverhalt auch nicht festgestellt werden, dass die in den Empfehlungen genannten Sätze der Verkehrsauffassung der hier maßgeblichen Branche entsprechen.

III.

58

Nach alledem konnte das Rechtsmittel des Klägers keinen Erfolg haben.

B.

59

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

C.

60

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt.

61

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nach Auffassung der Kammer nicht vor. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab. Im Hinblick auf die betriebliche Struktur der Beklagten vermag die Kammer den entscheidungserheblichen Rechtsfragen auch hinsichtlich der Abgrenzung zwischen einem handwerklichen und einem industriell geprägten Betrieb keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen.

62

Auf § 72 a ArbGG wird hingewiesen.


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