Urteil vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (5. Kammer) - 5 Sa 414/15
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 12.08.2015, Az. 3 Ca 341 d/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien führen in der Berufungsinstanz eine Bestandsstreitigkeit und streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers nach Betriebsaufspaltung sowie einer zwischenzeitlich vollzogenen Unternehmensaufspaltung auf die Beklagte (erstinstanzlich Beklagte zu 1.) übergegangen ist.
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Der 52-jährige Kläger war bei L. R. Services GmbH, der Rechtsvorgängerin der Beklagten (künftig: LRS), die zwischenzeitlich durch gesellschaftsrechtliche Aufspaltung erloschen ist, seit dem 29.05.1987 zuletzt als Sachbearbeiter Prorate in deren N.er Betrieb beschäftigt. Neben dem N.er Betrieb mit rund 300 Mitarbeitern unterhielt die LRS noch einen weiteren Betrieb in B.. Die LRS war ein reines Dienstleistungsunternehmen und eine Tochtergesellschaft des L.konzerns. Die Konzernmutter war die Hauptauftraggeberin der LRS, welche Produkte und Lösungen im Bereich Revenue Accounting anbot. Der Betrieb der LRS war auf Verfahren und Prozesse zur systematischen Analyse von Daten in elektronischer Form im Bereich der Abrechnungen im Luftverkehr spezialisiert. Sie entwickelte Software zur Aufbereitung und Berichterstattung der gesamten Erlös- und Leistungsdaten aus dem Passagiergeschäft des L.konzerns. Die gewonnenen Fluginformationen werden zur Verrechnung mit anderen Fluggesellschaften analysiert und den Buchhaltungs- und Management-Informationssystemen termingerecht zur Verfügung gestellt.
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Um die Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns gewährleisten zu können, beschloss der Vorstand der Muttergesellschaft im Rahmen eines konzernweiten Programms zur Restrukturierung und Kostensenkung nach einer Begutachtung der LRS, die bisherigen von der LRS durchgeführten Aufträge künftig an Dritte, d. h. teils an konzernangehörige, aber auch konzernfremde Gesellschaften im Ausland und teils an eine konzernangehörige Gesellschaft im Inland zu vergeben.
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Aufgrund des zukünftigen Auftragsverlustes beschloss die Gesellschafterversammlung der LRS, das Unternehmen LRS aufzuspalten. Parallel hierzu beschloss die Geschäftsführung der LRS, ihren Betrieb in N. entsprechend diesem Spaltungsplan aufzuspalten. Zu diesem Zweck verteilte die LRS alle anfallenden Aufgaben und Prozesse des einheitlichen N.er Betriebs auf zwei Betriebe, die „LGBS“ mit Standort H. und die „LRS neu“ mit Standort N. mit der Zielsetzung, dass diese neu geschaffenen Betriebe hernach auf die neu zu gründenden Gesellschaften L. G. B. Service GmbH (Beklagte) und die L. J. Service GmbH (LJS, erstinstanzlich Beklagte zu 2.) aufgespalten werden sollten. Im Rahmen der Betriebsspaltung übertrug die LRS diejenigen Aufgaben, die weiterhin in Deutschland ausgeführt werden sollten, nebst entsprechenden Arbeitsplätzen und Arbeitnehmern auf den Betrieb „LGBS H.“ und solche, die mittelfristig ins Ausland verlagert werden sollten und damit in Deutschland wegfallen würden, auf den Betrieb „LRS neu“.
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Im Hinblick auf die mit der Spaltung des N.er Betriebs verbundene Betriebsänderung schloss die LRS mit ihrem Betriebsrat zunächst am 08.10.2013 (Bl. 10 ff. d. A.) und am 06.03.2014 einen neuen aktuellen Interessenausgleich mit Namensliste sowie am 18.07.2014 (Bl. 185 ff. d. A.) im Hinblick auf Mitarbeiterfluktuationen eine Ergänzungsvereinbarung mit aktualisierter Namensliste (Bl. 200 ff. d. A.). Die Mitarbeiter in den Namenslisten sind nach Aufgaben und Prozessen erfasst. Die zuletzt gültige Namensliste Anlage 3 (Bl. 202-204 d. A.) erfasst die Mitarbeiter, die nach der Spaltung dem Betrieb „LGBS H.“ zugeordnet waren, die Namensliste Anlage 4 (Bl. 206-211 d. A.) erfasst die Mitarbeiter, die nach der Spaltung dem Betrieb „LRS neu“ zugeordnet waren. Der Interessenausgleich vom 06.03.2014 hat - soweit hier von Belang - folgende Regelungen:
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„B. Gegenstand der Betriebsänderung
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(1) Im Zuge der Aufspaltung des Unternehmens LRS wird auch der Betrieb N. gespalten und die dort beschäftigten Mitarbeiter auf die „LRS neu“ und auf die „LGBS H.“ aufgeteilt. Die Spaltung des Betriebs wird mit Wirkung zum 01.01.2015 durchgeführt.
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(2) Die „LGBS H.“ wird ihren Betrieb in H., …, aufnehmen und dort die sich aus der Anlage 1 ergebenden Bereiche bis zum 31.12.2018 fortführen.
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(3) Die „LRS neu“ wird am Standort N. ihren Betrieb aufnehmen. Dieser Betrieb wird bis zum 31.12.2019 aufrechterhalten. Zum 31.12.2019 wird der Betrieb vollständig geschlossen, es sei denn, es befinden sich zu einem früheren Zeitpunkt keine Mitarbeiter mehr in einem Beschäftigungsverhältnis mit der „LRS neu“.
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(4) Sowohl aus den Bereichen „LRS neu“ als auch „LGBS H.“ werden die Gruppen DP/I-D und DP/I-P von dem Betrieb abgespalten und ausgegliedert. Eine Liste der davon betroffenen Arbeitnehmer ist als Anlage 1A diesem Interessenausgleich beigefügt. Beide Gruppen werden Gegenstand eines Teilbetriebsübergangs.
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C Durchführung
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…
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(2) Die von der Ausgliederung entsprechend Abschnitt B Ziffer 4 dieses Interessenausgleiches betroffenen Mitarbeiter der Gruppen DP/I-D und DP/I-P werden den Betriebsmitteln der Gruppen folgend voraussichtlich zum 01.06.2014 im Wege eines Teilbetriebsübergangs auf die L. Systems AG, Betrieb H. übergehen. Entsprechend den Regelungen des § 613 a BGB haben die Mitarbeiter das Recht, diesem Übergang zu widersprechen. Über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs werden die Mitarbeiter entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des § 613 a BGB schriftlich informiert. Dieses Schreiben wird dem Betriebsrat vor Versendung an die Mitarbeiter zur Kenntnis gebracht. Soweit Mitarbeiter dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die L. Systems AG widersprechen, verbleiben sie zunächst bei der LRS. Im Rahmen der LRS verbleibt es bei der Zuordnung auf den als Anlage 3 (LGBS H.) beziehungsweise Anlage 4 (LRS neu) vorgenommenen Zuordnung.
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(3) Mit rechtlicher Wirkung zum 01.01.2015 wird in Folge eines Spaltungsvertrages und eines Spaltungsplanes die LRS GmbH aufgespalten. Die Spaltung der LRS GmbH wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 2014 beschlossen und 2015 eingetragen, und damit ggf. rückwirkend zum 01.01.2015 wirksam. Im Zusammenhang mit dieser Unternehmensaufspaltung wird auch der bisherige einheitliche Betrieb der LRS GmbH in N. gespalten. Die Spaltung des Betriebes wird mit Wirkung zum 01.01.2015 ggf. im Vorgriff auf die gesellschaftsrechtliche Spaltung, die erst mit der Eintragung ins Handelsregister formell wirksam ist, durchgeführt. Die Mitarbeiter werden analog der von ihnen bisher ausgeführten Aufgaben auf die beiden Gesellschaften, die „LRS neu“ einerseits und die „LGBS H.” andererseits aufgeteilt und zugeordnet. Soweit die Gesellschaften zum Zeitpunkt der Betriebsspaltung noch nicht Rechtsnachfolger geworden sind, werden zwei selbstständige betriebliche Einheiten gebildet, die sodann mit Wirksamwerden der Aufspaltung auf die beiden Gesellschaften übertragen werden.
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(4) Diesem Interessenausgleich ist als Anlage 3 eine Mitarbeiterliste gemäß § 323 Abs. 2 UmwG beigefügt, die die Namen der Mitarbeiter enthält, die auf die „LGBS H.“ übergehen. Die Aufgaben dieser Mitarbeiter werden entsprechend dem Shoring-Konzept auf die „LGBS H.“ übertragen. Die betroffenen Mitarbeiter sind im Rahmen des Interessenausgleichs wie auch im Spaltungsvertrag daher der „LGBS H.“ zugeordnet worden und gehen auf die über.
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(5) Diesem Interessenausgleich ist als Anlage 4 eine Mitarbeiterliste gemäß § 323 Abs. 2 UmwG beigefügt, die die Namen der Mitarbeiter enthält, die auf die „LRS neu“ übergehen. Die Aufgaben dieser Mitarbeiter werden entweder entsprechend dem Shoring-Konzept fremd vergeben und entfallen damit oder werden im weiteren Zeitablauf nicht mehr benötigt und entfallen deshalb. Die betroffenen Mitarbeiter sind im Rahmen des Interessenausgleichs wie auch im Spaltungsvertrag der „LRS neu“ zugeordnet worden und gehen auf die über.
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…
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(8) Der Betrieb der „LRS neu“ wird am Standort N. bis zum 31.12.2019 verbleiben und die Arbeitsverhältnisse der auf der Anlage 4 verzeichneten Mitarbeiter gemäß §§ 126 ff, 324 UmwG fortsetzen, es sei denn, es befinden sich zu einem früheren Zeitpunkt keine Mitarbeiter mehr in einem Beschäftigungsverhältnis mit der „LRS neu“, Betrieb N..
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Neben der punktuellen Abarbeitung einzelner Aufgaben werden die betreffenden Mitarbeiter im Rahmen eines Weiterbildungs- und Schulungskonzeptes für den internen, wie externen Arbeitsmarkt weitergebildet. Die betreffenden Mitarbeiter werden in das Clearing-Verfahren entsprechend der Konzernbetriebsvereinbarung der Deutschen L. AG, beigefügt als Anlage 5, aufgenommen. Konzerninterne wie -externe Arbeitnehmerüberlassung für die Mitarbeiter der „LRS neu“ ist möglich. Arbeitnehmerüberlassung darf nur auf Stellen erfolgen, die zumutbar i. S. d. § 4 Abs. 1 - 5 Konzern-SP sind. Sie darf die Weiterbildung und Schulung nicht behindern.
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…
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(9) Die für die „LRS neu“, Betrieb N. vorgesehenen und auf der Anlage 4 zu diesem Interessenausgleich verzeichneten Mitarbeiter erhalten darüber hinaus die Möglichkeit aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Die Einzelheiten regelt eine Betriebsvereinbarung zum freiwilligen Ausscheiden, welche diesem Interessenausgleich als Anlage 6 informatorisch beigefügt ist.
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…
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Der Arbeitgeber plant, allen Mitarbeitern der „LRS neu“, die bis 31.12.2018 keinen Altersteilzeitarbeitsvertrag abgeschlossen haben, kein neues Arbeitsverhältnis im Rahmen des Clearingverfahrens eingegangen sind und auch keinen Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben, unter Beachtung der tariflichen Kündigungsfristen die ordentliche oder außerordentliche Kündigung ihres Anstellungsverhältnisses aus betrieblichen Gründen mit Wirkung zum 31.12.2019 auszusprechen.
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Eine betriebsbedingte Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt ist ausgeschlossen, es sei denn, der Mitarbeiter würde einen nach dem Tarifvertrag Schutzabkommen, in der jeweils geltenden Fassung, zumutbaren Arbeitsplatz ablehnen.
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…“
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Mit Stand der Namenslisten vom 18.07.2014 waren 189 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „LRS neu“ (Anlage 4 zum Interessenausgleich) und 117 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „LGBS H.“ (Anlage 3 zum Interessenausgleich), d. h. der späteren Beklagten, zugeordnet.
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Der Kläger ist namentlich in der Namensliste Anlage 4 als sogenannter Allrounder RA 2 des Organisationsbereichs DP/A-E auf der Ebene Interline aufgeführt (Bl. 208 d. A.). In der operativen Einheit DP-A/E, der der Kläger angehörte, waren 47 Mitarbeiter tätig, von denen in den Namenslisten 40 der „LRS neu“ (= Beklagte zu 2) und nur sieben der LGBS (Beklagte zu 1) zugeordnet waren. Der Kläger war im Wesentlichen mit der Bearbeitung von Eingangsrechnungen befasst. Die Tätigkeiten des Klägers sind in dem Zwischenzeugnis vom 17.01.2014 wie folgt aufgeführt (Bl. 24 d. A.)
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- Monetäre Bewertung von Flug-Coupons nach definierten Abrechnungsverfahren (Prorate im Non-Sampling-Bereich)
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- Eigenverantwortliche Prüfung aller in Eingangsrechnungen belasteten Passagedokumente gemäß der international vereinbarten Tarif-, Prorate- und Abrechnungsregeln unter Berücksichtigung bilateraler und multilateraler Sonderabkommen
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- Prüfung und Klärung von abweichenden Bewegungen anderer Fluggesellschaften
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- Prozessbegleitende Qualitätssicherung und eigenständige Terminüberwachung im direkten Arbeitsumfeld
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- Qualitätssicherung von relevanten Stammdaten im SAP-basierten Abrechnungssystem
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- Vertreten von definierten Interessen (z. B. bei Kunden und in Arbeitsgruppen)
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- Führen von Korrespondenz in englischer Sprache im Rahmen von Verkehrsabrechnungen mit anderen Airlines weltweit
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- Aufbereitung von Argumentationshilfen und Empfehlungen für Verhandlungen bei Streitfällen mit anderen Fluggesellschaften
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- Erkennen und Beschreiben von systematischen Fehlern zur Unterstützung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses gemäß der DIN ISO 9001 Vergabe
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Mit Schreiben vom 21.10.2013 informierte die Beklagte den Kläger vorab darüber, dass er infolge des Abschlusses des Interessenausgleichs der „LRS neu“ zugeordnet sei (Bl. 32 d. A.). Mit E-Mail vom 05.01.2015 versandten die LRS sowie die Beklagte zu 1) Neujahrsglückwünsche an ihre Kunden, Kollegen und Kolleginnen und informierten über den Fortschritt der strukturellen Veränderungen bei der LRS. Auszugsweise heißt es dort (Bl. 33 d. A.):
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„… Aus der Rechtsnachfolge durch LGBS ergibt sich die Überführung der unveränderten Verträge von LRS auf LGBS. Damit gehen sämtliche bisherigen Rechte und Pflichten auf LGBS über. Bereits im November 2014 haben die Mitarbeiter der LGBS H. auf der L. Basis H. neue Räumlichkeiten bezogen. ...“
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Mit „Informationsschreiben nach § 613a BGB“ vom 16.04.2015 unterrichtete die Beklagte den Kläger über den gesetzlichen Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der LRS auf die neu gegründete LJS, d. h. die Beklagte zu 2) (Bl. 140 - 155 d. A.). Die Spaltung der LRS auf die, die LGBS (Beklagte zu 1), die LJS (Beklagte zu 2), sowie die LCH Grundstücksgesellschaft B. mbH wurde am 27.05.2015 in die Handelsregister der jeweils zuständigen Amtsgerichte eingetragen.
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Die Muttergesellschaft lagerte zwischenzeitlich die Bearbeitung von Eingangsrechnungen, d. h. die Aufgaben der ersten drei Aufzählpunkte aus dem oben genannten Zwischenzeugnis, zu einem Provider nach Indien aus. Diese Tätigkeiten, die 80 % der Gesamtarbeitszeit des Klägers ausmachten, werden mithin weder bei der Beklagten zu 1) noch bei der Beklagten zu 2) ausgeführt.
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Am 30.03.2015 hat der Kläger wegen behaupteter falscher Zuordnung bei der geplanten Betriebs- und nachfolgenden Unternehmensspaltung vor dem Arbeitsgericht Klage erhoben.
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Der Kläger hat beantragt
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1. festzustellen, dass seit dem 27.05.2015 zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) ein Arbeitsverhältnis besteht zu den Bedingungen des Arbeitsverhältnisses, das bis zum 26.05.2015 zwischen dem Kläger und der L. R. Services GmbH bestanden hat;
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2. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, den Kläger zu den zuletzt zwischen dem Kläger und der L. R. Services GmbH geltenden Arbeitsvertragsbedingungen als Allrounder II weiterzubeschäftigen;
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hilfsweise
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3. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den Kläger zu den Bedingungen des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages vom 11.06.1987 mit Tätigkeiten eines Allrounder II gemäß Tarifvertrag Vergütungssystem Boden DLH zu beschäftigen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen des weiteren, insbesondere streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.08.2015 insgesamt abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei nicht gemäß § 613a BGB durch Betriebsübergang von der LRS auf die Beklagte zu 1) übergegangen. Es sei kein eigenständiger abgrenzbarer Teilbetrieb, dem der Kläger angehört habe, von der LRS auf die Beklagte zu 1) übergegangen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 324 UmwG. Dies habe nicht einmal der Kläger selbst behauptet. Vielmehr sei der N.er Betrieb der LRS auf die Beklagten zu 1) und 2) aufgespalten worden. Der Interessenausgleich mit Namensliste sei wirksam zustande gekommen. Für den Abschluss des Interessenausgleichs sei der örtliche Betriebsrat zuständig gewesen und nicht gemäß § 58 BetrVG der Konzernbetriebsrat. Die Namensliste sei auch nicht grob fehlerhaft. Auch die Tatsache, dass einige Mitarbeiter, mit denen der Kläger bisher zusammengearbeitet habe, der Beklagten zu 1) zugeordnet worden seien, belege nicht die grobe Fehlerhaftigkeit. Der gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Hilfsantrag sei ebenfalls unbegründet. Es liege auch keine unzulässige Versetzung vor. Arbeitsvertraglich habe sich der Kläger damit einverstanden erklärt, auch andere als die ursprünglich zugewiesenen Tätigkeiten zu übernehmen. Zudem seien die Tätigkeiten eines Allrounders 2 arbeitsvertraglich nicht festgelegt. Sofern die Beklagte dem Kläger Tätigkeiten der Vergütungsgruppe 6 zuweise, verhalte sie sich innerhalb des arbeitsvertraglich geregelten Direktionsrechts.
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Gegen das ihm am 03.09.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.10.2015 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 03.12.2015 am 02.12.2015 begründet. Den gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Hilfsantrag zu 3) hat der Kläger im Berufungstermin mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen, sodass die Beklagte zu 1) im Berufungsverfahren die einzige Beklagte ist.
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Der Kläger ist der Auffassung,
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die Aufspaltung der ehemaligen LRS auf die Beklagte und die LJS erweise sich als eine nach § 324 UmwG unzulässige Umgehung der Rechtsfolgen des § 613a BGB sowie kündigungsschutzrechtlicher Vorschriften. Der Betrieb der LRS sei nicht untergegangen, sondern werde in modifizierter Form durch die Beklagte weitergeführt. Die Modifikation beziehe sich nicht auf die grundlegenden inhaltlichen Aspekte der Arbeitsaufgaben der Beklagten, sondern allein auf deren Umfang. Ein Teil der ehemaligen Aufgaben sei durch Outsourcing ins Ausland weggefallen. Die Beklagte führe weiterhin alle Aufgaben der Qualitätssicherung durch. Sie sei mithin für den reibungslosen Ablauf des Revenue Accountings zuständig. Sie überwache die Tätigkeiten und Zuarbeiten derjenigen Prozesse, die im Ausland bearbeitet würden. Dies seien auch die Aufgaben der vormaligen LRS gewesen. Auch damals seien bereits Prozesse des Revenue Accountings im Ausland bearbeitet worden. Jetzt seien lediglich weitere Prozesse ausgelagert worden. Zudem habe die Beklagte sämtliche Vereinbarungen der LRS, d. h. 89 Lieferantenverträge und 82 Kundenverträge übernommen. Aus dem Spaltungsvertrag ergebe sich, dass die LRS das gesamte Know how, d. h. die gesamten erforderlichen Verträge, zur weiteren Erbringung der Dienstleistungen der Revenue Accountings auf die Beklagte übertragen habe. Dies ergebe sich auch aus der E-Mail vom 05.01.2015 (Anlage K 5, Bl. 33 d. A.). Vertragspartner der Lieferanten- und Kundenverträge der LRS sei die Beklagte geworden. Sie verantworte mithin weiterhin die Qualität des Revenue Accountings in gleicher Weise wie zuvor die LRS. Die Beklagte habe mithin den N.er Betrieb der LRS übernommen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Beklagte nur einen Teil des Personals des N.er Betriebs der LRS übernommen habe. Der Kläger verweist insoweit auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 20.01.2011 - C-463/09 -. Es könne mithin nicht maßgeblich sein, dass die LRS vor der Unternehmensspaltung die Betriebe „LGBS H.“ und „LRS neu N.“ gebildet habe. Diese Betriebsspaltung sei ausschließlich zum Zwecke der Unternehmensspaltung erfolgt. Zudem dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass er, der Kläger, durch die Umstrukturierung in einer Qualifizierungsgesellschaft beschäftigt werde. Ein Übergang in eine solche Qualifizierungsgesellschaft dürfe nicht ohne seine Zustimmung erfolgen. Ihm würden auch keine Tätigkeiten der Vergütungsgruppe 6 zugewiesen. Seit November 2014 habe er keine konkreten Aufgaben mehr gehabt. Sein ehemaliger Vorgesetzter W. sei der Beklagten zugewiesen und nunmehr in H. tätig. Es liege eine unzulässige Versetzung vor. Sein Einsatz bei der LJS sei nicht durch das Direktionsrecht gedeckt. Es liege auch ein Verstoß gegen § 6 Abs. 5 des Tarifvertrages zum Schutz vor nachteiligen Folgen aus Rationalisierungsmaßnahmen (TV-Ratio) vor. Durch die unzulässige Versetzung/Zuordnung sei seine kündigungsschutzrechtliche Stellung unzulässig verschlechtert. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass er infolge des Interessenausgleichs zur Kündigung zum 31.12.2019 anstehe. Er, der Kläger, könne durch die Versetzung/Zuordnung zur LJS nicht wirksam einseitig verpflichtet werden, an der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mitzuwirken. Zudem sei der Interessenausgleich mit Namensliste nicht wirksam abgeschlossen worden. Für die Unternehmensspaltung der LRS sei deren Gesamtbetriebsrat zuständig gewesen. Die LRS habe ursprünglich geplant, ihren B.er Betrieb zum 31.12.2014 stillzulegen und deshalb einen Interessenausgleich mit dem örtlichen (B.) Betriebsrat am 09.12.2012 geschlossen. Von der Unternehmensspaltung seien indessen alle Betriebe der LRS, mithin der N.er und der B. Betrieb, betroffen gewesen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 12.08.2015, Az. 3 Ca 341 d/15, abzuändern und
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1. festzustellen, dass seit dem 27.05.2015 zwischen dem Kläger und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht zu den Bedingungen des Arbeitsverhältnisses, das bis zum 26.05.2015 zwischen dem Kläger und der L. R. Services GmbH bestanden hat;
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2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den zuletzt zwischen dem Kläger und der L. R. Services GmbH geltenden Arbeitsvertragsbedingungen als Allrounder II weiterzubeschäftigen;
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagten verteidigen
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das angefochtene Urteil. Sie, die Beklagte, habe nicht den gesamten N.er Betrieb der LRS übernommen. Unstreitig seien wesentliche Arbeitsaufgaben des N.er Betriebs migriert worden auf die indische Firma TCS. Sie, die Beklagte, habe nur ca. 120 der vormals über 300 bei der LRS in N. beschäftigten Arbeitnehmer übernommen. Es liege weder ein Betriebsübergang insgesamt noch ein Betriebsteilübergang vor. Der ursprüngliche Betrieb sei zerschlagen worden. Die Betriebsspaltung sei nach Prozessen erfolgt, d. h. nach Arbeitsvorgängen und den entsprechend zugehörigen Arbeitnehmern und Betriebsmitteln. Der Kläger sei entsprechend seiner früheren Tätigkeit, die migriert worden sei, im Interessenausgleich der „LRS neu“ zugeordnet worden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Spaltungsvertrag. Insbesondere habe sie, die Beklagte, nicht sämtliche Lieferanten- und Kundenverträge der LRS unverändert übernommen. Die der Tätigkeit der LRS zugrunde liegende Rahmenvereinbarung mit der Deutschen L. AG sei vielmehr im Vorfeld im Hinblick auf die reduzierten Prozesse angepasst und verändert worden. Folgende Prozesse, die die LRS durchgeführt habe, seien sukzessive auf die indische TCS migriert worden: Up-Lift-Papierprozesse, Match-Error-Prozesse, Interline-Prozesse sowie Plausibilitätsprüfung bestimmter Konten. Hierbei habe es sich um die produktiven Geschäfte der LRS gehandelt. Diese eigentlichen manuellen Tätigkeiten des Revenue Accountings seien ausgelagert worden und würden unstreitig unter Nutzung des Softwaresystems der LRS (SIRAX) durch die indische Fa. TCS ausgeführt. Ihr, der Beklagten, falle demgegenüber nur die qualifizierte Auftraggeberschaft für das Revenue Accounting zu. Es handele sich dabei um Kontakt zum und Kontrolle des Dienstleisters TCS für den Hauptauftraggeber Deutsche L. AG und die weiteren Airlines. Ihr obliege mithin die Steuerung des Providers, die Qualitätssicherung sowie verschiedene Sonderprozesse übernommen. Sie habe mithin weder das gesamte Know how noch die gesamten Betriebsmittel der LRS übernommen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze sowie der Sitzungsniederschrift vom 07.07.2016 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.
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In der Sache selbst hat die Berufung indessen keinen Erfolg.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht insgesamt abgewiesen. Der Feststellungsantrag und der noch rechtshängige Weiterbeschäftigungsantrag sind zulässig, aber unbegründet. Der gegen die Beklagte gerichtete Feststellungsantrag ist unbegründet, weil zwischen ihr und dem Kläger kein Arbeitsverhältnis besteht (A.). Infolgedessen hat der Kläger auch keinen Beschäftigungsanspruch gegenüber der Beklagten (B.).
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A. Der Feststellungsantrag ist unbegründet, da das Arbeitsverhältnis des Klägers infolge der Unternehmensspaltung der LRS auf die übernehmende LJS und nicht auf die Beklagte übergegangen ist. Dies ist die Konsequenz der von der LRS zur Vorbereitung der Unternehmensspaltung bereits vollzogenen Spaltung des N.er Betriebs und des dieser Betriebsänderung zugrundeliegenden Interessenausgleichs mit Namensliste. Die Betriebsparteien haben in dem Interessenausgleich mit der Namensliste vom 06.03.2014 in der Fassung vom 18.07.2014 eine Zuordnungsentscheidung nach § 323 Abs. 2 UmwG getroffen, wonach der Kläger dem Betrieb der „LRS neu“ in N. zugeordnet war. Der Betrieb „LRS neu“ ist mit der Unternehmensspaltung der LRS auf die neu gegründete LJS übertragen worden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist zunächst infolge der Betriebsspaltung gemäß § 323 Abs. 2 UmwG in dem Interessenausgleich mit Namensliste dem Betrieb „LRS neu“ zugeordnet worden. Durch die nachfolgende Unternehmensaufspaltung ist das Arbeitsverhältnis des Klägers sodann gemäß § 613a BGB auf die LJS und nicht auf die Beklagte übergegangen. Der Kläger kann sich diesbezüglich nicht mit Erfolg auf die formelle Unwirksamkeit des Interessenausgleichs mit Namensliste berufen, insbesondere waren weder der Gesamtbetriebsrat noch der Konzernbetriebsrat vorliegend zuständig (I.). Die in den Namenslisten der Anlagen 3 und 4 zum Interessenausgleich erfolgten Zuordnungen waren auch nicht grob fehlerhaft i. S. v. § 323 Abs. 2 UmwG (II.).
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I. Zweifel an der formellen Wirksamkeit des Interessenausgleichs mit Namensliste bestehen nicht. Insbesondere war für den Abschluss des hier vorliegenden Interessenausgleichs mit Namensliste vom 06.03.2014 in der Fassung vom 18.07.2014 weder der Gesamtbetriebsrat der LRS noch der Konzernbetriebsrat der L. AG zuständig. Die LRS hatte neben dem N.er Betrieb auch einen eigenständigen Betrieb in B. mit örtlichem Betriebsrat.
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1. Der Gesamtbetriebsrat ist gemäß § 50 BetrVG zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen örtlichen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Der Gesamtbetriebsrat ist mithin originär nur zuständig für überbetriebliche Angelegenheiten. Demgegenüber gehören Angelegenheiten, die nur einen Betrieb betreffen, ausschließlich zur Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats dieses Betriebs (Fitting, BetrVG, 28. Aufl., 2016, Rn. 15 ff. zu § 50). Gemäß § 58 Absatz 1 Satz 1 BetrVG ist der Konzernbetriebsrat nur zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können.
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2. Der hier strittige Interessenausgleich mit Namensliste hat nur die Spaltung des N.er Betriebs im Hinblick auf die beschlossene Unternehmensspaltung der LRS zum Gegenstand.
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a) Die nach § 111 BetrVG zu regelnde Betriebsänderung war die Spaltung des N.er Betriebs in die Betriebe „LGBS H.“ und „LRS neu“ in N. und nicht die Unternehmensspaltung der LRS, in die möglicherweise auch der B.er Betrieb involviert war. Vorgänge, die sich ausschließlich auf der Ebene des Unternehmens abspielen, lösen indessen keine Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus und sind mithin nicht interessenausgleichspflichtig. Dies gilt insbesondere für Umwandlungen nach dem Umwandlungsgesetz (Fitting, a.a.O., Rn. 56 f. zu § 111). Der Kläger trennt nicht sauber zwischen Betriebsspaltung, die interessenausgleichspflichtig ist, und der nachfolgenden Unternehmensaufspaltung. Erst durch die Spaltung des N.er Betriebs in die selbstständigen Betriebe „LGBS H.“ und „LRS neu“ konnte die beschlossene Unternehmensspaltung vollzogen werden, sodass mit dessen Eintragung ins Handelsregister der Betrieb „LGBS H.“ auf die neu gegründete Beklagte einerseits und der Betrieb „LRS neu“ auf die ebenfalls neu zu gründende LJS andererseits kraft Gesetzes übergingen. Von der in dem Interessenausgleich geregelten Betriebsänderung war mithin nur der N.er Betrieb der LRS betroffen. Dies ergibt sich eindeutig aus A. Abs. 1 und B. Abs. 1 des Interessenausgleichs.
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b) Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der B.er Betrieb der LRS, dessen Schließung bereits im Jahr 2012 beschlossen, aber noch nicht in Gänze umgesetzt war, im Rahmen der Unternehmensaufspaltung bis zu deren endgültigen Schließung der LJS übertragen bzw. aufgespalten wurde. Die Unternehmensaufspaltung und damit die unternehmerische Übertragung einzelner Betriebe auf zwei oder mehrere andere Unternehmen ist nicht mitbestimmungspflichtig nach § 111 BetrVG. Der hier strittige Interessenausgleich mit Namensliste betraf die Spaltung des N.er Betriebs und die Zuordnung der hier beschäftigten Arbeitnehmer zu den neu gebildeten Betrieben „LGBS H.“ und „LRS neu“ mit Standort N.. Der B. Betrieb war von dieser Maßnahme überhaupt nicht betroffen. Im Rahmen der nicht mitbestimmungspflichtigen Unternehmensaufspaltung der LRS wurde deren B. Betrieb lediglich neben dem Betrieb „LRS neu“ auf die neu gegründete LJS aufgespalten.
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c) Die Nichtigkeit des Interessenausgleichs mit Namensliste wegen Unzuständigkeit des örtlichen Betriebsrats der N.er LRS folgt auch nicht aus Absatz 2 der Präambel des Interessenausgleichs vom 06.03.2014. In der Präambel des Interessenausgleichs haben die Betriebsparteien die Ausgangslage zum Abschluss des Interessenausgleichs, insbesondere das konzernweite Restrukturierungsprogramm SCORE sowie das Teilprojekt GLOBE, wovon die LRS ebenfalls betroffen war, dargelegt und in groben Zügen die daraus folgenden Betriebsänderungen beschrieben. In diesem Zusammenhang wurde angekündigt, dass Teile des IT-Bereichs der LRS im Rahmen einer Ausgliederung und eines Betriebsübergangs an die L. Systems AG übergeleitet werden sollte.
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Grundsätzlich entfaltet eine Präambel keine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit. Ungeachtet dessen folgt aus dieser einleitenden Beschreibung auch nicht die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats gemäß § 58 BetrVG. Eine Betroffenheit eines anderen Unternehmens des Konzerns kann erst dann in Betracht kommen, wenn es um die Zusammenlegung mit dem Betrieb eines anderen Unternehmens in Form des Zusammenschlusses zweier Betriebe gemäß § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG geht. Ein solcher Zusammenschluss ist aber im streitgegenständlichen Interessenausgleich weder geplant noch geregelt. Die Ausgliederung des IT-Bereichs aus dem N.er Betrieb der LRS betrifft als konkreten Teil der Betriebsänderung auch nur den Betrieb der LRS. Jedenfalls könnte der Konzernbetriebsrat frühestens dann zuständig sein, wenn es um eine Regelung gehen würde, die konkret die Zusammenlegung der IT-Abteilung mit dem oder den Betrieben der L. Systems AG geht. Solche Regelung enthält der streitgegenständliche Interessenausgleich jedoch nicht.
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Ungeachtet dessen würde selbst dann, wenn der Konzernbetriebsrat wegen der in der Präambel erklärten Zusammenlegung der IT-Abteilung mit den Betrieben der L. Systems AG zuständig sein sollte, nur dieser abgrenzbare Teil der Betriebsvereinbarung unwirksam sein und nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Interessenausgleichs führen. Die Teilnichtigkeit einer Betriebsvereinbarung führt dann nicht zu ihrer Unwirksamkeit im Ganzen, wenn die Betriebsvereinbarung auch ohne die unwirksamen Bestimmungen noch eine in sich geschlossene und sinnvolle Regelung enthält. Dies folgt aus dem Normencharakter der Betriebsvereinbarung, der es gebietet, im Interesse der Kontinuität und Rechtsbeständigkeit einer gesetzten Ordnung diese aufrechtzuerhalten, wenn und soweit sie auch ohne den unwirksamen Teil ihre ordnende Funktion noch entfalten kann (BAG, Urt. v. 20.12.1983 - 1 AZR 442/82 - Rn. 17, juris; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 18.09.2003 - 5 Sa 539/03 -, Rn. 43, juris).
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II. Die Zuordnung des Klägers im Interessenausgleich mit Namensliste zu dem von der LRS gebildeten Betrieb „LRS neu“ mit Standort N. ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht grob fehlerhaft gemäß § 323 Abs. 2 UmwG. Die grobe Fehlerhaftigkeit ergibt sich nicht daraus, dass nur ein Unternehmen mit von vornherein mehreren bestehenden Betrieben oder eigenständigen Betriebsteilen nach dem Umwandlungsgesetz aufgespalten und auf andere Unternehmen übertragen werden kann (1.). Es liegt hier auch keine Umgehung des § 613a BGB vor, da der Kläger einem eigenständigen Betriebsteil angehörte, welcher auf die Beklagte aufgespalten wurde (2.). Die grobe Fehlerhaftigkeit der Zuordnungsentscheidung folgt auch nicht aus einer Umgehung der Kündigungsschutzvorschriften (3.). Auch der Umstand, dass der Kläger von der LJS nicht mehr vertragsgerecht beschäftigt wird, führt nicht zur Unwirksamkeit der in der Betriebsvereinbarung getroffenen Zuordnungsentscheidung (4). Es lag auch keine mitbestimmungspflichtige Versetzung vor (5.). Ferner ist die den Kläger betreffende Zuordnungsentscheidung auch nicht deshalb grob fehlerhaft, weil die Betriebsparteien von einem unzutreffenden Tätigkeitsbereich des Klägers ausgingen (6).
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1. Soweit der Kläger erstinstanzlich gemeint hat, dass bei einer Unternehmensspaltung nach § 323 Abs. 2 UmwG eine Zuordnung der Arbeitnehmer entsprechend ihrer ausgeübten Tätigkeit nur auf bereits bestehende Betriebe oder Betriebsteile erfolgen könne, die dann auf andere Rechtsträger aufgespalten würden, entspricht diese Auffassung nicht der Gesetzeslage. Der Kläger verkennt die erforderliche Differenzierung zwischen einer Betriebsspaltung und der Aufspaltung des Unternehmens nach dem Umwandlungsgesetz.
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a) Grundsätzlich ist immer zu unterscheiden zwischen der Betriebsspaltung und der Unternehmensspaltung.
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Als mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung gilt u. a. gemäß § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG der Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben. Eine Spaltung i. S. d. Vorschrift kann sowohl durch eine Aufspaltung des Betriebs als auch durch die Abspaltung von Betriebsteilen erfolgen. In Fällen der Aufspaltung wird der Ursprungsbetrieb aufgelöst. In Fällen der Abspaltung besteht der Ursprungsbetrieb fort (BAG, Urt. v. 18.03.2008 - 1 ABR 77/06 -, Rn. 12, juris; LAG Düsseldorf, Urt. v. 17.02.2011 - 11 Sa 1542/10 -, Rn. 48, juris). Die Spaltung kann auch mit der Veräußerung eines Betriebsteils i. S. v. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB verbunden sein (BAG 18.03.2008 - 1 ABR 77/06 - Rz. 12 a.a.O.; LAG Düsseldorf 11.01.2011 - 17 Sa 828/10 - Rz. 69 juris). Eine Spaltung i. S. v. § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG setzt voraus, dass zumindest zwei neue Einheiten entstehen. Dieses Erfordernis ist auch erfüllt, wenn ein abgespaltener Betriebsteil anschließend in einen anderen Betrieb - desselben Arbeitgebers oder eines Betriebsteilerwerbers - eingegliedert wird und dabei untergeht (BAG 18.03.2008 - 1 ABR 77/06 -, Rn. 13, juris).
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Bei der Betriebsspaltung handelt es sich mithin um die Teilung der arbeitsorganisatorischen Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber mit Hilfe eines oder mehrerer Arbeitnehmer fortgesetzt einen oder mehrere Betriebszwecke verfolgt. Ergebnis der Teilung ist, dass zwei oder mehrere solcher Einheiten entstehen, die eigenständig geführt werden. Ob diese selbstständigen Betriebseinheiten weiterhin von demselben Rechtsträger geführt werden, kann allein aus dem Umstand der Betriebsspaltung nicht geschlossen werden und ist für den Tatbestand der mitbestimmungspflichtigen Betriebsspaltung gemäß § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG auch unerheblich. So hätte die Beklagte beispielsweise schon vor Jahren im Hinblick auf geplante, aber noch nicht akute Restrukturierungsmaßnahmen der Muttergesellschaft einen Teil ihres einheitlichen Betriebs in N. abspalten und am Standort H. als eigenständigen Betrieb fortführen können. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats gemäß § 111 BetrVG knüpft auch nur an diese Betriebsspaltung an.
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b) Demgegenüber geht es bei der Unternehmensaufspaltung um die Auflösung des Rechtsträgers durch Aufspaltung seines Vermögens und gleichzeitige Übertragung dieser Vermögensteile auf andere neu gegründete und bestehende Rechtsträger, § 123 Abs. 1 UmwG. Eine Unternehmensaufspaltung setzt nicht immer auch eine Betriebsspaltung voraus. Dies ist dann der Fall, wenn ein Unternehmen seine beiden eigenständigen Betriebe durch auflösende Aufspaltung jeweils in ihrer Gesamtheit auf zwei andere Unternehmen übertragen will. In diesem Fall geht das dem einen Betrieb zugeordnete Vermögen auf das eine Unternehmen und das dem anderen Betrieb zugeordnete Vermögen auf das andere Unternehmen über. Einer Betriebsspaltung bedarf es hierfür nicht.
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c) Die Spaltung des Betriebs kann aber auch mit der Spaltung des Unternehmens nach dem Umwandlungsgesetz verbunden sein. Dies ist dann erforderlich und nach der Gesetzeslage auch zulässig, wenn der Arbeitgeber seinen einheitlichen Betrieb, der weder selbstständige Betriebe noch selbstständige Betriebsteile aufweist, nach § 123 UmwG unter Auflösung des eigenen Unternehmens aufspalten und auf andere Rechtsträger übertragen will (vgl. Fitting, a.a.O., Rn. 88, 59 zu § 111 BetrVG). Unbeschadet von § 324 UmwG i. V. m. § 613a BGB liegt es in der Privatautonomie der beteiligten Rechtsträger, die Zuordnung von Betrieben und Betriebsteilen für die Zeit nach der Umwandlung zu regeln, insbesondere bestehende Betriebe organisatorisch zu spalten und die so entstehenden Betriebsteile auf jeweils verschiedene Rechtsträger zu übertragen (HWK/Willemsen, Arbeitsrecht Kommentar, 6. Aufl. 2014, Rn. 23 zu § 324 UmwG). Es ist für eine Unternehmensaufspaltung nach dem Umwandlungsgesetz mithin nicht erforderlich, dass das vorhandene Vermögen nur in Form der Übertragung ganzer Betriebe oder Betriebsteile aufgespalten werden kann. Vielmehr ist es unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auch zulässig, vor der eigentlichen Unternehmensaufspaltung einen zuvor einheitlichen Betrieb nach Arbeitsprozessen zu „zerschlagen“ und hierdurch eigenständige Betriebe zu bilden, um hernach diese eigenständigen Betriebe im Wege der Unternehmensaufspaltung auf andere Rechtsträger zu übertragen. Die gegenteilige Sichtweise des Klägers verkennt, dass der Inhaber eines Betriebs vorbehaltlich der Beteiligung des Betriebsrats berechtigt ist, seinen Betrieb unbeschränkt nach seinen Vorstellungen zu organisieren, gegebenenfalls umzustrukturieren oder auch aufzuspalten. Dem Inhaber eines Betriebs bleibt es unbenommen, die bisherige arbeitsorganisatorische Einheit (Betrieb) in ihren Strukturen völlig zu zerschlagen und daraus zwei neue, getrennt geführte Betriebe zu bilden, auf die wegen der völligen Zerstörung der betrieblichen Strukturen auch keine Betriebsteile übergingen (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 05.11.2015 - 4 Sa 28/15 -).
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Eine Unternehmensspaltung nach dem Umwandlungsgesetz und damit die Anwendbarkeit des § 323 Abs. 2 UmwG setzt mithin entgegen der Auffassung des Klägers nicht voraus, dass bereits bestehende mehrere Betriebe oder Betriebsteile unter Auflösung des einen Unternehmens auf andere Rechtsträger aufgespalten werden.
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2. Die vom Kläger mit der Klage letztlich angefochtene Zuordnungsentscheidung ist nicht deshalb grob fehlerhaft i. S. v. § 323 Abs. 2 UmwG, weil hierdurch der beim Betriebsübergang gesetzlich verankerte Arbeitnehmerschutz gemäß § 613a BGB umgangen worden ist.
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a) Werden - wie vorliegend - die Spaltung des Betriebs mit der beabsichtigten und nachfolgenden Unternehmensspaltung miteinander verknüpft und kommt es bei der Aufspaltung des Betriebs gemäß § 111 BetrVG zum Abschluss eines Interessenausgleichs, in dem die Arbeitnehmer namentlich bezeichnet werden, die nach der Umwandlung einem bestimmten Betrieb oder Betriebsteil zugeordnet werden, so kann nach § 323 Abs. 2 UmwG die Zuordnung der Arbeitnehmer durch das Arbeitsgericht nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Eine grobe Fehlerhaftigkeit der Zuordnung liegt insbesondere dann vor, wenn aus reinen Zweckmäßigkeitserwägungen - etwa wegen einer ohnehin für die Zeit nach der Umwandlung vorgesehenen Rationalisierung oder Umstrukturierung - Arbeitnehmer ohne ihre Zustimmung einem anderen Betrieb oder Betriebsteil zuordnet werden als demjenigen, dem sie bisher eindeutig angehörten (HWK/Willemsen, a.a.O., Rn. 30 zu § 324 UmwG). Hierin läge eine Umgehung der gesetzlichen Regelung des Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB.
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aa) Die Betriebsparteien sind bei der Zuordnung durch Interessenausgleich mit Namensliste an die Vorgaben des § 613a BGB gebunden, wonach die Arbeitsverhältnisse dem Betrieb bzw. Betriebsteil folgen, dem sie bisher angehörten (HWK/Willlemsen, a.a.O., Rn. 29 zu § 324 UmwG). Dass die Vorschrift des § 613a BGB Vorrang vor der Zuordnungsentscheidung der Betriebsparteien in einem Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 323 Abs. 2 UmwG hat, folgt letztlich eindeutig aus § 324 UmwG (vgl. BAG, Urt. v. 06.10.2005 - 2 AZR 316/04 -, Rn 40, 41, juris). Indessen enthält § 324 UmwG nicht lediglich eine Rechtsfolgenverweisung, sondern eine Rechtsgrundverweisung (BAG, Urt. v. 25.05.2000 - 8 AZR 416/99 - Rn. 66, juris; ErfK, 16. Auf. 2015, Rn. 181 zu § 613a BGB). Der Vorrang des § 613a BGB i. V. m. § 324 UmwG vor einer Zuordnung gemäß § 323 Abs. 2 UmwG gilt mithin nur dann, wenn mit der Umwandlungsmaßnahme auch tatsächlich ein Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Rechtsträger übergeht (Kittner/Zwanziger/ Deinert, Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2015, Rn. 20 zu § 96 ‚Betriebsübergang/Umwandlung und Arbeitsverhältnis‘).
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bb) Ob es sich um einen Betrieb oder Betriebsteil handelt, bestimmt sich nach § 613a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BGB und den durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Betriebsbegriff. Ein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB i. V. m. der Richtlinie 2001/23/EG liegt nur dann vor, wenn eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit übernommen wird, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck, die hinreichend strukturiert und selbständig ist. Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt für diese Tätigkeit eingesetzt hat (EuGH, Urt. v. 06.09.2011 - C-108/10 - [Scattolon], Rn. 49 ff., juris; EuGH, Urt. v. 20.01.2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 36, 39, juris; BAG, Urt. v. 27.09.2007 - 8 AZR 941/06 -, Rn. 20, juris; BAG, Urt. v. 19.03.2015 - 8 AZR 119/14 - , Rn. 19, juris; BAG, Urt. v. 10.11.2011 - 8 AZR 538/10 –, Rn. 18, juris).
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Dem Übergang eines gesamten Betriebs steht, soweit die Voraussetzungen des § 613a BGB erfüllt sind, der Übergang eines Betriebsteils gleich. Dies ist unabhängig davon, ob die übergegangene wirtschaftliche Einheit ihre Selbständigkeit innerhalb der Struktur des Erwerbers bewahrt oder nicht; es genügt, wenn die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten werden und es dem Erwerber derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (EuGH, Urt. v. 12.02.2009 - C-466/07 - [Klarenberg], Rn. 53, juris; BAG, Urt. v. 19.03.2015 - 8 AZR 119/14 -, Rn. 20, juris).
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b) Hieran gemessen erweist sich die Zuordnung des Klägers zum Betrieb „LRS neu“ im Interessenausgleich mit Namensliste nicht als grob fehlerhaft. Es ist weder der gesamte N.er Betrieb der vormaligen LRS gemäß § 613a BGB auf die Beklagte übergegangen (aa) noch gehörte der Kläger vor der Zuordnungsentscheidung einem Betriebsteil an, der gemäß § 613a BGB auf die Beklagte übergegangen ist (bb).
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aa) Der ehemalige Betrieb der LRS ist nicht als Ganzes auf die Beklagte gemäß § 613a BGB übergegangen.
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(1) Die Beklagte hat nicht komplett die bisher eingerichtete Arbeitsorganisation des Betriebs der LRS am Standort N. übernommen. Sie führt gerade nicht mit der bisherigen Arbeitsorganisation der LRS den bisherigen Dienstleistungsbetrieb im Bereich des Revenue Accountings fort. Sie hat sich sozusagen nicht in das „gemachte Bett“ einer bereits aufgebauten Arbeitsorganisation gelegt und dadurch den Aufbau einer eigenen Arbeitsorganisation erspart (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 05.11.2015 - 4 Sa 28/15 -). Vielmehr ist unstreitig, dass die Beklagte nur noch einen Bruchteil der zuvor von der LRS in dem Bereich des Revenue Accountings übernommenen Aufgaben mit einer völlig anderen Arbeitsstruktur erledigt. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um die erforderlichen Qualitätssicherungsmaßnahmen. Unstreitig findet u. a. das gesamte Prorate-Verfahren im Non-Sampling-Bereich, die Prüfung aller in Eingangsrechnungen belasteten Passagedokumente sowie die Prüfung und Klärung von abweichenden Bewertungen anderer Fluggesellschaften nicht bei der Beklagten statt. Vielmehr sind diese Tätigkeiten sowie diverse andere, eher manuelle Tätigkeiten im Rahmen des Revenue Accountings, von der LRS bzw. deren Auftraggeberin, der Deutschen L. AG, migriert worden auf die Fa. TCS in Indien. Lediglich die hierfür erforderliche Qualitätssicherung erfolgt noch bei der Beklagten. Es liegt auf der Hand, dass sich vor diesem Hintergrund auch die Arbeitsorganisation bei der Beklagten komplett geändert hat. Dies wird auch daran deutlich, dass die Beklagte von den ca. 300 Arbeitnehmern der LRS nur noch 108 Arbeitnehmer beschäftigt. Die neu gegründete Beklagte hat mithin gerade nicht einen wesentlichen Teil der Belegschaft des N.er Betriebs der LRS übernommen, um diesen Betrieb der LRS identitätswahrend fortzusetzen. Die eigentlichen produktiven Aufgaben des Revenue Accountings sind im Wesentlichen auf die Fa. TCS in Indien outsourcet worden. Die Beklagte hat lediglich für die Deutsche L. AG und andere Airlines die Mittlerfunktion zur ausführenden Firma TCS übernommen. Sie entwickelt dabei prozessoptimierende Verfahren, nach denen die Fa. TCM die Aufgaben des Revenue Accountings durchführt und die Einhaltung dieser Verfahren sowie die Arbeitsergebnisse der TCS kontrolliert. Dies ist im Wesentlichen auch zwischen den Parteien unstreitig. Gegenteiliges hat der Kläger nicht im Ansatz schlüssig vorgetragen.
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(2) Der N.er Betrieb der LRS wird entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht in „reduzierter“ Form von der Beklagten fortgeführt. Der Kläger verkennt, dass es sich bei dem „verbleibenden Restbetrieb“ gerade nicht um den identitätswahrenden, vor der Betriebsspaltung vorhandenen Betrieb der LRS handelt. Die jetzt von der Beklagten ausgeübten qualifizierteren Tätigkeiten, d. h. die mit der Prozessentwicklung und Qualitätssicherung zusammenhängenden Tätigkeiten, waren nicht derart prägend für den Betrieb der LRS, dass bei dessen Übertragung auf die Beklagte gleichsam von einem gesamten Betriebsübergang ausgegangen werden kann. Dies wird bereits daran deutlich, dass die Beklagte nur noch ein Drittel der bisherigen Belegschaft der LRS beschäftigt. Diese Arbeitnehmer stammen unstreitig aus allen Bereichen des vormaligen Dienstleistungsbetriebes. Dies ergibt sich aus der Anlage 3 (Namensliste) zum Interessenausgleich. Der von der Beklagten jetzt geführte Dienstleistungsbetrieb hat von seiner Struktur nichts mehr gemein mit dem N.er Betrieb der LRS, der das gesamte Revenue Accounting für ihre Auftraggeber durchführte.
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Der einheitliche N.er Dienstleistungsbetrieb der LRS wurde durch die Betriebsspaltung zerschlagen. Erst durch die zerschlagende Spaltung des einheitlichen Betriebs entstanden zwei eigenständige Betriebe: die „LGBS H.“ und die „LRS neu“. Wird bei der Betriebsaufspaltung der Betrieb zerschlagen und gehen insoweit auch keine Betriebsteile auf die neu gebildeten Betriebe über, so kann die Zuordnungsentscheidung im Interessenausgleich mit der Namensliste gemäß § 323 Abs. 2 UmwG frei von § 613a BGB erfolgen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Betriebsteilübergangs nicht vorliegen. § 613a BGB kommt in diesem Fall erst dann zum Tragen, wenn nach der Zerschlagung der bisherigen wirtschaftlichen Einheit (hier: N.er Betrieb der LRS) und Bildung neuer Betriebe („LGBS H.“ und „LRS neu“) die Unternehmensaufspaltung nach Umwandlungsgesetz durch Eintragung im Handelsregister vollzogen wird, indem die neuen Betriebe auf andere Rechtsträger (Beklagte und LJS) aufgespalten/übertragen werden (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 05.11.2015 - 4 Sa 28/15 -).
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(3) Schlussendlich folgt ein Übergang des gesamten bisherigen N.er Betriebs der LRS auf die Beklagte auch nicht daraus, dass die Beklagte - den bestrittenen Vortrag des Klägers als unstreitig gestellt - nahezu sämtliche 89 Lieferantenverträge und 82 Kundenverträge von der LRS übernommen hat. Die Lieferanten- und Kundenverträge stehen im Kontext mit den zukünftig von der Beklagten nur noch zu erledigenden Tätigkeiten. Der Inhalt dieser Verträge wird bestimmt durch den Inhalt der von der Beklagten noch zu erledigenden Aufträge, die im Wesentlichen in der Weiterentwicklung der Prozesse des Revenue Accountings sowie der Qualitätssicherung in Bezug auf die Arbeitsergebnisse der auftragsausführenden Fa. TCS in Indien bestehen. Der Kläger verkennt, dass die Beklagte in Bezug auf das Revenue Accounting Geschäft zwischen der Auftragsgeberin (Deutsche L. AG und andere Airlines) und den ausführenden ausländischen Firmen (TCS und andere) eine Mittler- und Kontrollfunktion einnimmt. Auch wenn die Beklagte weiterhin Auftragnehmerin sein sollte und in die besagten Verträge eingetreten ist, ist gleichwohl unstreitig, dass sie die eigentlichen Aufgaben des Revenue Accountings, die in der händischen Erfassung und Aufarbeitung der einzelnen Erlös-Daten bestehen, nicht mehr selbst durchführt, sondern migriert hat. Dementsprechend können auch nicht aus dem Inhalt der E-Mail der LRS und der zu dem Zeitpunkt noch in Gründung befindlichen Beklagten vom 05.01.2015 Rückschlüsse auf einen Betriebsübergang gezogen werden. Die Anzahl der fortbestehenden bzw. von der LRS übernommenen Kundenverträge besagt nicht ohne weiteres, dass die Beklagte auch tatsächlich den bisherigen Betrieb der LRS am Standort N. in seiner Gesamtheit übernommen hat.
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bb) Die Beklagte hat aber auch nicht einen Betriebsteil übernommen, dem der Kläger vor der Spaltung des N.er Betriebs der LRS angehörte, sodass sich die Zuordnung zur „LRS neu“ bzw. der LJS als grob fehlerhaft erweist. Der Kläger gehörte keinem eigenständigen Betriebsteil bei der LRS an. Dies behauptet der Kläger in der Berufungsinstanz auch nicht mehr, insoweit braucht hierauf auch nicht mehr eingegangen zu werden.
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Wenn aber der Kläger gerade nicht eindeutig einem Betriebsteil zugeordnet war, hat die Zuordnung der Arbeitnehmer in einem Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 323 Abs. 2 UmwG gerade die Funktion, eine weitgehend „gerichtsfeste“ Zuordnung von Arbeitsverhältnissen zu ermöglichen, um insbesondere die Praxis in Fällen der massenhaften Zuordnung von Arbeitsverhältnissen zu erleichtern (Kittner/Zwanziger/Deinert, Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2015, Rn. 21 zu § 96 ‚Betriebsübergang/Umwandlung und Arbeitsverhältnis).
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3. Die grobe Fehlerhaftigkeit der Zuordnungsentscheidung gemäß § 323 Abs. 2 UmwG im Interessenausgleich mit Namensliste folgt aber auch nicht aus einer Umgehung kündigungsrechtlicher Schutzvorschriften.
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a) Eine Zuordnung im Interessenausgleich mit Namensliste, die allein den Zweck verfolgt, die Kündigungsschutzvorschriften wie z. B. § 1 Abs. 2 u. 3 KSchG, § 9 MuSchG, § 18 BEEG, § 85 ff. SGB IX zu umgehen, ist gemäß § 323 Abs. 2 UmwG i. V. m. § 138 BGB nichtig. Die Rechtsfolge einer sittenwidrigen Zuordnungsentscheidung ist die Nichtigkeit der gesamten Zuordnungsentscheidung bzw. der beiden Namenslisten. Nur ausnahmsweise kann das Rechtsgeschäft gemäß § 139 BGB ohne den sittenwidrigen Teil aufrechterhalten bleiben, wenn dies dem mutmaßlichen Willen der (Betriebs-)Parteien entspricht und der Sittenverstoß sich eindeutig auf einen abtrennbaren Teil beschränkt und im Übrigen gegen Inhalt und Bestand des Vertrages keine weiteren Bedenken bestehen. Insoweit unterliegen Betriebsvereinbarungen einer gerichtlichen Inhaltskontrolle.
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b) Die mit der Betriebsvereinbarung getroffene Zuordnungsentscheidung der Betriebsparteien hält dieser gerichtlichen Inhaltskontrolle stand.
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Der Kläger beruft sich insoweit darauf, dass die zu dem Betrieb „LRS neu“ zugeordneten Mitarbeiter ihres Kündigungsschutzes dadurch beraubt worden seien, dass diese de facto einem Beschäftigungs- und Qualifizierungsbetrieb, dessen Liquidierung bereits festgestanden habe, zugeordnet worden seien. Aufgrund der bereits jetzt feststehenden Liquidation der LJS zum 31.12.2019 finde aber gleichwohl infolge der Betriebs- und Unternehmensspaltung keine betriebs- bzw. unternehmensübergreifende Sozialauswahl bezogen auf alle Arbeitnehmer des ehemaligen N.er Betrieb der LRS mehr statt. Dies sei eine Umgehung des § 1 Abs. 3 KSchG.
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aa) Indessen verkennt der Kläger, dass er mit diesem Argument den gegen die Beklagte gerichteten Feststellungsantrag nicht begründen kann. Denn wenn die Zuordnungsentscheidung nichtig ist, liegt gar keine Zuordnung gemäß § 323 Abs. 1 UmwG vor und schon gar keine, die den Kläger zum ehemaligen Betrieb „LGBS H.“ zuordnete, der dann infolge der Aufspaltung kraft Gesetzes auf die Beklagte übergegangen wäre.
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bb) Ungeachtet dessen ist die erfolgte Zuordnung aber auch nicht willkürlich oder gar sittenwidrig erfolgt. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Betriebsparteien die beiden Namenslisten mit der Zielsetzung aufgestellt haben, den Kündigungsschutz der dem Betrieb „LRS neu“ zugeordneten Mitarbeiter bewusst zu schwächen. Hierzu hat der Kläger auch nichts vorgetragen. Vielmehr haben die Betriebsparteien die Zuordnung unstreitig danach vorgenommen, welche Aufgaben die Mitarbeiter bislang ausgeführt haben und welche dieser Tätigkeiten infolge des Auftragsverlusts entfallen und welche Tätigkeiten weiterhin in Deutschland benötigt werden. Dies folgt letztlich auch aus Abschnitt C Abs. 3 Satz 5 u. 6 sowie Abs. 4 und 5 des Interessenausgleichs. Die Differenzierung danach, wessen Arbeitsplatz infolge des Auftragsverlustes wegfällt, ist grundsätzlich ein sachlicher Anknüpfungspunkt für eine Zuordnungsentscheidung.
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Zudem verkennt der Kläger, dass der Inhaber eines Betriebs kraft seiner unternehmerischen Freiheit und Organisationsmacht seinen Betrieb unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auch ohne Rechtsträgerwechsel spalten kann und darf. Es wäre unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Inhaber eines Betriebs denselben aufspaltet in zwei Betriebe und dem einen Betrieb die Prozesse beziehungsweise Tätigkeiten mit den entsprechenden Mitarbeitern zuweist, die er noch benötigt, und dem anderen Betrieb die Prozesse und Mitarbeiter, deren Tätigkeiten er allenfalls nur noch für einen vorübergehenden Zeitraum wegen Auftragsverlusts ausführen kann. Rechtsfolge einer solchen Betriebsaufspaltung ist es, dass zwei selbstständige Betriebe entstehen, für die der Arbeitgeber - unter der Voraussetzung jeweils getrennter einheitlicher Leitungsmacht - im Falle beabsichtigter Kündigungen eine gemeinsame Sozialauswahl nicht durchführen müsste. Hätte sich mithin die LRS für diese Lösung entschieden, stünden die dem Betrieb „LRS neu“ zugeteilten Mitarbeiter kündigungsrechtlich nicht besser als die auf die Beklagte zu 2) aufgespaltenen Mitarbeiter. Allein der Umstand, dass durch die Betriebsaufspaltung und nachfolgende Unternehmensaufspaltung der Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer kleiner wird, erweist sich nicht als bewusste und damit rechtswidrige Gesetzesumgehung. Dies gilt auch dann, wenn bereits zum Zeitpunkt der Betriebsaufspaltung feststeht, dass der eine aufgespaltene Betrieb in nächster Zeit liquidiert wird. Die Arbeitnehmer sind angesichts einer solchen Situation auch nicht schutzlos der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers ausgesetzt. Vielmehr unterliegt die Spaltung eines bisher organisatorisch einheitlichen Betriebs gemäß § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrates, sodass der Arbeitgeber nicht in Gänze frei über das „Wie“ der Betriebsspaltung entscheiden kann. Das Mitbestimmungsrecht bzw. der erzwingbare Interessenausgleich gemäß § 112 BetrVG hat den Zweck, die Arbeitnehmer bei der Durchführung von Betriebsänderungen zu beteiligen und die ihnen dadurch entstehenden wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder jedenfalls abzumildern. So haben auch im vorliegenden Fall die Betriebsparteien zum Schutze der dem Betrieb „LRS neu“ zugeordneten Arbeitnehmer vereinbart, dass der Betrieb bis zum 31.12.2019 aufrechterhalten bleibt und dass eine betriebsbedingte Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt grundsätzlich ausgeschlossen ist, Abschnitt B Abs. 3 i. V. m. Abschnitt C Abs. 9 des Interessenausgleichs.
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Nicht jede nach der Gesetzeslage zulässige, aber de facto den Kündigungsschutz erheblich einschränkende unternehmerische Gestaltungsmöglichkeit ist gleichsam rechtsmissbräuchlich. So stellen z. B. die auf den jeweiligen Einsatz bezogenen Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse nach ihrem objektiven Geschäftsinhalt keine unzulässige, zu einem unbefristeten Dauerarbeitsverhältnis führende Vertragsgestaltung dar. Es liegt weder eine Gesetzesumgehung noch der Missbrauch einer an sich zulässigen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit vor. Die Arbeitsvertragsparteien sind nicht gezwungen, statt Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen (BAG, Urt. v. 16.05.2012 - 5 AZR 268/11 -, Rn. 21, juris).
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4. Der Kläger kann sich in Bezug auf die grobe Fehlerhaftigkeit der Zuordnungsentscheidung auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm durch die Zuordnung zum Betrieb „LRS neu“ gleichsam die vertragsgerechte Beschäftigung entzogen wurde.
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a) Dabei verkennt die Berufungskammer nicht, dass es sich bei dem Betrieb „LRS neu“ bzw. der nachfolgenden LJS um eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft handelt. Denn die dortigen Mitarbeiter haben nur noch vorhandene Restarbeiten abgearbeitet und werden jetzt im Wesentlichen geschult, weitergebildet und an andere konzerninterne oder externe Arbeitgeber vermittelt. Dies war so von Anfang an geplant und ergibt sich sowohl aus Abschnitt C Abs. 8 des Interessenausgleichs als auch aus dem im Handelsregisterauszug der LJS angegebenen Geschäftszweck. Die Mitarbeiter der „LRS neu“ bzw. der LJS werden mithin nicht mehr vertragsgerecht beschäftigt, ohne dass diese einer Vertragsänderung zugestimmt hätten oder die LRS oder nachfolgend die LJS eine Versetzung oder gar Änderungskündigung ausgesprochen hätte.
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Indessen darf nicht verkannt werden, dass der Arbeitnehmer auch im bestehenden Arbeitsverhältnis keinen erzwingbaren Anspruch auf vertragsgerechte Beschäftigung hat, wenn es dem Arbeitgeber aufgrund objektiver Umstände unmöglich ist, den Arbeitnehmer vertragsgerecht zu beschäftigen (vgl. LAG München, Urt. v. 08.09.2011 - 3 SaGa 21/11 -, Rn. 24, juris; vgl. LAG B.-Brandenburg, Urt. v. 20.02.2009 - 22 Sa 1377/08 -, Rn. 24, juris). Vorliegend ist die LRS unstreitig mit dem überwiegenden Anteil ihres bisherigen Tätigkeitsfeldes durch die Muttergesellschaft nicht mehr beauftragt worden, weil Letztere einen Großteil des bislang der LRS erteilten Auftragsbestands nunmehr von konzerninternen oder externen Dienstleistern im Ausland ausführen lässt. Hierdurch werden diverse Prozesse, so auch das sogenannte Prorate-Verfahren, nicht mehr bei der LRS bzw. deren Rechtsnachfolgern durchgeführt. Diese Tätigkeit ist neben diversen anderen ersatzlos weggefallen. Der Kläger könnte auch ohne die Betriebsspaltung und nachfolgende Unternehmensspaltung nicht mehr als Allrounder RA 2 im Interlinebereich vertragsgerecht beschäftigt werden. Die fehlende vertragsgemäße Beschäftigungsmöglichkeit beruht nicht auf einer willkürlichen Entscheidung der Betriebsparteien beziehungsweise der LJS, sondern auf dem Umstand, dass die entsprechenden Tätigkeiten nicht mehr von den Rechtsnachfolgern der LRS abverlangt werden und ins Ausland verlagert wurden.
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b) Eine andere Sichtweise ist auch nicht aufgrund des Hinweisbeschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 25.02.2015 zu dem Revisionsverfahren 10 AZR 913/13 geboten (Bl. 239 ff. d. A.).
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aa) In jenem Verfahren hatte der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts über die Rechtmäßigkeit der Versetzung eines Mitarbeiters an einen Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb auf der Grundlage einer tariflichen Regelung im „Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlebergbau vom 01.04.2012“ zu entscheiden. Der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts äußerte in dem Hinweisbeschluss Bedenken an der Zulässigkeit einer tariflichen Regelung, weil nach dem Wortlaut des Tarifvertrags es im freien Belieben der Arbeitgeberin stand, die Arbeitnehmer zu benennen, die in das Mitarbeiterentwicklungszentrum versetzt werden können. Der Senat hatte weiterhin Bedenken, dass der versetzte Arbeitnehmer nach der tariflichen Regelung verpflichtet war, sich auf ihm nachgewiesene Arbeitsplatzangebote zu bewerben, an Vorstellungsgesprächen teilzunehmen, Praktika zu absolvieren oder bei einem potenziellen neuen Arbeitgeber zur Probe zu arbeiten. Dies könnte so verstanden werden, dass der Arbeitnehmer gehalten sei, an der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses unter gleichzeitiger Beendigung seines bestehenden Arbeitsverhältnisses zur dortigen Beklagten aktiv mitzuwirken, und zwar unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt für ihn noch Beschäftigungsbedarf bestehe. Komme er dem nämlich nicht nach, ohne dass dafür ein wichtiger Grund bestehe, verletze er nach der tariflichen Regelung die ihm obliegenden Vertragspflichten und müsse deshalb nach dem in der Tarifvorschrift zum Ausdruck kommenden Verständnis der Tarifvertragsparteien mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen bis hin zur fristlosen Kündigung rechnen. Einer Entscheidung in jener Sache bedurfte es nicht, da die dortige beklagte Arbeitgeberin die Revision zurücknahm.
- 109
bb) Eine dieser tariflichen Regelung (Steinkohlebergbau) vergleichbare Regelung haben die Betriebsparteien im vorliegenden Interessenausgleich jedoch nicht getroffen. Insoweit schließt sich die Berufungskammer den Ausführungen der 4. Kammer in dem Urteil vom 05.11.2015 - 4 Sa 28/15 - an. Es gibt in dem hier strittigen Interessenausgleich keine Verpflichtungen zu irgendwelchen Maßnahmen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Allerdings ist Sinn und Zweck der „LRS neu“ bzw. der Beklagten zu 2), die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu qualifizieren und auf interne und externe Arbeitsplätze zu vermitteln. Die Beklagte weist insoweit zutreffend darauf hin, dass dies nicht zu beanstanden sei, denn die Mitarbeiter erlangten dadurch Vorteile, weshalb von ihnen auch ein gewisses Maß an Mitwirkung zu erwarten sei. Allerdings hat - und insoweit unterscheidet sich der Interessenausgleich von dem Tarifvertrag Beendigung deutscher Steinkohlebergbau - der Interessenausgleich keine Sanktionen vorgesehen und keinen Zwang für bestimmte Mitwirkungspflichten. Lediglich die spätere Betriebsvereinbarung COMPASS, die der Betriebsrat der LRS N. mit der LRS unter dem 13.10.2014 abschloss, enthielt im Abschnitt 5 eine Verpflichtung der Mitarbeiter, mit Beginn des Beratungsangebots durch einen externen Anbieter an mindestens zwei Beratungsgesprächen teilzunehmen. Diese Mitwirkungspflicht ist aber nicht sanktioniert und kann anders als in dem Tarifvertrag im Bereich des Steinkohlebergbaus nicht durch arbeitsrechtliche Maßnahmen sanktioniert werden. Im Übrigen wurde die Betriebsvereinbarung COMPASS ohnehin nach Abschluss des Interessenausgleichs vereinbart, sodass sie keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Interessenausgleichs haben kann. Schließlich erfolgte die Zuordnung zur „LRS neu“ bzw. zur LJS nicht nach (willkürlichem) Belieben der LRS, sondern aufgrund sachlicher Kriterien, d. h. aufgrund des Wegfalls der Tätigkeiten.
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5. Die grobe Fehlerhaftigkeit der Zuordnungsentscheidung gemäß § 323 Abs. 2 UmwG in dem Interessenausgleich mit Namensliste folgt auch nicht daraus, dass die LRS und/oder die LJS den Betriebsrat nicht zuvor oder gleichzeitig zur Versetzung des Klägers auf einen Vermittlungs- und Qualifizierungsarbeitsplatz angehört haben. Der Kläger ist nicht versetzt worden, sondern sein Arbeitsplatz ist durch Spaltung des N.er Betriebs der LRS zunächst auf den Betrieb „LRS neu“ und sodann durch Unternehmensspaltung auf die LJS übergegangen. Die Mitbestimmungsrechte richten sich in diesem Fall nach § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG und nicht nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Die Mitbestimmungsrechte nach § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG sind gewahrt. Der Kläger verkennt an dieser Stelle, dass er nur deshalb nicht mehr vertragsgerecht beschäftigt wird, weil die Hauptauftraggeberin mit dem Prorate-Verfahren jetzt nicht mehr die LRS bzw. deren Rechtsnachfolger beauftragt, sondern diese Tätigkeiten ins Ausland verlagert hat. Der Arbeitsplatz des Klägers ist schlicht durch Auftragsverlust in Wegfall geraten. Eine mitbestimmungspflichtige Versetzung von seinem ursprünglichen Arbeitsplatz eines Allrounders auf einen Qualifizierungs-Arbeitsplatz hat nicht stattgefunden.
- 111
Ungeachtet dessen kann aber auch dahingestellt bleiben, ob nachfolgend die LJS als eine der Rechtsnachfolgerinnen der LRS ihren Betriebsrat zur Versetzung des Klägers auf einen Vermittlungs- und Qualifizierungsarbeitsplatz hätte anhören müssen. Denn die unterstellte Notwendigkeit der Zustimmung des Betriebsrats der LJS zur Versetzung des Klägers von seinem ursprünglichen Arbeitsplatz eines Allrounder auf einen Vermittlungs- und Qualifizierungsarbeitsplatz würde nicht dazu führen, dass der Kläger in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten stünde.
- 112
6. Die Zuordnung durch Interessenausgleich mit Namensliste ist schließlich auch nicht deshalb gemäß § 323 Abs. 2 UmwG grob fehlerhaft, weil die Betriebsparteien das vom Kläger bei der LRS innegehabte Tätigkeitsfeld verkannt haben.
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a) Eine Zuordnung nach § 323 Abs. 2 UmwG ist insbesondere grob fehlerhaft, wenn sie die gesetzlichen Wertungen des § 613a BGB missachtet. Dies ist - wie bereits ausgeführt - insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer einem Betrieb oder Betriebsteil eindeutig zugeordnet werden kann und die Zuordnung in dem Interessenausgleich hiervon abweicht. Daneben kommt eine grobe Fehlerhaftigkeit dann in Betracht, wenn sich die Betriebsparteien nicht von sachlichen Gründen leiten lassen und die Zuordnung somit willkürlich erscheint. Nach der gesetzlichen Intention steht den Betriebsparteien insoweit ein Beurteilungsspielraum zu. Sind sachliche Gründe erkennbar, scheidet eine grobe Fehlerhaftigkeit aus (ErfK/Oetker, 16. Aufl. 2016, Rn. 10 zu § 324 UmwG; HWK/Willemsen, a.a.O., Rn. 30 zu § 324 UmwG). Mithin liegt eine grobe Fehlerhaftigkeit nur dann vor, wenn ein offensichtlicher, erheblicher und sachlich nicht mehr nachvollziehbarer Verstoß gegen die im Rahmen von § 613a BGB zu beachtenden Zuordnungsgrundsätze nachweisbar ist oder die Zuordnung willkürlich unter Missachtung der Arbeitnehmerschutzrechte erfolgt.
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b) Hieran gemessen war die durch Interessenausgleich mit Namensliste getroffene Zuordnungsentscheidung gerade nicht grob fehlerhaft i. S. v. § 323 Abs. 2 UmwG. Das sachliche Kriterium für die Zuordnung zur „LGBS H.“ und zur „LRS neu“ bestand darin, ob die Tätigkeiten/Projekte, die die Arbeitnehmer bei der LRS zuvor ausführten, durch die Muttergesellschaft ins Ausland verlagert wurden oder nach wie vor in Deutschland ausgeführt werden sollen. Hierbei handelt es sich um ein sachliches Auswahl- bzw. Zuordnungskriterium. Die Zuordnung erfolgte mithin gerade nicht willkürlich. Der Kläger hat auch nicht darzulegen vermocht, dass seine konkrete Zuordnung zum Betrieb „LRS neu“, der nachfolgend auf die Beklagte zu 2) aufgespalten wurde, willkürlich war.
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Der Kläger war bei der LRS unstreitig als Allrounder RA 2 im Bereich Interline/ Prorate Non Sampling beschäftigt. Dies hat der Kläger selbst in der Klagschrift so angegeben. Die Prorate-Prozesse wurden auch unstreitig von der Muttergesellschaft auf die indische Firma TCS übertragen. Die Beklagte führt diese Tätigkeiten gerade nicht aus. Dies wird von dem Kläger auch nicht behauptet. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte für Weiterentwicklung der Prozesse und die Qualitätssicherung in diesem Bereich weiterhin zuständig ist. Mit diesen übergeordneten Aufgaben war der Kläger bei der LRS unstreitig im Wesentlichen gerade nicht betraut. Die Beklagte hat insoweit unbestritten vorgetragen, dass er zu 80 % seiner Gesamtarbeitszeit im operativen Geschäft des Verfahrens Prorate Non Sampling tätig gewesen sei. Dieses operative Geschäft, d. h. die manuelle Erfassung der Daten für das Revenue Accounting, hat die Deutsche L. nicht mehr an die LRS oder deren Rechtsnachfolgerinnen, insbesondere die Beklagte, vergeben, sondern als Auftraggeberin auf ausländische Firmen übertragen. Durch diesen Auftragsverlust ist der klägerische Arbeitsplatz unstreitig in Wegfall geraten.
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Die Zuordnung zum Betrieb „LRS neu“ war mithin sachlich nachvollziehbar und gerade nicht willkürlich.
- 117
III. Dementsprechend besteht zwischen dem Kläger und der Beklagten kein Arbeitsverhältnis. Der Feststellungsantrag ist damit unbegründet.
- 118
B. Der gegen die Beklagte gerichtete Beschäftigungsantrag ist demzufolge ebenfalls unbegründet. Der arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch setzt den Bestand eines Arbeitsverhältnisses voraus. Hieran fehlt es.
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C. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
- 120
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.
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Die Revision war wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Es ist höchstrichterlich - soweit ersichtlich - nicht geklärt, ob zur Vorbereitung einer geplanten Unternehmensaufspaltung und infolge eines erheblichen Auftragsverlustes die Spaltung eines zuvor einheitlichen Betriebs sowie die entsprechende Zuordnung der Arbeitnehmer zu einem produktiven Rest-Betrieb und einen durch den Auftragsverlust beschäftigungslosen Betrieb, der einem Qualifizierungs- und Vermittlungsbetrieb gleich kommt, in einem Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 323 Abs. 2 UmwG zulässig ist.
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Referenzen
- § 123 Abs. 1 UmwG 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 3 KSchG 1x (nicht zugeordnet)
- BEEG § 18 Kündigungsschutz 1x
- 11 Sa 1542/10 1x (nicht zugeordnet)
- 8 AZR 941/06 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 519 Berufungsschrift 1x
- 8 AZR 119/14 2x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung 1x
- 22 Sa 1377/08 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 126 ff, 324 UmwG 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher 1x
- § 1 Abs. 2 u. 3 KSchG 1x (nicht zugeordnet)
- 10 AZR 913/13 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 64 Grundsatz 2x
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- § 123 UmwG 1x (nicht zugeordnet)
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- § 324 UmwG 11x (nicht zugeordnet)
- BetrVG § 111 Betriebsänderungen 12x
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