Urteil vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (2. Kammer) - 2 Sa 359/17

Tenor

1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 12.07.2017 - Az. 2 Ca 369e/17 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten um Entgeltzahlung für Urlaub.

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Der Kläger ist bei dem beklagten Land am Landgericht K. als Informatiker beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis regelt sich kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme und beiderseitiger Tarifgebundenheit nach dem TV-L.

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Mit Wirkung zum 01.03.2016 wurde zwischen den Parteien eine Vereinbarung über ein „Sabbatical“ getroffen. Mit dem schriftlichen Änderungsvertrag vom 21.01.2016 (Bl. 10 d. A., Anlage K1) ist mit dem Kläger eine Teilzeitbeschäftigung vereinbart worden. Die Teilzeitbeschäftigung erfolgt in Form einer siebenjährigen Vollbeschäftigung (38,7 Stunden wöchentlich) in der Zeit vom 01.03.2016 bis 28.02.2023 und einer einjährigen Freistellung in der Zeit vom 01.03.2023 bis 29.02.2024. Auf den gesamten Zeitraum bezogen ergibt sich eine Arbeitszeit von 87,5 % der Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten.

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Der Kläger wird nach EG 11, Stufe 5 TV-L vergütet. Seine Vollzeitbezüge betragen 4.529,55 € brutto, seine Bezüge nach der Arbeitszeitreduzierung betragen 3.963,36 € brutto.

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Am 01.03.2016 zu Beginn seiner Arbeitszeitreduzierung standen dem Kläger 23 Urlaubstage aus dem Jahre 2015 sowie weitere 5 Urlaubstage anteilig für das Jahr 2016 aus den Monaten Januar und Februar 2016 zu. Der Kläger hatte diesen Urlaub in Absprache mit dem beklagten Land nicht genommen, weil er ein hohes Gleitzeitvolumen aufgebaut hatte und seine Freizeit zunächst hieraus bestritten hat. Der Urlaub ist sodann absprachegemäß im Rahmen der Ansparphase des Sabbaticals genommen worden. Die 28 Urlaubstage nahm der Kläger nach dem 01.03.2016 in folgenden Zeitabschnitten:

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23.05.2016 bis 27.05.2016 (5 Tage),

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01.09.2016 bis 02.09.2016 (2 Tage),

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06.09.2016 bis 30.09.2016 (19 Tage),

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04.10.2016 (1 Tag) und in der Zeit vom

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18.04. bis 21.04.2017 (4 Tage, davon 1 Tag Resturlaub).

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Ihm wurde zu 100 % Freistellung von der Arbeit gewährt. Das beklagte Land zahlte dem Kläger 87,5 % seines Arbeitsentgelts aus und verbuchte 12,5 % des Urlaubsentgelts auf das Arbeitsentgeltkonto des Klägers für das Sabbatical.

12

Mit Schreiben vom 20.07.2016 beantragte der Kläger, ihm für diese 28 Urlaubstage Urlaubsentgelt für die im Jahre 2015 und anteilig 2016 ausgeübte Vollzeittätigkeit zu zahlen und nicht nur das auf 87,5% reduzierte Urlaubsentgelt (Bl. 13 d. A.). Der Kläger verlangte ausdrücklich die Auszahlung des Differenzbetrages.

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Der Kläger hat vorgetragen, er habe für die Urlaubstage, die er vor der Arbeitszeitreduzierung erworben habe, aber nach der Arbeitszeitreduzierung nehme, einen Anspruch auf die Zahlung von Urlaubsentgelt in Höhe des Entgelts eines Vollbeschäftigten. Die wertmäßige Minderung des Urlaubsentgelts gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 TV-L verstoße gegen § 4 Abs. 1 TzBfG. Er werde wegen seiner Teilzeitbeschäftigung anders behandelt als ein Vollbeschäftigter. Er habe daher unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.02.2015 (9 AZR 53/14) Anspruch auf Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen dem (Vollzeit-) Tabellenentgelt und dem bereits gewährten (Teilzeit-) Tabellenentgelt für 28 Urlaubstage.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 731,70 € zu zahlen

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und diesen Betrag ab dem 11.03.2017 mit fünf Prozent-

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punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

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Das beklagte Land hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das beklagte Land war der Auffassung, dem Kläger stehe der geltend gemachte Zahlungsbetrag nicht zu. Der Kläger sei nicht gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG diskriminiert worden. Die vom Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei nicht einschlägig und der vorliegende Fall nicht mit dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall vergleichbar. Da während der gesamten Ansparphase in Vollzeit gearbeitet werde, sei der rein stundenmäßige Wert eines Urlaubstages vor und nach der Änderung des Arbeitsverhältnisses zum 01.03.2016 identisch. Auch bezüglich des Urlaubsentgeltes trete keine wertmäßige Verminderung ein, da sich das Entgelt des Klägers nach dem 01.03.2016 aus der Zahlung der Teilzeitbezüge (87,5 %) und dem Wertguthaben (12,5 %) für die Freistellungsphase zusammensetze und insgesamt dem Vollzeitentgelt entspreche.

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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 12.07.2017 der Klage stattgegeben. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, der Anspruch des Klägers beruhe auf § 611 BGB, 11 BurlG. Die Regelung des § 26 TV-L in Verbindung mit § 21 TV-L sei wegen des Verbotes der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten nach § 4 Abs. 1 TzBfG gemäß § 134 BGB unwirksam, soweit das Urlaubsentgelt für während der Vollzeittätigkeit erworbene Urlaubstage für solche Urlaubstage gemindert werde, die nach der Arbeitszeitreduzierung genommen werden. Hätte der Kläger seine Urlaubsansprüche noch während der Vollzeittätigkeit genommen, hätte ihm hierfür auch das volle Entgelt zugestanden. Aus diesem Grund sei er gegenüber einem weiterhin Vollzeitbeschäftigten benachteiligt. In Anbetracht von § 2 Abs. 1 TzBfG spreche mehr dafür, dass der Kläger mit einem Anteil von 87,5 % in Teilzeit beschäftigt sei und hierfür sein reduziertes Entgelt erhalte. Hinsichtlich der 12,5 % zusätzlicher Arbeitsleistung dürfte es sich so verhalten, dass der Kläger für die Freistellungsphase „vorarbeite“. Diese zusätzliche Arbeitsleistung spare er auf einem Arbeitszeitkonto an, welches in der Freistellungsphase abgegolten werde. Damit bestehe zwischen dem Kläger und solchen Teilzeitbeschäftigten, die durchgehend zu einem reduzierten Anteil von

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87,5 % arbeiteten, wertmäßig kein Unterschied.

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Gegen das ihm am 09.08.2017 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 10.08.2017 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 06.10.2017 begründet.

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Das beklagte Land meint, dass dann, wenn die Auffassung des Arbeitsgerichts zutreffend sei, dass § 21 Satz 1 TV-L nach § 134 BGB unwirksam sei, § 11 Abs. 1 BurlG wiederaufleben würde. Maßstab der Bemessung des Urlaubsentgelts sei danach der durchschnittliche Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs erhalten habe. Genau dieser Verdienst des Klägers sei auch zugrunde gelegt worden, weil dem Kläger die vereinbarte Vergütung weitergezahlt worden ist. Ein darüber hinausgehender Anspruch stehe dem Kläger nicht zu. Allenfalls sei für den Zeitraum vom 23. bis 27.05.2016 (5 Tage) zu erörtern, ob für die Berechnung des 13-Wochen Zeitraumes wenige Tage aus dem Februar 2016 einzubeziehen wären, in denen der Kläger noch das erhöhte Gehalt erhalten hat. Der Kläger habe seinen Anspruch aber zu keiner Zeit schriftlich geltend gemacht. Letztlich habe er Urlaubsabgeltung gefordert. Dieser Anspruch sei im laufenden Arbeitsverhältnis nicht gegeben.

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Die vom Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung des EuGHs sei nicht anwendbar, da der Kläger seinen Urlaub im vollen Umfang eines Vollzeitbeschäftigten erhalten habe und keine Kürzung vorgenommen worden sei. Der Kläger verlange letztlich mehr als ihm zustehen könne, nämlich 87,5 % Bezahlung, 12,5 % Rückstellung für die spätere Freistellung und 12,5 % zusätzliche Auszahlung für den Urlaub aus dem Zeitraum der Vollzeittätigkeit. Faktisch führe dies zu einer Besserstellung des Teilzeitbeschäftigten gegenüber einem Vollzeitbeschäftigten und nicht zu einer Schlechterbehandlung. Nach der einschlägigen Entscheidung des EuGHs vom 11.11.1015 (C 219/14 - Greenfield -) sei die Höhe des Urlaubsentgelts nicht durch das EU-Recht vorgegeben, sondern durch spezielle Analyse der nationalen Gerichte zu ermitteln. Dies sei durch § 21 Satz 1 TV-L und § 11 BurlG in zulässiger Weise geschehen.

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Das beklagte Land beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 12.07.2017 - 2 Ca 369 e/17 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen und das Urteil des Arbeitsgerichts vom 12. Juli 2017 zum Geschäftszeichen 2 Ca 369 e/17 aufrechtzuerhalten.

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Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

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Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und insgesamt zulässig (§ 66 Abs. 1 S. 1, § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

B.

33

Die Berufung ist unbegründet.

34

Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht gegen das beklagte Land wegen eines noch nicht erfüllten Anspruchs auf Urlaubsentgelt für den ihm gewährten Urlaub aus dem Jahre 2015 und anteilig 2016 ein Zahlungsanspruch in Höhe von 731,70 € zu. Das Arbeitsgericht hat mit seinem angefochtenen Urteil der Klage zu Recht stattgegeben.

35

Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag in Verbindung mit §§ 21, 26 TV-L. Der Kläger ist teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, weil er für die Dauer von 8 Jahren durchschnittlich 87,5 % der vollen wöchentlichen Arbeitszeit arbeitet und auch entsprechend vergütet wird.

36

In europarechtskonformer Auslegung der §§ 21, 26 TV-L hat der Kläger Anspruch darauf, dass der in den Jahren 2015 und anteilig 2016 erworbene Urlaub auf Basis des seinerzeit gültigen Vollarbeitsverhältnisses mit 38,7 Wochenstunden abgerechnet und ausgezahlt wird.

37

Ein Anspruch des Klägers ergibt sich unter Berücksichtigung der unionskonformen Auslegung aus den §§ 21, 26 TV-L.

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Das Arbeitsverhältnis des Klägers regelt sich kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme und beiderseitiger Tarifgebundenheit nach dem TV-L. Danach wird gemäß § 21 Satz 1 TV-L in den Fällen der Entgeltfortzahlung nach § 26 TV-L das Tabellenentgelt sowie die sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile weitergezahlt.

39

In der Tradition des nationalen Urlaubsrechts wurde dies bisher so verstanden, dass das Entgelt während des Urlaubs zu zahlen ist, dass der Beschäftigte vor und nach seinem Urlaub verdient (Lohnausfallprinzip). In diesem Sinne hat auch das beklagte Land diese Tarifnorm verstanden und daher dem Kläger während der Monate, in denen der Kläger seinen in der Vollzeitarbeitsphase entstandenen Urlaub genommen hat, lediglich das ihm in diesen Monaten auch ohne Urlaub zustehende Tabellenentgelt in Höhe von 87,5 % -  entsprechend der Vereinbarung aus dem Änderungsvertrag vom 21.01.2016 -  gezahlt. 12,5 % des Tabellenentgelts sind in das Ansparkonto für die Freistellungsphase im Sabbatical geflossen.

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Diese bisherige Auslegung der §§ 21, 26 TV-L führt allerdings zu einer unionsrechtswidrigen Diskriminierung des Klägers als teilzeitbeschäftigtem Arbeitnehmer.

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Paragraph 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15.12.1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 07.04.1998 geänderten Fassung (Diskriminierungsverbot bei Teilzeitbeschäftigung), ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung entgegensteht, nach der bei einer Verringerung des Beschäftigungsausmaßes eines Arbeitnehmers das Ausmaß des noch nicht verbrauchten Erholungsurlaubs in der Weise angepasst wird, dass der Arbeitnehmer diesen Urlaub nunmehr nur mit einem geringeren Urlaubsentgelt verbrauchen kann (grundlegend EuGH vom 22.04.2010 - C 486/08 - Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols - Abl. EU 2010, Nr. C 161, 9 = NZA 2010, 557 = AP Nr. 1 zu Richtlinie 97/81/EG).

42

Im nationalen Recht sieht § 4 Abs. 1 TzBfG ebenfalls ein Diskriminierungsverbot für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer vor. Mit der Regelung des § 4 Abs.1 TzBfG hat der deutsche Gesetzgeber das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot bei Teilzeitbeschäftigten in nationales Recht umgesetzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen die Gerichte bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auslegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen (EuGH vom 24.01.2012 - C 282/10 - Dominguez - Abl. EU 2012, Nr. C 73, 2 = NJW 2012, 509 = AP Nr. 7 zu Richtlinie 2003/88/EG; LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 12.09.2017, - 2 Sa 16/17 -, Rn. 31, Juris). Hiervon geht auch das Bundesarbeitsgericht aus (BAG vom 10.02.2015 - 9 AZR 53/14 (F) - Rn. 20, Juris).

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Da das Diskriminierungsverbot für Teilzeitbeschäftigte unionsrechtlich vorgesehen ist, kommt es bei der Rechtsanwendung entscheidend auf das Verständnis und die Deutung des Diskriminierungsverbots für Teilzeitbeschäftigte durch den Gerichtshof der Europäischen Union an.

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Nach dem Rechtsverständnis des Gerichtshofs baut der Entgeltanspruch für Urlaubstage auf dem Einkommen auf, das die Beschäftigten in der Zeit erzielen, in der ihr Urlaubsanspruch entsteht. Der Gerichtshof hat zur Verdeutlichung mehrfach betont, dass das Entgelt, das ein Beschäftigter für die Urlaubstage zu beanspruchen habe, keinerlei Verbindung mit dem Entgelt habe, das der Beschäftigte in dem Zeitraum der Urlaubsgewährung für seine Arbeit erhalte (EuGH vom 22.04.2010, a. a. O.; EuGH vom 11.11.2015 - C 219/14 - Greenfield - Abl. EU 2016 ; Nr. C 16, 9 = NZA 2015, 1501 = AP Nr. 17 zu Richtlinie 2003/88/EG; EuGH vom 13.06.2013 - C 415/12 - Brandes - Abl. EU 2013, Nr. C 225, 50 = NZA 2013, 775 = AP Nr. 12 zu Richtlinie 2003/88/EG; LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 12.09.017, a. a.  O., R. 33). Der Gerichtshof verwendet dafür das Bild der nachgeholten Ruhezeit. Urlaub ist nach diesem Verständnis eine besondere Form der Ruhezeit, die sich dadurch auszeichnet, dass sie angespart werden kann und vergütungspflichtig ist (LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 12.09.2017, a. a. O., Rn. 33).

45

Unter Berücksichtigung dieses unionrechtlichen Verständnisses von Urlaub wird der Kläger bei der bisher üblichen Auslegung der §§ 21, 26 TV-L wegen seiner Teilzeitarbeit diskriminiert. Der Kläger bekommt seine Alturlaubstage nur mit 87,5 % seines Tabellenentgelts vergütet, obwohl er in der Zeit, als der Urlaub erarbeitet wurde, 100 % des Tabellenentgelts ausgezahlt bekommen hätte. Das beklagte Land kann auch nicht damit gehört werden, dass der Kläger 100 % seines Anspruches erhalten hätte, nämlich 87,5 % ausgezahlt und 12,5 % Anteil, welches auf sein Ansparkonto für die Freistellungsphase im Sabbatical geflossen ist. Der Kläger erhält den Anteil von 12,5 % gerade nicht ausgezahlt und hat diesen Teil der ihm zustehenden Entgeltfortzahlung nicht zur Verfügung; er kann ihn nicht frei verwenden. Hinsichtlich dieses Anteils von 12,5 % arbeitet der Kläger für seine Freistellungsphase vor, denn er erhält im Rahmen der Freistellung genau 87,5 % Entgelt, welches sich aus den angesparten 12,5 % monatlich aus den vergangenen Jahren zusammensetzt. In dieser Konstellation besteht zwischen Teilzeitbeschäftigten, die ihre Arbeitszeit von einer Vollzeitbeschäftigung in eine Teilzeitbeschäftigung reduziert haben, wertmäßig kein Unterschied. Vorliegend lässt sich daher die Argumentation des Gerichtshofes, die dazu ergangen ist, wie die Urlaubstage nach einem Wechsel von Voll- in Teilzeit zu berechnen sind, auch auf die Fälle übertragen, in denen es um die Verringerung der Entgeltzahlung bei einer Verringerung von Voll- auf Teilzeit geht (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern, a. a. O., Rn. 36).

46

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Darlegungen sind § 21 und § 26 TV-L unionskonform auszulegen.

47

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (st. Rechtspr. vgl. nur BAG v. 23.02.2011 AP Nr. 22 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bewachungsgewerbe; BAG v. 31.08.2010 AP Nr. 47 zu § 1 TVG Tarifverträge: Lufthansa; BAG v. 07.10.2007 AP Nr. 40 zu § 1 TVG = NZA 2008, 713). Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut jedoch nicht eindeutig ist, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (BAG vom 14.12.1994 - 4 AZR 865/93 - BAGE 79, 21 = AP Nr. 121 zu § 1 TVG Tarifverträge Metallindustrie = DB 1995, 1669; BAG vom 23.09.1992 - 4 AZR 66/92 - AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel; BAG vom 21.07.1993 - 4 AZR 468/92 - AP Nr. 144 zu § 1 TVG Auslegung; LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 12.09.2017, a. a. O., Rn. 38).

48

Folgt man dem Verständnis des Gerichtshofs, dass Urlaub nachgeholte Ruhezeit ist, ist die Formulierung in § 21 Satz 1 TV-L „werden das Tabellenentgelt und die sonstigen … Entgeltbestandteile weitergezahlt“ auch und gerade auf die Zeiten zu beziehen, in denen der Urlaubsanspruch erworben wurde und demgemäß in der Form weiterzubezahlen ist, wie er seinerzeit bei Erwerb bezahlt wurde.

49

Nach Ansicht der Kammer kam es vorliegend auch nicht streitentscheidend darauf an, dass der Kläger seinen Alturlaub in den Zeiten seiner Vollbeschäftigung hätte nehmen können. Nach dem unstreitigen Vortrag entsprach es der Absprache der Parteien, dass der Kläger zunächst sein Gleitzeitguthaben in der Vollzeitarbeitsphase abgebaut hat und sodann in der Ansparphase des Sabbaticals seinen Urlaub in natura genommen hat. Diese einvernehmliche Absprache kann dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, dass er nunmehr eine Benachteiligung durch geringere Entgeltzahlung hinnehmen muss. Auch insoweit würde eine Diskriminierung eines Teilzeitbeschäftigten vorliegen.

50

Der Anspruch des Klägers war auch nicht nach § 37 TV-L verfallen. Der Kläger hat mit seinem ausdrücklichen Zahlungsverlangen der Differenzvergütung im Schreiben vom 20.07.2016 die Ausschlussfrist des § 37 TV-L von sechs Monaten nach Fälligkeit eingehalten.

51

Im Falle des Klägers ergibt sich damit ein Zahlungsanspruch in Höhe von 731,70 €, der in der Höhe unstreitig war.

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Dem Beklagten ist zuzugestehen, dass er einen Anteil von 12,5 % Tabellenentgelt in das Ansparkonto übertragen hat, auf den der Kläger im Rahmen der Gewährung des Alturlaubs keinen Anspruch hat. Insoweit wäre der Kläger besser als jeder andere Arbeitnehmer gestellt. Hierauf hat er keinen Anspruch; er ist insoweit ungerechtfertigt bereichert (§ 812 Abs. 1 BGB).

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Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

55

Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen, weil die vorliegende Entscheidung von der Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 30.06.2014 - 3 Sa 93/14 - ZTR 2015, 30) abweicht und eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in dieser Rechtsfrage bisher nicht ergangen ist.


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