Urteil vom Landgericht Aachen - 1 O 579/12
Tenor
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einer gekündigten fondsgebundenen Lebensversicherung in Anspruch.
3Mit Vertrag vom 11.03.1991 schloss die Klägerin eine fondsgebundene Lebensversicherung (Versicherungsschein-Nr. ##) bei der Beklagten mit einer Versicherungssumme in Höhe von 15.000 DM (7.669,38 €) und unmittelbarer Beteiligung an der Wertentwicklung des J1-Fonds Nr. # ab. Es war jedoch möglich, zu jedem Monatsbeginn einen Fondswechsel vorzunehmen. Die Versicherungsdauer betrug 25 Jahre. Die Versicherungssumme war in monatlichen Raten in Höhe von 50,- DM (25,56 €) zu zahlen.
4Vermittelt wurde die Lebensversicherung durch die E W AG als Ausschließlichkeitsvertreterin für die Beklagte.
5Die Klägerin leistete insgesamt Zahlungen von Höhe von 6.365,58 €.
6Im Merkblatt für die Fondsgebundene Lebensversicherung heißt es unter Punkt 3. Welche Versicherungsleistungen erbringen wir?:
7„Der Anspruchsberechtigte kann hinsichtlich des Anteils an den Sondervermögen zwischen einer Leistung in Wertpapieren und einer Leistung in DM wählen.“
8Im August 2004 beantragte die Klägerin die Umschichtung des gesamten Anlagekapitals in den T J, die von der Beklagten antragsgemäß vollzogen wurde.
9Der T J wurde erstmals 2008 vorübergehend geschlossen. 2010 kam es erneut zu einer vorübergehenden Aussetzung der Anteilsrücknahme. 2012 wurde die Anteilsrücknahme bis zur Abwicklung des Fonds ausgesetzt.
10Derzeit entspricht die Beteiligung der Klägerin 218,155 Fondsanteilen.
11Mit Schreiben vom 13.01.2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Fondsgesellschaft die Rücknahme von Fondsanteilen ausgesetzt habe und Versicherungsleistungen bis zur Widereröffnung nunmehr durch Übertragung der Fondsanteile und nicht mehr durch Geldleistung erfolgen. Ein Fondswechsel sei bis zur Wiedereröffnung nicht möglich.
12Mit Schreiben vom 12.02.1012 bat die Klägerin darum, die Versicherung ab März beitragsfrei zu stellen.
13Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 07.05.2012 forderte die Klägerin die Beklagte zur Mitteilung des Deckungskapitals und Auszahlung bis zum 21.05.2012 auf.
14Mit Schreiben vom 22.05.2012 bestätigte die Beklagte die Kündigung - bezüglich derer zwischen den Parteien streitig ist, wann die Klägerin sie erklärt hat - , lehnte eine Auszahlung in Geld jedoch ab.
15Aus dem Vertrag erhielt die Klägerin zwischenzeitlich Ausschüttungen in Höhe 2.236,09 €.
16Die Klägerin behauptet, ihr sei es bei Abschluss der Versicherung auf Sicherheit angekommen. Es sei nur von einer Lebensversicherung die Rede gewesen und nicht erläutert worden, dass es sich um eine fondsgebundene Lebensversicherung handle. Zwar sei erwähnt worden, dass die Gelder in einen Fonds angelegt würden; wie die Refinanzierung der Beklagten erfolge, sei für die Klägerin jedoch zweitrangig gewesen. In dem Merkblatt sei die Versicherung ebenfalls als normale Lebensversicherung dargestellt worden. Die Kombination von 2 Finanzprodukten stelle ein besonderes Risiko dar, auf welches habe hingewiesen werden müssen. Die Klägerin sei nicht darauf hingewiesen worden, dass es zur Schließung des Fonds kommen könne und das eingesetzte Kapital dann nicht verfügbar sei. Auch sei sie nicht auf eine mögliche Abwicklung und die Unmöglichkeit der Anteilsrücknahme hingewiesen worden.
17Die Klägerin habe keine Kenntnis von der Funktionsweise einer Lebensversicherung, die durch Immobilienfonds unterlegt ist, gehabt. Es sei nicht danach gefragt worden, welchen Wissenstand die Klägerin habe und welche Risiken sie einzugehen bereit sei. Vielmehr sei die Lebensversicherung als sichere und langfristige Anlage dargestellt worden.
18Die Klägerin habe die Lebensversicherung bereits mit Schreiben vom 12.02.2012 gekündigt.
19Derzeit würden die 218,155 Fondsanteilen einem Rückkaufwert von 11.675,05 € entsprechen.
20Die Klägerin behauptet weiterhin, den Anlagebetrag hätte sie alternativ auf einem Sparkonto mit durchschnittlicher Verzinsung von 2,5 % p.a. angelegt und hätte dadurch ebenfalls zumindest einen Betrag in Höhe von 11.675,05 € erwirtschaftet.
21Der Klägerin seien durch Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 837,52 € entstanden.
22Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe auch deshalb einen Anspruch auf Auszahlung gegen Übertragung der Anteile, weil dies zwischen den Parteien so vereinbart worden sei. Die allgemeinen Versicherungsbedingungen seien nicht Vertragsbestandteil geworden.
23Die Klägerin beantragt,
241. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 11.675,05 € nebst 5 % Zinsen über Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung von 218,155 Anteilen am Fonds T J2, J3####;
252. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 837,52 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.
26Die Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Die Beklagte behauptet, die Klägerin sei sich aufgrund der von ihr vorgenommenen Umschichtung des Fondsvermögens im Klaren darüber gewesen, dass sie selbst das Kapitalanlagerisiko hinsichtlich der Wertentwicklung des Fonds trage. Dieses Risiko habe sie bewusst in Kauf genommen. Im Merkblatt für die Fondsgebundene Lebensversicherung sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass ein bestimmter Wert nicht garantiert werden könne. Eine Aufklärungspflichtverletzung liege nicht vor. Offene Immobilienfonds seien zudem nach der Risikoklassifizierung als sichere Anlage zu qualifizieren.
29Die Klägerin habe erst mit Schriftsatz vom 07.05.2012 gekündigt.
30Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Sie beruft sich zudem auf ein Zurückbehaltungsrecht aus § 2 Abs. 7 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Fondsgebundene Lebensversicherung. Eine Berechnung des Rückkaufwertes sei ihr derzeit nicht möglich.
31Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe sich erhaltene Ausschüttungen in Abzug zu bringen lassen. Ein Schaden sei nicht substantiiert dargetan.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gelangten Anlagen, insbesondere das Merkblatt für die Fondsgebundene Lebensversicherung (Anlage K 3), Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe
34Die Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
35Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Schadensersatz- noch einen Erfüllungsanspruch.
36I.
37Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 278 BGB.
38Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist unstreitig ein Lebensversicherungsvertrag zustande gekommen. Dieser stellt sich aber nach wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft dar, weshalb die Beklagten wie bei sonstigen Anlagegeschäften verpflichtet war, die Klägerin über alle Umstände zu informieren, die für ihren Anlageentschluss von besonderer Bedeutung waren (BGH, Urteil vom 11.07.2012, IV ZR 1674/11). In diesem Rahmen muss sich die Beklagte grundsätzlich auch das Handeln ihrer Vermittler, hier der E W AG, nach § 278 BGB zurechnen lassen.
39Die Beklagte schuldete eine anleger- und objektgerechte Beratung. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei der Beratungsleistung sind einerseits der Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft zu Grund zu legen, wobei das vom Kunden vorgegebene Anlageziel zu berücksichtigen ist (BGH NJW 1993, 2433; BGH NJW 2011, 1949, 1951). Andererseits hat der Anlageberater auf der Grundlage des vom Kunden verfolgten Anlageziels ein geeignetes Anlageprodukt auszusuchen und den Kunden über alle für die Anlageentscheidung maßgeblichen Umstände, insbesondere die mit der Anlage verbundenen Risiken, aufzuklären (BGH a.a.O.). Dazu gehören insbesondere Risiken, die sich aus der Konjunkturlage und der Entwicklung des Kapitalmarktes ergeben (BGH, Urteil vom 26.06.2012, XI ZR 316/11). Während die Aufklärung über die allgemeinen und speziellen Risiken richtig und vollständig sein muss, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageprodukts ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein (BGH WM 2006, 851). Der Kunde trägt demnach das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist.
40Unabhängig davon, dass konkreter Vortrag zu Datum, Inhalt, Ort und Umfang der Beratung fehlt, hat die Beklagte Aufklärungspflichten aus dem Vertrag nicht verletzt.
41Die Empfehlung einer fondsgebundenen Lebensversicherung war ex ante betrachtet vertretbar. Offene Immobilienfonds waren im Zeitpunkt der Zeichnung als sichere Anlage zu qualifizieren.
42Ursprünglich war das Vermögen in dem J1-Fonds Nr. # angelegt. Es war die Klägerin selbst, die das Fondsvermögen in den T J umschichtete.
43Die Frage, ob in Bezug auf den T J ungefragt über die Möglichkeit der zeitweiligen Aussetzung der Anteilsrücknahme aufgeklärt werden musste, ist bislang in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet worden. So hat beispielsweise das OLG Dresden in seiner Entscheidung vom 15.11.2012 (8 U 512/12) eine entsprechende Aufklärungspflicht für das Frühjahr 2008 noch verneint. Hingegen hat das OLG Frankfurt in einer Entscheidung vom 13.02.2013 (9 U 131/11) eine entsprechende Aufklärungspflicht für das Jahr 2006 unter anderem mit der Begründung bejaht, dass sich die Wesentlichkeit der Möglichkeit der Aussetzung der Anteilsrücknahme für die von den Anlageinteressenten zu treffende Anlageentscheidung bereits darin spiegle, dass sich in dem Verkaufsprospekt sowie in verwendeten Werbebroschüren ein Hinweis auf die Rücknahmeaussetzung findet. Höchstrichterlich ist diese Frage bisher noch nicht entschieden worden.
44Zwar enthielt das „Merkblatt für die Fondsgebundene Lebensversicherung“ auch den C J (später T J) als einen möglichen Fonds, in den gewechselt werden konnte. Jedenfalls 1991 musste aber noch nicht über das Risiko der Aussetzung der Anteilsrücknahme bei offenen Immobilienfonds hingewiesen werden. Die Wirtschaftskrise war noch für niemanden absehbar. Die Möglichkeit, dass ein Fonds nicht nur vorübergehend geschlossen, sondern abgewickelt werden kann, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgekommen und bedurfte daher keiner Aufklärung. Es handelte sich dabei um ein rein theoretisches und aus damaliger Sicht fernliegendes Risiko.
45Auch bei Wechsel des Fonds im Jahre 2004 musste die Beklagte noch nicht auf die Möglichkeit der Aussetzung der Anteilsrücknahme hinweisen, zumal eine nachvertragliche Beratungspflicht bereits dem Grunde nach höchst fraglich sein dürfte.
46Soweit die Klägerin behauptet, sie habe nicht gewusst, dass es sich um eine fondsgebundene Lebensversicherung handele, so wird diese Behauptung schon dadurch widerlegt, dass bereits der Antrag auf Abschluss der Lebensversicherung (Anlage BLD 1) diese als fondsgebunden auswies und die Klägerin aus dem Fondsangebot selbst den ursprünglichen J1-Fonds ausgewählt hat. Dass der Klägerin klar gewesen sein muss, dass es sich um eine fondsgebundene Lebensversicherung handelt, erschließt sich auch daraus, dass sie selbst das Anlagevermögen auf einen anderen als den ursprünglichen Fonds umschichten ließ.
47II.
48Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Auszahlung von Versicherungsleistungen aus dem Lebensversicherungsvertrag selbst. Für die von ihr aufgestellte Behauptung, dies sei zwischen den Parteien so vereinbart worden, trägt die Klägerin nicht substantiiert Tatsachen vor. Aus dem der Klägerin zustehenden Wahlrecht ergibt sich kein Anspruch auf sofortige Auszahlung.
49Aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt sich ein solcher Anspruch ebenfalls nicht, zumal die Klägerin selbst behauptet, die Bedingungen seien nicht Vertragsbestandteil geworden.
50III.
51Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, da ihr schon kein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zusteht.
52Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
53Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
54Streitwert: 11.675,05 €
55H | Q | Q1 |
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Referenzen
- BGB § 311 Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- 9 U 131/11 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 247 Basiszinssatz 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- 8 U 512/12 1x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 316/11 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
- BGB § 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte 2x
- BGB § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis 1x
- IV ZR 1674/11 1x (nicht zugeordnet)