Urteil vom Landgericht Bielefeld - 22 S 129/15
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 11.05.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bielefeld wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen
1
Gründe:
2I.
3Der Beklagte bot am 16.10.2014 über die Internetplattform eBay ein E-Bike zum Sofortkauf an. In der über dem als Sofortkaufpreis angegebenen Betrag angeordneten Artikelbezeichnung hatte der Beklagte in Fettdruck eingetragen (Bl. 7):
4PEDELEC STEVENS E-CAPRILE 25 GENT BOSCH NEU EINMALIG 2600 € BESCHREIBUNG LESEN!!
5Als Sofortkaufpreis war ein Betrag von 100,00 € eingetragen. Am Ende der Artikelbeschreibung waren folgende Zusätze enthalten (Bl. 9):
6DAS FAHRRAD IST NOCH ORIGINAL VERPACKT, KANN ABER AUF WUNSCH ZUSAMMENGEBAUT WERDEN.
7BITTE ACHTUNG, DA ICH BEI DER AUKTION NICHT MEHR ALS 100 € EINGEBEN KANN (WEGEN DER HOHEN GEBÜHREN), ERKLÄREN SIE SICH BEI EINEM GEBOT VON 100 € MIT EINEM VERKAUFSPREIS VON 2600+ VERSAND EINVERSTANDEN.
8ODER MACHEN SIE MIR EINFACH EIN ANGEBOT!
9DANKE.
10Der Kläger klickte auf den Button „Sofort-Kaufen“ und überwies in der Folgezeit 100,00 € zuzüglich 39,90 € Versandkosten an den Beklagten. Dieser sandte das E-Bike jedoch nicht an den Kläger. Mit E-Mail vom 16.10.2014 berief sich der Beklagte auf die Vereinbarung des in der Beschreibung angegebenen Kaufpreises von 2.600,00 € (Bl. 26). Unter dem 17.10.2014 forderte er den Kläger zur vollständigen Zahlung des seiner Ansicht nach geschuldeten Kaufpreises binnen 5 Tagen auf (Bl. 27). Mit Anwaltsschreiben vom 31.10.2014 forderte der Kläger den Beklagten vergeblich zur Lieferung des E-Bikes und Bezahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten bis zum 11.11.2014 auf.
11Der Kläger hat die Ansicht vertreten, es sei ein wirksamer Kaufvertrag über das E-Bike zum Preis von 100,00 € zustande gekommen.
12Der Kläger hat beantragt,
13den Beklagten zu verurteilen, an ihn das im eBay-Angebot xxx beschriebene Pedelec Stevens E-Caprile 25 Gent Bosch E-Bike herauszugeben und 334,75 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2014 zu zahlen.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Parteien hätten sich auf einen Kaufpreis von 2.600,00 € geeinigt. Mit dem Verweis auf die Artikelbeschreibung und dem dort angegebenen Kaufpreis sei das Angebot nach dem objektiven Empfängerhorizont dahin auszulegen, dass er das E-Bike für 2.600,00 € habe verkaufen wollen. Ob er damit gegen die Nutzungsbedingungen von eBay verstoßen habe, sei für das Verhältnis zwischen ihm und dem Kläger unerheblich.
17Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe in seinem Angebot deutlich gemacht, das E-Bike für 2.600,00 € verkaufen zu wollen. Der Kläger habe nicht behauptet, dass er das Angebot nicht vollständig gelesen habe, so dass ihm bekannt gewesen sei, dass der Sofortkaufpreis von 100,00 € nicht ernstlich gemeint gewesen sei. Ein etwaiger Verstoß gegen die eBay-Regeln führe nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages. Eine Zug-um-Zug-Verurteilung komme nicht in Betracht, weil der Kläger eine solche ausdrücklich nicht gewünscht habe.
18Der Kläger verfolgt seine Ansprüche mit der Berufung weiter.
19Der Kläger wiederholt seine Rechtsansicht, dass für die Auslegung des Angebots nur der als Sofortkaufpreis eingetragene Betrag maßgeblich sei. Der Kaufinteressent sei nicht verpflichtet, die gesamte Artikelbeschreibung zu lesen, vielmehr müsse er möglichst schnell den Sofortkauf-Button betätigen, wolle er sich ein Schnäppchen sichern. Er behauptet, er habe das Angebot vor Betätigung dieses Buttons nicht vollständig gelesen.
20Der Kläger beantragt,
21das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn das im eBay-Angebot xxx beschriebene Pedelec Stevens E-Caprile 25 Gent Bosch E-Bike zu übereignen und herauszugeben und 334,75 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2014 zu zahlen.
22Der Beklagte beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen.
25II.
26Die zulässige Berufung ist unbegründet.
27Die zulässige Klage ist unbegründet.
28Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Übereignung und Übergabe des streitgegenständlichen E-Bikes aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB.
29Zwischen den Parteien ist kein Kaufvertrag über das E-Bike zustande gekommen. Ein Kaufvertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande. Dabei richtet sich der Erklärungsinhalt der Willenserklärungen gemäß §§ 133, 157 BGB auch nach den Bestimmungen über den Vertragsschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay (BGH Urt. v. 08.06.2011, VIII ZR 305/10, Rz. 15, juris). Stellt ein Verkäufer mittels der eBay-Dienste einen Artikel im Festpreisformat ein, gibt er ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrages über diesen Artikel zum bestimmten Festpreis ab (vgl. § 6 Nr. 2 eBay-AGB n.F.). Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob es im Rahmen der Auslegung des Angebots nach dem objektiven Empfängerhorizont auf den Inhalt der gesamten Artikelbeschreibung ankommt, zumal in den weiteren „Informationen zur Sofort-Kauf-Option“, auf die § 6 Nr. 3 eBay-AGB verweist, unter der Überschrift „Artikel kaufen mit der Option Sofort-Kaufen“ u.a. folgender Rat erteilt wird:
30„Überprüfen Sie den Sofort-Kaufen-Preis des Angebots. Dieser Preis ist für den Artikel zu zahlen. Prüfen Sie jedoch auch die Versandkosten und andere zusätzliche Kosten, die eventuell in der Artikelbeschreibung aufgeführt sind.“
31Denn ein Angebot des Beklagten mit dem Inhalt, das E-Bike für 100,00 € zu verkaufen, ist jedenfalls nach § 118 BGB nichtig. Eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, ist nichtig. Die fehlende Ernstlichkeit der Erklärung ergibt sich schon daraus, dass der Beklagte am Ende der Artikelbeschreibung ausdrücklich darauf hingewiesen hat, der angegebene Sofortkaufpreis sei nicht der wirkliche Angebotspreis, sondern ein mit Rücksicht auf die eBay-Gebühren bewusst niedrig gehaltener Scheinkaufpreis. Der Beklagte handelte ersichtlich in der Erwartung, der Interessent werde die gesamte Artikelbeschreibung lesen und erkennen, dass der angegebene Sofortkaufpreis nicht ernst gemeint sei.
32Ob der Kläger durch Betätigen des Sofort-Kaufen-Buttons ein Angebot abgegeben hat, das E-Bike für 100,00 € zu erwerben, bedarf keiner Entscheidung. Denn der Beklagte hat dieses Angebot nicht angenommen. Schon in seiner Email vom 16.10.2014 wies er den Kläger darauf hin, das E-Bike nur zum Preis von 2.600,00 € verkaufen zu wollen.
33III.
34Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
35Die Zulassung der Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO geboten.
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Referenzen
- BGB § 118 Mangel der Ernstlichkeit 1x
- ZPO § 543 Zulassungsrevision 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- VIII ZR 305/10 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 433 Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 157 Auslegung von Verträgen 1x
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x