Urteil vom Landgericht Bonn - 9 O 234/14
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger aufgrund der naturheilkundlichen Fehlbehandlung in ihrer Praxis im Monat Juli 2013 ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.01.2014 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden mit Ausnahme der Rechnung des Dr. X vom 31.03.2014 (Rechnungsnummer ###/##) in Höhe von 37,53 EUR zu ersetzen, die der Kläger infolge der naturheilkundlichen Fehlbehandlung in ihrer Praxis im Monat Juli 2013 bereits erlitten hat und die ihm zukünftig noch entstehen werden, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 746,73 EUR zuzüglich 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 06.08.2014 freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 25 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 75 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Dem Kläger bliebt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
1
Tatbestand:
2Die Beklagten betreiben in Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Naturheilpraxis für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). Sie sind zugelassene Heilpraktiker im Sinne von § 1 Heilpraktikergesetz.
3Der Kläger begab sich ab Januar 2011 in die Behandlung der Beklagten zu 1). Hintergrund waren Spannungsschmerzen an beiden Augen, geschwollene Augenunterlider und Heuschnupfen. Der Kläger unterzeichnete am 12.01.2011 die von den Beklagten formulierte „Leistungsvereinbarung“ und den darin enthaltenen Hinweis. Dieser lautet wie folgt: „Es wird darauf hingewiesen, dass es bei einer möglichen Behandlung durch Moxabustion (Wärmebehandlung) in seltenen Fällen zu Brandblasen kommen kann. (…)“
4Am 09.07.2013 führte die Beklagte zu 1) eine ganzkörperliche Moxabustion bei dem Kläger durch. Unter anderem setzte die Beklagte zu 1) dem Kläger an diesem Tag eine Moxabustionsnadel mit Kräuterextrakten am rechten Bein oberhalb des Sprunggelenks. Bei der Moxabustion verglimmen kleine Mengen von getrockneten, feinen Beifußfasern (Moxa) auf oder über bestimmten Therapiepunkten. Den traditionellen chinesischen Lehren zufolge wirkt die Hitze auf den Fluss des 'Qi in den darunter liegenden Leitbahnen (Meridiane) ein. Während der Moxabustion beaufsichtigte die Beklagte zu 1) den Kläger nicht durchgehend.
5Weitere Behandlungen des Klägers bei der Beklagten zu 1), allerdings keine Moxabustion, fanden am 26.07.2013 und 16.08.2013 statt.
6Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.01.2014 forderte der Kläger die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 4.000,00 EUR und zur Abgabe eines Schuldanerkenntnisses auf den Schadensfall auf (Anlage K 10). Die Beklagten wiesen, ebenfalls anwaltlich vertreten, unter dem 23.01.2014 die geltend gemachten Ansprüche vollumfänglich zurück. Zudem teilten sie dem Kläger mit, dass zur Anspruchsstellung ein ärztliches Attest, welches die Narbenbildung bestätige, unabdingbar sei. Ein Attest dieses Inhalts stellte der Dermatologe Dr. X unter dem 27.01.2014 aus und berechnete hierfür einen Betrag von 37,53 EUR.
7Der Kläger behauptet, infolge einer fehlerhaften Behandlung der Beklagten zu 1) am 09.07.2013 habe er am rechten Bein oberhalb des Sprunggelenks eine Brandblase erlitten. Die verwendete Moxabustionsnadel sei zu kurz gewesen. So sei es zu einer schwerwiegenden Verbrennung gekommen. Bei dem Termin am 26.07.2013 habe die Beklagte zu 1) ihm eine Salbe ausgehändigt, welche zur Verschlechterung der Wundheilung geführt habe. Die Salbe müsse daher kontraindiziert gewesen sein. Am 27.07.2013 habe er die Salbe in Absprache mit der Beklagten zu 1) dann wieder abgesetzt. Die Beklagte zu 1) habe ihm durchgehend nicht den Rat erteilt, einen Haut- oder seinen Hausarzt aufzusuchen. Er habe daher eine verzögerte Wundheilung und eine vergrößerte Narbenbildung erlitten. Er habe nunmehr eine entstellende Narbe mit einer Größe von 2x3 cm, welche einer operativen Korrektur bedürfe.
8Der Kläger beantragt,
91. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn aufgrund der naturheilkundlichen Fehlbehandlung in ihrer Praxis im Monat Juli 2013 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, das in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch einen Betrag von 4.000,00 EUR nicht unterschreiten sollte, zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.01.2014.
102. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den ihn 37,53 EUR zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
113. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, die er infolge der naturheilkundlichen Fehlbehandlung in ihrer Praxis im Monat Juli 2013 bereits erlitten hat und die ihm zukünftig noch entstehen werden, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
124. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.019,83 EUR zuzüglich 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
13Die Beklagten beantragen,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagten behaupten, ihre Behandlung des Klägers sei jederzeit regelgerecht gewesen; eine etwaige Verbrennung stelle ein behandlungsimmanentes Risiko dar, über welches der Kläger zutreffend aufgeklärt worden sei. Die Brandblase sei keine Folge der am 09.07.2013 erfolgten Behandlung in der Praxis der Beklagten.
16Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen L (Bl. ##-## GA) und auf das Protokoll der Sitzung vom 15.05.2015 (Bl. ###-### GA) verwiesen.
17Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
20I.
21Der Kläger kann von den Beklagten als Gesamtschuldner gemäß §§ 280, 253, 823 BGB ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500,00 EUR verlangen.
221.
23Durch die Moxabustionsbehandlung vom 09.07.2013 ist der Körper des Klägers verletzt worden. Dies zunächst durch die Anwendung der Moxa-Nadeln selbst, aber auch dadurch, dass es im Rahmen der Moxa-Behandlung entweder zu einer Überhitzung der Nadel oder aber zum Herabfallen von Beifußwatte gekommen ist mit der Folge, dass sich über dem rechten Sprunggelenk des Klägers eine Brandblase und letztlich eine Narbe mit den Maßen 2x3 cm gebildet hat.
24a.
25Dass die Beklagte zu 1) bei dem Kläger am 09.07.2013 eine Moxabustionsbehandlung vorgenommen hat, im Rahmen derer auch eine Nadel oberhalb des linken Sprunggelenks gesetzt wurde, ist unstreitig.
26b.
27Die Vornahme der (ganzkörperlichen) Moxabustion war nicht von einer wirksamen Einwilligung des Klägers gedeckt.
28Zwar hat am 12.01.2011 ein Aufklärungsgespräch stattgefunden, bei dem der Kläger die Leistungsvereinbarung inklusive Hinweis unterschrieben hat. Die Aufklärung des Klägers war jedoch nicht ordnungsgemäß. Daseinsgrund und Kernelement der Aufklärung ist, dass der Patient in die Lage versetzt wird, das mit der Behandlung verbundene Risiko einzuschätzen und in Abwägung mit dem medizinischen Nutzen der Behandlung zu einer informierten Entscheidung für oder gegen die Behandlung zu gelangen. Diesen Anforderungen genügt die dem Kläger im Hinblick auf die Moxabustion zuteil gewordene Aufklärung nicht.
29Nach dem Inhalt des Hinweises in der Leistungsvereinbarung und dem insoweit unstreitigen Beklagtenvortrag ging die Aufklärung dahin, dass bei der „Moxibustion“ (gemeint war offensichtlich die Moxabustion) Brandblasen in seltenen Fällen auftreten. Diese Darstellung ist nach den Ausführungen des Sachverständigen L in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend. Der Sachverständige hat in seinem umfassenden und verständlichen schriftlichen Gutachten, sowie im Rahmen der mündlichen Erläuterung dessen nachvollziehbar dargestellt, dass das Verbrennungsrisiko bei der Moxabustion relativ hoch ist. Es komme auch bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt bei dieser Behandlung oft zu Verbrennungen und nachfolgenden Gewebevernarbungen und Pigmentveränderungen. Mit „oft“ meine er in diesem Zusammenhang mehr als 1 Prozent. Vor dem Hintergrund der Sachverständigenausführungen stellt das Risiko der Bildung von Brandblasen inklusive der hiermit zusammenhängenden möglichen Heilungsstörungen eine durchaus häufig auftretende Komplikation bei der Moxabustion dar. Über dieses tatsächlich bestehende Risiko ist nicht hinreichend aufgeklärt worden, wenn der Patient davon ausgeht, es komme lediglich „in seltenen Fällen“ vor. Denn hiermit verbindet der Patient jedenfalls nicht eine tatsächlich oft vorkommende Komplikation. Mit der Formulierung „in seltenen Fällen“, welche in Beipackzetteln von Arzneimitteln üblich ist, verbindet der Patient nämlich die hiermit normalerweise einhergehende Bedeutung, nämlich „diese Folge tritt in mehr als 0,01 Prozent und weniger als 0,1 Prozent der Fälle auf, d.h. bei zwischen einem und zehn von 10.000 Behandelten“. Mithin kann er mit einer solchen Aufklärung das der Moxabustion tatsächlich inne wohnende Verbrennungsrisiko nicht zutreffend ermessen und folglich keine informierte Entscheidung über Vornahme oder Nichtvornahme der Behandlung treffen.
30c.
31Der Beklagten zu 1) sind ferner zwei grobe Behandlungsfehler bei der Durchführung der Moxabustion am 09.07.2013 unterlaufen.
32aa.
33Zum einen war die Moxabustion als Behandlungsmethode nicht indiziert. Der Sachverständige L hat diesbezüglich ausführlich und nachvollziehbar erläutert, dass für die vom Kläger geklagten Beschwerden – nämlich Augenbrennen und geschwollene Augenlider – die Indikation für die Moxabustion fehlte. Im Hinblick auf das Augenbrennen fehlte es zunächst an einer zureichenden Diagnostik bezüglich der Ursache; zudem sei – wenn überhaupt eine alternative Heilbehandlung in Frage gekommen wäre – die Akupunktur, nicht aber die Moxabustion das Mittel der Wahl gewesen. Denn die Moxabustion übe sehr starke Reize aus, welche nicht in der Lage seien, hier eine sinnvolle Gegenreaktion auszulösen. Bezüglich der geschwollenen Augenlider sei eine Indikation für eine Moxabustion keinesfalls gegeben. Hintergrund hierfür sei, dass die Ursache für dieses Leiden sehr verschieden sein können. Mittel der Wahl wäre wohl eine homöopathische Therapie gewesen, etwa die Verabreichung lymphbeschleunigender Mittel. Selbst ein Kollege, welcher die Moxabustion trotz der damit verbundenen Risiken noch befürworte und sorgfältig behandele und therapiere, hätte im vorliegenden Fall diese Behandlungsmethode nicht angewendet. Denn sie hätte bezüglich der geklagten Leiden im vorliegenden Fall keinen Erfolg gehabt, weil sie keine Wirkung im Einzelnen gebracht hätte.
34Der Sachverständige hat für die Kammer einsichtig und verständlich erklärt, weshalb die Moxabustion bezüglich der Beschwerden des Klägers als Behandlungsmethode wirkungslos und deshalb nicht indiziert gewesen sei. Die Kammer hat keinen Grund, an diesen Ausführungen des Sachverständigen zu zweifeln. Aus den Feststellungen des Sachverständigen folgt juristisch, dass die Moxabustionsbehandlung bei dem Kläger nicht hätte vorgenommen werden dürfen. Dies dennoch zu tun, stellt sich demnach als behandlungsfehlerhaft dar.
35Es handelt sich insoweit auch um einen groben Behandlungsfehler, mithin um einen, welcher einem sorgfältigen Behandler schlechterdings nicht unterlaufen darf. Der in tatsächlicher Hinsicht hierzu befragte Sachverständige L hat nachvollziehbar erklärt, warum es sich aus Sicht eines Heilpraktikers um einen groben Behandlungsfehler handelt. Auch aus juristischer Sicht liegt daher ein grober Behandlungsfehler vor.
36bb.
37Ferner hat die Beklagte zu 1) den Vorgang der Moxabustion beim Kläger unstreitig nicht ununterbrochen beaufsichtigt.
38Nach den Ausführungen des Sachverständigen L hätte der Therapeut den Vorgang durchgehend überwachen müssen. Aufgrund der relativ hohen Verbrennungsgefahr sei eine permanente Aufsicht ganz klar erforderlich. Eine solche nicht vorzunehmen, stelle einen groben Behandlungsfehler dar. Diese Ausführungen des Sachverständigen sind ohne Weiteres verständlich und nachvollziehbar. Zur Überzeugung der Kammer steht daher fest, dass die Beklagte zu 1) einen weiteren groben Behandlungsfehler dadurch begangen hat, dass sie nicht dafür Sorge getragen hat, dass die Moxabustion beim Kläger durchgehend überwacht wurde.
39d.
40Der Kläger hat oberhalb des rechten Sprunggelenks eine Narbe mit den Maßen 2x3 cm. Diese Narbe hat das Gericht im Termin vom 15.05.2015 in Augenschein genommen. Sie ist von einer Brandblase mit einem schwierigen Heilungsverlauf verursacht worden. Die Brandblase und den Heilungsverlauf – auch in zeitlicher Hinsicht – hat der Kläger mit der Fotodokumentation Anlage K 4 ausführlich dargelegt. Dass die Anlage K 4 den Knöchel des Klägers zeigt und dass die Fotos zu den angegebenen Zeitpunkten erstellt worden sind, haben die Beklagten nicht bestritten.
41Ihre Behauptung, die Brandblase sei keine Folge der am 09.07.2013 erfolgten Behandlung, ist unerheblich. Denn der Beklagten zu 1) sind ein Aufklärungsfehler und gleich zwei grobe Behandlungsfehler anzulasten. Damit steht die Kausalität der (fehlerhaften) Behandlung für den unstreitig vorhandenen Körperschaden fest (Aufklärungsfehler) bzw. wird vermutet (grober Behandlungsfehler). Zudem hat der Sachverständige ausdrücklich festgestellt, dass die fotografisch dokumentierten Hautschäden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die Moxa-Behandlung zurückzuführen sind.
42Ein etwaiges Mitverschulden des Klägers an dem komplikationsbehafteten Heilungsverlauf und an der darauf beruhenden Narbenbildung haben die Beklagten nicht bewiesen.
43e.
44Der Beklagte zu 2) haftet gemäß § 128 HGB analog für die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1). Denn diese hat die Pflichtverletzung im Rahmen der Erfüllung einer Leistungsverpflichtung der von den beiden Beklagten als Gesellschaftern gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts begangen. Bei den Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen des Klägers handelt es sich somit um Gesellschaftsschulden, für welche der Beklagte zu 2) gemäß § 128 HGB analog akzessorisch persönlich haftet.
45f.
46Als Schmerzensgeld hält die Kammer eine Summe von 2.500,00 EUR für angemessen, aber auch für ausreichend. Hier ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Behandlung aufgrund mangelhafter Aufklärung und daher fehlender wirksamer Einwilligung des Patienten rechtswidrig war und dass im Rahmen ihrer Durchführung zwei grobe Behandlungsfehler unterlaufen sind. Auch war der Heilungsverlauf ausweislich der Fotodokumentation Anlage K 4 mit Komplikationen verbunden, welche letztlich zu einer verstärkten Narbenbildung geführt haben. Die Narbe ist mit einem Ausmaß von 2x3 cm auch nicht gänzlich unerheblich. Andererseits ist hier zu sehen, dass es sich bei dem Kläger um einen 56-jährigen Mann handelt und die von der Narbe betroffene Stelle – oberhalb des Sprunggelenks am rechten Bein – für das äußere Erscheinungsbild nicht prägend ist. Anders ist dies etwa in den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers ins Feld geführten Entscheidungen, in denen es um Narben im Kopf- und Gesichtsbereich ging.
47Ob die Beklagte zu 1) dem Kläger die Salbe verschrieben bzw. ausgehändigt hat und ob diese kontraindiziert war, kann hier dahinstehen. Denn die Beklagte zu 1) hat unabhängig hiervon einen Aufklärungsfehler und zwei grobe Behandlungsfehler begangen, so dass die Kausalität der (fehlerhaften) Behandlung für den festgestellten Körperschaden vermutet wird. Der problematische Heilungsverlauf der Wundstelle, angefangen von der Blasenbildung am Behandlungstag bis zur heute noch vorhandenen Vernarbung, ist aus der Fotodokumentation Anlage K 4 ersichtlich. Diesen schwierigen Heilungsverlauf hat das Gericht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes umfassend berücksichtigt. Selbst wenn die Beklagte zu 1) also, wie ihr der Kläger vorwirft, ihm eine kontraindizierte Salbe verabreicht hätte, welche den Heilungsverlauf negativ beeinflusst hätte, würde sich dies nicht weiter schmerzensgelderhöhend auswirken.
48II.
49Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 37,53 EUR. Der Klageantrag zu 2) war daher abzuweisen. Die 37,53 EUR sind als Kosten des Klägers angefallen, weil dieser von dem Dermatologen Dr. X ein Attest über das Bestehen der Narbe hat ausstellen lassen. Eine Behandlung dieser Narbe erfolgte ausweislich der Behandlungsunterlagen des Dr. X nicht. Somit waren diese Kosten keine, welche für die Heilbehandlung erforderlich waren. Als Rechtsverfolgungskosten waren sie ebenfalls nicht erforderlich. Denn zum Zeitpunkt der Erstellung des Attestes (27.01.2014) hatten die Beklagten bereits die Leistung auf die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche uneingeschränkt verweigert. Im Rahmen des daher unvermeidlichen Rechtsstreits ist ein Attest über das Vorhandensein der Narbe nicht erforderlich. Denn das Gericht kann sich – was es hier auch getan hat – durch Inaugenscheinnahme von der Existenz dieses Schadens überzeugen.
50III.
51Der zulässige Feststellungsantrag ist begründet.
52IV.
53Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Der Anspruch ist nach unbestrittenem Klägervorbringen durch Schreiben vom 14.01.2014 angemeldet und damit angemahnt worden. Mit Schreiben vom 23.01.2014 haben die Beklagten, vertreten durch ihren damaligen Rechtsanwalt, sämtliche Ansprüche zurückgewiesen.
54V.
55Der Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann nur in dem Umfang verlangt werden, in welchem die außergerichtlich geltend gemachten Ansprüche begründet sind.
56Hier war ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500,00 EUR angemessen, aber auch ausreichend (s.o. 1. f.).
57Der begründete Feststellungsantrag hat einen Wert von nicht mehr als 2.000,00 EUR. Als weitere materielle Schäden führt der Kläger die Kosten für eine anstehende operative Korrektur der Narbe an. Dass eine solche Korrektur medizinisch nötig sei, behauptet der Kläger selbst nicht. Die somit als kosmetisch einzustufende Operation hat der Kläger bislang – immerhin fast 2 Jahre nach dem Vorfall – noch nicht vornehmen lassen. Auch hat er in der mündlichen Verhandlung im Rahmen seiner persönlichen Anhörung nicht ausgesagt, dass ihm eine solche Operation wichtig wäre und sie daher konkret und ernsthaft geplant sei. Somit sind mögliche weitere materielle Schäden für die Zwecke des berechtigten Streitwerts allenfalls mit einem Wert von 2.000,00 EUR berücksichtigungsfähig. An dieser Bewertung ändern die Ausführungen des Klägers in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 24.05.2015 nichts.
58Die berechtigten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten berechnen sich mithin wie folgt:
59[1,5 x 405 EUR (§ 1 RVG aus Streitwert bis 7.000,00 EUR) + 20 EUR (Auslagenpauschale)] + 19 % Mehrwertsteuer hieraus = 746,73 EUR.
60Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
61VI.
62Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. II, 709, 711 ZPO.
63Streitwert: 6.037,53 EUR (nämlich 4.000,00 EUR für den Klageantrag zu 1); 37,53 EUR für den Klageantrag zu 2); 2.000,00 EUR für den Klageantrag zu 3)).
64Rechtsbehelfsbelehrung:
65Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Bonn statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
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