Teilurteil vom Landgericht Bonn - 1 O 213/20
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.084.480,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.05.2020 zu zahlen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche der Klägerin aus einem mit der Beklagten im Rahmen der COVID-19-Pandemie geschlossenen Vertrag über die Lieferung von Atemschutzmasken, wobei in diesem Teilurteil ausschließlich eine Entscheidung über die unter der Avis-Nr. $00001 gelieferten 576.000 Masken ergeht.
3Im Rahmen eines sog. Open House Verfahrens, bei dem der Auftraggeber nicht nur mit einem oder einer von Anfang an bestimmen Anzahl von Unternehmen einen Liefer- oder Dienstleistungsvertrag abschließt, sondern zu vorher vorgegebenen Konditionen mit allen interessierten Unternehmen kontrahieren will, veröffentlichte die Beklagte am 27.03.2020 die Auftragsbekanntmachung mit der Referenznummer 000-0000-0001 im „Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union“ für das europäische öffentliche Auftragswesen sowie in dessen Online-Version „Tenders Electronic Daily“ zur Beschaffung persönlicher Schutzausrüstung. Dessen Ziffer II.2.4) lautet wie folgt:
4„[…] Das Vertragssystem beginnt ab sofort zu laufen und endet mit Ablauf des 08.02.2020. Zu berücksichtigten ist jedoch, dass spätester Liefertermin der 30.04.2020 innerhalb der üblichen Geschäftszeiten der D […] ist.“
5Am 08.04.2020 erfolgte zudem eine Berichtigung / Bekanntmachung über Änderungen oder zusätzliche Angaben.
6Beigefügt waren die Aufforderung zur Angebotsabgabe (Anl. K1), das Angebotsformular, das Vertragsformular über die Lieferung von Schutzausrüstung (Anl. K2), die Leistungsbeschreibung (Anl. K3), die Teilnahmebedingungen sowie die Hinweise zum Datenschutz (vgl. insgesamt Anlagenkonvolut B1).
7Auch die Aufforderung zur Angebotsabgabe und die Teilnahmebedingungen enthielten unter 3.1 bzw. III. jeweils einen Hinweis auf den genannten Liefertermin zum 30.04.2020.
8Der „Gegenstand des Vertrages“ ist in dem Vertragsformular über die Lieferung von Schutzausrüstung (Anl. K2), unter § 1 S. 1 zunächst wie folgt definiert:
9„Gegenstand des Vertrages ist die Lieferung von Produkten folgender Produktgruppe(n):
101. FFP2 Masken Menge in Stück: Klicken Sie hier, um Text einzugeben
112. OP-Masken Menge in Stück: Klicken Sie hier, um Text einzugeben
123. Schutzkittel Menge in Stück: Klicken Sie hier, um Text einzugeben“
13Der Auftragnehmer konnte insoweit lediglich die zu liefernde Stückzahl eingeben.
14§ 2 Ziffer 2.1 lautet zudem unter der Überschrift „Vertragsbestandteile“ wie folgt:
15„Folgende Unterlagen und Bestimmungen sind in Ergänzungen der Regelungen dieses Vertrages Bestandteile des Vertragsverhältnisses:
16a. die Leistungsbeschreibung mit den Stückpreisen für die einzelnen Produktgruppen Anlage 1“
17(einen entsprechenden Buchstaben b. weist das Vertragsdokument nicht auf)
18§ 3 Ziffer 3.1 lautet wie folgt:
19„Die von dem AN zu liefernden Produkte einer Produktgruppe i.S.d. § 1 dieses Vertrags werden durch die Leistungsbeschreibung (Anlage 1) näher bestimmt.“
20In dieser Leistungsbeschreibung (Anl. K3, Bl. 21-22 d.A.) wurde hinsichtlich der Produktgruppen „FFP 2 Masken“, „OP-Masken“ und „Schutzkittel“ unterschieden.
21Hinsichtlich ersterer heißt es dort:
22„FFP2 Masken
23Beschreibung:
24- Atmungsaktives Design, das nicht gegen den Mund zusammenfällt (z.B. Entenschnabel, becherförmig)
- Versehen mit einer Metallplatte an der Nasenspitze
- Kann wiederverwendbar* (aus robustem Material, das gereinigt und desinfiziert werden kann) oder Einwegartikel sein
Normen/Standards:
26 Atemschutzgerät "N95" gemäß FDA Klasse II, unter 21 CFR 878.4040, und CDC NIOSH, oder "FFP2" gemäß EN 149 Verordnung 2016/425 Kategorie III
27oder gleichwertige Normen, auch KN95 (CHN)“
28Weiter war in der Leistungsbeschreibung ein Preis pro Maske in Höhe von 4,50 € netto vorgesehen.
29Zudem finden sich in dem o.g. Vertragsformular insbesondere die folgenden weiteren Regelungen:
30In § 3 Ziffer 3.2 heißt es zur Lieferung:
31„Die Lieferung der Produkte hat an die D […] während der üblichen Geschäftszeiten zu erfolgen; […]. Die Lieferung ist der D in Textform mit einer Frist von mindestens drei Kalendertagen vor dem Liefertermin anzukündigen. Spätester Liefertermin ist der 30.04.2020 innerhalb der Geschäftszeiten gemäß S.1. Bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins entfallen die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner; eine verspätete Lieferung stellt keine Erfüllung des Vertrages durch den AN dar (absolutes Fixgeschäft).“
32§ 5 Ziffer 5.1. bestimmt in Bezug auf die Zahlung:
33„Der AG zahlt die vereinbarte Vergütung bargeldlos binnen einer Woche nach erfolgter Lieferung und Eingang einer den Vorschriften des Umsatzsteuerrechts entsprechenden Rechnung bei der D […] auf das von dem AN angegebene Konto.“
34Unter § 6 und der Überschrift „Mängelansprüche“ finden sich in den Ziffern 6.1 und 6.2 die folgenden Regelungen:
35„6.1 Für Sach- und Rechtsmängelansprüche gelten die gesetzlichen Vorschriften, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist.
366.2 Eine Untersuchungs-/Rügeobliegenheit des AG beschränkt sich auf Mängel, die nach der Ablieferung unter äußerlicher Begutachtung offen zu Tage treten (z.B. Transportbeschädigungen, Falsch- und Minderlieferungen). Eine Rüge/Mängelanzeige gilt als unverzüglich und rechtzeitig, wenn sie innerhalb von sieben Kalendertagen beim AN eingeht.“
37Ferner heißt es dort unter § 7 Ziffer 7.1 des Vertrages:
38„Der Vertrag tritt mit Zuschlagserteilung des AG auf das im Open-House-Verfahren abgegebene Angebot des AN in Kraft und endet mit Ablauf des 30.04.2020. Die durch eine innerhalb der Vertragslaufzeit erfolgte Lieferung begründeten Rechte und Pflichten […] bestehen [...] fort.“
39Die Schutzmasken sollten im Anschluss an die Beschaffung durch die Beklagte an die Bundesländer und Kassenärztlichen Vereinigungen weitergegeben werden.
40Unter dem 31.03.2020 und 01.04.2020 unterbreitete die Klägerin der Beklagten jeweils ein Angebot über die Lieferung von 2.000.000 „FFP2 Masken“ und unter dem 06.04.2020 ein weiteres über die Lieferung weiterer 1.000.000 Masken. Für diese Angebote erhielt sie durch die Beklagte, vertreten durch die Generalzolldirektion, mit Schreiben vom 05.04.2020 und 08.04.2020 die Zuschläge (Anl. K4, K5).
41Die Anlieferungen der Masken wurden im Auftrag der Beklagten durch die
42D (nachfolgend "D") sowie die im fortgeschrittenen Stadium des Open House Verfahrens involvierte A GmbH (nachfolgend: „A“) koordiniert. Nach Ankündigung einer Anlieferung durch den Auftragnehmer wiesen die Logistiker der geplanten Anlieferung eine oder mehrere Avisierungsnummern zu und teilten die Lieferadresse mit.
43Eine Analyse der Vorankündigungen zeigte auf, dass für den Zeitraum zwischen dem 28.04.2020 und 30.04.2020 eine massive Anlieferungsspitze zu erwarten war, die trotz Einbindung von A und Inanspruchnahme der zusätzlich bereitgestellten Lagerflächen logistisch von der Beklagten nicht bewältigt werden konnte. Jedenfalls zur Entzerrung dieser Anlieferungsspitze erhielt eine größere Zahl von Auftragnehmern, unstreitig jedenfalls die, die ihre Lieferung pünktlich bis zum 27.04.2020 23:59 avisiert hatten, einen Anlieferslot für einen Zeitpunkt nach dem 30.04.2020.
44Die Klägerin kündigte die Lieferungen fristgerecht an, woraufhin die Beklagte ihr zunächst Lieferslots für den 27.04.2020 zuwies. Wegen befürchteter Ausfuhrprobleme aus China bat die Klägerin vorsorglich um eine Verschiebung des Lieferslots. Die A verschob daraufhin den Lieferslot zunächst auf den 30.04.2020, später auf den 04./05.05.2020 und schließlich auf den 05. und 07.05.2020 (Anl. K6, K7, K39).
45Während die Klägerin auf das erste Angebot keine Masken lieferte, stellt sie am 05.05.2020 eine erste Teillieferung zu, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob es sich um eine Anzahl von 2.027.200 (so die Beklagte) oder 2.027.560 (so die Klägerin) Masken handelte (Lieferscheine Anl. K8) und ob eine Entgegennahme zur Zeit der vorgesehenen Lieferslots erfolgt ist. Insoweit stellte die Klägerin zunächst eine Rechnung mit der Nr. 0000-0002 für 2.000.000 Masken über 10.710.000 € brutto aus (Anl. K9, Anl. B7), die der Beklagten am 07.05.2020 zuging. Auf diese Rechnung leistete die Beklagte am 22.05.2020 eine Teilzahlung in Höhe von 5.355.000,00 €, am 29.05.2020 in Höhe von weiteren 4.737.033,00 € sowie am 24.06.2020 zudem in Höhe von weiteren 535.000,00 €. Ein Betrag in Höhe von 82.467,00 € blieb hingegen zunächst offen.
46Auf das dritte Angebot lieferte die Klägerin sodann zu einem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt insgesamt 1.000.000 Schutzmasken, davon 360.000 Schutzmasken vom Typ KN95 des Herstellers G und 64.000 Schutzmasken vom Typ KN95 des Herstellers F Co., LTD (Avis-Nr. $00001), sowie weitere 576.000 Schutzmasken vom Typ KN95 des Herstellers F Co., LTD (Avis-Nr. $00001).
47Für diese Lieferung stellte die Klägerin der Beklagten unter dem 30.04.2020 und der Nummer 0000-0004 (Anl. K19, Anl. B8) einen Betrag in Höhe von 5.355.000,00 € in Rechnung, die am 12.05.2020 bei der Beklagten einging. Auf diese Rechnung zahlte die Beklagte am 29.05.2020 einen Betrag in Höhe von 1.927.000,00 € für die 360.000 Masken des Herstellers G, 3.427.200,00 € blieben demgegenüber zunächst offen.
48Hintergrund der nicht erfolgten Zahlung durch die Beklagte war eine Prüfung der Ware, wobei das von der Beklagten durchgeführte Prüfungsverfahren vor den Hintergrund, dass es zur Zeit des Ausbruchs der COVID-Pandemie nicht genügend Schutzmasken gab, die das Konformitätsbewertungsverfahren vollständig durchlaufen hatten und auf dem deutschen Markt verkehrsfähig gewesen wären, wie folgt ablief:
49Die Zentralstelle der Länder (nachfolgend: „ZLS“) passte das von der europäischen Norm EN 149 vorgesehene Prüfverfahren auf Grundlage der am 13.03.2020 von der EU-Kommission herausgegebenen „Empfehlung der Europäischen Kommission 2020/403 über Konformitätsbewertungs- und Marktüberwachungsverfahren im Kontext der COVID-19-Bedrohung“ (Anl. B3) an und erstellte infolge dessen den Prüfgrundsatz für Corona SARS-Cov-2 Pandemie Atemschutzmasken (nachfolgend „CPA-Prüfgrundsatz“, Anl. B4). Da die im Rahmen des Open House Verfahrens gelieferten Schutzmasken für den Einsatz im medizinischen Bereich vorgesehen waren, entschied sich die Beklagte sodann, das Prüfverfahren auf Basis des CPA-Prüfgrundsatzes zu modifizieren und insbesondere auf diejenigen Kriterien zu beschränken, die ihrer Auffassung nach für die Verwendung der Schutzmasken insbesondere im medizinischen Bereich essentiell sind (nachfolgend „modifizierter CPA-Prüfgrundsatz“). Diese Modifikation erfolgte durch das BMG in Abstimmung mit dem Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte („BfArM"). Zur Durchführung der erforderlichen Prüfung benannte die Beklagte den TÜV einschließlich seiner Gruppengesellschaft der C GmbH & Co. KG (C).
50Die Beklagte führte im Rahmen dieses Prüfverfahrens nach dem von ihr entwickelten modifizierten CPA-Prüfgrundsatz zunächst eine Sensorikprüfung in Form einer sog. Sicht- und Anlegeprüfung durch, im Rahmen derer der TÜV u.a. Passform (Dichtsitz), Befestigung der Fixierbänder sowie Geruch begutachtete. Hieran schloss sich im Falle des Bestehens der Prüfung – an anderen Prüfexemplaren – eine Laborprüfung an, die neben Elementen, die bereits Gegenstand der Sensorikprüfung waren (z.B. Dichtsitz der Schutzmasken und Stabilität der Bänder im Rahmen einer sog. Anlegeprüfung) insbesondere die Prüfung des Atemwiderstandes und des Filterdurchlasses der Schutzmasken umfasste.
51Für die Zusammenstellung der zu prüfenden Stichprobe entnahm der TÜV bzw. die C grundsätzlich pro Avis-Nummer jeweils drei Verpackungseinheiten von unterschiedlichen Paletten, die abhängig vom Hersteller eine unterschiedliche Anzahl von Exemplaren enthielten.
52Mit E-Mail vom 25.06.2020 bestätigte die Beklagte die Lieferung von 3.017.200 Masken, wobei die Masken Klägerin zwar eine solche von 3.027.560 Masken behauptet, die entsprechende Mehrforderung jedoch mit der Klage nicht mehr weiter verfolgt. Zudem rügte die Beklagte in dieser E-Mail insgesamt 640.000 Masken als mangelhaft und erklärte insoweit und bezüglich der behaupteten Minderlieferung den Rücktritt vom Vertrag (Anl. K11). Der E-Mail waren zwei Testberichte des TÜV Nord in englischer Sprache beigefügt (Anl. K12, K13, B5, B6).
53Der Prüfbericht, der ausweislich des bestrittenen Beklagtenvortrags die von der Klägerin unter der Avis-Nr. $00001 gelieferten 576.000 Masken betreffen soll (Anl. K13, B6), wies hinsichtlich der behaupteten Mangelhaftigkeit die folgenden Formulierungen auf:
54(i) "The masks are from different mask type, when comparing the content of two different packages. (See picture in the annex)"
55(ii) "The printed mask picture on the package deviates to the masks that are included. (See picture in the annex)"
56Übersetzung des Beklagtenvertreters in die deutsche Sprache:
57(i) „Auf Grundlage eines Vergleichs des Inhalt zweier unterschiedlicher Verpackungen wurden unterschiedliche Maskentypen festgestellt. (Siehe Bild im Anhang)"
58(ii) „Das auf die Verpackung aufgedruckte Bild weicht vom Aussehen der in der Verpackung enthaltenen Masken ab. (Siehe Bild im Anhang)“
59Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.06.2020 widersprach die Klägerin sowohl der Mängelrüge als auch der Erklärung des Rücktritts und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 03.07.2020 zur Zahlung der Kaufpreisdifferenz nebst Zinsen, vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und behaupteter Standkosten auf (Anl. K14).
60Am 01.07.2020 stellte die Klägerin der Beklagte zudem eine Rechnung unter der Nr. 0000-0001 über die bislang nicht abgerechneten verbleibenden 27.200 Masken in Höhe von 141.974,00 € brutto aus (Anl. K15, Anl. B9), die der Beklagten am 10.07.2020 zuging. Eine entsprechende Zahlung der Beklagten blieb zunächst aus. Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.07.2020 (Anl. K17 Bl. 19-20 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte auch insoweit zur Zahlung auf.
61Die von der Klägerin zunächst mit der hiesigen Klage geltend gemachten ausstehenden Restbeträge der Rechnungen Nr. 0000-0002 und 0000-0003 wurden von der Beklagten nach Klageerhebung am 14.09.2020 zur Zahlung angewiesen. Zudem zahlte die Beklagte unter dem 22.09.2020 Verzugszinsen in Höhe von 66.570,00 € (vgl. Berechnung Bl. 97 d.A.) sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 16.676,90 € für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zugunsten des Kontos der Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
62Die Klägerin behauptet, die gelieferten Masken entsprächen dem Standard KN95 (Bl. 215-221 d.A.), jedenfalls seien etwaige Abweichungen nicht erheblich. Alle gelieferten Masken hätten derselben Art und Qualität entsprochen und seien aus denselben Materialien hergestellt worden. Etwaige Detailunterschiede in der Optik seien darauf zurückzuführen, dass der Hersteller der Klägerin nicht nur eine, sondern mehrere Maschinen genutzt habe und habe nutzen müssen, um in der von der Beklagten vorgegebenen kurzen Zeit die entsprechende Anzahl an Masken herzustellen (Bl. 370 f d.A., Schreiben des Herstellers, Anl. K62). Auch sei die C schon kein für die Prüfung von FFP2-Masken geeignetes Prüfinstitut (Anl. K31) und für die Durchführung von Tests nach GB 2626 sei im Mai 2020 überhaupt kein deutsches Testinstitut in der Lage gewesen. Zudem hätten die vorliegend behaupteten Mängel bereits vor Ort bei der Einlieferung festgestellt werden können (Anl. K38).
63Die Klägerin ist zudem der Auffassung, der Beklagten habe gemäß § 377 HGB eine Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge oblegen und die Rüge sei verspätet erfolgt. Zur Erklärung des Rücktritts habe es zudem einer vorherigen Nachfristsetzung bedurft, da die Lieferfrist weder objektiv noch subjektiv wesentlich für die Beklagte gewesen sei (vgl. Bl. 179-182 d.A.). Auch sei die Vereinbarung der einer etwaigen Fixschuld vorliegend AGB-rechtlich unwirksam (vgl. Bl. 189-195 d.A.). Jedenfalls sei eine etwaige Fixabrede durch die Zuweisung der abweichenden Lieferslots sowie durch die Akzeptanz von Nachlieferungen anderer Lieferanten abbedungen worden (vgl. Bl. 154-158, 182- 187, 310 ff., 459 ff.d.A., Anl. K16, K20, K21-K28, K40-56, K64-68). Daher sei die Beklagte unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten verpflichtet, allen Lieferanten identische Konditionen anzubieten, hilfsweise liege in der Vertragsanpassung einiger Lieferanten ein konkludentes Angebot an alle übrigen Lieferanten, hilfsweise sei darin eine treuwidrige Rechtsausübung zu sehen. Wiederum hilfsweise stehe dem Kläger ein Schadensersatzanspruch wegen verweigerter Vertragsanpassung zu. Jedenfalls sei ein etwaiges Rücktrittsrecht der Beklagten verwirkt (Bl. 186 ff d.A.). Auch bestehe wegen der Verletzung einer jedenfalls nebenvertraglichen Rügeobliegenheit durch die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe. Hierbei hätten die Lieferanten nach dem üblicherweise zu erwartenden Geschehensablauf mindestens die im Open-House-Verfahren angesetzten Preise erzielen können.
64Mit der Klage vom 06.07.2020 hat die Klägerin zunächst einen Zahlbetrag in Höhe von 3.509.667,00 € sowie Zinsen aus 82.467,00 € seit dem 25.06.2020, aus 3.427.200,00 € seit dem 30.05.2020, sowie ausgerechnete Zinsen in Höhe von 53.462,70 € geltend gemacht und zudem die Freistellung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 18.666,60 € begehrt. Unter dem 20.07.2020 hat die Klägerin letzteren Betrag auf 19.345,20 € erhöht und die Klage zudem um einen weiteren Zahlbetrag in Höhe von 141.984,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.07.2020 erweitert. Mit Schriftsatz vom 13.01.2021 hat die Klägerin sodann die teilweise Erledigung der Klage über die folgenden Anträge hinaus erklärt, der sich die Beklagte unter Erklärung der Kostenübernahme angeschlossen hat.
65Die Klägerin beantragt zuletzt,
661. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.427.200,00 € zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.05.2020;
672. die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.440,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.07.2020 zu zahlen.
68Die Beklagte beantragt,
69die Klage abzuweisen.
70Sie behauptet, die von der Klägerin gelieferten 64.000 und 576.000 Schutzmasken des Herstellers F Co., LTD hätten die durchgeführte Sensorikprüfung nicht bestanden (Bl. 93 d.A.). Hinsichtlich der am 12.05.2020 vorgenommenen Sensorikprüfung der von der Klägerin gelieferten 576.000 Masken seien auf der Grundlage eines Vergleichs des Inhalts zweier unterschiedlicher Verpackungen unterschiedliche Maskentypen festgestellt worden und das auf die Verpackung aufgedruckte Bild habe hinsichtlich des Aussehens von den in der Verpackung enthaltenen Masken, insbesondere hinsichtlich des aufgedruckten Atemventils, abgewichen, wobei letzteres zwischen den Parteien unstreitig ist (Prüfbericht Anl. B6, Übersetzung der Passage Bl. 95 d.A.). Dies führe zusätzlich zu erheblichen Zweifeln, dass die der Verpackung beigefügten Zertifikate auch auf die verpackten Schutzmasken ausgestellt worden seien. Sie ist der Auffassung, einen Verstoß gegen die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit stelle auch das Vorhandensein von Schutzmasken unterschiedlicher Typen dar, da sich im Rahmen der auf Basis einer Stichprobenziehung erfolgenden Testungen nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen lasse, dass die betroffenen Schutzmasken vollumfänglich die relevanten Anforderungen erfüllen (vgl. 103-105 d.A.). Zudem finde auf die Masken das Null-Toleranz-Prinzip der Anhänge VII und VIII PSA-Verordnung (EU) 2016/425 (Anl.konvolut B12) Anwendung. Dabei sei die Sortenunreinheit ist ein ungeschriebenes Beschaffenheitsmerkmal der zu liefernden Schutzausrüstung gewesen, denn das Null-Toleranz-Prinzip finde seinen Niederschlag auch in der Voraussetzung der Sortenreinheit pro Avise als Bestandteil der zwischen den Parteien vereinbarten kaufrechtlichen Soll-Beschaffenheit. Ein Konformitätsbewertungsverfahren oder auch nur eine Stichprobenprüfung sei allein dann sinnvoll, wenn der Abnehmer der Masken davon ausgehen dürfe, dass aufgrund der tatsächlich geprüften Masken eine sinnvolle Aussage über die Qualität der gesamten gelieferten Charge getroffen werden kann. Ohne die Sortenreinheit sei das Null-Toleranz-Prinzip deshalb nicht umsetzbar. Wolle man auf die Sortenreinheit verzichten, führe dies das festgelegte Prüfverfahren ad absurdum. Dem Käufer der Masken könne nicht aufgebürdet werden, eine Avise daraufhin zu überprüfen, ob sich nicht irgendwo ein anderer Maskentyp findet, der dann separat zu prüfen wäre, was praktisch nicht zu bewerkstelligen sei. Dem Erfordernis einer raschen Verfügbarkeit einer großen Zahl von Schutzmasken zur Pandemiebekämpfung liefe das Erfordernis zeitraubender Prüfungen auf Seiten der Beklagten demgegenüber zuwider. Die Verpflichtung zur sortenreinen Lieferung habe sich vorliegend daher aus der Eil- und Massenbeschaffung als vertraglicher Pflicht der Klägerin ergeben. Nur die Kombination aus Null-Toleranz-Prinzip und Sortenreinheit lasse nach einer Prüfung einen Rückschluss auf die Sicherheit der Masken zu. Daher handele es sich bei der Sortenreinheit um einen unverzichtbaren Bestandteil des Prüfsystems zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes.
71Eine Untersuchungs- und Rügeverpflichtung aus § 6 Ziffer 6.2 des Vertrages habe sie nicht verletzt, da es sich nicht um offene Mängel gehandelt habe, und eine solche gemäß § 377 HGB habe ihr in Ermangelung eines beiderseitigen Handelsgeschäfts nicht oblegen (Bl. 107-114 d.A.). Im Übrigen habe sie weder eine solche, noch eine vertragliche Nebenpflicht verletzt (Anl. B10, B11, Bl. 115-118 d.A.). Auch sei eine Verwirkung des Rücktrittsrechts nicht eingetreten, da es insbesondere bereits an einem Vertrauensmoment fehle (Bl. 278-281 d.A.). Auch sei eine Nachfristsetzung entbehrlich gewesen, da es sich vorliegend um ein relatives Fixgeschäft handele (Bl. 119 ff. d.A.), das nachträglich nicht abbedungen worden sei und auf das sie – die Beklagte - sich auch mangels widersprüchlichen Verhaltens weiterhin berufen dürfe (vgl. im Einzelnen Bl. 121, 520 ff. d.A.).
72Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die diesen beigefügten Anlagen sowie auf das Protokoll zu den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.03.2021Bezug genommen.
73Entscheidungsgründe:
74Die zulässige Klage ist hinsichtlich der in dem Klageantrag zu 1. enthaltenen Kaufpreisforderung der Klägerin für die unter der Avis-Nr. $00001 gelieferten 576.000 Masken in Höhe von 3.084.480,00 € begründet.
75Dabei betrifft das vorliegende Teilurteil ausschließlich die genannte Kaufpreisforderung der Klägerin zzgl. der beantragten Zinsen. Eine Entscheidung über einen etwaigen weiteren Anspruch der Klägerin bezüglich des Kaufpreises hinsichtlich der unter der Avis-Nr. $00002 gelieferten 64.000 Masken zzgl. diesbezüglicher Zinsen sowie der unter dem Klageantrag zu 2 geltend gemachten Standkosten bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
76Die Kammer erachtet insoweit das Vorgehen im Wege des Teilurteils als angemessen, weil der genannte Anspruch der Klägerin, im Gegensatz zu der Kaufpreisforderung hinsichtlich der unter der Avis-Nr. $00002 gelieferten 64.000 Masken zzgl. Zinsen (ebenfalls Klageantrag zu 1) sowie im Hinblick auf die mit dem Klageantrag zu 2 geltend gemachten Standkosten, ohne Beweisaufnahme zur Endentscheidung reif ist. Anders als die Beklagte meint, besteht nach Auffassung der Kammer auch keine Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung im Schlussurteil wegen der beide Lieferungen betreffenden Frage des Vorliegens eines Fixgeschäftes, da es hinsichtlich der dem Teilurteil zugrunde liegenden Kaufpreisforderung für die unter der Avis-Nr. $00001 gelieferten 576.000 Masken hierauf bereits gar nicht ankommt.
77Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in genannter Höhe aus dem zwischen den Parteien geschlossenen sog. Open House Vertrag i.V.m. § 433 Abs. 2 BGB zu.
78Mit dem zwischen den Parteien geschlossenen sog. Open House Vertrag hat die Beklagte sich zur Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 4,50 € netto pro Atemschutzmaske verpflichtet. Die Lieferung der 576.000 Schutzmasken ist unstreitig durch die Klägerin erfolgt.
79Die Beklagte ist insoweit nicht gemäß der §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 2 Nr. 2, 346, 433, 434 Abs. 1 BGB wirksam von dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zurückgetreten.
80Die Beklagte hat zwar mit Schreiben vom 25.06.2020 den Rücktritt von dem Kaufvertrag nach § 349 BGB gegenüber der Klägerin erklärt. Allerdings liegen die Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt nicht vor.
81Denn es fehlt bereits an einer Mangelhaftigkeit der Masken im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB.
82Dabei kann die Kammer dahinstehen lassen, ob der der Rücktrittsbegründung zugrunde liegende Prüfbericht in der Anlage B6 tatsächlich die von der Klägerin angelieferten Schutzmasken betrifft.
83Denn ungeachtet dessen, dass die Klägerin auch nachvollziehbar dargelegt hat, etwaige optische Unterschiede der Masken seien der Stanzung mittels unterschiedlicher Maschinen des unstreitig identischen Herstellers geschuldet und hätten keine Auswirkungen auf die Eigenschaften der Masken, spricht bereits der im Übrigen bestrittene Vortrag der Beklagten weder gegen die zwischen den Parteien vertraglich vereinbarte Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB, noch den weiteren Mangelbegriff des § 434 Abs. 1 S. 2 BGB.
84Gemäß § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (S. 2 Ziffer 1), sonst wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (S. 2 Ziffer 2).
85Die Parteien haben sich vorliegend vertraglich auf die Lieferung von „FFP2 Masken“ geeinigt und diese gemäß § 2 Ziffer 2.1 i.V.m. der Leistungsbeschreibung u.a. als solche des Standards „KN95 (CHN)“ definiert. Dieser Standard richtet sich nach der chinesischen Regelung GB 2626.
86Demgegenüber haben die Parteien eine ausdrückliche Vereinbarung über die Sortenreinheit der Masken nicht getroffen. Eine solche findet sich an keiner Stelle in den Vertragsdokumenten und insbesondere nicht in der Leistungsbeschreibung. Auch aus den in den Schriftsätzen der Beklagten enthaltenen auszugsweisen Übersetzungen der für den Standard KN95 relevanten Richtlinie GB2626, die die Beklagte der Kammer im Übrigen in der Anlage B2 ausschließlich in englischer Sprache vorgelegt hat, ergibt sich eine entsprechende Anforderung nicht. Insbesondere ist für die Kammer nicht erkennbar, woraus sich für die Beklagte ergibt, dass der genannte Standard einen „einheitlichen Produktionsprozess vor Augen hätte“.
87Soweit die Beklagte darüber hinaus die Auffassung vertritt, das Erfordernis der Sortenreinheit ergebe sich aus den besonderen Rahmenbedingungen der Ausschreibung mit Hilfe eines Open House-Verfahrens zwecks kurzfristiger Pandemiebekämpfung, die zu dem besonderen Bedürfnis einer schnellen Überprüfbarkeit der Masken führe, vermag die Kammer dieser Auffassung, jedenfalls in dieser Pauschalität, nicht zu folgen. Dabei kann dahinstehen, ob dieser öffentlich bekannte Vertragszweck der kurzfristigen Pandemiebekämpfung ggf. der Lieferung wahllos zusammengestellter Einzelmasken jeweils unterschiedlicher Hersteller und Eigenschaften zuwiderlaufen könnte, weil der Beklagten ggf. eine weitere Überprüfung der Masken weder wirtschaftlich noch vor dem Hintergrund der zu befürchtenden Kontaminierung zuzumuten wäre. Denn vorliegend gestaltete sich der Fall gerade anders. Aus dem Prüfprotokoll in der Anlage B6 sowie der beklagtenseits zur Verfügung gestellten Übersetzung ergibt sich, dass „auf der Grundlage eines Vergleichs des Inhalts zweier unterschiedlicher Verpackungen […] unterschiedliche Maskentypen festgestellt“ worden seien. Eine nähere Konkretisierung nimmt die Beklagte nicht vor. Auf den in dem Prüfbericht enthaltenden Lichtbildern ist lediglich zu erkennen, dass die beiden abgebildeten Masken offenbar eine sich unterscheidende Stanzung sowie einen voneinander abweichenden Aufdruck aufweisen. Jedoch handelte es sich unstreitig in beiden Fällen um Masken desselben Herstellers mit jedenfalls unterschiedlichen optischen Merkmalen, deren weitere Eigenschaften sodann von der Beklagten nicht mehr (labor)geprüft worden sind. Nach Auffassung der Kammer vermag jedenfalls die Feststellung lediglich zweier unterschiedlicher Maskenarten den dargestellten Vertragszweck nicht zu gefährden. Vielmehr ist der Kammer aus zahlreichen Parallelverfahren anderer Lieferanten bekannt, dass in solchen Fällen in der Regel sog. „Unter-Avis-Nrn.“ geschaffen wurden, auf die sich die Stichprobenziehung sodann bezog, und was in dem vorliegenden Fall demgegenüber offensichtlich unterblieben ist. Dies wäre der Beklagten aber jedenfalls bei der Feststellung lediglich zweier Modelle nach Auffassung der Kammer zumutbar gewesen und weder dem Vertragszweck, noch der Durchführbarkeit der Stichprobenziehung und Prüfung zuwider gelaufen. Dies gilt insbesondere aufgrund der gerügten Zahl der vorliegend gelieferten Masken.
88Soweit die Beklagte darüber hinaus anführt, auch würde das sog. „Nulltoleranzprinzip“ die Sortenreinheit der Masken erfordern und nur durch die Kombination dieser beider Voraussetzungen könne der vertraglich vorausgesetzte Zweck der kurzfristigen Pandemiebekämpfung erreicht werden, kann erneut dahinstehen, ob das sog. „Nulltoleranzprinzip“ auf den vorliegenden Fall überhaupt Anwendung findet, weil dieses aus den vorstehenden Gründen jedenfalls in dem vorliegenden konkreten Fall der Feststellung lediglich zweier unterschiedlicher Maskenmodelle ebenfalls nicht gefährdet wird.
89Auch gelten die vorstehenden Ausführungen gleichermaßen für die klägerseits gewählte Verpackung der Masken, die eine Abbildung eines von dem tatsächlichen Inhalt abweichenden Maskenmodells mit Atemventil zeigt. Denn weder in den Vertragsdokumenten, insbesondere der Leistungsbeschreibung, noch in den für das Gericht übersetzten Auszügen aus der chinesischen Richtlinie GB2626, die dem vereinbarten Standard KN95 zugrunde liegt, finden sich besondere Vorgaben im Hinblick auf die Bebilderung der Verpackung der Masken. Allein in der von der Beklagten auf Bl. 100 d.A. zitierten und von der Klägerin auf Bl. 219 d.A. auszugsweise wiedergegebenen und übersetzten Regelung des 7.2 der GB2626 finden sich Vorgaben zum „Packaging“ wie folgt:
90„In the smallest sales packaging, there should be at least clear and lasting Chinese indications, or the following information through transpararent packaging…“
91Übersetzung in die deutsche Sprache durch den Klägervertreter:
92„Auf der kleinsten zum Verkauf gedachten Verpackungseinheit soll zumindest eine eindeutige chinesische Information, oder die folgenden Informationen durch transparente Verpackungen zu finden sein…“.
93Unabhängig davon, dass diese Regelung mit dem englischen Wort „should“ eingeleitet ist und damit nicht obligatorisch sein dürfte, ist nicht erkennbar, dass sich daraus auch Vorgaben zu der Bebilderung der Verpackung ergeben würden. Ausdrücklich behauptet dies auch die Beklagte nicht. Auf den dem Prüfbericht in der Anlage B6 beigefügten Lichtbildern ist zudem zu erkennen, dass unter der Abbildung der Masken mit Atemventil eine Information in chinesischer Sprache zu finden ist. Ob diese eindeutig ist, vermag die Kammer mangels Übersetzung nicht zu beurteilen. Abweichendes ergibt sich im Übrigen auch nicht aus den nicht übersetzten Vorgaben zu den „Product Markings“ unter Ziffer 7.1 der genannten Richtlinie.
94Da die Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt nach den §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 2 Nr. 2, 346, 433, 434 Abs. 1 BGB bereits aufgrund der fehlenden Mangelhaftigkeit der unter der Avis-Nr. $00001 gelieferten 576.000 Schutzmasken nicht vorliegen, kommt es auf die insoweit streitigen (Rechts-)Fragen der Entbehrlichkeit der Fristsetzung zur Nacherfüllung, einer etwaigen verspäteten Rüge oder einem etwaigen widersprüchlichen Verhalten der Beklagten nach § 242 BGB, sowie die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten nicht weiter an.
95Der Zinsanspruch folgt aus § 5 Ziffer 5.1. des Open House Vertrages in Verbindung mit den §§ 288 Abs. 1 S.1, Abs. 2, 286 BGB.
96Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 1, 2 ZPO.
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Referenzen
- BGB § 346 Wirkungen des Rücktritts 2x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 434 Sachmangel 6x
- BGB § 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung 2x
- BGB § 437 Rechte des Käufers bei Mängeln 2x
- BGB § 433 Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag 3x
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- HGB § 377 2x
- BGB § 349 Erklärung des Rücktritts 1x
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 1x