Beschluss vom Landgericht Dessau-Roßlau - 1 T 138/15

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2) und Gesuchstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köthen vom 05.03.2015 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 13.860 €

Gründe

I.

1

Der Beklagte zu 2) wird neben seiner Verfahrensbevollmächtigten, der Beklagten zu 1), im vorliegenden Verfahren auf Räumung einer gemeinsam innegehaltenen Wohnung in Anspruch genommen.

2

Mit Schriftsatz vom 18.01.2015 hat der Gesuchsteller die zuständige Abteilungsrichterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat der Gesuchsteller angeführt, dass er am 23.07.2014 in einem anderen, ihn nicht betreffenden Verfahren als Zuhörer an einer Verhandlung der Abteilungsrichterin teilgenommen habe. Kurz nach seinem Erscheinen habe die Abteilungsrichterin den Sitzungssaal verlassen und sei nach einigen Minuten zurückgekehrt. Kurz darauf seien zwei Justizwachtmeister in voller Montur erschienen und hätten sich neben ihn gesetzt.

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Hierbei handele es sich um eine völlig ungewöhnliche Maßnahme, die zeige, dass die Abteilungsrichterin Angst vor ihm habe, „obwohl diese Angst völlig unbegründet ist“, wie ihm ein am Amtsgericht Dessau-Roßlau tätiger Richter bestätigt habe. Er selbst habe durch sein Verhalten zu dieser Maßnahme, die aus Sicht eines objektiven Dritten allein dazu dienen könne, die Sicherheit und Ordnung in der mündlichen Verhandlung aufrechtzuerhalten, keinerlei Veranlassung gegeben. Wegen dem weiteren, dem Ablehnungsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt auf die Ausführungen des Amtsgerichts im Beschluss vom 05.03.2015 unter I. Bezug genommen.

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Mit diesem Beschluss hat das Amtsgericht das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Zur Begründung, wegen der zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen ebenfalls auf den vorgenannten Beschluss Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht unter anderem ausgeführt, dass das vom Gesuchsteller beschriebene Verhalten der Abteilungsrichterin keine prozessuale Maßnahme ihm gegenüber sei. Mit diesem Verhalten komme auch keine negative Einstellung zu ihm unter Bevorzugung der anderen am Prozess beteiligten Partei zum Ausdruck, da weder der Gesuchsteller noch die Klägerin an diesem Verfahren (8 C 317/13) beteiligt gewesen seien. Auch belege das vom Gesuchsteller beschriebene Erlebnis nicht, dass die Abteilungsrichterin ihn habe einschüchtern wollen oder vor ihm Angst (gehabt) habe. Bei vernünftiger Betrachtung vom Standpunkt des Ablehnenden sei das beanstandete Verhalten nicht geeignet, einen Einschüchterungsversuch anzunehmen.

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Gegen diesen, ihm am 13.03.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Gesuchstellers, die am 27.03.2015 beim Amtsgericht eingegangen ist. Mit der Beschwerde erneuert der Gesuchsteller seine Auffassung, dass die Abteilungsrichterin Angst vor ihm habe und das von ihm geschilderte Verhalten dazu habe dienen sollen, ihn einzuschüchtern. Dies habe ein beim Amtsgericht Dessau-Roßlau tätiger Richter, der sich mit derlei ähnlichem Verhalten in seinem Buch mit dem Titel „Justizirrtümer“ auseinandergesetzt habe, auch so gesehen. Auch ein anderer Jurist, ein Notar und Fachanwalt für Strafrecht, habe ihm beigepflichtet, dass sich aus dem Verhalten der Abteilungsrichterin ergebe, dass sie Angst vor ihm habe. Ein Richter aber, der Angst vor einer Partei habe, sei gegenüber dieser Person aus der Sicht eines objektiven Beobachters befangen.

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Die sofortige Beschwerde rügt des Weiteren, dass sich das Amtsgericht nicht mit dem Argument auseinandergesetzt habe, dass die dienstliche Äußerung der Abteilungsrichterin, sich nicht an den Vorfall zu erinnern, lediglich eine Schutzbehauptung darstelle, die „ungeprüft und ohne erneute Befragung aus Corps-Geist einfach als richtig unterstellt“ worden sei. Nach Bekanntgabe des Aktenzeichens habe es nahegelegen, dieses an die Abteilungsrichterin weiterzuleiten mit der Aufforderung, „sich zu erinnern und die Frage, warum sie die Wachtmeister hinzugezogen hat, zu erinnern“. Das habe das Amtsgericht jedoch nicht getan, sondern sich dafür entschieden, den Vorgang nicht weiter aufzuklären. Fakt sei, dass in dem ihm gegenüber gezeigten Verhalten eine unsachliche innere Einstellung zum Ausdruck komme.

7

In einem weiteren Schriftsatz vom 05.06.2015 hat der Gesuchsteller seine Beschwerde ergänzend begründet. So leitet er die Besorgnis der Befangenheit nunmehr auch daraus ab, dass die Abteilungsrichterin in einem anderen Verfahren (8 C 499/11) zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass der dort vernommene Zeuge O. die Wahrheit gesagt habe. Hinzu komme, dass die Abteilungsrichterin dort die Auffassung geäußert habe, dass es für die Entscheidung, ob ein Räumungsanspruch bestehe oder nicht, entscheidend darauf ankomme, ob die Beklagten vor Abschluss des Mietvertrages gewusst hätten, ob Herr O. oder Frau P. Eigentümerin sei, für den Mietvertrag sei diese Frage aber unerheblich. Diese „Rechtsäußerung“ sei falsch, wie auch eine von der Verfahrensbevollmächtigten eingeholte Beratung bei zwei Rechtsanwälten zeige. Die Behauptung des Zeugen O. stehe aber im Widerspruch zum Sachvortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 21.11.2013, dass diese keine Kenntnis von der Eigentümerstellung der Frau Liane P. vor Abschluss des Mietvertrages gehabt hätte.

II.

8

Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2), über die das Beschwerdegericht gemäß § 568 S. 1 ZPO durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden hat, ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 46 Abs. 2, 567, 569 ZPO. In der Sache hat die sofortige Beschwerde aber keinen Erfolg.

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1. Das Amtsgericht hat mit in jeglicher Hinsicht zutreffender Begründung, der sich die Kammer vollumfänglich anschließt, das Ablehnungsgesuch des Beklagten zu 2) als unbegründet zurückgewiesen. Wäre die Auffassung des Beklagten richtig, dass immer dann, wenn Wachtmeister im Gerichtssaal anwesend sind, die darin zum Ausdruck kommende Angst des Richters die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt, könnte eine Vielzahl von Prozessen in Deutschland überhaupt nicht mehr durchgeführt werden. Denn die Anwesenheit von Justizwachtmeistern im Gerichtssaal ist nicht außergewöhnlich und in vielen Verfahren - insbesondere in Strafverfahren - häufig zu beobachten. Der Kammer ist keine Gerichtsentscheidung bekannt - auch in der Kommentierung wird eine solche Auffassung ersichtlich nicht vertreten -, wonach allein die Anwesenheit von Justizwachtmeistern aus Sicht eines objektiven, vernünftig denkenden Beobachters die Befürchtung rechtfertigt, dass hierin eine Befangenheit des Richters zum Ausdruck kommt.

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Anders könnte die Anwesenheit von Wachtmeistern im Gerichtssaal dann zu bewerten sein, wenn sie von einem Richter gezielt hinzugezogen worden sind mit dem Ziel, durch ihre Anwesenheit „in voller Montur“ einen Verfahrensbeteiligten oder auch Dritten an der Ausübung seiner Rechte zu hindern und so Einfluss auf das Verfahren zu nehmen. Auch hierfür fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt, geschweige denn an einer Glaubhaftmachung. Denn der Beklagte zu 2) war nach eigenen Angaben nicht an dem von ihm angeführten Verfahren beteiligt. Die Anwesenheit der Gerichtswachtmeister hat ihn offensichtlich auch nicht gehindert, weiterhin als Zuhörer am Prozess teilzunehmen.

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Insgesamt ergibt sich aus seinen Angaben nichts, das darauf hindeuten könnte, dass er durch das beanstandete (angebliche) Verhalten der Abteilungsrichterin in seinem Verhalten in irgendeiner Weise beeinträchtigt und an der weiteren Ausübung seiner Rechte - hier: auf Anwesenheit im Gerichtssaal - gehindert worden ist.

12

Selbst wenn jedoch die Mutmaßung des Gesuchstellers zutreffend wäre, dass die Abteilungsrichterin Angst vor ihm habe, vermöchte dies die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. Denn diese ist im Kern auf die Befürchtung gestützt, dass ein Richter voreingenommen ist und deshalb eine Entscheidung zu eigenen Lasten ergeht. Hat ein Richter hingegen Angst, wäre als Ausfluss dieser Angst eher anzunehmen, dass seine Entscheidung zu Gunsten desjenigen ausfällt, vor dem er Angst hat.

13

Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang die Meinung der von der Beschwerde angeführten Juristen haben soll, bleibt im Dunkeln. Es ist weder dargelegt noch sonst wie ersichtlich, dass deren Meinung - die Richtigkeit der ihnen zugeschriebenen Äußerung unterstellt - irgendeine Bedeutung haben könnte für die Beurteilung der Frage, ob hier tatsächlich ein Grund vorliegt, der die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt.

14

2. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen hat, ohne zuvor eine ergänzende dienstliche Stellungnahme der abgelehnten Abteilungsrichterin einzuholen. Insoweit ist schon nicht ersichtlich, woraus eine solche Pflicht des abgelehnten Richters respektive des Gerichts, dass über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden hat, folgen soll. Denn § 44 Abs. 3 ZPO bestimmt (lediglich), dass sich der abgelehnte Richter über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern hat. Eine solche Äußerung hat die abgelehnte Richterin hier aber zweifelsohne abgegeben. Ungeachtet dessen hat der Gesuchsteller eine solche ergänzende Stellungnahme vor Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht einmal beantragt.

15

3. Soweit der Gesuchsteller mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 05.06.2015 weitere Umstände angeführt hat, aus denen sich die von ihm besorgte Befangenheit der Abteilungsrichterin ableiten soll, ist dies für die Beschwerdeentscheidung ohne Belang. Denn ein Ablehnungsgesuch ist nur insoweit beachtlich, als alle der ablehnenden Partei bekannten Ablehnungsgründe gleichzeitig vorgebracht worden sind. Ein „Nachschieben“ mit der sofortigen Beschwerde oder einem späteren neuen Ablehnungsgesuch ist unzulässig (vgl.: BayObLG, Beschluss vom 26.08.1985 - BReg 3 Z 25, 39, 40/85 -; BayObLG, Beschluss vom 14.10.1993 - 2 Z BR 101/93 -, jew. zitiert nach Juris; MüKo/Gehrlein, 4. Aufl. § 46 Rz 5; Zöller/Vollkommer, 30. Aufl., § 43 Rz. 7).

16

4. Soweit der Gesuchsteller mit diesem Schriftsatz zugleich sein früheres Vorbringen erneuert und seine diesbezügliche Rechtsauffassung bekräftigt, hat die Kammer dies zur Kenntnis genommen. Aus den bereits angeführten Gründen ist das beanstandete Verhalten der Abteilungsrichterin jedoch nicht geeignet, bei einer vernünftig und objektiv denkenden Partei die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

17

Dies gilt auch für die Rüge, dass die von der Abteilungsrichterin erfolgte Ansprache (Frage, warum sie - gemeint: die Beklagte zu 1. - denn nicht aus der Wohnung ausziehe), in kollegialer Weise gemeint gewesen sei. Der Vorwurf, dass eine derartige Einschätzung (Frage) völlig neben der Sache liegt und nur dadurch zu erklären ist, dass die Richterin die oben genannten Ausführungen im konkreten Verfahren nicht zur Kenntnis genommen hat, beschränkt sich im Kern auf den Vorwurf, dass der Sachverhalt allein deshalb anders zu werten ist, weil jede andere Einschätzung „völlig neben der Sache“ liegt. Es ist jedoch regelmäßig Aufgabe des Richters, sich in Tatsachen- und Rechtsfragen zu positionieren. Das bringt es fast immer mit sich, dass diese Positionierung für die eine Partei günstig, für die andere aber ungünstig ist. Es handelt sich bei der Positionierung um eine Verpflichtung des Richters, die immer dann besteht, wenn ein Rechtsstreit nicht vergleichsweise beigelegt wird, sondern über den Klageanspruch eine Entscheidung herbeizuführen ist.

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Man mag sicherlich die Auffassung vertreten können, dass das Ansprechen einer Partei außerhalb der mündlichen Verhandlung untunlich ist und - zur Vermeidung von Irritationen und Missverständnissen - möglichst vermieden werden sollte. Allerdings würde ein derart „ungeschicktes“ Verhalten allenfalls zu Lasten der nicht am Gespräch beteiligten Partei die Besorgnis richterlicher Befangenheit erwecken. Die Klägerin hat hier jedoch kein Ablehnungsgesuch gestellt.

III.

19

Aus den vorgenannten Gründen war die sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

20

Der Beschwerdewert entspricht dem Wert der Hauptsache (vgl.: OLG Naumburg, Beschluss vom 20.12.2013 - 10 W 53/13; OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.01.2006 - 4 W 33/05 -, jew. zitiert nach Juris).

21

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die hierfür nach § 574 Abs. 2 ZPO erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.


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