Zwischenurteil vom Landgericht Dessau-Roßlau (4. Zivilkammer) - 4 O 651/14

Tenor

1) Der Zeuge K. P. ist gemäß § 384 Nr. 2 ZPO im Hinblick auf die vom Kläger erhobene Behauptung, er habe in dem Zeitraum zwischen dem 27.06. bis 08.07.2011 die Garage, in dem der streitgegenständliche Pkw A3 des Klägers abgestellt gewesen sei, aufgebrochen und die vorgenannten Fahrzeugteile entwendet, umfassend zur Zeugnisverweigerung berechtigt.

2) Der Kläger trägt die Kosten des Zwischenstreits.

3) Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

4) Der Streitwert für den Zwischenstreit wird festgesetzt auf 7.369,60 €.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einem Kaskoversicherungsvertrag wegen eines behaupteten Fahrzeugteilediebstahls in Anspruch.

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Der Kläger hat bei der Beklagten das Fahrzeug PKW Audi mit dem amtlichen Kennzeichen ... kaskoversichert.

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Er behauptet, dass er das Fahrzeug am Nachmittag des 27.06.2011 gegen 16:00 Uhr in einer Einzelgarage in der T. -Str. in S. abgestellt und die Garage hiernach abgeschlossen habe. Am 09.07.2011 habe er sodann feststellen müssen, dass das Garagentor aufgebrochen worden sei und von dem Fahrzeug zahlreiche Bauteile, wie 4 Alufelgen, die Bremsanlage vorn, das Getriebe und die Differenzialsperre, die Musikanlage sowie die allgemeinen Betriebserlaubnisse zu den Anbauteilen und die TÜV Unterlagen entwendet worden waren.

4

Die Beklagte bestreitet den behaupteten Fahrzeugteilediebstahl.

5

Der Kläger hat wegen des behaupteten Diebstahls der vorgenannten Fahrzeugteile bei der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau Strafanzeige erstattet, worauf zunächst ein Strafverfahren gegen Unbekannt wegen besonders schweren Diebstahls eingeleitet worden ist.

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Unter dem 17.01.2012 hat der Kläger gegen den Zeugen K. P. Strafanzeige erstattet, da dieser bei eBay Kleinanzeigen seine entwendeten Felgen eingestellt hatte. Gegen den Zeugen K. P. ist sodann bei der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau unter dem Az. ein Ermittlungsverfahren wegen Hehlerei eingeleitet und unter dem 04.07.2012 ein Strafbefehl beantragt worden, indem dem Zeugen P. in dem Zeitraum 09.07.2011 bis 17.01.2012 die Hehlerei von 4 Alufelgen des Klägers vorgeworfen worden ist. Das Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen hat unter dem 05.10.2012 den Strafbefehl, Az:, antragsgemäß erlassen der seit dem 10.05.2013 rechtskräftig ist.

7

Das zunächst gegen Unbekannt geführte Ermittlungsverfahren wegen besonders schweren Diebstahls der hier streitbefangenen Fahrzeugteile ist aufgrund der vom Kläger erstatteten Strafanzeige wegen Hehlerei nunmehr in ein Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen K. P. und einem weiteren Mittäter, Az: umgewandelt worden. Die bearbeitende Staatsanwältin hat das Verfahren mit Verfügung vom 23.04.2013 (Bl. 91 der Ermittlungsakten) aufgrund des erlassenen Strafbefehls wegen Hehlerei in dem Verfahren wegen Strafklageverbrauch nach § 170 Absatz 2 StPO eingestellt.

8

Im vorliegenden Zivilverfahren sollte gemäß prozessleitender Anordnung vom 15.05.2015 über die Behauptung des Klägers, dass K. P. in dem Zeitraum zwischen dem 27.06. bis 08.07.2011 die Garage, in dem der streitgegenständliche Pkw A3 des Klägers abgestellt gewesen sei, aufgebrochen und die vorgenannten Fahrzeugteile entwendet habe, K. P. als Zeuge vernommen werden (Bl. 113 d.A.). Dieser hat in der Sitzung vom 09.06.2015 seine Aussage verweigert (Bl. 124 f. d.A.)

9

Der Kläger ist der Ansicht, die Zeugnisverweigerung sei nicht rechtmäßig, da dem Zeugen keine Gefahr der Strafverfolgung drohe. Die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau habe ihm mit Schreiben vom 12.05.2015 (Bl. 19 Sonderheft) mitgeteilt, dass weitere Ermittlungen gegen den Zeugen P. wegen des Diebstahls von Kfz-Fahrzeugteilen nicht mehr in Betracht kommen, da er in dem Verfahren wegen Hehlerei rechtskräftig verurteilt worden und insoweit das weitere Verfahren wegen Strafklageverbrauchs nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist.

10

Der Kläger beantragt,

11

durch Zwischenurteil zu entscheiden, dass die Zeugnisverweigerung des Zeugen K. P. nicht rechtmäßig ist.

12

Der Zeuge K. P. tritt dem entgegen und stützt sein Zeugnisverweigerungsrecht auf § 384 Nr. 2 ZPO, da er sich bei der Beantwortung der vom Kläger gestellten Beweisfrage der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetze. Ihm sei weder bekannt, dass gegen ihn ein weiteres Ermittlungsverfahren Az : geführt, noch dass dieses eingestellt worden sei. Gegenstand des rechtskräftigen Strafbefehls in dem Verfahren sei lediglich die Hehlerei der Alufelgen gewesen, während es sich bei dem, der hier streitgegenständlichen Beweisfrage zugrundeliegenden Sachverhalt um einen völlig anderen, abgrenzbaren Sachverhalt handele, der gerade nicht Gegenstand des rechtskräftigen Strafbefehls gewesen sei. Insoweit sei die Auffassung der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau in dem Schreiben vom 12.05.2015 nicht zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Der Antrag des Klägers ist gemäß § 387 Abs. 1 ZPO zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

14

Der Zeuge K. P. ist zur umfassenden Zeugnisverweigerung nach § 384 Nr. 2 ZPO berechtigt. Denn durch die Beantwortung der Beweisfrage des Klägers, die gemäß der prozessleitenden Anordnung vom 15.05.2015 (Bl. 113 d.A.) an ihn zu richten wäre, würde sich der Zeuge der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen.

15

Dem Zeugnisverweigerungsrecht des Zeugen steht entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht ein Strafklageverbrauch nach Art. 103 Abs. 3 GG wegen dessen Verurteilung mit rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen in dem Verfahren entgegen.

16

Die Reichweite des Strafklageverbrauchs nach Art. 103 Abs. 3 GG richtet sich nach dem prozessualen Tatbegriff des § 264 StPO (vgl. BGH NStZ 1984, 469). Unter einer „Tat" im Sinne von Art. 103 GG und § 264 StPO ist der geschichtliche - und damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzte - Vorgang zu verstehen, auf welchen Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll (BVerfG NJW 1981, 1433; BGH NStZ 1984, 469; vgl. auch Pfeiffer/Hannich in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, Einleitung Rdnr. 170 m. w. N.). Die Sperrwirkung des aus Art. 103 Abs. 3 GG folgenden Grundsatzes „ne bis in idem“ reicht deshalb nur so weit, wie die Sachentscheidung durch ein Strafgericht auf Grund der Anklage und des Eröffnungsbeschlusses in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht geboten war.

17

Eine solche Sperrwirkung ist durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen, Az.: vom 05.10.2012, rechtskräftig seit 10.05.2013 deshalb auch nur hinsichtlich des Tatvorwurfes eingetreten, der tatsächlich Gegenstand der von der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau erhobenen Anklage bzw. hier dem Strafbefehlsantrag gewesen ist.

18

In diesem wird dem Zeugen P. jedoch (lediglich) eine Hehlerei der zuvor entwendeten Alufelgen des streitgegenständlichen Fahrzeugs des Klägers im Zeitraum 09.07.2011 bis 17.01.2012 vorgeworfen. Der in dem Zeitraum 27.06. bis 08.07.2011 erfolgte Diebstahl der weiteren, vom Kläger als entwendet behaupteten Fahrzeugteile, wie die Bremsanlage vorn, das Getriebe und die Differenzialsperre, die Musikanlage sowie die allgemeinen Betriebserlaubnisse zu den Anbauteilen und die TÜV Unterlagen ist von dem Strafbefehlsantrag und dem sodann erlassenen Strafbefehl hingegen nicht erfasst. Dieser Sachverhalt stellt vielmehr einen zeitlich und räumlich getrennten Vorgang zu dem späteren Hehlereivorwurf hinsichtlich der Alufelgen dar.

19

Zwar ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwischen Diebstahl und Hehlerei Tateinheit angenommen worden, jedoch nur dann, wenn der in der Anklage nach Objekt, Ort und Zeit der Tathandlung konkretisierte Diebstahl Grundlage der Verurteilung wegen Hehlerei blieb (vgl. BGH, Urteile vom 29.09.1987, Az: 4 StR 376/87 und vom 03.07.1986, Az: 4 StR 182/86, beide zitiert nach juris).

20

Dies ist hier indes nicht der Fall.

21

Im Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau ist der in dem Zeitraum 27.06. bis 08.07.2011 behauptete Diebstahl der gesamten Fahrzeugteile überhaupt nicht erwähnt worden, so dass er auch nicht die Grundlage der Verurteilung der Hehlerei der Felgen bildete.

22

Das Tatobjekt ist in beiden Sachverhalten auch nicht identisch, da der behauptete Fahrzeugdiebstahl andere Tatobjekte (als nur die Alufelgen bezüglich des Hehlereivorwurfes) betrifft. Der Tatort des Diebstahls und der Hehlerei sowie die angegebenen Tatzeiten unterscheiden sich ebenfalls. Es liegt ihnen daher nicht dasselbe tatsächliche Geschehen zugrunde, so dass auch nicht von einem einheitlichen Geschehen ausgegangen werden kann.

23

Dem Zeugen P. ist auch nicht mit dem Strafbefehlsantrag im Wege der Wahlfeststellung zur Last gelegt worden, entweder die eine (Diebstahl der Felgen) oder die andere Tat (Hehlerei der Felgen) begangen zu haben, so dass gegebenenfalls aus diesem Grund eine prozessuale Tat vorliegen würde (BGH, Urteil vom 29.09.1987, a.a.O.). Denn auch bei einer solchen Sachlage wären dem Richter beide geschichtlichen Geschehnisse zur Untersuchung vorbereitet, so dass von einem geschichtlichen Vorgang ausgegangen werden kann (BGH, a.a.O). Dies ist hier jedoch auch nicht der Fall, da der Strafbefehlsvorwurf gerade keine Wahlfeststellung beinhaltet, sondern ersichtlich nur den Vorwurf der Hehlerei der Felgen, so dass der vorherige Diebstahl der gesamten Fahrzeugteile hiervon nicht umfasst ist.

24

Die Strafklage wegen des besonders schweren Diebstahls der gesamten Fahrzeugteile ist daher nicht durch die Verurteilung des Zeugen wegen Hehlerei der Alufelgen verbraucht.

25

Insoweit besteht die Gefahr der Strafverfolgung i.S.d. § 384 Nr. 2 ZPO wegen der, der Beweisfrage zugrundeliegenden Straftat des Diebstahls der Fahrzeugteile bei dem Zeugen P. gleichwohl fort.

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Soweit die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau in dem vom Kläger vorgelegten Schreiben vom 12.05.2015 gegenteiliges mitteilt, ist das die subjektive Meinung der bearbeitenden Staatsanwältin und aus den dargelegten Gründen nicht zutreffend. Die eingestellten Ermittlungen gegen den Zeugen P. können bei Beantwortung der Beweisfrage wieder aufgenommen werden.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des Zwischenstreit zu tragen, einschließlich der notwendigen Auslagen des Zeugen K. P., die ihm als Partei des Zwischenstreits entstanden sind.

28

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO und richtet sich vorliegend nach dem Streitwert der Hauptsache, da sich die Beweisfrage, zu der der Zeuge P. das Zeugnis verweigert hat, auf die gesamte Hauptsache bezieht (vgl. Müko/Damrau, § 19 zu § 387 ZPO).


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