Urteil vom Landgericht Dortmund - 3 O 539/14
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von bis zu 200.000,00 € trägt die Klägerin.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von im Zeitraum 01.01.2004 bis zum 01.01.2015 geleisteter Erbbauzinsen in Höhe von quartalsweise 4.322,63 € (bis zum 01.01.2013) bzw. 4.936,72 € (ab dem 01.04.2013) für das im Eigentum der Beklagten stehende Grundstück in der X-Straße in E, Flurstücke X, X und X der Gemarkung P, eingetragen im Grundbuch von E des Amtsgerichts E, Blatt #####, in Anspruch.
3Vorheriger Eigentümer des Grundstücks war der Landwirt Herr Dr. T, der Vater der Beklagten. Der schmale Grundstücksstreifen grenzt in nördlicher Richtung unmittelbar an die heutige BAB A40 an; wegen der genauen Belegenheit der Flurstücke X, X und X wird auf den Katasterplanausschnitt Anlage K2 Bezug genommen.
4An diesem Grundstück ist mit Erbbaurechts- und Kaufvertrag vom 27.08.1968 zur UR-Nr. ##/1968 des Notars Dr. Q zwischen dem Rechtsvorgänger der Beklagten, Herrn Dr. T, und der Klägerin (Anlage K3 = Anlage B1) u.a. ein Erbbaurecht zugunsten der Klägerin bestellt worden, das im Erbbaugrundbuch E des Amtsgerichts E, Blatt #####, eingetragen wurde und verzeichnet ist im Grundbuch von E, Blatt #####, unten den laufenden Nummern 5, 7 und 10 des Bestandsverzeichnisses. Vom Grundbuch von E, Blatt #####, wurde es am 11.02.1977 als Erbbaurecht über- und eingetragen. In dem Erbbaurechts- und Kaufvertrag heißt es unter A § 1 (Abs. 1): „Der Eigentümer bestellt der Firma zum Zwecke der Nutzung nach Maßgabe des noch aufzustellenden Bebauungsplanes der Stadt E ein veräußerliches Erbbaurecht (…)“. Dieser Passus wurde von den seinerzeit Beteiligten mit notariellem Vertrag vom 21.01.1969 zur UR-Nr. ##/1969 desselben Notars (Anlage B2) durch die folgende – seitdem nicht mehr veränderte – Fassung ersetzt: „Der Eigentümer bestellt der Firma zum Zwecke der Errichtung von Verkaufs-, Verwaltungs- und Lagergebäuden nebst zugehörigen Anlagen ein veräußerliches Erbbaurecht (…), wobei sich das Erbbaurecht auch auf den für Bauwerke und Anlagen nicht erforderlichen Teil der Grundstücke erstreckt: (…)“. Die Erbbaurechtsvereinbarungen vom 27.08.1968 und 21.01.1969 erfuhren in der Folge weitere Ergänzungen, nicht jedoch in Bezug auf A § 1 Abs. 1; auf die entsprechenden notariellen Änderungsvereinbarungen vom 13.11.1969 zur UR-Nr. ###/1969 desselben Notars und vom 03.08.1976 zur UR-Nr. ##/1976 desselben Notars (Anlagen B3 und B4) wird Bezug genommen.
5In der Folge zahlte die Klägerin den vertraglich vereinbarten Erbbauzins entsprechend § 6 des Erbbaurechts- und Kaufvertrages vom 27.08.1968. Im Zeitraum 01.01.2004 bis 01.01.2015 leistete die Klägerin an die Beklagte die Zahlungen wie aus der Aufstellung Anlage K4 ersichtlich, d.h. insgesamt 199.431,16 €.
6Mit Erhebung der Klage erklärte die Klägerin vorsorglich den Rücktritt von dem Erbbaurechts- und Kaufvertrag aus dem Jahre 1968.
7Sie behauptet, dass das streitbefangene Grundstück aufgrund einer bundesfernstraßenrechtlichen Baubeschränkung nach § 9 FStrG nicht bebaubar sei und auch in Zukunft nicht bebaubar sein werde. Vor diesem Hintergrund sei das Erbbaurecht für die Klägerin nicht nur wirtschaftlich nutzlos, sondern verursache neben der nutzlosen Zahlung der Erbbauzinsen nur noch weitere Kosten. Bei Eintragung des vorliegenden Einzelerbbaurechts in das Grundbuch im Jahre 1977 habe die rechtliche Unbebaubarkeit bereits festgestanden.
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 199.431,16 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie tritt dem Rückzahlungsbegehren der Klägerin entgegen und erhebt die Einrede der Verjährung.
13Die Klageschrift ist am 30.12.2014 vorab per Fax bei Gericht eingegangen. Den mit Rechnung vom 09.01.2015 angeforderten Gerichtskostenvorschuss hat die Klägerin am 15.01.2015 eingezahlt. Die Klage ist der Beklagten am 26.01.2015 zugestellt worden.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16I.
171.
18Die Klage ist zulässig.
19Genau genommen hat die Klägerin in Bezug auf den Erbbauzins für das erste Quartal 2015 (fällig zum Quartalsersten, hier also am 01.01.2015; s. Anlage K4) Klage auf künftige Leistung nach § 257 ZPO erhoben, da die Klageschrift auf den 30.12.2014 datiert. Dies ist aber unschädlich. Tritt nämlich Fälligkeit während des Verfahrens ein, kann ohne Antragsänderung unbedingtes Urteil ergehen (vgl. BGH, Urt. v. 04.05.2005 – VIII ZR 5/04 – zit. nach juris, Rn. 10; Zöller-Greger, ZPO, 30. Auflage 2014, § 257 Rn. 7). Dies muss auch im umgekehrten Fall gelten, weshalb die Klägerin hinsichtlich der Rückforderung des erst am 01.01.2015 fälligen Erbbauzinses keine künftige Zahlung beantragen brauchte.
202.
21In der Sache hat die Klage dagegen keinen Erfolg; sie ist unbegründet.
22a) Verjährung in Bezug auf die bis zum 01.10.2010 geleisteten Erbbauzinsen
23Der Anspruch auf Rückzahlung von der Klägerin bis zum 01.10.2010 einschließlich geleisteter Erbbauzinsen (Anlage K4: 28 x 4.322,63 € = 121.033,64 €) ist verjährt.
24Bereicherungsansprüche verjähren ebenso wie Vertragsauflösungsansprüche nach § 313 Abs. 3 BGB nach der Regelverjährung des § 195 BGB in drei Jahren. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (§ 199 Abs. 1 BGB). Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Der Verjährungsbeginn setzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13 – zit. nach juris, Rn. 35; Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 17/14 – zit. nach juris, Rn. 33).
25Die Klägerin meint, dass durch das Urteil des BGH vom 23.05.2014 – V ZR 208/12 – eine Änderung der Rechtsprechung eingetreten sei; nach vorheriger ständiger Rechtsprechung sei es nicht möglich gewesen, eine Anpassung eines Erbbaurechtsvertrages wegen Veränderung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung zu verlangen oder von diesem mit den Rechtsfolgen des § 346 BGB zurückzutreten (S. 9 der Klageschrift).
26Dem folgt das Gericht nicht. Bis zu der vorgenannten BGH-Entscheidung lag keine „unsichere und zweifelhafte Rechtslage“ vor, die eine Klagerhebung für die Klägerin unzumutbar gemacht hätte. Der vom BGH entschiedene Fall betrifft eine andere Konstellation als die hier verfahrensgegenständliche: Dort hatte sich aufgrund eines über 40 Jahre nach Bestellung des Erbbaurechts beschlossenen vorhabenbezogenen Bebauungsplans die bauplanungsrechtlich zulässige (und von der dortigen Erbbaurechtsnehmerin auch in Anspruch genommene) bauliche Ausnutzung um den Faktor 2,5 erhöht hat. In diesem konkreten Einzelfall hat der BGH – anders als die Vorinstanzen – einen Erbbauzinsanpassungsanspruch nach § 313 Abs. 1 u. Abs. 2 BGB bejaht. Der Leitsatz 2 der Entscheidung (NJW 2014, 3439) lautet: „Bestimmt sich die vertraglich zulässige bauliche Nutzung des Erbbaurechtsgrundstücks nach dem öffentlich-rechtlichen Bauplanungsrecht (so genannte dynamische Verweisung), führt eine Erhöhung der zulässigen Nutzung grundsätzlich nicht zu einer Störung des Äquivalenzverhältnisses und damit nicht zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Anders kann es ausnahmsweise liegen, wenn sich das Maß der baulichen Nutzung in einem von den Parteien nicht erwarteten Umfang erhöht.“ Vorliegend geht es aber nicht um die Erhöhung einer baulichen Ausnutzung des Erbbaurechtsgrundstückes, sondern um ein – nach Meinung der Klägerin – anfängliches öffentlich-rechtliches Bauverbot (sog. Anbauverbot nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 FStrG in einer Entfernung von bis zu 40 m vom südlichen Fahrbahnrand der BAB A 40), das – nach Meinung der Klägerin – zu einem Vertragsauflösungsanspruch nach § 313 Abs. 3 BGB (nicht: Anpassungsanspruch) führen soll. Mit der Klage macht die Klägerin daneben Bereicherungsansprüche geltend, die sie darauf stützt, dass sie in der Vergangenheit rechtsgrundlos Erbbauzinsen bezahlt habe, obwohl das Erbbaurecht schon nicht wirksam entstanden sei. Das BGH-Urteil vom 23.05.2014 bewirkt nach alledem kein Hinausschieben des Verjährungsbeginns.
27b) Bereicherungsansprüche
28aa) Leistung auf eine nicht bestehende Schuld („condictio indebiti“, § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt BGB)
29Ein solcher Anspruch ist ausgeschlossen, weil der (später mehrfach geänderte) Erbbaurechts- und Kaufvertrag vom 27.08.1968 Rechtsgrund für die Leistung der Erbbauzinsen durch die Klägerin ist.
30Das Erbbaurecht an den drei streitbefangenen Flurstücken ist wirksam entstanden.
31Der 5. Zivilsenat des BGH hat in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 19.12.2014 – V ZR 81/14 – zit. nach juris, Rn. 12) ausdrücklich offengelassen, ob ein Erbbaurecht wirksam entstehen kann, wenn schon im Zeitpunkt der Bestellung ein dauerndes öffentlich-rechtliches Bauverbot die Nutzung des Erbbaugrundstückes als Baugrund verhindert. Der Senat musste somit nicht darüber entscheiden, ob er an seiner eigenen Rechtsprechung in zwei Entscheidungen aus den 80er Jahren (vgl. Urt. v. 20.12.1985 – V ZR 263/83 – zit. nach juris, Rn. 10; Urt. v. 12.06.1987 – V ZR 91/86 – zit. nach juris, Rn. 21) festhält. Im Schrifttum wurde die bisherige Rechtsprechung kritisiert und angeführt, dass die Eintragung eines Erbbaurechts bei anfänglicher fehlender Bebaubarkeit nicht inhaltlich unzulässig sei, weil einerseits öffentliches und privates Recht hier getrennt seien und andererseits eine Prüfung der Bebaubarkeit durch das Grundbuchamt systemfremd wäre (vgl. von Oefele/Heinemann, in: MüKo, BGB u.a., 6. Auflage 2013, § 11 ErbbauRG Rn. 8; Kohler, JR 1989, 317, 318 f.).
32Abgesehen davon liegt der Fall hier auch nicht so, dass ein öffentlich-rechtliches Bauverbot die Nutzung der streitbefangenen Flurstücke X, X und X als Baugrund verhindern würde. Das Anbauverbot des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 FStrG (in einer Entfernung von bis zu 40 m vom südlichen Fahrbahnrand der BAB A 40) betrifft ausdrücklich nur „Hochbauten jeder Art“. Darunter sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur Urt. v. 23.05.1986 – 4 C 59/84 – NJW 1987, 456) bauliche Anlagen (d.h. mit dem Erdboden verbundene, aus Baustoffen oder Bauteilen verbundene, aus Baustoffen oder Bauteilen hergestellte Anlagen) über der Erdgleiche zu verstehen (vgl. auch Lampe, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 202. Erg.-Lfg. Mai 2015, § 9 FStrG Rn. 2). Unterirdische bauliche Anlagen sind somit vom fernstraßenrechtlichen Anbauverbot nicht erfasst, weshalb das öffentlich-rechtliche Bauverbot nicht umfassend ist.
33Es ist weiter unstreitig, dass die Flurstücke X, X und X jedenfalls in jüngerer Vergangenheit baulich genutzt worden sind, nämlich als Gleisanlage. Dies ergibt sich aus dem Schreiben der F AG an die Untererbbaurechtsnehmerin, die S Verwaltungsgesellschaft mbH, vom 31.10.2007 (Anlage B8, dort S. 2, letzter Absatz). Bei einer Gleisanlage handelt es sich schon wegen der mechanischen Verbindung mit dem Boden um eine bauliche Anlage im vorgenannten Sinne (vgl. Palandt-Bassenge, BGB u.a., 74. Auflage 2015, § 1 ErbbauRG Rn. 7; von Oefele/Heinemann, a.a.O., § 1 ErbbauRG Rn. 11; Maaß, in: BeckOK BGB, Hrsg.: Bamberger/Roth, Stand: 01.08.2015, § 1 ErbbauRG Rn. 9).
34bb) Leistung bei späterem Wegfall des Rechtsgrundes („condictio ob causam finitam“, § 812 Abs. 1 S. 2, 1. Alt BGB)
35Das wirksam entstandene Erbbaurecht ist nicht deshalb untergegangen, weil die Bebaubarkeit des Grundstücks nach der Bestellung des Erbbaurechts entfallen wäre. Dies wird von der Klägerin schon nicht schlüssig behauptet (auf S. 7 der Klageschrift). Der sog. Ruhrschnellweg (ursprünglich B1, mittlerweile BAB A 40) besteht gerichtsbekannt wesentlich länger als das streitbefangene Erbbaurecht aus dem Jahre 1968: Der Ausbau der damaligen Reichsstraße 1 war bereits im Jahre 1935 fertiggestellt. Die Widmung als Bundesfernstraße erfolgte mithin Jahrzehnte vor der Eintragung des Erbbaurechts.
36Abgesehen davon würde ein nachträglicher Wegfall der Bebaubarkeit auch nicht zu dem Erlöschen des Erbbaurechts führen. Das Erbbaurecht ist gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG wie ein Grundstück zu behandeln und ebenso wie dieses eigenständig belastbar und veräußerlich. Damit hat der Erbbauberechtigte eine dem Grundeigentümer ähnliche – wenn auch durch den Inhalt des Erbbaurechts beschränkte – Rechtsstellung. Ist das Erbbaurecht wirksam entstanden, so ist sein Fortbestand, genauso wie der des Grundeigentums, unabhängig davon, ob das Recht ausgeübt werden kann. Ein Untergang des Erbbaurechts käme in der Auswirkung einer dem Verbot des § 1 Abs. 4 ErbbauRG widersprechenden Bindung an eine auflösende Bedingung gleich (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2014, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.).
37c) Vertragsauflösungsanspruch nach § 313 Abs. 3 BGB
38Ein solcher Anspruch ist ausgeschlossen.
39Die Vertragsauflösung nach § 313 Abs. 3 BGB geschieht nicht ipso iure, sondern bedarf einer rechtsgestaltenden Erklärung, also eines Rücktritts (vgl. Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 313 Rn. 42 m.w.N.).
40Die Klägerin hat den Rücktritt zwar in der Klageschrift erklärt (S. 5). Dies war aber rechtlich nicht möglich:
41Anders als bei einem noch nicht eingetragenen Erbbaurecht (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 15.02.1961 – V ZR 129/59 – zit. nach juris, Rn. 38; OLG Brandenburg, Urt. v. 09.07.2015 – 5 U 112/14 – zit. nach juris, Rn. 22) ist ein vertraglicher (s. § 21 des Erbbaurechts- und Kaufvertrages vom 27.08.1968, Anlage B1) wie auch gesetzlicher Rücktritt vom eingetragenen Erbbaurecht im Hinblick auf die Schutzfunktion des § 1 Abs. 4 ErbbauRG nicht möglich (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.1969 – V ZR 158/65 – zit. nach juris, Rn. 32 ff.; von Oefele/Heinemann, a.a.O., § 1 ErbbauRG Rn. 83). Der Rücktritt verbietet sich auch deshalb, weil das Erbbaurecht ein dingliches Recht ist, von dem man naturgemäß nicht zurücktreten kann (vgl. Rapp, in: Staudinger, BGB u.a., Neubearb. 2009, § 1 ErbbauRG Rn. 49).
42Nur äußerst hilfsweise wird darauf hingewiesen, dass hier auch nicht von einem Fehlen der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 Abs. 2 BGB ausgegangen werden könnte. Für die Berücksichtigung einer Störung der Geschäftsgrundlage ist dann kein Raum, wenn sich damit ein Risiko verwirklicht hat, das nach der vertraglichen Regelung in den Risikobereich einer Partei fällt; in einem solchen Fall muss sich die Partei, die dieses Risiko übernommen hat, an dem Vertrag festhalten lassen (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2014, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.). Grundsätzlich trägt daher der Erbbaurechtsnehmer das Risiko, ob er das Erbbaurechtsgrundstück wie beabsichtigt verwenden kann (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 27.05.2004 – 5 U 79/03 – OLG-NL 2005, 78, 80 m.w.N.). Schon die vorgelegten Verträge sprechen hier dafür, dass der Klägerin und dem Vater der Beklagten das Risiko einer dauerhaften Unbebaubarkeit des Grundstücks bewusst war. Zunächst einmal bezieht sich der Erbbaurechtsvertrag vom 27.08.1968 nicht nur auf die hier streitbefangenen Flurstücke X, X und X, sondern auch auf die Flurstücke X, X und X (seinerzeit noch unter anderen Flurstücksbezeichnungen, da die Flurstücke im Jahre 1968 in dieser Form noch nicht katastermäßig erfasst waren). Jedenfalls das Flurstück X ist heute mit einem Bauwerk bebaut (überdachter Parkplatz neben der X2 und S2). Durch die Neufassung von § 1 Abs. 1 mit notarieller Urkunde vom 21.01.1969 (Anlage B2) wurde zum einen der Erbbaurechtsbestellungszweck konkretisiert und zum anderen folgender Halbsatz hinzugefügt: „(…), wobei sich das Erbbaurecht auch auf den für Bauwerke und Anlagen nicht erforderlichen Teil der Grundstücke erstreckt: (…)“. Dies impliziert aus Sicht des Gerichts, dass die damaligen Vertragsparteien selbst von nicht bebaubaren Grundstücksteilen ausgingen. Außerdem bestand das fernstraßenrechtliche Anbauverbot schon im Jahre 1968: § 9 Abs. 1 FStrG i.d.F. vom 06.08.1953 (BGBl. I S. 905) entspricht im Kern dem heutigen § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 FStrG. Der angrenzende Ruhrschnellweg und daraus resultierende Probleme infolge einer möglichen Inanspruchnahme von Grundstücksteilen durch die Bundesautobahnverwaltung waren ausweislich der vorgelegten Urkunden (§ 16 des Vertrages vom 27.08.1968, Anlage B1; Abschnitt „F“ der notariellen Urkunde vom 21.01.1969 – Neufassung von § 23 –, Anlage B2) Gegenstand der vertraglichen Vereinbarungen.
43Nach alledem war die Klage abzuweisen.
44II.
45Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
46III.
47Den Streitwert hat das Gericht gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf bis zu 200.000,00 € festgesetzt.
48IV.
49Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.
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Referenzen
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- XI ZR 17/14 1x (nicht zugeordnet)
- VIII ZR 5/04 1x (nicht zugeordnet)
- V ZR 81/14 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 ErbbauRG 5x (nicht zugeordnet)
- BGB § 313 Störung der Geschäftsgrundlage 6x
- V ZR 208/12 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen 1x
- § 11 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 346 Wirkungen des Rücktritts 1x
- § 48 Abs. 1 S. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 11 ErbbauRG 1x (nicht zugeordnet)
- FStrG § 9 Bauliche Anlagen an Bundesfernstraßen 6x
- V ZR 158/65 1x (nicht zugeordnet)
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