Urteil vom Landgericht Dortmund - 3 O 556/18
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert in Höhe von bis zu 40.000,00 € trägt der Kläger.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Ansprüche nach Widerruf eines zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufes abgeschlossenen Darlehensvertrages.
3Der Kläger kaufte am 06.08.2016 bei der E GmbH & Co. KG in R einen gebrauchten Pkw BMW 420d Gran Coupé Sport (Erstzulassung: 29.10.2015, Kilometerstand: 24.670, FIN: (FIN-NR....)) zu einem Kaufpreis von 34.968,00 €. Über den vollen Kaufpreis zuzüglich einer Prämie für eine „Ratenschutzversicherung Tod und AU“ (1.407,16 €) zuzüglich der Prämie für eine „Shortfall GAP Versicherung“ (583,81 €) (ergibt den Nettodarlehensbetrag in Höhe von 36.958,97 €) zuzüglich Zinsen in Höhe von 3.251,24 € (Gesamtbetrag: 40.210,21 €) schloss er ebenfalls am 06.08.2016 mit der Beklagten einen Darlehensvertrag mit einer Laufzeit von 48 Monaten bei einem für die gesamte Laufzeit gebundenen Sollzinssatz von 2,95 % p.a. (effektiv: 2,99 % p.a.) ab. Die Rückzahlung des Darlehens sollte in 47 gleichen monatlichen Raten zu je 476,10 €, beginnend ab dem 05.09.2016, und einer Schlussrate von 17.833,68 € am 05.08.2020 erfolgen (Einzelheiten: Anlagenkonvolut K1 = Bd. I Bl. 28-39 d.A.).
4Die Darlehensvertragsunterlagen enthielten auf den Seiten 1 von 11 bis 3 von 11 (Bd. I Bl. 28, 28R, 29 d.A.) die nachfolgend wiedergegebene „Europäische Standardinformation für Verbraucherkredite“:
5An dieser Stelle befinden sich Standardinformationen für Verbraucherkredite.
6Der Darlehensvertrag erhielt außerdem auf Seite 8 von 11 (Bd. I Bl. 31R d.A.) die nachfolgend wiedergegebene Widerrufsinformation:
7An dieser Stelle befindet sich eine Widerrufsinformation des Darlehensvertrages.
8Das Darlehen wurde in der Folge vollständig an das Autohaus ausgekehrt. Im Zeitraum 05.09.2016 bis einschließlich 05.05.2018 erbrachte der Kläger Zins- und Tilgungsleistungen auf das Darlehen in Höhe von insgesamt 9.998,10 €.
9Mit Schreiben vom 26.05.2018 (Anlage K3 = Bd. I Bl. 42 d.A.) widerrief der Kläger seine auf Abschuss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen gegenüber der Beklagten. Nachdem die Beklagte den Widerruf mit Schreiben vom 28.05.2018 (Anlage K4 = Bd. I Bl. 43 d.A.) zurückgewiesen hatte, forderte der Kläger sie mit anwaltlichem Schreiben vom 20.07.2018 (Anlage K5 = Bd. I Bl. 44-52R d.A.) unter Fristsetzung auf, den Vertrag rückabzuwickeln; gleichzeitig bot der Kläger die Rückgabe des Fahrzeugs an das Autohaus an; auch diese Aufforderung lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 28.07.2018 (Anlage K6 = Bd. I Bl. 53 d.A.) ab.
10Der Kläger meint, dass die von der Beklagten erteilte Widerrufsinformation nicht den gesetzlichen Anforderungen entspräche, weshalb der Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei.
11Der Kläger beantragt:
121.
13Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus dem am 06.08.2016 geschlossenen Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer 0000000000 ab dem Zugang der Widerrufserklärung vom 26.05.2018 kein Anspruch mehr auf Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zusteht.
14Im Wege der innerprozessualen Bedingung für den Fall, dass der Klageantrag zu 1. zulässig und begründet ist, beantragt der Kläger:
152.
16Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft einen Betrag in Höhe von 8.246,29 € für den Zeitraum vom 06.08.2016 (Vertragsbeginn) bis zum 26.05.2018 (Widerruf) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen, hilfsweise nach, Rückgabe des Kraftfahrzeuges BMW 420 D GC mit der Fahrgestellnummer: (FIN-NR....).
173.
18Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 09.06.2018 mit der Annahme des im Antrag zu 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
194.
20Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 2.193,65 € freizustellen.
21Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Sie beantragt außerdem hilfsweise für den Fall, dass der Klage des Klägers in dem bedingten Klageantrag zu Ziff. 2. zugesprochen werden sollte:
24Es wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Verlust des BMW 420d mit der Fahrgestellnummer (FIN-NR....) zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendig war und der über den anhand der gefahrenen Kilometer zu ermittelnden Wertersatz nach der Wertverzehrtheorie hinausgeht.
25Der Kläger beantragt,
26die Hilfswiderklage abzuweisen.
27Die Beklagte meint, dass der Widerruf verfristet sei, da die Widerrufsinformation korrekt sei und alle Pflichtangaben vollständig erteilt worden seien. Ein etwaiges Widerrufsrecht des Klägers wäre zudem verwirkt bzw. seine Ausübung rechtsmissbräuchlich. Weiterhin meint die Beklagte, dass der Kläger – einen wirksamen Widerruf unterstellt – jedenfalls vorleistungspflichtig hinsichtlich der Rückgabe des Pkw sei, so dass insoweit keine Zug-um-Zug-Verurteilung erfolgen könne. Deswegen könne auch kein Annahmeverzug bestehen. Außerdem stünde ihr ein Anspruch auf Wertersatz für den Gebrauch des Fahrzeugs zu. Dieser Wertersatzanspruch sei derzeit nicht zu beziffern, da der Kläger das Fahrzeug noch in Besitz habe. Deswegen sei auch der Hilfswiderklageantrag zulässig.
28Der Kläger ist der Ansicht, dass die Hilfswiderklage teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet sei.
29Auf das Terminsprotokoll vom 06.12.2019 (Bd. II Bl. 256-259 d.A.) wird Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.
30Entscheidungsgründe:
31I.
32Die Klage ist zulässig.
331.
34Insbesondere ist das angerufene Landgericht Dortmund örtlich zuständig. Bei der vorliegenden Eventualklagehäufung kommt es für die Bestimmung der Zuständigkeit allein auf den negativen Feststellungsantrag zu Ziff. 1. als Hauptantrag an.
35Für den – unbedingt gestellten – negativen Feststellungsantrag zu Ziff. 1. ist der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO nicht am Geschäftssitz der Beklagten (in T), sondern am Wohnsitz des Klägers zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages (in H) gegeben. Das Gericht folgt insoweit der Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart (vgl. Urt. v. 02.07.2019 – 6 U 312/18 – zit. nach juris, dort Rn. 29 ff. m.w.N.), das sich seinerseits auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.12.2004 (Az.: XI ZR 366/03; NJW-RR 2005, 581 ff.) bezieht.
36Im Übrigen ist der Umstand, dass der Kläger der Beklagten in dem Darlehensantrag ein SEPA-Lastschriftmandat erteilt hat (s. Seite 6 von 11 der Vertragsunterlagen = Bl. 30R d.A.), zu berücksichtigen. Mit Erteilung des Lastschriftmandats obliegt es dem Schuldner, lediglich für eine ausreichende Kontodeckung zu sorgen; für die rechtzeitige Abbuchung bzw. Einziehung ist dann der Gläubiger verantwortlich. Das bedeutet, dass die Geldschuld ihren Charakter von einer qualifizierten Schickschuld (§§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 1 u. 4 BGB) in eine Holschuld ändert (vgl. Dennhardt, in: BeckOK-BGB, Hrsg.: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 51. Edition, Stand: 01.08.2019, § 362 Rn. 32 u. 37 m.w.N.). Bei Letzterer befindet sich der Leistungsort ebenso wie der Erfolgsort, also der Ort, an dem sich der geschuldete Erfolg tatsächlich realisiert, beim Schuldner (vgl. statt vieler: Meier, JuS 2018, 940 m.w.N.). Das bedeutet wiederum, dass der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes im Sinne des § 29 Abs. 1 ZPO auch für den – als Hilfsantrag angekündigten – Leistungsantrag zu Ziff. 2. am Wohnsitz des Klägers zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages gegeben wäre.
372.
38Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für die Klageanträge zu Ziff. 1. und 3. ist gegeben.
39II.
40Die Klage ist mit dem Antrag zu Ziff. 1. (Hauptantrag) jedoch unbegründet, so dass es weder einer Entscheidung über die Hilfsanträge zu Ziff. 2.-4. aus der Klageschrift noch einer solchen über die Hilfswiderklage bedarf.
41Ohne Erfolg verlangt der Kläger die Feststellung, dass aufgrund des Widerrufs vom 26.05.2018 die Beklagte aus dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag vom 06.08.2016 keinen Anspruch auf Zahlung der Zins- und Tilgungsleistungen mehr herleiten kann. Die Voraussetzungen des Rückabwicklungsschuldverhältnisses, auf welches der Kläger sich beruft, sind nicht erfüllt, weil die Widerrufsfrist zum Zeitpunkt der Abgabe der Widerrufserklärung bereits abgelaufen war.
42Die Beklagte hat den Kläger nach den für den Vertragsschluss (06.08.2016) geltenden gesetzlichen Anforderungen (BGB und EGBGB i.d.F. seit dem 21.03.2016) ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt, so dass die zweiwöchige Widerrufsfrist mit Abschluss des Vertrages zu laufen begonnen hat.
431.
44Die Beklagte hat gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB hinreichend über die „Art des Darlehens“ informiert. Jedenfalls die in der Form der Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite nach Art. 247 § 2 Abs. 2 EGBGB zu dem Punkt „Kreditart“ gemachten Angaben genügen den gesetzlichen Anforderungen. Aus ihnen geht hervor, dass es sich um ein befristetes Darlehen mit regelmäßiger Tilgung handelt (vgl. BT-Drucks. 16/11643 [52] S. 123). Die zur Wahrung der Schriftform des § 492 Abs. 1 BGB erforderliche Urkundeneinheit zwischen der Standardinformation und den übrigen Vertragsunterlagen wurde hier mittels fortlaufender Paginierung hergestellt. Hierdurch hat die Beklagte zugleich zum Ausdruck gebracht, mittels der Standardinformation nicht nur vorvertragliche, sondern auch vertragliche Informationspflichten erfüllen zu wollen (vgl. BGH, Urt. v. 05.11.2019 – XI ZR 650/18 – BeckRS 2019, 30577, Rn. 51 m.w.N.).
452.
46Dass die Vermittlungsprovision der kreditvermittelnden E GmbH & Co. KG in dem Darlehensvertrag nicht in einem absoluten Geldbetrag angegeben ist, ist entgegen der Ansicht des Klägers unschädlich. Nach den §§ 492 Abs. 2, 495 Abs. 2 BGB und nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB in der vom 11.06.2010 bis zum 12.01.2018 geltenden Fassung gehört zu den im Darlehensvertrag anzugebenden Kosten nicht ein vom Darlehensgeber übernommenes Entgelt für einen zwischengeschalteten Darlehensvermittler (vgl. BGH, Beschl. v. 09.07.2019 – XI ZR 53/18 – BeckRS 2019, 28485, Rn. 3 ff.).
473.
48Die Beklagte hat auch gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB hinreichend über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung unterrichtet. Die Beklagte hat insoweit das Gesetz (§ 288 Abs. 1 BGB) und damit die „zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags geltende Regelung“ (so Art. 10 Abs. 2 Buchst. l Verbraucherkreditrichtlinie) zutreffend wiedergegeben. Einer Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes bedarf es wegen der halbjährlichen Veränderbarkeit des Basiszinssatzes und der damit verbundenen Bedeutungslosigkeit des Verzugszinssatzes bei Vertragsschluss nicht (vgl. BGH, Urt. v. 05.11.2019, a.a.O., Rn. 52 m.w.N.).
494.
50Soweit die Klägervertreter darauf abheben, dass „der hier vorliegende Darlehensvertrag (…) keine Widerrufsinformationen“ enthalte, geht diese Ansicht fehl. Dass sich die Unterschriften der Vertragsparteien auf Seite 7 von 11 der Vertragsunterlagen befinden, die Widerrufsinformation auf der nachfolgenden Seite 8 von 11 jedoch nicht gesondert unterschrieben ist, ist unschädlich. Denn eine Widerrufsbelehrung muss von Gesetzes wegen nicht gesondert unterschrieben werden (vgl. BGH, Beschl. v. 05.12.2017 – XI ZR 294/17 – BeckRS 2017, 136447, Rn. 10).
515.
52Entgegen der Auffassung der Klägervertreter hat die Beklagte auch die erforderliche Pflichtangabe gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB zu den Voraussetzungen und der Berechnungsmethode für den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ordnungsgemäß erteilt. Insoweit wird, da es sich hier wie dort um wortgleiche Angaben der hiesigen Beklagten handelt (jeweils in der „Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite“ unter Ziff. 4. („Andere wichtige rechtliche Aspekte“) in der zweiten Zeile zum Stichpunkt „Vorzeitige Rückzahlung“), vollumfänglich auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofes in dem Urteil vom 05.11.2019 (a.a.O., Rn. 40-50) Bezug genommen.
536.
54Dem Kläger wurde im Sinne des § 356b Abs. 1 BGB eine Abschrift der Vertragsurkunde zur Verfügung gestellt.
55Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt der Lauf der Widerrufsfrist nur voraus, dass der Verbraucher ein Exemplar des Vertragsformulars erhält, das nach Unterschriftsleistung des Verbrauchers die Vertragserklärung dokumentiert. Dass gerade das dem Verbraucher überlassene Exemplar seine Unterschrift trägt, ist dazu nicht erforderlich (vgl. BGH, Urt. v. 27.02.2018 – XI ZR 160/17 – zit. nach juris, Rn. 30). Soweit die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu § 355 Abs. 2 S. 3 BGB in der bis zum 12.07.2014 geltenden Fassung ergangen ist, entspricht der Wortlaut von § 356b Abs. 1 BGB in der hier einschlägigen Fassung dem Wortlaut des § 355 Abs. 2 S. 3 BGB in seiner der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Fassung, so dass kein Anlass besteht, die Frage vorliegend anders zu behandeln (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 08.03.2019 – 19 U 106/18 – BeckRS 2019, 30848, Rn. 13 f.; OLG Stuttgart, Urt. v. 12.11.2019 – 6 U 133/18 – BeckRS 2019, 28180, Rn. 14-16; Urt. dieser Kammer v. 30.08.2019 – 3 O 433/18 – BeckRS 2019, 22965, Rn. 33).
567.
57Auch die von der Beklagten verwendete Widerrufsinformation selbst ist sowohl in ihrer optischen Ausgestaltung als auch in inhaltlicher Hinsicht gesetzeskonform, weil dem gesetzlichen Muster entsprechend. Mit den auf den S. 15-19 der Klageschrift erhobenen Einwänden dringt der Kläger sämtlich nicht durch.
58Da der Bundesgerichtshof in dem Verfahren XI ZR 650/18 (Urt. v. 05.11.2019, a.a.O.) die dort streitgegenständliche – mit der hier verfahrensgegenständlichen: identischen – Widerrufsinformation einem vollständigen Abgleich mit dem Muster des Gesetzgebers für die Widerrufsinformation unterziehen musste und keine Fehler festgestellt hat, kann zur Vermeidung weiterer Wiederholungen auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden. Bei vorformulierten Widerrufsbelehrungen wie der von der Beklagten verwandten handelt es sich nämlich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die wie revisible Rechtsnormen zu behandeln sind. Ihre Übereinstimmung mit höherrangigem Recht – hier: mit § 355 Abs. 2 BGB und mit dem Belehrungsmuster des Gesetzgebers – ist eine Rechtsfrage und ohne Bindung an das Parteivorbringen zu untersuchen; der Beibringungsgrundsatz gilt insoweit nicht (vgl. BGH, Urt. v. 20.06.2017 – XI ZR 72/16 – NJW-RR 2017, 1197, 1199, Rn. 27-29 m.w.N.; Urt. dieser Kammer v. 22.02.2019 – 3 O 170/18 – BeckRS 2019, 2568, Rn. 19).
598.
60Soweit der Kläger meint, dass die Beklagte in dem Darlehensvertrag (nämlich auf „Seite 5 von 11“ = Bd. I Bl. 30 d.A.) mit „2,99 %“ einen zu niedrigen effektiven Jahreszins ausgewiesen habe, weil sich tatsächlich ein Effektivzins von 3,51 % ergebe (s. dazu die Excel-Tabelle, Bd. I Bl. 245 f. d.A., nebst „Erläuterung zur Berechnung des effektiven Jahreszinses“, Bd. I Bl. 247 f. d.A; jeweils Anlage(nkonvolut) K7), führt dies gleichfalls nicht zur Fehlerhaftigkeit der Widerrufsinformation.
61Zwar hat das Oberlandesgericht Köln geurteilt (Urt. v. 26.03.2019 – 4 U 102/18 – BeckRS 2019, 5593, Rn. 47 ff.; mit zust. Anm. Korff, EWiR 2019, 389 f.; Revision beim Bundesgerichtshof zum Az. XI ZR 186/19 anhängig), dass eine fehlerhafte Angabe – dort ging es um die Ausweisung eines zu niedrigen effektiven Jahreszinses um 0,03 bis 0,04 % – wie eine fehlende Angabe zu behandeln sei. Das Oberlandesgericht Köln beruft sich insoweit auf eine Entscheidung des EuGH (Urt. v. 10.04.2008 – C-412/06 „Annelore Hamilton/Volksbank Filder eG“ – EuZW 2008, 278, 280, Rn. 35: „Wie der Generalanwalt in den Nrn. 18 und 19 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist die fehlerhafte schriftliche Belehrung des Verbrauchers über die Ausübung des Widerrufsrechts der fehlenden Belehrung zu diesem Punkt gleichzusetzen, da beide den Verbraucher gleichermaßen im Hinblick auf sein Widerrufsrecht irreführen.“) und Stimmen in der Kommentarliteratur (z.B. Palandt-Weidenkaff, BGB, 79. Auflage 2020, § 495 Rn. 3). Das hätte zur Folge, dass die Widerrufsfrist auch bei einer fehlerhaften Angabe erst dann begönne, wenn die Information ordnungsgemäß nachgeholt wurde.
62Das Gericht teilt die Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Köln jedoch nicht, so dass es einer Beweisaufnahme durch Einholung eines – vom Kläger angebotenen – Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob die Behauptung des Klägers, der effektive Jahreszins betrage 3,51 % und nicht – wie im Darlehensvertrag angegeben – 2,99 %, zutrifft, nicht bedarf. Darauf kommt es nicht an, da eine unterstellt fehlerhafte Berechnung des effektiven Jahreszinses nicht dazu führte, dass die Pflichtangabe nicht erteilt worden wäre mit der Folge, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hätte. Nach der Ursprungsfassung des § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 lit. b) BGB a.F. war lediglich erforderlich, dass der Darlehensnehmer die Pflichtangaben „erhält“. Auch die Gesetzesbegründung bei Einführung der Regelung des § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 lit. b) BGB stellt an keiner Stelle auf die inhaltliche Richtigkeit der Pflichtangabe ab, sondern führt aus, dass die Norm nur Bedeutung erlange, wenn „Pflichtangaben fehlen“. Damit in Einklang steht die Regelung in § 492 Abs. 6 BGB a.F. über das Nachholen unterbliebener Pflichtangaben, die ein Nachholen auch nur für den Fall vorsieht, dass der Vertrag die maßgeblichen Pflichtangaben „nicht oder nicht vollständig“ enthält. Daraus folgt, dass ein Erhalten im Sinne des § 492 Abs. 2 BGB a.F. nur dann nicht vorliegt, wenn eine Pflichtangabe gänzlich fehlt. So liegen die Dinge hier nicht. Darüber hinaus spricht auch die in § 494 Abs. 3 BGB getroffene Regelung dafür, den Lauf der Widerrufsfrist nicht an eine fehlerhafte Information über die Höhe des effektiven Jahreszinses zu knüpfen. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist für den hier vom Kläger behaupteten Fall, dass der effektive Jahreszins zu niedrig angegeben wurde, der Sollzinssatz um den Prozentsatz vermindert, um den der effektive Jahreszins zu niedrig angegeben wurde. Dies stellt eine ausreichende Sanktionierung dar; eine gleichzeitige Auswirkung auf den Beginn der Widerrufsfrist besteht hingegen nicht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.12.2019 – I-16 U 62/19 – bislang n.v.; so im Ergebnis auch: OLG Stuttgart, Beschl. v. 08.03.2017 – 6 U 48/17 – zit. nach juris; zum Ganzen auch: Hölldampf, WM 2018, 114, 114-116).
63Der Verweis auf das Urteil des EuGH in der Sache Hamilton ist im hier gegebenen Zusammenhang ohnehin nicht überzeugend. Der EuGH hat dort lediglich festgehalten, dass eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung der fehlenden insoweit gleichzusetzen ist, als dass der Verbraucher in beiden Fällen nicht zutreffend über sein Widerrufsrecht belehrt wird. Hiervon gänzlich zu unterscheiden ist indes die Frage, ob eine fehlerhafte Pflichtangabe der fehlenden gleichzusetzen ist. Denn mit der Frage der inhaltlichen Wirksamkeit der Widerrufsinformation hat die Erteilung einer Pflichtangabe nichts zu tun, die Widerrufsinformation ist inhaltlich vielmehr bereits dann wirksam, wenn sie den gesetzlichen Vorgaben gerecht wird. Die Erteilung der Pflichtangaben berührt mithin die Frage der Wirksamkeit der Widerrufsinformation nicht, sondern stellt lediglich einen außerhalb der Widerrufsinformation liegenden, tatsächlichen Anknüpfungspunkt für den Beginn der Widerrufsfrist dar (vgl. Hölldampf, a.a.O., S. 115).
649.
65Da der Kläger nach alledem den Darlehensvertrag vom 06.08.2016 nicht wirksam widerrufen hat, kam es für die Entscheidung dieses Rechtsstreits auf Fragen der Verwirkung und/oder des Rechtsmissbrauchs nicht an.
66III.
67Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
68IV.
69Den Streitwert hat das Gericht gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf bis zu 40.000,00 € festgesetzt. Maßgeblich für die Bemessung war der Nettodarlehensbetrag (hier: 36.958,97 €); da der Kläger vorliegend eine Eigenleistung nicht erbracht hat, war zum Nettodarlehensbetrag nichts hinzuzuaddieren (vgl. zum Ganzen: BGH, Beschl. v. 29.05.2015 – XI ZR 335/13 – BeckRS 2015, 10627; OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.11.2018 – 11 W 41/18 – BeckRS 2018, 33522; LG Aurich, Urt. v. 13.11.2018 – 1 O 632/18 – BeckRS 2018, 30943, Rn. 56; Beschl. dieser Kammer v. 26.03.2019 – 3 O 28/19 – n.v.; Urt. dieser Kammer v. 30.08.2019, a.a.O., Rn. 38). Die Hilfswiderklage erhöhte, da über sie eine Entscheidung nicht ergangen ist, den Streitwert nicht, § 45 Abs. 1 S. 2 GKG.
70V.
71Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.
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