Beschluss vom Landgericht Duisburg - 7 T 203/15
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 05.07.2015, Az. 63 IN 14/14, wird als unzulässig verworfen.
Das Wiedereinsetzungsgesuch des Schuldners vom 01.02.2016 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Wiedereinsetzungsgesuchs fallen dem Schuldner zur Last.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 1.368,50 Euro
1
Gründe:
2I.
3Unter dem 23.01.2014 beantragte die Beteiligte zu 1) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners im Hinblick auf rückständige Beiträge zur Sozialversicherung. Mit Beschluss vom 03.06.2014 ordnete das Insolvenzgericht vorläufige Maßnahmen gem. §§ 21, 22 InsO an und ernannte den Beteiligten zu 2), der bereits zuvor zum Sachverständigen gem. § 5 InsO ernannt worden war, zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit Beschlüssen vom 05.07.2015 wies das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse zurück (Bl. 298 ff. d.A.) und setzte die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters antragsgemäß auf die Mindestregelvergütung von 1.000,00 Euro zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer gem. §§ 10; 2 Abs. 2; 8 Abs. 3 InsVV fest (Bl. 291 ff. d.A.). Beide Beschlüsse wurden auszugsweise und ohne Rechtsbehelfsbelehrung am 07.07.2015 veröffentlicht und dem Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners am 27.07.2015 (Bl. 310 d.A.) zugestellt. Mit der vorliegenden sofortigen Beschwerde, die am 03.08.2015 bei Gericht einging (Bl. 321 ff. d.A.), wandte sich der Schuldner gegen den "Beschluss vom 05.07.2015" mit der Begründung, der vorläufige Insolvenzverwalter habe pflichtwidrig Vermögensgegenstände des Schuldners verwertet. Daher müsse der vorläufige Insolvenzverwalter den erzielten Erlös zunächst zur Deckung seiner Vergütung verwenden. Er - der Schuldner - habe allenfalls einen danach etwa verbleibenden Restbetrag auszugleichen. Auf einen gerichtlichen Hinweis vom 18.09.2015, dass sich aus § 26a InsO eine Pflicht des vorläufigen Insolvenzverwalters, die Vergütung zunächst der vorläufig verwalteten Masse zu entnehmen, nicht ergebe, stellt der Schuldner mit Schriftsatz vom 09.10.2015 den Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters unter Berufung auf die seiner Ansicht nach gesetzwidrige Verwertung von Vermögensgegenständen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach in Abrede.
4II.
51.
6Die sofortige Beschwerde des Schuldners richtet sich gegen die vom Insolvenzgericht vorgenommene Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Der Beschwerdeschriftsatz vom 03.08.2015 ist insoweit nicht eindeutig. Denn der Schuldner rügt in diesem Schriftsatz, dass der Beschluss die Verwendung des durch die unberechtigte Verwertung von Vermögensgegenständen erzielten Erlöses nicht regle. Insbesondere fehle der Ausspruch, dass der vorläufige Insolvenzverwalter die Verfahrenskosten zunächst der Masse zu entnehmen habe, so dass der Schuldner nur einen etwa überschießenden Saldo ausgleichen müsse. Demgegenüber sei der beigefügte "Kostenfestsetzungsbeschluss" dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Dies spricht indiziell dafür, dass der Schuldner nicht den Beschluss zur Vergütungsfestsetzung, sondern die Kostenregelung im am gleichen Tage ergangenen Abweisungsbeschluss angreifen wollte. Der Schuldner hat indes auf das entsprechende Anschreiben des Insolvenzgerichts vom 18.09.2015 (Bl 323 d.A.) mit Schreiben vom 09.10.2015 (Bl. 327 d.A.) klargestellt, dass - wovon auch das Insolvenzgericht im Nichtabhilfebeschluss vom 06.11.2015 zutreffend ausgeht - die Vergütungsfestsetzung angegriffen werden soll. Dass der Schuldner in der Beschwerdeinstanz sich nunmehr darauf beruft, dass die "Kostengrundentscheidung" nicht bekannt gemacht worden sei, vermag den in erster Instanz jedenfalls durch Schreiben vom 09.10.2015 festgelegten Streitgegenstand nicht mehr zu ändern.
72.
8Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht binnen der Zweiwochenfrist gem. §§ 4 InsO; 569 Abs. 1 S. 1 ZPO eingelegt worden ist. Die Notfrist des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO begann gemäß §§ 569 Abs. 1 S. 2 ZPO; 64 Abs. 2; 9 Abs. 1 S. 3, Abs. 3 InsO zwei Tage nach der am 07.07.2015 erfolgten Veröffentlichung zu laufen. Die Beschwerdefrist begann somit mit Ablauf des 09.07.2015 zu laufen und lief am 23.07.2015 ab. Die Beschwerdeschrift ist indes erst am 03.08.2015 und damit nach Fristablauf bei Gericht eingegangen.
9Dem Ablauf der Frist steht abweichend von der Auffassung des Schuldners nicht entgegen, dass die Veröffentlichung des Beschlusses in der Weise erfolgte, dass lediglich ein Hinweis auf die Festsetzung der Vergütung und der zu erstattenden Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters gegeben wurde, dies mit dem weiteren Hinweis, dass der vollständige Beschluss auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts eingesehen werden könne. Denn diese Vorgehensweise entspricht den Vorgaben des § 64 Abs. 2 S. 2 InsO, wonach die festgesetzten Beträge nicht zu veröffentlichen sind und ein Hinweis auf die Einsichtnahmemöglichkeit in der Geschäftsstelle gegeben werden muss. Gem. § 9 Abs. 1 S. 1 InsO ist darüber hinaus auch eine auszugsweise Veröffentlichung des ergangenen Beschlusses zulässig. Die Zustellungswirkungen des § 9 Abs. 1 S. 3 ZPO treten nach ganz h.M. auch bei einer unvollständig veröffentlichten Entscheidung ein, sofern eine den Anforderungen des § 9 Abs. 1 S. 2 InsO genügende Bezeichnung des Schuldners und der wesentliche Inhalt der Entscheidung bekannt gegeben wird. Diese Voraussetzungen sind vorliegend ohne weiteres erfüllt. Soweit der Schuldner in der Beschwerdeinstanz einwendet, er habe aus der öffentlichen Bekanntmachung nicht ersehen können, dass ihm die Kosten auferlegt worden seien, ist dieser Ausspruch - wie ausgeführt - in dem mit der sofortigen Beschwerde nicht angegriffenen Nichteröffnungsbeschluss enthalten. Darüber hinaus handelt es sich aber auch um eine sich zwingend aus § 26a Abs. 2 S. 1 InsO ergebende Rechtsfolge, die der Veröffentlichung nicht bedurfte.
103.
11Das Wiedereinsetzungsgesuch des Schuldners ist gemäß §§ 4 InsO; 233 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, es ist aber in der Sache nicht begründet. Der Schuldner war nicht ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Notfrist von 2 Wochen, binnen derer gem. §§ 4 InsO; 569 Abs. 1 ZPO die sofortige Beschwerde einzulegen war, gehindert. Insbesondere streitet zu Gunsten des Schuldners nicht die unwiderlegliche Vermutung des § 233 S. 2 BGB, weil die Veröffentlichung des Vergütungsbeschlusses eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht enthielt. Die Kammer vermag sich bereits der Auffassung des Schuldners, dass mit der Veröffentlichung gem. § 64 Abs. 2; 9 Abs. 1 InsO eine Rechtsbehelfsbelehrung hätte erteilt werden müssen, nicht anzuschließen. Allerdings ist dem Schuldner zuzugeben, dass § 232 ZPO infolge der Generalverweisung des § 4 InsO grundsätzlich auch im Insolvenzverfahren Anwendung findet. Indes ist eine Rechtsbehelfsbelehrung im Rahmen der Veröffentlichung gem. § 9 Abs. 1 InsO nicht erforderlich, denn sie würde dem Zweck der Veröffentlichung entgegen laufen. Die öffentlichen Bekanntmachung dient u.a. der Verfahrensvereinfachung (Ganter/Lohmann in MünchKomm, InsO, Kommentar, 3. Aufl. 2013, § 9, Rn. 6 - beck-online), durch sie soll vermieden werden, dass Insolvenzverfahren infolge der typischerweise großen Zahl der Verfahrensbeteiligten und der andernfalls erforderlichen Einzelzustellung nicht mehr sachgerecht geführt werden können (Ganter/Lohmann, a.a.O., Rn. 23 m.w.N.). Schon die Möglichkeit, Beschlüsse nur auszugsweise zu veröffentlichen, zeigt, dass der Gesetzgeber es den an einem Insolvenzverfahren Beteiligten zumutet, sich zunächst über den Inhalt eines im Rahmen eines Insolvenzverfahren ergangenen Beschluss zu informieren, bevor er sich endgültig entscheidet, ob er ein Rechtsmittel einlegen will. Demgegenüber ist es nicht Sinn und Zweck der öffentlichen Bekanntmachung, dass der Adressat ohne nähere Kenntnis vom Inhalt einer Entscheidung gegen diese ein Rechtsmittel einlegt (so auch Reck ZVI 2014, 405 ff. - wiedergegeben nach juris-Kurzreferat).
12Darüber hinaus ist die - unterstellt - fehlende Rechtsbehelfsbelehrung regelmäßig dann nicht ursächlich für die Versäumung der Frist, wenn die Partei, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, anwaltlich vertreten ist, wie der Schuldner im vorliegenden Fall. Denn die Vermutungswirkung des § 233 S. 2 ZPO entfällt jedenfalls dann, wenn die Partei wegen vorhandener Kenntnis über den in Betracht kommenden Rechtsbehelf, wie etwa regelmäßig bei anwaltlicher Vertretung, ohnehin keiner zusätzlichen Unterstützung durch eine entsprechende Belehrung bedurft hätte (Wendtland in BeckOK, ZPO, Kommentar, Stand 12/2015, § 233, Rn. 17). Eine abweichende Betrachtung kann allenfalls dann geboten sein, wenn der anwaltliche Fehler nachvollziehbar durch die fehlerhafte Belehrung seitens des Gerichts verursacht wurde (vgl. BT-Drs. 17/10490, S. 14 f.). Davon kann allerdings im Falle einer gänzlich fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung schon deswegen nicht ausgegangen werden, weil der Rechtsanwalt in diesen Fällen jeden Anlass hat, sich über den zutreffenden Rechtsbehelf zu informieren (OLG Hamm, BeckRS 2011, 03839; Wendtland a.a.O. m.w.N. sowie zu § 17 Abs. 2 FamFG: Borth/Grandel in Musielak/Borth, FamFG, Kommentar, 5. Aufl. 2015, § 17, Rn. 4).
13Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf §§ 4 InsO; 3 ZPO.
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Referenzen
- InsO § 9 Öffentliche Bekanntmachung 1x
- InsO § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung 1x
- 63 IN 14/14 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 569 Frist und Form 1x
- ZPO § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 1x
- InsO § 64 Festsetzung durch das Gericht 1x
- §§ 569 Abs. 1 S. 2 ZPO; 64 Abs. 2; 9 Abs. 1 S. 3, Abs. 3 InsO 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 26a Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters 1x
- ZPO § 232 Rechtsbehelfsbelehrung 1x