Urteil vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) (7. Zivilkammer) - 7 O 15/16


Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen der Nebenintervention zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf Zahlung in Höhe von 35.661,00 € in Anspruch.

2

Die Klägerin hatte ursprünglich die mittlerweile insolvente Firma A GmbH & Co. KG (im Folgenden: Auftragnehmerin) gemäß Werkvertrag vom 10.07.2014 (Bl. 9 ff. d. A.) mit der Erbringung von Werkleistungen beauftragt. Dieser Werkvertrag sah in seinem § 14 (Bl. 30 f. d. A.) vor, dass die Auftragnehmerin u. a. eine Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen hatte, die nach Abs. 4 (Bl. 31/32 d. A.) der Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Werkvertrag, insbesondere der Rückzahlungsansprüche dienen sollte. Eine solche Vertragserfüllungsbürgschaft für die Auftragnehmerin übernahm die Beklagte mit Schreiben vom 19.09.2014 (Bl. 46 d. A.). In dieser heißt es ausweislich Anlage K 7 (Bl. 46 d. A.) wie folgt:

3

"Wir übernehmen hiermit für die Erllung sämtlicher Verpflichtungen des Auftragnehmers aus dem vorgenannten Vertrag, insbesondere für die vertragsgeße Ausführung der Leistung einschließlich der Abrechnung und Schadenersatz und für die Erstattung von Überzahlungen einschließlich der Zinsen gegenüber dem Auftraggeber die selbstschuldnerische und unwiderrufliche Bürgschaft bis zum Betrag von

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EUR 35.661,00 [...]

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einschließlich sämtlicher Nebenforderungen mit der Maßgabe, dass wir aus dieser Bürgschaft nur auf Zahlung von Geld in Anspruch genommen werden können."

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Die Klägerin leistete an die Auftragnehmerin am 23.06.2015 eine vertragliche Abschlagszahlung in Höhe von 213.484,53 €.

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Mit Beschluss des Amtsgericht Hamburg vom 06.08.2015 wurde über das Vermögen der Auftragnehmerin die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet (vgl. Anlage K 2, Bl. 35 ff. d. A.).

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Am 11.08.2015 leistete die Klägerin an die Auftragnehmerin aufgrund eines Buchhaltungsversehens erneut eine Abschlagszahlung in Höhe von 213.484,53 €.

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Nachdem die Beklagte mit Schreiben der von ihr beauftragten B GmbH & Co. KG vom 12.10.2015 die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde gefordert hatte (Anlage K 8, Bl. 48 d. A.), machte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 22.10.2015 ihrerseits die Zahlung aus der Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 35.661,00 € unter Fristsetzung bis zum 06.11.2015 gegenüber der Beklagten geltend (Anlage K 9, Bl. 49 ff. d. A.). Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab (vgl. Anlage K 10, Bl. 53 d. A.).

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Mit Beschluss des Amtsgericht Hamburg vom 01.11.2015 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Auftragnehmerin eröffnet und Herr Streithelfer zum Insolvenzverwalter ernannt (Anlage K 5, Bl. 42 ff. d. A.).

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Die Klägerin ist der Ansicht,

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aufgrund der am 11.08.2015 an die Auftragnehmerin geleisteten erneuten Abschlagszahlung in Höhe von 213.484,53 € sei diese um diesen Betrag überzahlt. Auch unter Berücksichtigung eines mit Schlussrechnung der Auftragnehmerin vom 13.08.2015 gegenüber der Klägerin geltend gemachten und nach Prüfung durch die Klägerin korrigierten Betrages in Höhe von brutto 115.539,18 € (Anlage K 13, Anlagenband) bestehe zugunsten der Auftragnehmerin jedenfalls mindestens eine Überzahlung in Höhe von 63.117,97 €. In dieser Höhe stehe ihr - der Klägerin - daher mindestens ein Rückzahlungsanspruch gegen die Auftragnehmerin zu, die diesen nicht erfüllt habe. Da die Beklagte aufgrund ihrer Erklärung vom 19.09.2014 für alle Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin, insbesondere auch für die Erstattung von Überzahlungen einschließlich Zinsen, bis zur Höhe des geltend gemachten Klagebetrages bürge, stehe ihr - der Klägerin - gegen die Beklagte der geltend gemachte Klagebetrag zu.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 35.661,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. November 2015 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte ist der Ansicht,

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sie könne der Klägerin gemäß § 768 Satz 1 BGB die der Hauptschuldnerin zustehende Einrede der Bereicherung gemäß §§ 812, 821 BGB entgegen halten. Bei dem Vertragstext des zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin geschlossenen Werkvertrags handele es sich um von der Klägerin verwendete allgemeine Vertragsbedingungen. Insbesondere die §§ 10 bis 16 des Vertragstextes seien für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert gewesen. Hierbei habe sich die Klägerin für etwaige Gewährleistungsansprüche Sicherheiten in Höhe von insgesamt 10% der Vergütung der Auftragnehmerin abbedungen. Aufgrund der dabei durch die Klägerin gewählten Kombination von Sicherheiten - Vertragserfüllungsbürgschaft neben einem Gewährleistungseinbehalt von jeweils 5 % der Auftragssumme - sei diese unangemessen übersichert. Zudem sei der Anspruch der Klägerin gegen die Auftragnehmerin auf Rückerstattung der Überzahlung von der ihrerseits übernommenen Vertragserfüllungsbürgschaft nicht umfasst, denn der Sicherungszweck der Vertragserfüllungsbürgschaft decke die streitgegenständliche Doppelzahlung nicht. Eine Auslegung des Wortlauts der Bürgschaftserklärung ergebe, dass ausschließlich vertragliche Ansprüche der Klägerin und damit nur Überzahlungen, die sich aus dem Vertrag selbst ergeben, von der Bürgschaft der Beklagten erfasst seien. Nicht geschuldete, irrtümliche Doppelzahlungen aufgrund eines Anweisungsversehens der Klägerin seien dagegen nicht vom Bürgschaftszweck erfasst. Im Übrigen stünde der Inanspruchnahme der Bürgschaft auch § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB entgegen, da sich durch die Doppelzahlung das Risiko der Inanspruchnahme nach Übernahme der Bürgschaft erhöht habe.

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Mit Schriftsatz vom 30.05.2016 hat die Beklagte Herrn Rechtsanwalt Streithelfer in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Auftragnehmerin den Streit verkündet. Dieser ist dem Rechtsstreit mit anwaltlichem Schreiben vom 07.06.2016 (Bl. 108 f. d. A.), eingegangen bei Gericht am 08.06.2016, auf Beklagtenseite beigetreten.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die bei den Akten befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.

I.

22

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 35.661,00 € nebst Zinsen aus der streitgegenständlichen Vertragserfüllungsbürgschaft zu.

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Unabhängig von den Fragen, ob und wenn ja in welcher Höhe die Hauptforderung der Klägerin gegen die Auftragnehmerin besteht und ob die Klägerin vorliegend übersichert ist, erstreckt sich die Bürgschaftsverpflichtung der Beklagten jedenfalls nicht auf einen etwaigen Rückerstattungsanspruch der Klägerin gegen die in Insolvenz geratene Auftragnehmerin wegen der versehentlich doppelt geleisteten Abschlagszahlung.

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Soweit die Bürgschaftserklärung der Beklagten lautet: "Wir übernehmen hiermit für die Erllung sämtlicher Verpflichtungen des Auftragnehmers aus dem vorgenannten Vertrag, insbesondere für die vertragsgeße Ausführung der Leistung einschließlich der Abrechnung und Schadenersatz und für die Erstattung von Überzahlungen einschließlich der Zinsen gegenüber dem Auftraggeber die selbstschuldnerische und unwiderrufliche Bürgschaft bis zum Betrag von EUR 35.661,00 [...]" erstreckt sich - wie die Klägerin zurecht ausführt - die Einstandspflicht des Bürgen zwar ausdrücklich auf die "Erstattung von Überzahlungen". Dass die Beklagte dabei auch für Rückforderungsansprüche auch aus einer (versehentlichen) Doppelzahlung einer Abschlagsforderung bürgen wollte, ergibt sich aus dem Wortlaut der Bürgschaftserklärung selbst jedoch nicht. Zudem sind Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien des Werkvertrags oder die Beklagte bei Übernahme der Vertragserfüllungsbürgschaft daran gedacht haben, dass Rückforderungsansprüche auch aus einer versehentlich doppelt geleisteten Abschlagszahlung entstehen können, nicht ersichtlich und werden auch von den Parteien nicht vorgetragen.

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Da mithin eine klare vertragliche Vereinbarung bezüglich der streitgegenständlichen Rückforderungsansprüche fehlt, ist die Tragweite der Bürgschaft der Beklagten durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) unter besonderer Berücksichtigung des Bürgschaftszwecks und des Anlasses der Übernahme zu ermitteln (vgl. Palandt/Sprau, 75. Aufl. 2016, § 765 Rn. 19). Hierfür können auch Umstände außerhalb der Bürgschaftsurkunde herangezogen werden, sofern nur der ermittelte Wille bereits irgendwie in der Erklärung seinen Ausdruck gefunden hat und einen Ansatzpunkt erkennen lässt (BGH, Urteil vom 17.12.1987 - XI ZR 263/86, juris, Tz. 22 f. [mit Hinweis auf: BGHZ 76, 187, 189; BGH, Urteil vom 12.06.1980 - VII ZR 270/79, WM 1980, 951, 952; BGH, Urteil vom 23.01.1986 - IX ZR 46/85, ZIP 1986, 702 = NJW 1986, 1681]). Die Bürgschaft für Verbindlichkeiten aus einem Vertrag erfasst nach diesen Grundsätzen in der Regel nur die Ansprüche des Gläubigers, die für den Bürgen aufgrund der vertraglichen Regelungen voraussehbar und erkennbar waren (Palandt/Sprau, a.a.O., § 765 Rn. 21). Dabei ist auch zu beachten, dass die Bürgschaftsverpflichtung nach § 767 Abs. 1, S. 3 BGB grundsätzlich nicht erweitert werden kann.

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Vorliegend geht der Sicherungszweck der Bürgschaft ausdrücklich dahin, für die Erfüllung "sämtlicher Verpflichtungen des Auftragnehmers aus dem vorgenannten Vertrag" Sorge zu tragen. Die Bürgschaft nimmt damit Bezug auf vertragliche Verpflichtungen. Sie sichert mithin nur solche Verpflichtungen, die ihre Rechtsgrundlage in dem zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin geschlossenen Werkvertrag haben, sich also aus diesem Vertrag entwickeln. Damit wären Ansprüche auf Rückzahlungen überhöhter Abschlagsforderungen gesichert, weil sich der Anspruch auf Rückzahlung eines Überschusses aus à-conto-Zahlungen aus dem zu Grunde liegenden Vertrag ergibt (BGH, Urteil vom 30.09.2004 - VII ZR 187/03) und nicht aus Bereicherungsrecht. Hiervon ist entgegen der klägerischen Auffassung der vorliegende Fall zu unterscheiden. Die Doppelzahlung und die damit einhergehende Rückzahlungsverpflichtung der Auftragnehmerin hat sich zwar infolge des Werkvertrages entwickelt, denn ohne die Existenz des durch die Bürgschaft abgesicherten Vertragsverhältnisses wäre es zu der versehentlich geleisteten zweiten Überweisung der Abschlagsforderung nicht gekommen. Allerdings hat sich die streitgegenständliche Doppelzahlung vorliegend nicht aus dem Werkvertrag entwickelt. Die Rückzahlungsverpflichtung ist weder aus einer vertraglich geschuldeten Abschlagszahlung noch durch eine Schlechterfüllung oder sonstige Vertragsverletzung entstanden, für die die Beklagte als Bürgin haften würde. Vielmehr stellt sie sich als Folge eines dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnenden Missgeschickes dar, dessen Absicherung eine zu einem Werkvertrag erteilte Bürgschaft nicht zu dienen bestimmt ist. Denn ein solcher Rückzahlungsanspruch ist für die Beklagte nicht erkennbar gewesen. Erkennbar war lediglich, dass es zu Überzahlungen im Rahmen der vertraglich vorgesehenen Abschlagszahlungen kommen kann, nicht hingegen, dass solche Abschläge doppelt gezahlt werden könnten (vgl. Auch OLG Schleswig, Urteil vom 24.09.2013 - 3 U 102/12, zitiert nach juris: keine Haftung des Bürgen für eine von den vertraglich vorgesehenen Modalitäten abweichende Abwicklung). Dem steht die Seitens der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des OLG Hamm vom 21.10.1997 (Az. 24 U 10/97) nicht entgegen. In dem dortigen Verfahren ging es um Rückzahlungsansprüche aufgrund fehlerhafter, überhöhter Abschlagsrechnungen. Solche liegen hier jedoch nicht vor. Dass aus den vertragsgemäßen Abschlagszahlungen noch Überzahlungen offen stehen, behauptet die Klägerseite zudem auch nicht.

II.

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Die Klage war damit mit den auf §§ 91, 101 Abs. 1 1. Hs., 709 ZPO beruhenden Nebenentscheidungen abzuweisen.

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