Urteil vom Landgericht Hamburg (9. Kammer für Handelssachen) - 409 HKO 73/14

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Verlustes von Sendungsgut.

2

Die O. B. M. K. GmbH, K., bestellte bei der P. T. Limited, H. K., 159 Kartons (1.579 kg) Batterieladegeräte zu einem Preis von insgesamt USD 50.640,-- (vgl. aktualisierte Handelsrechnungen, Anlagenkonvolut K 5). Diese Sendung sollte von S. über den Ladehafen H. zum Bestimmungsort H. befördert werden.

3

Für die Seebeförderung setzte die Beklagte die M. C. C. L. Ltd. (H.) ein. Diese erstellte hierüber ein Konnossement (Anlage K 1), wonach die Sendung in den Container HDMU 6. verladen und an Bord der M. C. genommen werden sollte. Als Empfängerin der Partie ist im Konnossement die O. B. GmbH eingetragen.

4

Die streitgegenständlichen Güter wurden nicht bei der Empfängerin abgeliefert. Die Beklagte teilte der O. B. GmbH mit Schreiben vom 17.07.2013 (Anlage K 3) mit, dass die O. B. GmbH wegen der Havarie der M. C. mit einem Totalverlust der Sendung und des Schiffes rechnen müsse. Die M. C. havarierte am 17. Juni 2013 im Arabischen Meer. In der Folge versanken alle an Bord befindlichen Container.

5

Die Klägerin trägt vor:

6

Sie sei alleiniger Transportversicherer der O. B. GmbH. Sie habe die in Rede stehende Partie versichert und sich die Schadensunterlagen von der O. B. GmbH zur Regulierung und Regressführung übermitteln lassen. Schon das führe nach ständiger Rechtsprechung zum Übergang der Regressansprüche.

7

Die Versicherungsnehmerin der Klägerin habe die Beklagte im Mai 2013 zu festen Kosten mit der Seebeförderung von insgesamt 159 Kartons (1.579 kg) Batterieladegeräte von S. über den Ladehafen H. K. zum Bestimmungsort H. beauftragt (vgl. das im Namen der Modern C. C. L. Ltd. dazu ausgestellte Hauskonnossement, Anlage K 1). Die Beklagte habe die Partie vereinbarungsgemäß zu festen Kosten abgerechnet.

8

Ausweislich des Konnossements habe die Beklagte 159 Kartons Batterieladegeräte zur Beförderung übernommen. Diese Ladegeräte seien ausweislich der Packlisten (Anlagenkonvolut K 4) von einer vollkaufmännisch eingerichteten Versandabteilung gepackt worden. Der Lieferant P. F. sei zuverlässig. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die übergebenen Kartons nicht den Inhalt gehabt hätten, den sie ausweislich der Packlisten hätten haben sollen.

9

Obwohl sich der Betrag der Handelsrechnungen (von USD 56.724,--, vgl. Anlagenkonvolut K 2) auf USD 50.640,-- reduziert habe, bleibe die Klägerin bei der Klagforderung. Der - maßgebliche - Ankunftswert betrage mindestens USD 62.396,40.

10

Die Klägerin habe den Schaden ihrer Versicherungsnehmerin reguliert, sodass die Ersatzansprüche ihrer Versicherungsnehmerin auf sie übergegangen seien.

11

Die Klägerin gehe gegen die Beklagte als Fixkostenspediteurin gemäß §§ 459, 498 Abs. 1 HGB vor.

12

Aufgrund der Colli-Anzahl führe die Anwendung des § 504 Abs. 1 HGB nicht zu einer Beschränkung der Haftung.

13

Die Klägerin beantragt,

14

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin USD 62.396,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2013 zu zahlen.

15

Die Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Sie trägt vor:

18

Die Aktivlegitimation der Klägerin werde weiterhin bestritten. Möge die Klägerin zunächst den Versicherungsvertrag vorlegen, aus dem sich das Bestehen des behaupteten Versicherungsverhältnisses ergebe. Zusätzlich möge die Klägerin vortragen, ob der angeblich erfolgte Forderungsübergang auf eine konkludente Abtretung oder aber auf § 86 VVG gestützt werden solle. Sollte sich die Klägerin auf § 86 VVG stützen, wäre nachzuweisen, dass die Klägerin alleiniger Versicherer sei, da anderenfalls der Anspruch auch nur anteilig hätte übergehen können. In diesem Zusammenhang käme es dann auch darauf an, ob die Übersendung der Schadensunterlagen vor einer angeblichen Regulierung erfolgt sei. Auch hierzu fehle jeglicher Vortrag.

19

Die Beklagte bestreite, von der O. B. GmbH als Fixkostenspediteur im Sinne des § 459 HGB für einen Transport von S. über H. K. nach Deutschland beauftragt worden zu sein. Möge die Klägerin diesbezüglich Nachweise vorlegen, aus denen sich die Beauftragung der Beklagten im Allgemeinen und zu festen Kosten im Speziellen zweifelsfrei ergebe.

20

Auch die tatsächliche Übernahme in ordnungsgemäßem Zustand bleibe bestritten (vgl. im Einzelnen Schriftsatz vom 21. August 2014, S. 2, und Schriftsatz vom 20.11.2014, S. 2). Selbst wenn die vollständige und unbeschädigte Verladung auf die M. C. durch die Klägerin nachgewiesen werden könne, hätte die Klägerin weiter den Nachweis zu erbringen, dass die Sendung auch in den Obhutsbereich der Beklagten gelangt sei. Nach bisherigem Vortrag der Klägerin sei nicht ersichtlich, an welcher Stelle die Beklagte selbst tatsächlichen Gewahrsam über die streitgegenständliche Sendung erlangt haben solle. Ausweislich der Anlage K 1 sei als Verfrachter die Modern C. C. L. Ltd. aufgeführt.

21

In diesem Zusammenhang weise die Beklagte auch darauf hin, dass die als Anlage K 4 vorgelegten Packlisten und die als Anlage K 5 vorgelegten korrespondierenden Rechnungen auch nicht zum Nachweis des behaupteten Schadens dienen könnten. Insofern bleibe die Klage hinsichtlich der behaupteten Höhe des Schadens weiter unschlüssig. Im Übrigen bestreite die Beklagte, dass die Sendung bei Ankunft einen Wert von mehr als USD 50.640,-- gehabt habe. Insofern stelle schon das Gesetz in § 502 Abs. 3 Satz 2 HGB die Vermutung auf, dass der Kaufpreis zuzüglich etwaiger Beförderungskosten den Wert des Gutes am Ablieferungsort widerspiegele. Insofern möge die Klägerin darlegen, weshalb hier eine Wertsteigerung von fast 25 % während des Transports eingetreten sein solle.

22

Selbst wenn der Klägerin der Nachweis der Beauftragung der Beklagten zu fixen Kosten sowie die vollständige Übergabe gelingen sollte, wäre deren Haftung gleichwohl nach § 498 Abs. 2 Satz 1 HGB ausgeschlossen.

23

Die Beklagte sei von der Haftung nach § 498 Abs. 2 Satz 1 HGB befreit, da der Verlust der Güter auf Umständen beruhe, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht hätten abgewendet werden können.

24

Die M. C. sei bei Antritt der verhängnisvollen Reise seeuntüchtig im Sinne des § 498 Abs. 2 HGB gewesen. Der Mangel der Seetüchtigkeit der M. C. habe auch unter Aufbietung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters bis zum Antritt der Reise nicht entdeckt werden können.

25

Die M. C. sei seitens der Klassifikationsgesellschaft Nippon Kaiji Kyokai am 29. Mai 2013 letztmalig vor Antritt der Reise einem „Special Survey“ - einer im Fünfjahresrhythmus stattfindenden Untersuchung - unterzogen worden und habe im Rahmen dieser Untersuchung ein Klassifikationszertifikat erhalten. Aufgrund dieser Untersuchung und aufgrund des Alters des Schiffes, das erst im März 2008 vom Stapel gelaufen sei, sei die Seeuntüchtigkeit der M. C. für einen ordentlichen Verfrachter vor Antritt der Reise nicht zu erkennen gewesen.

26

Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 498 seien bei der Beurteilung der Frage, ob Umstände vorgelegen hätten, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht hätten abgewendet werden können, die besonderen Anforderungen an die Seebeförderung einschließlich der an Bord herrschenden Verhältnisse und die besonderen Gefahren der See zu berücksichtigen. Alle drei Aspekte ließen im vorliegenden Fall keinen Rückschluss auf eine etwaige Seeuntüchtigkeit des Schiffes zu, was auch durch den vorgelegten „Interim Report of Committee on Large Container Ship Safety“ des japanischen Transportministeriums aus Dezember 2013 (Anlage B 1) belegt werde. Der vollständige Bericht werde als Anlage B 2 überreicht.

27

Aus den Anlagen B 1 und B 2 ergebe sich, dass die M. C. infolge mangelhaften Stahls Risse in der Bodenplatte des „Cargo hold No. 6“ in der Mitte des Schiffes gehabt habe, die schlussendlich zum Eindringen des Wassers geführt hätten und das Schiff in zwei Teile hätten brechen lassen. Die Experten gingen dabei vorläufig davon aus, dass der Riss unterhalb der Wasserlinie begonnen habe und sich dann von den Bodenplatten in „Cargo hold No. 6“ seinen Weg gebahnt habe. Dies sei weder für die M. C. noch für die Beklagte bis zum Antritt der Reise erkennbar gewesen.

28

Die M. C. sei eines von sieben Schiffen gewesen, die alle bei der M. H. I. (MHI) gebaut worden seien, das identische Design und die identische Konstruktion „C-series ships“ aufwiesen. Bei Untersuchungen dieser Schwesternschiffe seien bei fünf von sechs Schiffen ebenfalls Deformationen in den Bodenplatten festgestellt worden, was weder der Reederei M. noch dem Eigner noch der Beklagten bei Antritt der Reise der M. C. bekannt oder erkennbar gewesen sei.

29

Auch bei der „A. Z.“, einem Schiff gleicher Baureihe und Größe der M. C. und auch bei der MHI gebaut, habe man ca. ein Jahr vor dem Unfall Deformationen in der Bodenplatte festgestellt. Dies sei der Reederei M. wie der Beklagten unbekannt gewesen. Die Klassifikationsgesellschaft dieses Schiffes habe eine vollständige Reparatur empfohlen, den weiteren Betrieb des Schiffes jedoch nicht untersagt, nachdem die Schäden vorläufig behoben gewesen seien und keine Intensivierungen der Deformation erfolgt seien.

30

Auf Basis des Vorstehenden sei weder für die Reederei M. noch für die Beklagte bei Antritt der Reise erkennbar gewesen, dass die M. C. über einen verborgenen Mangel an den Bodenplatten verfügt habe. Vielmehr sei für die Beklagte und für alle Personen, deren Kenntnisse sich die Beklagte zurechnen lassen müsse, die Seeuntüchtigkeit der M. C. bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht zu erkennen gewesen (vgl. im Einzelnen Schriftsatz vom 20.11.2014, S. 3 ff.).

31

Hilfsweise berufe sich die Beklagte auf die Haftungsbegrenzung des § 504 Abs. 1 HGB auf 3.158,00 SZR (vgl. im Einzelnen Schriftsatz vom 21. August 2014, S. 7 ff.). Dies entspreche einem Gesamtbetrag von ca. € 3.632,--. Eine über diesen Betrag hinausgehende Haftung der Beklagten liege damit nicht vor. Der guten Ordnung halber weise die Beklagte darauf hin, dass sich eine Haftungsbeschränkung auf 2 SZR pro KG darüber hinaus auch aus Ziff. 23.1.3 ADSp ergebe (vgl. im Einzelnen Schriftsatz vom 20.11.2014, S. 8).

32

Schließlich berufe sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung nach § 605 Nr. 1 HGB.

33

Die Klägerin erwidert:

34

Die Beklagte verfehle eine Exkulpation nach § 398 HGB schon im Ansatz, weil sie die Umstände nicht benenne, auf denen die Havarie und damit der Verlust des Gutes beruhe. Sei die Ursache nicht aufklärbar, habe die Beklagte den Nachweis fehlender Ursächlichkeit oder fehlenden Verschuldens hinsichtlich aller denkbaren in ihren Pflichtenkreis fallenden Verursachungsbeiträge zu führen.

35

Die Beklagte habe das Auseinanderbrechen des Schiffes zu vertreten. Sie habe für ihre Erfüllungsgehilfen einzustehen. Zu diesen gehörten die Besatzung der M. C., die Reederei M. O. L. sowie ihre in den Schiffsbetrieb eingebundenen Mitarbeiter, die Klassifikationsgesellschaft Nippon Kaiji Kyokai und schließlich auch die Bauwerft M. H. I. (vgl. im Einzelnen Schriftsatz vom 21.10.2014, S. 4 f.).

36

Das Risiko eines Auseinanderbrechens der M. C. sei bekannt gewesen. Dies allein schon aus dem Grund, dass - unstreitig - kurz zuvor, am 23.12.2011, ein Schwesterschiff der M. C., die A. Z. (heute S. T.) wegen exakt gleichartiger Deformationen in der Bodensektion notrepariert worden sei. Eine endgültige Instandsetzung sei im Dezember 2012 durch die Bauwerft M. erfolgt, was ebenfalls unstreitig ist. Die Klassifikationsgesellschaft der A. Z. sei zu jeder Zeit die der M. C. gewesen.

37

Bereits bei einer Trockendockung im Dezember 2012 seien bei einer Inspektion des Schiffsbodens der M. C. durch die Klassifikationsgesellschaft erhebliche Ausbeulungen festgestellt worden, denen keine Beachtung geschenkt worden sei. Dies ergebe sich aus S. 17. f. des als Anlage B 2 vorgelegten Sachverständigenberichts.

38

Vor Antritt der letzten Schiffsreise der M. C. bei Beladung im Juni 2013 habe nach Messungen des tatsächlichen Tiefgangs eine Rumpfverbiegung von 63 cm vorgelegen. Akut gefährlich sei indes bereits eine Verbiegung von über 50 cm. Um eine Verbiegung von 63 cm zu erzielen, müsse eine Kraft (Biegemoment) vorliegen, die 126 % des erlaubten Werts betragen müsste. Daraus sei zu schließen, dass entweder eine erhebliche Überlastung des Rumpfs um 26 % vorhanden gewesen sei oder aber der Rumpf bereits derartig geschwächt gewesen sei, dass schon die tatsächliche Belastung eine Überbelastung herbeigeführt habe. In beiden Fällen hätten beim Kapitän „alle roten Lampen aufleuchten müssen“. Dass der Kapitän dennoch bei dieser Belastungssituation abgefahren sei, hänge möglicherweise damit zusammen, dass er nur unzureichend über den tatsächlichen Belastungszustand informiert gewesen sei. Wie die Bauwerft M. in ihrem Rechtsstreit gegen M. habe vortragen lassen, sei an Bord der M. C. ein Beladerechner benutzt worden, der nicht von der Klassifikationsgesellschaft für dieses Schiff zertifiziert gewesen sei. Der Laderechner sei ein Computersystem, mit dem sich die Verteilung der zu ladenden Güter in den Schiffsluken und an Deck unter Berücksichtigung der Stabilitätserfordernisse, der Belastungsgleichmäßigkeit und der Lade- und Entladeprozesse optimieren lasse. Selbstverständlich könne es nur dann fehlerfrei arbeiten, wenn es auf das eingesetzte Schiff eingerichtet sei.

39

Eine Haftungsbegrenzung der Beklagten scheitere daran, dass es sich um eine FCL-Sendung handele, sodass nicht der Container als maßgebliches Stück gelten könne. Im Übrigen habe die Beklagte sich das Beförderungsdokument ihres Gruppenzugehörigen, ohne eigenen Geschäftsbetrieb als bloßes Haftungsvehikel eingesetzten NVOCCs zurechnen zu lassen.

40

Ergänzend wird für das weitere Vorbringen der Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

41

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

42

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch zu, und zwar auch nicht gemäß §§ 459, 498 Abs. 1 HGB in Verbindung mit § 398 BGB oder § 86 Abs. 1 VVG.

43

1. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin entweder dadurch bereits gemäß § 398 BGB Anspruchsinhaberin geworden ist, dass die O. B. GmbH ihr die Schadensunterlagen zur Regulierung und Regressführung hat übermitteln lassen (vgl. BGH TranspR 2012, 463; Koller, Transportrecht, 8. Auflage, § 425 HGB Rz. 84) oder (erst) gemäß § 86 Abs. 1 VVG dadurch, dass die Klägerin den (streitgegenständlichen) Schaden der O. B. GmbH reguliert hat, wie die Klägerin behauptet, oder ob dem jeweils entgegensteht, dass unklar ist, ob die Klägerin tatsächlich zu den relevanten Zeitpunkten alleiniger Transportversicherer der O. B. GmbH war, was die Klägerin trotz Einwands der Beklagten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht nachgewiesen hat.

44

2. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte von der O. B. GmbH im Sinne des § 459 HGB mit der Durchführung des streitgegenständlichen Transports beauftragt worden ist, was die Beklagte in der Klagerwiderung noch in Abrede gestellt hat, und ob die streitgegenständliche Sendung in ordnungsgemäßem Zustand und vollständig auf die M. C. gelangt ist, was die Beklagte angesichts der fehlenden Übereinstimmung der in den Packlisten (Anlage K 4) aufgeführten HS CODE Nummer mit der im Konnossement (Anlage K 1) genannten HS CODE Nummer (vgl. Schriftsatz vom 20.11.2014, S. 2), die von der Klägerin auf deren nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 18.12.2014 noch nicht aufgeklärt worden ist (vgl. S. 2), weiterhin bestreitet.

45

3. Denn ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß §§ 459, 498 Abs. 1 HGB in Verbindung mit § 398 BGB oder § 86 Abs. 1 VVG wäre jedenfalls nach § 498 Abs. 2 HGB ausgeschlossen.

46

Gemäß § 498 Abs. 1 HGB ist der Verfrachter von seiner Haftung nach Abs. 1 befreit, soweit der Verlust oder die Beschädigung auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht hätten abgewendet werden können. Da das Gut unstreitig mit einem seeuntüchtigen Schiff befördert wurde, setzt eine Haftungsbefreiung der Beklagten § 498 Abs. 2 Satz 1 HGB gemäß § 498 Abs. 2 Satz 2 HGB im vorliegenden Fall voraus, dass der Mangel der Seeuntüchtigkeit bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters bis zum Antritt der Reise nicht zu entdecken war. Diese Voraussetzung liegt hier vor.

a)

47

Unstreitig beruht die Seeuntüchtigkeit auf einem schwerwiegenden Konstruktionsfehler.

48

Die Klägerin räumt (unwidersprochen) selbst ein, dass die Bodenstruktur des Schiffes M. C. schwerwiegende Mängel aufgewiesen habe. Das Schiff sei zu schwach konstruiert gewesen und daher nicht in der Lage gewesen, für die Dauer seines voraussichtlichen Einsatzes den gestellten Anforderungen standzuhalten. Als die M. C. Anfang Juni 2013 von S. aus ihre letzte Reise angetreten habe, sei sie ein waidwundes Schiff gewesen. Sie sei nicht nur von vornherein konstruktionsbedingt für den Hochseeeinsatz ungeeignet gewesen, sondern darüber hinaus in ihrer Rumpffestigkeit durch die Beanspruchungen mehrjährigen Liniendienstes als Containerschiff in einem Ausmaß geschwächt gewesen, dass das Auseinanderbrechen zu erwarten gewesen sei. An verschiedenen Stellen des Rumpfs, vor allem in den Bodenplatten unterhalb der Luke 6 sei das Material durch permanente Auf- und Abbiegungen ausgebeult und bis an die Bruchgrenze ermüdet gewesen. Es habe nur noch einiger Seemeilen in mäßig rauem Seewetter bedurft, um den Schiffsboden zum Versagen zu bringen.

49

b) Für diesen Konstruktionsfehler hat die Beklagte nicht einzustehen.

50

aa) Die Beklagte trifft kein eigenes Verschulden.

51

Der Konstruktionsfehler war für die Beklagte bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters bis zum Antritt der Reise nicht zu entdecken.

52

Kenntnis der Beklagten von einem Konstruktionsfehler behauptet auch die Klägerin nicht.

53

Zurechenbare Unkenntnis der Beklagten von einem Konstruktionsfehler ist ebenso wenig anzunehmen. Insoweit wird auf die Ausführungen des Gerichts in dem den Parteien bekannten Urteil vom 28. August 2014 (Az. 409 HKO 5/14), S. 9 f., Bezug genommen.

54

Dementsprechend stellt die Klägerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 18.12.2014 klar, dass sie nie behauptet habe, dass die Beklagte oder ihre eigenen Arbeitnehmer ein persönliches Verschulden treffe (S. 2).

55

bb) Die Beklagte hat auch nicht gemäß § 501 HGB für fremdes Verschulden einzustehen.

56

(1) Ein Fehlverhalten der Reederei oder des konnossementsmäßigen Verfrachters, das sich die Beklagte gemäß § 501 HGB zurechnen lassen müsste, liegt nicht vor.

57

(a) Kenntnis der Reederei von dem Konstruktionsfehler behauptet auch die Klägerin nicht.

58

(b) Zurechenbare Unkenntnis ist ebenso wenig anzunehmen.

59

(aa) Der Reederei kann nicht vorgeworfen werden, sie habe sich nicht genügend um die konstruktive Festigkeit ihres Schiffes gekümmert.

60

Denn die Klägerin räumt selbst ein, dass es ausweislich der Anlage B 2 S. 17 zu den Aufgaben der Schiffsbesatzung gehöre, im Rahmen laufender „maintenance inspections“ auch den Schiffsboden auf Deformationen zu überprüfen. Die Überprüfungen wurden nicht unsorgfältig durchgeführt. Zwar wurden ausweislich S. 17 der Anlage B 2 bei Besichtigungen nach dem 04.01.2010 Verformungen zwischen 20 und 40 mm (offenbar) an anderer Stelle als „under No. 6 Cargo Hold“, wo der schadensursächliche Riss seinen Ursprung nahm, nämlich „under No. 5 Cargo Hold at a more forward position“ festgestellt. Diese wurden bei späteren Inspektionen jedoch (offenbar) deshalb nicht erneut dokumentiert, weil sie nicht (wieder) gefunden wurden, denn „such deformation cannot be always found and recorded“ (S. 17 der Anlage B 2).

61

(bb) Für die Reederei bestand auch kein „Anfangsverdacht“, aufgrund dessen sie gehalten war, die M. C. eingehend zu untersuchen (vgl. dazu Urteil vom 28. August 2014, S. 9 f.).

62

Da ausweislich des Berichts (Anlage B 2, S. 17) eine vollständige und sorgfältige Vermessung und Aufzeichnung dieser Deformationen unterblieb, hatte die Reederei davon aufgrund der Besichtigungsberichte auch keine Kenntnis.

63

Kenntnis von den Vorschäden der A. Z. behauptet die Klägerin auch nicht in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 18.12.2014 (vgl. S. 6).

64

(cc) Das Gericht bleibt dabei, dass letztlich die Mängel, die schließlich zum Auseinanderbrechen der M. C. führten, in technischer Hinsicht überhaupt nur von einer Klassifikationsgesellschaft oder Werft zu entdecken waren (vgl. das beiden Parteien ebenfalls bekannte Urteil des Gerichts vom 02.10.2014, Az. 409 HKO 35/14, S. 18).

65

(2) Ein Fehlverhalten der Schiffsbesatzung, das sich die Beklagte ebenfalls gemäß § 501 HGB zurechnen lassen müsste, ist ebenso wenig anzunehmen.

66

Der Schiffsführung kann nicht vorgeworfen werden, sie habe trotz der Messwerte des tatsächlichen Tiefgangs, wonach der vom Ersten Offizier in S. gemessene Tiefgang mitschiffs um etwa 70 cm geringer als am Heck und 55 cm geringer als am Bug war, während das Schiff in ruhigem Wasser am Kai lag (vgl. Anlage B 3 Nr. 13 und Anlage B 6 Nr. 9), die Reise angetreten.

67

Denn daraus konnte die Schiffsführung allenfalls schließen, dass der Schiffsrumpf nicht spannungsfrei und eben im Wasser lag, sondern verbogen war, nicht aber, dass das Schiff sogar schon jenseits der Grenze der konstruktiv zulässigen Belastung operierte, wie die Klägerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 18.12.2014 meint (S. 9). Offenbar ist es nicht möglich, von dem Ausmaß der Verformungslage (Unterschiede von 70 bzw. von 55 cm) direkt auf die Unter- bzw. Überschreitung der Belastungsgrenze zu schließen. Deshalb wurde „the still water ending moment“ (Stillwasserbiegemoment) bei einer Verformungslage von 0,63 m offenbar anhand eines Modells geschätzt, worauf sich erst ein Biegemoment von 126 % des erlaubten Wertes ergab (Anlage B 2, S. 44 2. Absatz). Allein aus dem Biegemoment von 126 % ergeben sich aber noch keine Rückschlüsse auf die Ladungsverteilung. Deshalb musste erst eine entsprechende Berechnung angestellt werden, um zu einem Stillwasserbiegemoment von 126 % zu gelangen, die ergab, dass im Bereich der Schiffsmitte 14 % hätten entfernt werden müssen und gleichzeitig am Heck und am Bug die Gewichte jeweils um 13 % hätten erhöht werden müssen (vgl. Anlage B 2, S. 44 letzter Absatz). Erst daraus hätte man allenfalls den Schluss ziehen können, dass die Ladegewichte in Wahrheit so nicht verteilt waren, sodass es eine andere Ursache für die Verformung des Schiffskörpers hätte geben müssen, nämlich eine erhebliche Schwächung des Rumpfes (vgl. Schriftsätze der Klägerin vom 21.10.2014, S. 6 f., und vom 18.12.2014, S. 5). Ohne entsprechendes Modell und ohne eine entsprechende Berechnungsmethode war der Schluss auf eine erhebliche Schwächung des Rumpfes demnach nicht zu ziehen. Dass die Schiffsführung über ein solches Modell oder eine solche Berechnungsmethode, wie von der Untersuchungskommission benutzt, verfügte, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht vorgetragen.

68

Vielmehr konnte die Schiffsführung trotz Feststellung der Verformungslage aufgrund der Messwerte des tatsächlichen Tiefgangs davon ausgehen, dass die konstruktiv zulässige Belastungsgrenze nicht überschritten war, denn die Schiffsführung stellte nach dem bereits von der Klägerin kommentierten Vorbringen der Beklagten gleichzeitig fest, dass die Biege-, Scher- und Torsionskräfte bei 99 %, 93 % und zwischen 70 - 73 % lagen (vgl. Anlage B 3 Ziff. 13 und Anlage B 6 Ziff. 7), was im Hinblick auf die Biegekräfte in etwa dem im Untersuchungsbericht anhand „the declared container weights and loading plan“ ermittelten Wert von 103 % „of the allowable design value“ entspricht (vgl. Anlage B 2, S. 44 2. Absatz). Die zuletzt erwähnten Feststellungen gingen offenbar auf entsprechende Computerberechnungen zurück (vgl. Anlage B 6 Ziff. 7: „... the ship's calculated bending moment was 99 %, sheer force 93 % and torsion 70 % - 73 %“). Die Schiffsführung hatte keinen Anlass, dem „final visual check of the vessel's draughts“ (vgl. Anlage B 6, Ziff. 9) mehr zu vertrauen als den Computerberechnungen, auch wenn diese (lediglich) auf den deklarierten Containergewichten beruhten. Denn zum einen gibt der „Chief Officer“, der die Messung des tatsächlichen Tiefgangs vorgenommen hat, zu bedenken, dass die Werte schwer zu bestimmen waren, weil die Fender auf der Kaiseite die Sicht behindert hätten. Zum anderen handelt es sich bei der Ablesung der Tiefgangsmarken am Rumpf des Schiffes für die Überprüfung des Ladegewichts sowie für den Trimm des Schiffes ohnehin um eine grundsätzlich sehr ungenaue und geradezu steinzeitliche Methode in Zeiten modernster Terminaltechnologie (vgl. Hasche, TranspR 2014, 349, 351).

69

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Schiffsführung bei der Beladung einen Computer mit einem Programm („Power Stow“) benutzte, das nicht von der Klassifikationsgesellschaft für dieses Schiff zertifiziert war. Denn daraus allein kann noch nicht geschlossen werden, dass dieses Programm für die Beladung der M. C. ungeeignet war. Das bestätigt auch der „Chief Officer“, der nach seinen Angaben die Werte des zertifizierten Programms „Load Com“ in jedem Hafen mit denen des Programms „Power Stow“ verglich und dabei nur sehr geringe Abweichungen feststellte mit dem Ergebnis, dass die Werte von „Power Stow“ ungefähr um 1 % niedriger gegenüber denen von „Load Com“ lagen (vgl. Anlage B 6 Ziff. 4).

70

(3) Ein etwaiges Fehlverhalten der Klassifikationsgesellschaft müsste sich die Beklagte nicht gemäß § 501 HGB zurechnen lassen.

71

Nach § 501 Satz 2 HGB hat der Verfrachter nur für diejenigen Personen einzustehen, derer er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient. Es genügt demnach nicht, dass der Betreffende lediglich allgemein damit betraut war, die Verwendung des Schiffes für zukünftige Beförderungen zu ermöglichen (vgl. Ramming, RdTE 2014, S. 46; Hasche, a.a.O.). Die Klassifikationsgesellschaft ist vom Transport eines Containers sehr weit entfernt. Ihre Tätigkeit ist zwar Voraussetzung eines Transports, jedoch wird sie nicht in Ausführung des Transportauftrags tätig. Das ergibt sich in diesem Fall bereits daraus, dass die Class MK, die Klassifikationsgesellschaft der M. C., im Hinblick auf die spätere Erteilung der Klasse am 29. Mai 2013 schon lange vor Beauftragung mit der streitgegenständlichen Seebeförderung im Mai 2013 (vgl. S. 3 der Klagschrift) tätig geworden ist, nämlich nach Angaben der Klägerin bereits im Dezember 2012, als die der Klasseerteilung zugrunde liegenden Besichtigungen bei einer Trockendockung in G. erfolgten (vgl. Schriftsatz vom 21.10.2014, S. 6). Dementsprechend ist die Haftung des Verfrachters für ein Verschulden der Klassifikationsgesellschaft zu verneinen (vgl. LG. Hamburg, Urteil vom 02.10.2014 - 409 HKO 35/14, TranspR 2014, 387 (391); LG Hamburg, Urteil vom 28. August 2014 - 409 HKO 5/14, TranspR 2014, 385 (387); Ramming, a.a.O.; Hasche, a.a.O.; Rabe, Seehandelsrecht, 4. Auflage, § 559 Rz. 37).

72

(4) Hinsichtlich der Werft gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.

73

Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass die Werft (erst) nach Beauftragung mit der streitgegenständlichen Seebeförderung tätig geworden ist.

II.

74

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

75

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

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