Urteil vom Landgericht Hamburg - 318 S 92/16

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 3) wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 15.09.2016, Az. 303b C 18/13, abgeändert und festgestellt, dass der Rechtsstreit nicht durch den mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 17.06.2014 festgestellten Vergleich beendet ist.

2. Die Klägerin und die Beklagten zu 1), 2), 4) – 7) tragen die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.973,30 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin ist die frühere WEG-Verwalterin der Beklagten zu 7), der Wohnungseigentümergemeinschaft E. Chaussee ... ,... H.. Die Beklagte zu 3) ist Mitglied dieser Wohnungseigentümergemeinschaft. Weitere Mitglieder sind die Beklagten zu 1), zu 2), zu 4) – 6).

2

Die Klägerin hat mit einer gegen alle Beklagten gerichteten Klage vom 20.08.2013 beantragt, den auf der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 09.08.2013 zu Tagesordnungspunkt 3 gefassten Beschluss (Abberufung des Verwalters und außerordentliche Kündigung des Verwaltervertrages) für ungültig zu erklären und festzustellen, dass der zwischen ihr und der Beklagten zu 7 geschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag vom 20.12.2007 nicht beendet wurde. Die Beklagte zu 3) hat denselben Beschluss gleichfalls angefochten (Amtsgericht Hamburg-Altona, Az. 303c C 21/13). Eine Verbindung der beiden Beschlussanfechtungsverfahren gemäß § 47 WEG erfolgte nicht.

3

Die Klägerin und die Beklagte zu 3) streiten in der Berufung im Wege eines Zwischenstreits darüber, ob der Rechtsstreit durch einen mit Beschluss des Amtsgerichts vom 17.06.2014 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich beendet ist.

4

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).

5

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 15.09.2016 festgestellt, dass der Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Hamburg-Altona zum Az. 303b C 18/13 durch den mit Beschluss vom 17.06.2014 festgestellten Vergleich erledigt ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass Herr Rechtsanwalt T. durch die aufgrund Bestellungsbeschlusses der Wohnungseigentümer vom 23.05.2014 als Verwalterin amtierende Firma H. H. Immobilien GmbH für alle Beklagten, auch für die Beklagte zu 3), mit der Prozessvertretung beauftragt worden sei. Dieser habe bei seiner Vernehmung als Zeuge nachvollziehbar bekundet, er habe ein Schreiben der Hausverwaltung erhalten mit der Bitte, in dem Rechtsstreit tätig zu werden und die Beklagten zu vertreten. Die Prozessvertretung für die Beklagte zu 3) sei auch später weder von dieser selbst noch von der Verwalterin widerrufen worden. Das an das Gericht adressierte Schreiben der Beklagten zu 3) vom 31.01.2014 (Bl. 191 d.A.), mit dem diese das rechtskräftige Versäumnisurteil zum Az. 303c C 21/13 übersandt habe, stelle keinen Widerruf der Prozessvollmacht dar, ebenso wenig das weitere Schreiben der Beklagten zu 3) vom 25.09.2013 (Anlage B 3-2) und das Schreiben des Herrn Rechtsanwalts T. vom 30.01.2014 (Anlage B 3-3). Die Hausverwaltung sei gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG berechtigt gewesen, die Kanzlei B. & T. im Rahmen des gegen die Wohnungseigentümer gerichteten Passivprozesses mit der Prozessvertretung zu beauftragen. Zum Zeitpunkt der Auftragserteilung sei diese noch zur Verwalterin bestellt gewesen und selbst im Fall einer Ungültigerklärung des Bestellungsbeschlusses wirke dies nur ex nunc. Jedenfalls habe eine Rechtsscheinvollmacht der Verwaltung vorgelegen. Die wirksam erteilte Prozessvollmacht habe den Bevollmächtigten auch ermächtigt, den Rechtsstreit durch einen Vergleich zu beenden. Er sei zum Abschluss eines (materiell-rechtlichen) Vergleichsvertrages ermächtigt gewesen, denn dieser habe sich im Rahmen des Streitgegenstandes gehalten und der Erreichung des Prozessziels gedient. Selbst wenn man im Innenverhältnis zwischen dem Prozessbevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt T., und der Beklagten zu 3) einen Missbrauch der Vertretungsmacht annähme, ginge dies zu Lasten der Beklagten zu 3), denn das Missbrauchsrisiko trage grundsätzlich der Vertretene. Ein offensichtlicher und auch der Klägerin bekannter Vollmachtmissbrauch sei nicht ersichtlich. Dass die Beklagte zu 3) dem auf der Eigentümerversammlung vom 23.05.2014 gefassten Beschluss, den Rechtsstreit mit der Klägerin zu beenden, nicht zugestimmt habe, habe die Klägerin nicht wissen müssen. Auch die erfolgreiche Anfechtung dieses Beschlusses durch die Beklagte zu 3) ändere nichts an der Wirksamkeit des materiell-rechtlichen Vergleichsvertrages.

6

Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 22.09.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte zu 3) mit einem am 14.10.2016 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.12.2016 mit einem am 21.12.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

7

Die Beklagte zu 3) trägt im Wesentlichen vor, die Tenorierung, der Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Hamburg-Altona zum Az. 303b C 18/13 sei durch den mit Beschluss vom 17.06.2014 festgestellte Vergleich erledigt, entspreche weder dem Antrag noch der Rechtslage. Ein Prozessvergleich erledige den Prozess nicht, sondern beende diesen. Bei allem sei auch nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass im vorliegenden Fall eine gemäß § 47 WEG gebotene Verbindung der beiden Anfechtungsprozesse fälschlicherweise unterblieben sei. Bei richtiger Vorgehensweise durch eine Verbindung der beiden Beschlussanfechtungsverfahren wäre sie nach der Prozessverbindung nur noch auf Klägerseite Partei gewesen. Unterbleibe eine Prozessverbindung, trete mit Rechtskraft eines Urteils in einem der beiden Verfahren Erledigung des noch nicht entschiedenen Verfahrens ein. Wie sich in einem solchen Fall das Verhältnis zwischen der ebenfalls anfechtenden Partei zu dem von der Verwaltung beauftragten Rechtsanwalt darstelle, sei ungeklärt. Jedenfalls aber hätte allen Beteiligten - auch dem Gericht - mit Kenntniserlangung von dem von ihr geführten Beschlussanfechtungsverfahren klar sein müssen, dass sie allenfalls formal noch Beklagte sei, eine Verteidigung gegen die Beschlussanfechtungsklage der Verwaltung aber nicht ihrem Interesse entsprochen habe. Dies gehe auch aus ihrem Schreiben vom 30.01.2014 hervor. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei im Übrigen auch der Zeuge Herr Rechtsanwalt T. davon ausgegangen, dass sie nicht (mehr) von ihm habe vertreten werden wollen. Jedenfalls in einem der beiden Anfechtungsprozesse habe zudem nicht der gesetzliche Richter entschieden.

8

Der Zeuge Rechtsanwalt T. habe auch keine Vollmacht zum Vergleichsschluss gehabt. Aufgrund der Besonderheiten des Sachverhaltes ergebe sich dies auch nicht nach den Grundsätzen über die Reichweite von Prozessvollmachten in Bezug auf die Abgabe materiell-rechtlicher Erklärungen. Wenn eine Vollmacht zum Abschluss eines Vergleichs bestanden hätte, hätte es nicht einer weiteren Befassung der Wohnungseigentümer mit dieser Frage auf der Eigentümerversammlung vom 23.05.2014 bedurft. Soweit auf der Eigentümerversammlung vom 23.05.2014 ein Beschluss gefasst worden sei, der auch eine Ermächtigung des Zeugen Rechtsanwalt T. zum Abschluss eines Vergleichs enthalte, sei zu berücksichtigen, dass dieser Beschluss erfolgreich angefochten worden sei. Dies wirke ex tunc und lasse die erteilte Vollmacht rückwirkend entfallen. Eine Parallele zu Fällen des Verwalterhandelns (Anscheinsvollmacht) bei der Anfechtung eines Bestellungsbeschlusses verbiete sich hier.

9

Da mehrere Beklagte einer Beschlussanfechtungsklage notwendige Streitgenossen seien, könnten diese Prozesshandlungen nur gemeinsam vornehmen. Dies gelte auch für einen Vergleichsschluss. Hinzu komme, dass die Wohnungseigentümer nicht Partei des Verwaltervertrages seien und über dieses Rechtsverhältnis nicht verfügen könnten.

10

Die Beklagte zu 3) beantragt,

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das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 15. 9. 2016, Az. 303b C 18/13, abzuändern und festzustellen, dass der mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 17.06.2014 festgestellte Vergleich unwirksam und der Rechtsstreit fortzusetzen ist.

12

Die Klägerin und die Beklagten zu 1), zu 2), zu 4) – 6) und zu 7) beantragen,

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die Berufung zurückzuweisen.

14

Die Klägerin trägt vor, die Tenorierung sei zutreffend. Nachdem eine Verbindung der beiden Anfechtungsverfahren unterblieben sei, habe sich der vorliegende Rechtsstreit durch das in dem anderen Anfechtungsverfahren ergangene rechtskräftige Versäumnisurteil erledigt. Im Rahmen dieser Erledigung sei von den Parteien ein Vergleich geschlossen worden. Vorangegangen sei anwaltliche Korrespondenz der Parteivertreter im Zusammenhang mit der Hinweisverfügung des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 05.03.2014. Hierbei sei unabhängig von der am 23.05.2014 durchgeführten Eigentümerversammlung bereits zuvor eine Einigung erzielt worden (Anlagen BB 2, BB 3 = Bl. 449 ff. d.A.). Dies sei dem Gericht sodann mitgeteilt worden. Der Zeuge Rechtsanwalt T. sei von der Hausverwaltung H. H. Immobilien GmbH wirksam mit der Vertretung aller Beklagten beauftragt worden. Die Ungültigerklärung des Bestellungsbeschlusses ändere daran nichts. Der auf der Eigentümerversammlung vom 23.05.2014 gefasste Beschluss sei im Übrigen für den Abschluss des streitgegenständlichen Vergleiches unerheblich.

15

Die Beklagten zu 1), zu 2), zu 4) – 6) und zu 7) verteidigen das amtsgerichtliche Urteil und tragen vor, es habe eine wirksame Vollmacht des Zeugen Rechtsanwalt T. vorgelegen. Hintergrund des Vergleichsschlusses sei der Umstand gewesen, dass das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Wohnungseigentümergemeinschaft (Beklagte zu 7) ohnehin zum 31.12.2015 beendet gewesen sei. Mit Ausnahme der Beklagten zu 3) habe das Interesse der übrigen Wohnungseigentümer darin bestanden, diesen Rechtsstreit sowie das weitere anhängige Verfahren (Amtsgericht Hamburg-Altona Az. 303b C 7/15) einvernehmlich zu beenden, um zu einer Befriedung des Verhältnisses der fünf Wohnungseigentümer untereinander beizutragen.

16

Mit Beschluss vom 14.06.2017 hat das Gericht das schriftliche Verfahren angeordnet (§ 128 Abs. 2 ZPO) und den Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, auf den 06.09.2017 bestimmt.

17

Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

1.

18

Die Berufung der Beklagten zu 3) ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg, weil der Rechtsstreit nicht durch den mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 17.06.2014 festgestellten Vergleich beendet worden ist.

19

Der Prozessvergleich hat eine rechtliche Doppelnatur. Er ist zum einen Prozesshandlung, durch die der Rechtsstreit beendet wird und deren Wirksamkeit sich nach verfahrensrechtlichen Grundsätzen bestimmt. Dazu ist er ein privates Rechtsgeschäft, für das die Vorschriften des materiellen Rechts gelten und mit dem die Parteien Ansprüche und Verbindlichkeiten regeln (BGH NJW 2015, 2965 Rz. 12; BGH NJW 2014, 394 ff., Rz. 12, beide zitiert nach juris). Prozesshandlung und privates Rechtsgeschäft stehen dabei nicht getrennt nebeneinander. Vielmehr sind die prozessualen Wirkungen und die materiell-rechtlichen Vereinbarungen voneinander abhängig (BGH NJW 2005, 3576 Rz. 9; zitiert nach juris). Der Prozessvergleich ist nur wirksam, wenn sowohl die materiell-rechtlichen Voraussetzungen als auch die prozessualen Anforderungen erfüllt sind. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, tritt auch die prozessbeendigende Wirkung nicht ein (BGH NJW 2005, 3576 Rz. 9; zitiert nach juris). Das gilt auch für den Prozessvergleich im Sinne des § 278 Abs. 6 ZPO (BGH NJW 2015, 2965 Rz. 12; zitiert nach juris). Wegen der prozessualen Bedeutung eines Prozessvergleiches (Beendigung des Rechtsstreits, Wegfall der Rechtshängigkeit des Verfahrens und Titelfunktion) können die Anforderungen an die Formstrenge eines Vergleichsschlusses nach § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO nicht niedriger angesetzt werden als bei der Protokollierung eines Vergleichs durch das Gericht in einem mündlichen Termin (OLG Hamm, NJW-RR 2012, 882, zitiert nach juris).

a)

20

Im vorliegenden Fall ist bereits zweifelhaft, ob der Zeuge Rechtsanwalt T. zum Zeitpunkt der Mitteilung an das Gericht am 26.05.2014 (Bl. 223 d.A.), die Parteien hätten sich vergleichsweise geeinigt, noch als Prozessbevollmächtigter der Beklagten zu 3) mit Wirkung für diese Erklärungen abgeben konnte, nachdem zuvor sowohl die Parteivertreter als auch das Gericht Kenntnis von dem im Beschlussanfechtungsverfahren der Beklagten zu 3) ergangenen rechtskräftigen Versäumnisurteil erlangt hatten.

21

Zwar ist das Amtsgericht im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass der Zeuge Rechtsanwalt T. zunächst von der Hausverwaltung H. H. Immobilien GmbH für alle Wohnungseigentümer, auch für die Beklagte zu 3) mandatiert wurde. Hierzu war die Verwaltung auch gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG berechtigt, denn es handelte sich um eine Maßnahme, die zur Abwendung eines Rechtsnachteils diente (Niedenführ in: Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl., § 27 Rn. 72). Dies gilt auch im Verhältnis zur Beklagten zu 3), weil diese - wenn auch fehlerhaft - in dem von der Klägerin geführten Beschlussanfechtungsverfahren als Beklagte benannt war. Unerheblich ist insoweit, ob die Beklagte zu 3) die Hausverwaltung mit Schreiben vom 08.08.2013 darüber informiert hatte, einen Verwalterwechsel nicht zu wünschen (Anlage B 3-5 = Bl. 249 d.A.) und dieser ferner am 25.09.2013 mitgeteilt hatte, dass auch sie selbst eine Beschlussanfechtungsklage gegen den von der Klägerin angefochtenen Beschluss erhoben hatte und „auf der beklagten Seite nicht in das Aktivrubrum aufgenommen werden“ wolle (Anlage B 3-2 = Bl. 238 d.A.). Es ist jedenfalls weder dargetan noch ersichtlich, dass dieser Umstand dem Prozessbevollmächtigten, dem Zeugen Rechtsanwalt T., bei der Mandatierung von der H. H. Immobilien GmbH mitgeteilt wurde. Unerheblich ist auch, dass die Bestellung der Verwaltung H. H. Immobilien GmbH später für ungültig erklärt wurde, weil dies nach der Rechtsprechung nicht ohne Ausnahme dazu führt, dass zwischenzeitliches Handeln der Verwaltung unwirksam ist. Auch dann, wenn der Bestellungsbeschluss rechtskräftig für ungültig erklärt wird, bleiben rechtsgeschäftliche Handlungen des Verwalters gegenüber Dritten wirksam (BGH NJW 2007, 2776, Rz.9; ZMR 2016, 124 Rz. 6, beide zitiert nach juris; Niedenführ in: Niedenführ/Vandenhouten, a.a.O., § 26 Rn. 24).

22

Zweifelhaft ist jedoch, ob – was das Amtsgericht verneint hat - die Vollmacht zur Prozessvertretung für die Beklagte zu 3) später von dieser widerrufen wurde. Dass der Verwalter in Beschlussanfechtungsverfahren befugt ist, für die beklagten Wohnungseigentümer einen Rechtsanwalt zu mandatieren, schließt nämlich nicht aus, dass einzelne Wohnungseigentümer eine Vertretung durch den vom Verwalter eingeschalteten Anwalt ablehnen (vgl. BGH ZMR 2016, 124 Rz. 9, zitiert nach juris). Ein Widerruf/Kündigung kann, worauf die Beklagte zu 3) zu Recht hinweist, auch konkludent erklärt werden. Im Parteiprozess kann dies durch eine Anzeige dem Gericht und dem Gegner gegenüber geschehen (Zöller-Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 87 Rn. 1). Dies ist hier der Fall.

23

Zwar ist ein solcher Widerruf bzw. eine Kündigung nicht bereits in dem an die Hausverwaltung gerichteten Schreiben der Beklagten zu 3) vom 25.09.2013 enthalten, noch lässt sich ein Widerruf dem an die Beklagte zu 3) adressierten Schreiben des Zeugen Rechtsanwalt T. vom 30.01.2014 (Anlage B 3-3) entnehmen. Das an das Gericht und beide Prozessbevollmächtigten adressierte Schreiben der Beklagten zu 3) vom 31.01.2014 (Bl. 191 d.A.), mit dem diese das in dem von ihr geführten Beschlussanfechtungsverfahren ergangene rechtskräftige Versäumnisurteil zum Az. 303c C 21/13 übersandte, ist jedoch nach dem verobjektivierten Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) dahingehend auszulegen, dass hiermit auch eine konkludente Kündigung der Prozessvollmacht des von der (neuen) Verwaltung mandatierten Rechtsanwaltes verbunden war. Dass dies nicht ausdrücklich wörtlich formuliert wurde, steht dem nicht entgegen, weil aus dem Schreiben jedenfalls auch hervorgeht, dass die Beklagte zu 3) eine (weitere) Tätigkeit des Zeugen Rechtsanwalt T. nicht wünschte. So war diese von der Verwaltung darüber informiert, dass sie – aus ihrer Sicht unzutreffend - im Beschlussanfechtungsverfahrens der Klägerin als Beklagte genannt war. Dies geht aus ihrem an die Hausverwaltung gerichteten Schreiben vom 25.09.2013 hervor (Anlage B 3-2 = Bl. 238 d.A.). Dem Schreiben vom 31.01.2014 ließ sich deutlich entnehmen, dass sie - anders als die übrigen Wohnungseigentümer – ebenso wie die Klägerin von der Ungültigkeit des angefochtenen (Abberufungs-)Beschlusses ausging. Aus welchem Grund sie dennoch - trotz des zwischenzeitlich zu ihren Gunsten ergangenen rechtskräftigen Versäumnisurteils - von dem Zeugen Rechtsanwalt T. hätte vertreten werden und sich gegen die Beschlussanfechtungsklage der Klägerin verteidigen wollen, erschließt sich nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin hätte kein Versäumnisurteil gegen die Beklagte zu 3) ergehen können. Auch das Schreiben des Zeugen Rechtsanwalt T. an die Beklagte zu 3) vom 30.01.2014 (Anlage B 3-3) spricht indiziell dafür, dass auch dieser jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt davon ausging, nicht die Interessen sämtlicher Wohnungseigentümer zu vertreten. Da es bei allem nicht darauf ankommt, wie das Schreiben der Klägerin von den Prozessbeteiligten, insbesondere von dem Zeugen Rechtsanwalt T., subjektiv verstanden wurde, kann das Berufungsgericht das Schreiben, dessen Inhalt unstreitig ist, eigenständig auslegen (Zöller-Heßler, a.a.O., § 520 Rn. 2). Einer Wiederholung der Beweisaufnahme bedarf es daher nicht.

b)

24

Im Übrigen ergäbe sich jedoch auch dann, wenn man das Schreiben der Beklagten zu 3) vom 31.01.2014 nicht als Widerruf der Prozessvollmacht auslegte, im Ergebnis nichts anderes. Es kann daher dahinstehen, ob zum Zeitpunkt der Mitteilung, die Parteien hätten sich vergleichsweise geeinigt, noch eine wirksame Prozessvollmacht des Zeugen Rechtsanwalt T. für die Beklagte zu 3) bestand. Jedenfalls wurde zwischen den Parteien des Rechtsstreits in materiell-rechtlicher Hinsicht kein Vergleich mit dem Inhalt geschlossen, wie er dem Amtsgericht mit Schriftsatz vom 26.05.2014 mitgeteilt und daraufhin mit Beschluss vom 17.06.2014 festgestellt wurde.

25

Zwar ist es im Ansatz richtig, dass eine Prozessvollmacht auch zu materiell-rechtlichen Erklärungen ermächtigt, soweit diese sich im Rahmen des Streitgegenstandes halten und der Erreichung des Prozessziels dienen (Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 81 Rn. 10). Allerdings trifft es nach dem unstreitigen Sachverhalt im vorliegenden Fall nicht zu, dass die Parteien des Rechtsstreits - vertreten durch ihre jeweiligen Prozessbevollmächtigten - einen Vergleich mit dem Inhalt geschlossen haben, wie er durch das Amtsgericht mit Beschluss vom 17.06.2014 festgestellt wurde. Dies geht aus der anwaltlichen Korrespondenz gerade nicht hervor. Ausweislich des Schreibens des Zeugen Rechtsanwalt T. vom 21.03.2014 (Anlagen BB 1, BB 2 = Bl. 449 f. d.A.) unterbreitete dieser einen Vergleichsvorschlag, der neben der einvernehmlichen Beendigung des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen der Klägerin und der Wohnungseigentümergemeinschaft in Ziffer 3) eine Verpflichtung der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Zahlung eines Betrages in Höhe von € 4.000,00 vorsah. Einem Vergleich diesen Inhalts stimmte der Klägervertreter zu. Der dem Gericht mitgeteilte Inhalt eines Vergleichs stimmt hiermit nicht überein, denn darin wird in weitergehenden Umfang eine Zahlungsverpflichtung nicht nur der Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern auch der übrigen Beklagten – im Vergleichstext als Antragsgegner bezeichnet - begründet. An einem auch zwischen diesen Parteien geschlossenen Vergleich fehlt es jedoch, denn übereinstimmende Willenserklärungen mit diesem Inhalt sind nicht ersichtlich.

26

Ein derartiger Vergleichsschluss ergibt sich insbesondere nicht aus dem auf der Eigentümerversammlung vom 23.05.2014 zu TOP 3 gefassten Beschluss (Anlage B 3-4 = Bl. 241 d.A.). Zum einen ist auch darin nur von einer Zahlungspflicht der Wohnungseigentümergemeinschaft die Rede. Zum anderen erschließt sich nicht, von wem und aufgrund welcher Vertretungsmacht die nicht auf dieser Eigentümerversammlung anwesende Beklagte zu 3) vertreten wurde. Der o.g. Beschluss kann schließlich mangels Beschlusskompetenz auch nicht als wirksamer Genehmigungsbeschluss (eines Vergleichs) verstanden werden, denn für die Begründung von Zahlungspflichten einzelner Wohnungseigentümer fehlt der Eigentümerversammlung - abgesehen von Beschlussfassungen über Jahresabrechnungen und Wirtschaftspläne - die Beschlusskompetenz. Hinzu kommt, dass der Beschluss in der Folgezeit auch für ungültig erklärt wurde. In einem solchen Fall - bei Ungültigerklärung eines Genehmigungsbeschlusses - hängt die Wirksamkeit eines Vergleiches davon ab, ob für den materiell-rechtlichen Vergleichsabschluss gleichwohl Vertretungsmacht bestand (Niedenführ, in: Niedenführ/Vandenhouten, a.a.O., § 43 Rn. 134). Daran fehlt es.

27

Angesichts der bei einer Beschlussanfechtungsklage bestehenden notwendigen Streitgenossenschaft der beklagten Wohnungseigentümer kommt eine Einzelwirkung des Vergleiches nicht in Betracht. Ein Teilvergleich nur einiger Eigentümer ist unwirksam (Niedenführ in: Niedenführ/Vandenhouten, a.a.O., § 43 Rn. 135). Schließlich ist der Vergleich auch nicht nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB teilweise wirksam. Nach dem Gesamtzusammenhang ist gerade nicht davon auszugehen, dass die Parteien den Vergleich auch ohne die Regelung einer Zahlungspflicht der Wohnungseigentümer gemäß Ziffer 3) geschlossen hätten.

2.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.

29

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 713 ZPO.

30

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

31

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren ist gem. § 49a Abs. 1 GKG erfolgt. Der Wert eines Rechtsstreits, in dem über die Prozessbeendigung durch einen Vergleich gestritten wird, richtet sich nicht nach dem Wert dieses Vergleichs, sondern dem Wert des ursprünglich gestellten Antrags (BGH, Beschluss vom 16.04.2014 – XI ZR 38/13, Rn. 4, zitiert nach juris; Beschluss vom 19.09.2012 – V ZB 56/12, NJW 2013, 470, Rn. 5, zitiert nach juris; Zöller-Herget, a.a.O., § 3 Rn. 16 „Vergleich“).

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