Urteil vom Landgericht Hamburg (25. Zivilkammer) - 325 O 191/20
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Auskunft über Namen und Adressen der weiteren Treugeberkommanditisten und der direkt beigetretenen Kommanditisten der “MS E. B. Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG“ zu erteilen, Zug um Zug gegen Zahlung von € 150,00.
II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.
III. Das Urteil ist hinsichtlich obiger Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 1.000,00 und hinsichtlich Ziffer II. (Kosten) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Berufung wird zugelassen;
und beschließt:
Der Streitwert wird auf insgesamt € 7.106,37 festgesetzt.
Tatbestand
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Der Kläger nimmt die Beklagte auf Auskunft in Anspruch.
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Der Kläger ist als Treugeber mittelbar an der Beteiligungsgesellschaft “MS E. B. Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG“ beteiligt, und zwar mit einer nominalen Einlage von USD 80.000,00. Die Beklagte ist eine der Gründungsgesellschafterinnen und zugleich Treuhandkommanditistin der Beteiligungsgesellschaft. Die mittelbaren Beteiligungen sind so ausgestaltet, dass die Beklagte als Treuhänderin, d.h. als Treuhandkommanditistin, für die Kapitalanleger als Treugeber (auch bezeichnet als: Treugeberkommanditisten) die Kommanditanteile an der Beteiligungsgesellschaft hält.
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Für die Beteiligungsgesellschaft ist der aus Anl. K8 ersichtliche Gesellschaftsvertrag maßgeblich; dem auch der Treuhandvertrag beigefügt ist, der die rechtlichen Beziehungen zwischen den Treugebern und der Beklagten als Treuhänderin bzw. Treuhandkommanditistin betrifft.
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Der Kläger macht geltend, die Beklagte sei verpflichtet, ihm Auskunft über die Namen und Adressen der weiteren Treugeber (Treugeberkommanditisten) und der direkt beigetretenen Kommanditistin der “MS E. B. Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG“ zu erteilen. Dem Einwand der Beklagten, dass die Geltendmachung des Auskunftsanspruches gegen Treu und Glauben und gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoße, könne nicht gefolgt werden. Es liege weder eine unzulässige Rechtsausübung noch ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen vor.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Auskunft über Namen und Adressen der weiteren Treuhandkommanditisten und der direkt beigetretenen Kommanditisten der “MS E. B. Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG“ zu erteilen, Zug um Zug gegen Zahlung von € 150,00.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise
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der Beklagten gegenüber dem Klaganspruch ein Zurückbehaltungsrecht zur Herausgabe der Namen und der Anschriften ihrer Treugeber und der Kommanditisten der “MS E. B. Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG“ einzuräumen, und die Beklagte allenfalls Zug um Zug gegen Übernahme der sich aus der DSGVO und dem BDSG ergebenden Pflichten und der Freistellung der Beklagten von Ansprüchen Dritter wegen der Herausgabe der Daten, Bußgeldern und Strafen nach dem Bundesdatenschutzgesetz durch den Kläger sowie Zug um Zug gegen Zahlung einer Aufwandsentschädigung von € 1.200,00 zu verurteilen.
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Des Weiteren stellt die Beklagte den Antrag,
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ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil gegebenenfalls gemäß § 712 ZPO gegen Sicherheitsleistung abzuwenden und eine zu erbringende Sicherheitsleistung durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank zu leisten.
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Ferner stellt die Beklagte den Antrag,
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für den Fall, dass das Gericht erwägt, auf der Basis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein unmittelbar oder mittelbar der Klage entsprechendes Urteil zu erlassen, die Rechtsfrage,
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ob die mit dem Antrag begehrte Herausgabe von Anlegerdaten auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei einem gewerblich handelnden Anspruchsteller insoweit gegen europäisches Recht verstößt, wie hierbei Vertraulichkeitsinteressen anderer Gesellschafter/Treugeber der “MS E. B. Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG“ notwendigerweise verletzt werden, dem EuGH im Vorabentscheidungsverfahren vorzulegen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger stehe der mit der Klage verfolgte Auskunftsanspruch nicht zu. Sie macht u.a. geltend, dass von dem Kläger geltend gemachte Auskunftsbegehren sei rechtsmissbräuchlich. Dies ergebe sich daraus, dass zu erwarten sei, dass der Kläger die Auskunftsdaten zu eigenen Erwerbszwecken missbrauche. Diesem Grundgrund des überwiegenden Interesses der Mitgesellschafter an der Vertraulichkeit ihrer Daten müsse das rechtsmissbräuchliche Verlangen des Klägers zur Klagabweisung führen. Dass zu erwarten sei, dass der Kläger die Daten der Treugeber und der direkt beteiligten Kommanditistin dazu nutzen werde, diese für eigene gewerbliche Zwecke einzusetzen, ergebe sich daraus, dass er in der Vergangenheit bereits, wie in der Auflistung Anl. B1 dargelegt, in mindestens 4 Fällen hinsichtlich von Beteiligungen an der “MS E. B. Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG“ als Tippgeber für Erwerbsinteressenten aufgetreten sei und dadurch Tippgeber-Provisionen erzielt habe. Demgegenüber gebühre den Interessen der Treugeber am Schutz ihrer Daten der Vorrang. Die berechtigten Interessen der anderen Treugeber, die sich bewusst gegen eine Eintragung als Direktkommanditisten in das Handelsregister entschieden hätten, seien verletzt, wenn ihre Anlegerdaten an eine Person weitergegeben werden, die sich zu gewerblichen Zwecken mit dem Handel und der Vermittlung gebrauchter Beteiligungen an der Gesellschaft befasse. Andere Treugeber als der Kläger würden Wert auf die gleiche Anonymität legen, wie sie auch bei einer Aktiengesellschaft bestehe. Sie (die Beklagte) sei durchaus bereit, ihre Treugeber über die Bereitschaft zur Auskunftserteilung zu befragen. Hinsichtlich des Schutzinteresses der anderen Treugeber sei auch zu berücksichtigen, dass es im Zeitpunkt ihres Beitritts, nämlich im Jahre 2010, keinerlei gerichtliche Entscheidungen gegeben habe, aus denen sie hätten ableiten können, dass ihre persönlichen Daten unter Ägide des Treuhandvertrages nicht geschützt wären. Ungeachtet der nunmehr vom Bundesgerichtshof postulierten Rechtslage könne ein Anspruch auf Herausgabe der Namen und Adressen dieser Personen nicht bestehen, wenn auch nur ein Investor im Vertrauen auf die im Jahre 2010 bestehende Rechtslage und im Jahre 2010 bestehende Rechtsprechung seine personenbezogenen Daten angegeben habe. Die grundsätzlichen Wertungen zum Datenschutz auf der europäischen Ebene wie auch nach der aktuellen Novelle zum BDSG seien in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes noch nicht gewürdigt. Außerdem sei in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes noch nicht berücksichtigt, dass die Herausgabe der Treugeberdaten in Widerspruch zu den Vorschriften der DSGVO stehe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
I.
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Dem Kläger steht der geltend gemachte Auskunftsanspruch zu. Dabei ist der Klagantrag bei verständiger Würdigung dahingehend auszulegen, dass seitens des Klägers – über die Namen und Anschriften der unmittelbar beigetretenen bzw. beteiligten Kommanditisten hinaus – nicht, wie im Klagantrag angegeben, die Namen und Anschriften der Treuhandkommanditisten, sondern die Namen und Anschriften der Treugeberkommanditisten begehrt werden. Bei dem im Klagantrag verwendeten Wort “Treuhandkommanditisten“ handelt es sich, wie sich aus dem Vorbringen des Klägers ergibt, um ein offensichtliches Schreibversehen. Denn insoweit geht es dem Kläger, wie sich aus seiner vorgebrachten Anspruchsbegründung ergibt, darum, von der Beklagten die Namen und Anschriften der mittelbar über die Beklagte an der Beteiligungsgesellschaft beteiligten Personen zu erfahren, und dies sind die Treugeber, auch bezeichnet als Treugeberkommanditisten. Die Treuhandkommanditistin ist die Beklagte. Ferner sind die offenkundig infolge einer Schreibversehens fehlenden Worte “zu erteilen“ zu ergänzen.
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Der Klagantrag ist auch begründet. Der Kläger kann verlangen, dass die Beklagte ihm die Namen und Anschriften der anderen an der “MS E. B. Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG“ beteiligten Treugeber und Kommanditisten und deren Anschriften mitteilt.
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1. Dem Kläger steht zunächst gegen die Beteiligungsgesellschaft (d.h. gegen die “MS E. B. Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG“) selbst ein entsprechender Auskunftsanspruch zu. Dieser Anspruch ist ein unentziehbares mitgliedschaftliches Recht aus dem durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Vertragsverhältnis als solchem (BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131, Rn. 12). Dieses Auskunftsrecht steht auch einem Treugeber zu, der im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander und der Gesellschafter zu den Treugebern einem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleichgestellt ist, jedenfalls sofern eine Verzahnung von Gesellschaft und Treuhand bereits vertraglich vorgesehen ist (BGH, a.a.O., Rn. 14). So liegt der Fall – entgegen der offenbar von der Beklagten vertretenen Auffassung – hier. Bei der in Rede stehenden Beteiligungsgesellschaft sind die Treugeber den anderen Gesellschaftern der Beteiligungsgesellschaft gleichgestellt. Dabei ist die Gleichstellung der Treugeber mit den Kommanditisten nicht darauf beschränkt, dass die Treugeber durch die Treuhandgesellschaft wirtschaftlich so gestellt sind, als wären sie unmittelbar an der betreffenden Beteiligungsgesellschaft beteiligt (§ 2 Ziff. 7 des Treuhandvertrags, Anl. K 8). Der Gesellschaftsvertrag sieht auch vor, dass die Treugeber berechtigt sind, die einem Kommanditisten der Fondsgesellschaft zustehenden mitgliedschaftlichen Rechte unmittelbar auszuüben, soweit diese Rechte auf den von der Treuhänderin für den jeweiligen Treugeber gehaltenen Treuhandkommanditistenanteil entfallen (§ 14 Ziff. 7 des Gesellschaftsvertrags Anl. 8). Korrespondierend damit enthält der Treuhandvertrag eine Vollmachtserteilung, d.h. dass die Treuhänderin den Treugebern die Vollmacht zur Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen und zur Ausübung des Stimmrechts aus der Treuhandbeteiligung erteilt (§ 2 Ziff. 3 des Treuhandvertrags). Diese für den Treugeber bestehende Berechtigung, das auf seinen Anteil entfallende Stimmrecht selbst auszuüben, stellt eine Verzahnung von Treuhand- und Gesellschaftsvertrag dar. Wenn nämlich schon der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass das Stimmrecht eines über die Treuhänderin beteiligten Gesellschafters von diesem selbst ausgeübt werden darf, obwohl es von der Mitgliedschaft des Treuhänders grundsätzlich nicht abgespalten werden kann, so folgt daraus, dass sämtliche Gesellschafter den Treuhänder bevollmächtigen, die über ihn beteiligten Anleger wie Gesellschafter in das Gesellschaftsverhältnis einzubeziehen (BGH, a.a.O. Rn. 15).
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Das Recht eines Anlegers in einer Publikumsgesellschaft, die anderen Anleger zu kennen, ist unentziehbarer Bestandteil seiner Stellung als (Treugeber-)Gesellschafter, weil der Anleger aus einer Vielzahl von Gründen auf die Kenntnis der Identität seiner Mitgesellschafter angewiesen sein kann. Diese Kenntnis ist Voraussetzung dafür, dass ein Anleger prüfen kann, ob andere Anleger möglicherweise wegen des Bestehens eines Stimmverbotes von der Beschlussfassung ausgenommen sind. Ohne Kenntnis der Mitgesellschafter könnte der Anleger auch nicht erkennen, ob ein anderer Anleger durch ein Handeln im Wettbewerb einen Treuepflichtverstoß begeht. Ferner kann sich der Anleger nur bei Kenntnis der Mitgesellschafter/Treugeber über die Zusammensetzung des Gesellschafter- und Treugeberkreises informieren und damit insbesondere erkennen, ob ein Großanleger durch Übertragung der Anteile der ursprünglichen Anleger entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft gewonnen hat bzw. wie die Stimmgewichte und damit die Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft verteilt sind (BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131, Rn. 29 ff.). Dass bestimmte Mitgliedsrechte – wie hier das Recht auf Einberufung einer außerordentlichen Gesellschaftsversammlung – ein bestimmtes Quorum der Beteiligungen vorsehen (§ 14 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrags) und damit zwangsläufig eine Koordination der Anleger, die mit ihrer eigenen Beteiligung dieses Quorum nicht erreichen, voraussetzen, stellt einen weiteren Beleg für das Erfordernis der Kenntnis der Mitgesellschafter dar.
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2. Der in vorstehender Ziff. 1. bezeichnete Auskunftsanspruch steht dem Kläger nicht nur gegen die jeweilige Beteiligungsgesellschaft, sondern auch gegen die Beklagte als Treuhandgesellschafterin zu. Grundsätzlich kann ein Gesellschafter die ihm zustehenden Informationsrechte nicht nur gegen die Gesellschaft, sondern auch gegen andere Gesellschafter ausüben, soweit diese die benötigten Informationen besitzen (BGH, Urt. v. 28.5.1962 – II ZR 156/61, WM 1962, 883; BGH, Urt. v. 11.1.2011 – II ZR 187/09, NJW 2011, 921, Rn. 18, speziell für eine registerführende Treuhänderin auch BGH, Urt. v. 18.12.2014 – II ZR 277/13, ZIP 2015, 319). Die Beklagte ist als registerführende Treuhänderin in der Lage, die gewünschte Information über die Beteiligung zu erteilen.
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3. Dem geltend gemachten Auskunftsanspruch steht auch nicht entgegen, dass in dem Treuhandvertrag, dort in § 1 Ziff. 6, bestimmt ist, dass der Treuhänder, also die Beklagte, die Beteiligung der einzelnen Treugeber an der Beteiligungsgesellschaft grundsätzlich nur offenlegen darf, wenn der jeweilige von der Offenlegung betroffene Treugeber (im jeweiligen Fall derjenige Treugeber, um dessen persönliche Daten es geht) zustimmt oder die Offenlegung dem Interesse des betreffenden Treugebers entspricht. Soweit mit dieser Regelung ausgeschlossen werden soll, dass ein Treugeber von der Treuhänderin die Benennung/Offenbarung der anderen Treugeber und der direkt beteiligten Kommanditisten verlangen kann, verstößt die Regelung gegen Treu und Glauben, § 242 BGB (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes; vgl. nur: BGH Urteil vom 16.12.2014 – II ZR 277/13, m.w.N.; vgl. ferner auch: Kammergericht, Beschluss vom 15.04.2020, Az.: 23 U 149/18). Ferner steht dem Auskunftsanspruch auch kein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse der anderen Treugeber und der Kommanditisten aus datenschutzrechtlichen oder sonstigen Gründen entgegen (vgl. BGH Urteil vom 16.12.2014 – II ZR 277/13; BGH Beschluss vom 19.11.2019, Az.: II ZR 263/18; OLG München, Urteil vom 16.01.2019, Az.: 7 U 342/18; Kammergericht, a.a.O.).
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a) Die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft begründet zugleich die vertragliche Beziehung der Gesellschafter untereinander; d.h. die Gesellschafter stehen durch den Gesellschaftsvertrag untereinander in vertraglicher Beziehung; dies gilt sowohl für die unmittelbar beteiligten Gesellschafter / Kommanditisten einschl. der Treuhandkommanditistin als auch die als Treugeber Beteiligten, für letztere jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – der Gesellschaftsvertrag und der Treuhandvertrag derart miteinander verzahnt sind, dass den Treugebern die Ausübung von Gesellschafterbefugnissen eingeräumt ist. Da diese gesellschaftsvertragliche Beziehung das unentziehbare Recht der einzelnen unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafter begründet, Kenntnis von der Identität der anderen mittelbaren und unmittelbaren Gesellschafter zu erhalten und dies spiegelbildlich die Verpflichtung bedeutet, ihm diese Kenntnis zu verschaffen, dient die Weiterverarbeitung von Daten zum Zwecke der Weitergabe an einen der Treugeber (oder mehrere Treugeber) der besagten, durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Verpflichtung, d.h. deren Erfüllung, so dass diese Datenverarbeitung gemäß § 6 Abs. 1 DSGVO erlaubt ist.
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b) Der Einwand der Beklagten, dass es zu jenem Zeitpunkt, als die Kapitalanleger die hier in Rede Kapitalanlage zeichneten – nämlich 2009 (oder 2010) –, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Anspruchs des als mittelbarer oder unmittelbarer Kommanditist beigetretenen Kapitalanlegers, Auskunft über die Namen und Anschriften der anderen mittelbaren oder unmittelbaren Kommanditisten zu erhalten, noch nicht gegeben habe und demgemäß die seinerzeit beigetretenen Kapitalanleger darauf vertraut hätten, dass ihren Beteiligungen nicht offengelegt werden würden, greift nicht durch. Zum einen hatte der Bundesgerichtshof schon durch Beschluss vom 21.09.2009 – allerdings bezogen auf ein Kapitalanlage-Beteiligungsmodell, bei dem die Beteiligungsgesellschaft eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts war – entschieden, dass es ein selbstverständliches und nicht entziehbares Recht jedes Mitgesellschafters ist, Auskunft über die Namen und Anschriften der anderen Mitgesellschafter zu erhalten (BGH Beschluss vom 21.09.2009, Az.: II ZR 264/08). Zum anderen ist – selbst wenn seinerzeit beitretende Kapitalanleger darauf vertraut haben sollten, dass sie, wenn sie in ihrer Stellung als Treugeber verbleiben (also von ihrem Recht, unmittelbarer Kommanditist der Beteiligungsgesellschaft zu werden, keinen Gebrauch machen), gegenüber den anderen Beitretenden anonym bleiben – dieses Vertrauen jedenfalls kein rechtlich geschütztes Vertrauen ist, da diese Kapitalanlage es aufgrund ihrer Eigenschaft als personengesellschaftliche Beteiligung mit sich bringt, dass die anderen Gesellschafter ein Recht darauf haben, Kenntnis von den Namen (und Anschriften) ihrer Mitgesellschafter, und zwar auch der mittelbaren Mitgesellschafter, d.h. der Treugeber, zu erhalten, und dieses Recht gegenüber dem Anonymitätsschutz Vorrang genießt.
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4. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht den von dem Kläger geltend gemachten Auskunftsansprüchen auch nicht eine konkrete Gefahr eines Missbrauchs entgegen. Das Auskunftsbegehren des Gesellschafters bzw. des Treugebers, gerichtet auf Erteilung der Auskunft über die Namen und Anschriften der Mitgesellschafter, ist nur durch den Grundsatz von Treu und Glauben und das Schikaneverbot begrenzt; eine abstrakte Missbrauchsgefahr rechtfertigt es nicht, einem Vertragspartner das Recht zuzugestehen, gegenüber dem anderen seinen Namen und seine Anschrift zu verweigern. Ausgehend davon steht der Beklagten vorliegend ein Recht, die von dem Kläger begehrten Auskünfte zu verweigern, nicht zu. Dass der Kläger hinsichtlich der Beteiligung an der “ E. T. Schifffahrtsgesellschaft GmbH & Co. KG“, nachdem er Auskunft über die Namen und Anschriften der anderen Kapitalanleger erhalten hatte, diese angeschrieben und ihnen Ankaufsofferten unterbreitet hat und danach auch mehrere Beteiligungen angekauft hat, ist weder eine unzulässige Rechtsausübung noch ein Missbrauch des Beteiligungsrechts, wie bereits das Oberlandesgericht München mit ausführlicher Begründung dargelegt hat (OLG München Urteil vom 16.01.2019, Az.: 7 U 342718). Das Gericht schließt sich den Ausführungen in jenem Urteil an. Es ist ein legitimes, aus dem Gesellschaftsverhältnis erwachsenes Interesse eines Gesellschafters bzw. eines dem unmittelbaren Gesellschafter gleichgestellten Treugebers, durch Ankauf weiterer Geschäftsanteile seinen Einfluss und seine Stellung in der Gesellschaft zu vergrößern. Angesichts dessen, dass die Annahme des Kaufangebots im jeweiligen Fall der freien Entscheidung des Gesellschafters im Rahmen der Privatautonomie unterliegt, begegnet der Ankauf von Geschäftsanteilen durch Mitgesellschafter keinen Bedenken und stellt vor allen Dingen keine unzulässige Rechtsausübung dar, und zwar selbst dann nicht, wenn die angebotenen Ankaufspreise relativ gering oder gar unangemessen gering wäre. Allerdings macht die Beklagte geltend, dass der Kläger, nachdem er Geschäftsanteile der Beteiligungsgesellschaft “MS M.“ erworben gehabt habe, die erworbenen Beteiligungen nach kurzer Zeit weiterveräußert habe. Dies gibt jedoch keinen Anlass zu abweichender Beurteilung. Richtig ist zwar, dass in einem solchen Fall der Gesichtspunkt, durch Ankauf weiterer Geschäftsanteile den eigenen Einfluss und die eigene Stellung in der Gesellschaft zu vergrößern, nicht tragen dürfte. Jedoch abgesehen davon, dass die Beklagte schon nicht dargelegt hat, dass jener Ankauf und Verkauf von “MS M.“-Geschäftsanteilen mit einer Beteiligung des Klägers an jener Gesellschaft und mit einem auf eine solche Beteiligung gestützten Auskunftsverlangen und einer daraufhin erteilten Auskunft in Zusammenhang steht, ist selbst dann kein Rechtsmissbrauch gegeben, wenn der Kläger erworbene Anteile weiterveräußert. Sind indes das Unterbreiten von Ankaufsangeboten und der Ankauf (und ggf. Verkauf) keine unzulässige Rechtsausübung, so muss dies auch für die dem Ankauf vorausgehende Information über die Mitgesellschafter gelten (OLG München a.a.O.).
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5. Soweit die Beklagte des weiteren geltend macht, dass sich eine Rechtsmissbräuchlichkeit des Auskunftsverlangens daraus ergebe, dass der Kläger in mehreren Fällen zwischen der L. K. GmbH als Kaufinteressentin und Treugeberkommanditisten, die zur Veräußerung ihrer mittelbaren Kommanditbeteiligung bereit waren (oder eine solche sogar beabsichtigten), den zum Kaufvertrag führenden Kontakt hergestellt hat und dafür im jeweiligen Fall – wie aus den als Anlagenkonvolut B1 eingereichten Kauf- und Übertragungsverträgen ersichtlich – eine Tippgeber-Provision erhalten hat, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Nach Auffassung des Gerichts ist die Herstellung von Kontakten zwischen Kaufinteressenten und Treugeberkommanditisten nicht als rechtsmissbräuchliches Handeln zu qualifizieren, und zwar auch dann nicht, wenn sich der Kläger für die Kontaktherstellung von der Kaufinteressenten/Käufern eine Tippgeber-Provision zahlen lässt. Ob sich die Kaufinteressenten und die Treugeberkommanditisten auf ein Kaufgeschäft einigen, liegt in deren Privatautonomie, und entsprechendes gilt auch für das Versprechen einer Tippgeberprovision seitens der Kaufinteressenten. Kommanditbeteiligungen und mittelbare Kommanditbeteiligungen sind grundsätzlich frei handelbar; diesbezügliche Kaufgeschäfte sind weder verwerflich noch verstoßen sie gegen die guten Sitten oder gar gegen gesetzliche Vorschriften. Danach indes ergibt sich, dass das Auskunftsverlangen des Klägers selbst dann keine unzulässige Rechtsausübung ist und auch nicht in sonstiger Weise gegen das Gebot von Treu und Glauben verstößt, wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass angesichts jener erfolgten, durch die als Anlagenkonvolut B 1 eingereichten Kauf- und Übertragungsverträge dokumentierten Kontaktherstellungen damit gerechnet werden müsste, dass der Kläger die Daten der Treugeberkommanditisten, hinsichtlich derer er vorliegend Auskunft begehrt, dazu nutzen wird oder jedenfalls auch dazu nutzen wird, Kontakte zwischen Kaufinteressenten und Treugeberkommanditisten herzustellen und sich für den Fall, dass ein Kaufgeschäft zustande kommt, eine Tippgeber-Provision versprechen zu lassen.
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6. Zu ergänzen ist noch, dass auch der Einwand der Beklagten, hinsichtlich der unmittelbar beteiligten Kommanditisten sei der geltend gemachte Auskunftsanspruch schon deshalb unbegründet, weil die unmittelbar beteiligten Kommanditisten nebst ihrem jeweiligen Wohnort im Handelsregister angegeben seien, nicht durchgreift. Richtig ist zwar, dass die unmittelbar beteiligten Kommanditisten der Beteiligungsgesellschaft im Handelsregister aufgeführt sind, jedoch ist dazu jeweils nur der Wohnort und nicht die vollständige Wohnanschrift (Straße und Hausnummer) angegeben. Der dem Kläger zustehende Auskunftsanspruch umfasst indes auch die Mitteilung der – der Beklagten bekannten – vollständigen Wohnanschriften der Kommanditisten, da der Kläger, wenn er sich an die Kommanditisten wenden will, deren Anschriften benötigt. Der Kläger muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass er die vollständigen Wohnanschriften durch Recherchen und/oder durch Einholung von Auskünften der Meldebehörden ermitteln könne.
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7. Den dem Kläger sonach zustehenden gesellschaftsrechtlichen Auskunftsansprüchen steht allerdings ein Anspruch der Beklagten auf Bezahlung des Aufwandes, den sie für die Erfüllung des Auskunftsanspruches zu tätigen hat, gegenüber und wegen dieses Anspruches hat die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB), welches sie auch vorliegend geltend macht. Die Beklagte kann verlangen, dass der Kläger den ihr (der Beklagten) entstehenden Aufwand für die Zusammenstellung und Übermittlung der Namen und Anschriften der anderen Treugeber und Kommanditisten ersetzt. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 8 Ziff. 3 des Treuhandvertrags. Hinsichtlich der Höhe macht das Gericht von der Möglichkeit der Kostenschätzung gemäß § 287 ZPO Gebrauch. Bei der Bemessung hat das Gericht berücksichtigt, dass in der heutigen Zeit Namensregister im Wege der elektronischen Speicherung und Datenverarbeitung geführt werden und sich der Aufwand für die Zustellung und Übermittlung der Namen und Anschriften der anderen Treugeber und Kommanditisten daher in einem einigermaßen überschaubaren Rahmen bewegt. Ausgehend davon schätzt das Gericht den für die Zusammenstellung und Übermittlung der Namen und Anschriften der anderen Treugeber und Kommanditisten der Beteiligungsgesellschaft auf € 150,00. Das Vorbringen der Beklagten, dass der für die Auskunftserteilung zu tätigende Aufwand erheblich sei, weil sie jeden Antrag sorgfältig prüfen müsse, so u.a. die rechtliche Situation, die Compliance mit den internen Richtlinien und Verträgen prüfen müsse und eine Missbrauchskontrolle durchführen müsse, trägt ersichtlich nicht. Um die ihr durch den Urteilstenor auferlegte Auskunftspflicht zu erfüllen, bedarf es jener von der Beklagten angeführten Prüfungen nicht. Es bleibt daher dabei, dass der Aufwand mit € 150,00 zu bemessen ist. Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts führt gemäß § 274 Abs. 1 BGB zur Zug-um-Zug-Verurteilung.
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8. Soweit die Beklagte des weiteren geltend macht, dass sie verlangen könne, dass der Kläger im Falle der Erteilung der Auskunft über die Daten der unmittelbaren und mittelbaren Kommanditisten ihr gegenüber die Pflichten aus der DSGVO und der BDSG übernehme, und sie ferner von dem Kläger die Freistellung von Ansprüchen Dritter wegen der Hausgabe der Daten, Bußgeldern und Strafen nach dem BDSG verlangen könne und ihr (der Beklagten) insoweit gegenüber dem seitens des Klägers geltend gemachten Auskunftsanspruch ein Zurückbehaltungsrecht zustehe, kann dem nicht gefolgt werden. Weder nach den Regelungen in dem Gesellschaftsvertrag und in dem Treuhandvertrag noch nach den allgemeinen gesetzlichen Regelungen ergibt sich ein Anspruch der Beklagten auf eine Pflichtenübernahme und auf eine solche Freistellung. Der Anspruch des Klägers, die Namen und Anschriften der anderen Treugeber und Kommanditisten mitgeteilt zu erhalten, ist – wie bereits oben ausgeführt – ein unentziehbares mitgliedschaftliches Recht aus dem durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Vertragsverhältnis als solchem. Dieses Recht steht nicht unter der Einschränkung, dass der die Auskunft begehrende Gesellschafter gegenüber dem Auskunftsschuldner zu einer datenschutzrechtlichen Pflichtenübernahme und/oder einer Freistellung des Auskunftsschuldners von Ansprüchen Dritter und von Bußgeldern und Strafen verpflichtet ist, und dementsprechend kann die Beklagte die Erteilung der begehrten Auskünfte auch nicht von einer solchen Pflichtenübernahme und/oder einer solchen Freistellung abhängig machen.
II.
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Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte geltend macht, dass der Kläger die Anlegerdaten, hinsichtlich derer er Auskunft begehre, nicht dazu nutzen werde, um am Zweitmarkt damit Provisionen und am Zweitmarkt Handel zu treiben, und nicht etwa, um seine Gesellschaftsrechte auszuüben, erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts erforderlich.
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Dem Antrag der Beklagten, ihr gemäß § 712 ZPO nachzulassen, die Vollstreckung aus dem Urteil abzuwenden, ist nicht zu entsprechen. Die in § 712 ZPO bestimmten Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, dass ihr in dem Falle, dass der Kläger das Urteil im Wege der vorläufigen Vollstreckung vollstreckt, ein nicht zu ersetzender Nachteil droht. Allein der Umstand, dass eine einmal erteilte Auskunft nicht rückabgewickelt werden kann, macht die Erteilung der Auskunft noch nicht zu einem nicht zu ersetzenden Nachteil. Dass und ggf. welche konkreten Nachteile ihr aus der Auskunftserteilung drohen, hat die Beklagte indes nicht konkret dargelegt. Hinzu kommt, dass die Beklagte nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Klägers in der jüngeren Vergangenheit Anlegerdaten an Dritte herausgegeben hat, ohne dazu durch gerichtliche Entscheidungen gezwungen gewesen zu sein und ohne die Zustimmung der betroffenen Anleger einzuholen, woraus zu schließen ist, dass die Beklagte selbst davon ausgeht, dass ihr keine Nachteile drohen, wenn sie Anlegerdaten an Dritte herausgibt.
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Dem Antrag, die Sache dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, ist nicht zu entsprechen. Die begehrte Auskunftserteilung verstößt nicht gegen unionsrechtliche Vorschriften, insbesondere verstößt sie nicht gegen die Regelungen der DSGVO, wie bereits oben ausgeführt.
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