Urteil vom Landgericht Heidelberg - 1 O 96/11

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch das beklagte Land gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von dem beklagten Land eine Geldentschädigung wegen seiner Unterbringung in Hafträumen der Justizvollzugsanstalt H., O. F. P.
Der Kläger befand sich vom 06.01.2009 bis zum 30.06.2009 in der JVA H. in Untersuchungshaft. Er war wie folgt untergebracht:
06.01.2009:
Haftraum 3315, Größe 16,73 qm, mit zwei Mitgefangenen;
07.01.2009 - 17.01.2009:    
Haftraum 3307, Größe 8,97 qm, mit einem Mitgefangenen;
18.01.2009 - 28.01.2009:
Haftraum 3307, Größe 8,97 qm, allein;
29.01.2009 - 18.02.2009:
Haftraum 3317, Größe 7,88 qm, allein;
18.02.2009 - 27.02.2009:
Haftraum 3119, Größe 16,58 am, mit einem Mitgefangenen;
27.02.2009 - 10.03.2009:
Haftraum 3111, Größe 8,25 qm, mit einem Mitgefangenen;
10.03.2009 - 16.03.2009:
Haftraum 3111, Größe 8,25 qm, allein;
16.03.2009 - 26.03.2009:
Haftraum 3111, Größe 8,25 qm, mit einem Mitgefangenen;
26.03.2009 - 30.03.2009:
Haftraum 3111, Größe 8,25 qm, allein;
30.03.2009 - 30.06.2009:
Einzelhaftraum bis zur Entlassung.
Bei seiner Aufnahme am 06.01.2009 beantragte der Kläger schriftlich, in einem Einzelhaftraum untergebracht zu werden. Er erklärte sich jedoch für den Fall, dass ein Einzelhaftraum nicht zur Verfügung steht, vorläufig mit der gemeinsamen Unterbringung mit anderen Untersuchungsgefangenen in demselben Raum und der Aufnahme in die Warteliste für Einzelhafträume für einverstanden.
Die Gemeinschaftsräume, in denen der Kläger untergebracht war, verfügten nicht über eine räumliche getrennte und gesondert zu entlüftende Toilette. Vielmehr war die Toilette nur durch einen sog. Schamvorhang vom Rest des Haftraums getrennt.
Der Kläger nahm ab 29.01.2009 am Arbeitsbetrieb teil, so dass er sich von 7.15 Uhr bis 15.30 Uhr nicht im Haftraum befand. Ab dem 13.03.2009 war er zusätzlich als Essensträger eingeteilt, so dass er sich täglich bis einschließlich 17 Uhr außerhalb des Haftraums befand.
Der Kläger war während der Untersuchungshaft anwaltlich vertreten. Seine Strafverteidigern besuchte ihn das erste Mal am 13.01.2009 und sodann wöchentlich in der Justizvollzugsanstalt.
Während seiner Unterbringung in den Gemeinschaftshafträumen hat der Kläger keine schriftlichen Beschwerden gegen seine Unterbringung bei der Anstaltsleitung eingereicht, auch hat er keine schriftlichen Verlegungsanträge oder Anträge auf gerichtliche Entscheidung wegen der Gemeinschaftsunterbringung gestellt.
Der Kläger behauptet, er habe seinen Antrag auf Einzelunterbringung gegenüber den zuständigen Wachbeamten mehrfach mündlich wiederholt. Einen schriftlichen Antrag habe er nicht gestellt, da ihm stets gesagt worden sei, die Einzelzellen würden der Reihe nach verteilt, ein schriftlicher Antrag sei sinnlos. Von der Möglichkeit, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, habe er keine Kenntnis gehabt.
10 
Der Kläger ist der Auffassung, die Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle habe gegen seine Menschenwürde verstoßen. Sie sei daher auch nicht von § 201 Nr. 3 StVollzG gedeckt. Der Verstoß gegen die Menschenwürde ergebe sich insbesondere daraus, dass die Toilette nicht räumlich fest abgetrennt und gesondert zu entlüften gewesen sei. Da er einen Antrag auf Einzelunterbringung mehrfach erfolglos gestellt habe, sei sein Anspruch auch nicht wegen schuldhafter Nichteinlegung eines Rechtsmittels ausgeschlossen. Einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung habe er nicht stellen müssen, da die Anstaltsleitung einer gerichtlichen Anordnung der Einzelunterbringung wegen der angespannten Belegungssituation nicht habe Folge leisten können. Durch die Dauer der menschenunwürdigen Unterbringung sei die Erheblichkeitsschwelle überschritten, ab der eine Geldentschädigung zu gewähren sei. Dies gelte umso mehr, als die Hafträume mit Milchglasfenster ausgestattet seien, so dass ihm die Sicht nach draußen verwehrt war. Die menschenunwürdige Situation sei nicht durch Arbeit oder Freizeitaktivitäten entschärft worden. Auch hier habe er der Gemeinschaftskontrolle unterlegen und keine Privatsphäre genossen. Der Kläger hält in Anlehnung an den Prozesskostenhilfebeschluss vom 23.02.2012 einen Entschädigungsbetrag von 1.000 EUR für angemessen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 1.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.04.2009 zu zahlen.
13 
Das beklagte Land beantragt,
14 
die Klage abzuweisen.
15 
Das beklagte Land behauptet, der Kläger habe sich zu keiner Zeit während der Dauer seiner Haft in der JVA H. über die Unterbringung zusammen mit anderen Mitgefangenen beschwert. Er habe nie eine Belastung oder konkrete Beeinträchtigung durch seine Mitgefangenen geäußert. Das beklagte Land behauptet weiter, dass im Falle einer gerichtlichen Entscheidung zur Einzelunterbringung des Klägers diese unverzüglich umgesetzt worden wäre. Dem Kläger wäre entweder in der JVA H. oder in einer anderen Justizvollzugsanstalt des beklagten Landes eine Einzelzelle zur Verfügung gestellt worden.
16 
Das beklagte Land ist der Auffassung, dass die Gemeinschaftsunterbringung des Klägers als Untersuchungsgefangener wegen der Auslastung der Kapazität der Justizvollzugsanstalt H. zulässig war. Eine schikanöse Absicht liege der Gemeinschaftsunterbringung nicht zu Grunde. Die durch die fehlende räumliche Abtrennung der Toilette gegebene Einschränkung habe keine solche Intensität, dass in den Kernbereich der Menschenwürde eingegriffen werde. Denn der Antragsteller habe sich ja einen Teil des Tages nicht in seiner Zelle aufgehalten. Zudem habe der Antragsteller es schuldhaft unterlassen, gegen die Gemeinschaftsunterbringung Rechtsmittel einzulegen.
17 
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den gesamten Akteninhalt verwiesen.
18 
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Gefangenenpersonalakte des Klägers und durch Vernehmung der Zeugin M. T.. Zu den Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
19 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 1.000 EUR wegen Amtspflichtverletzung des beklagten Lands gem. § 839 BGB, Art. 34 GG zu.
20 
1. Das beklagte Land hat gegen seine Amtspflicht gem.§ 119 StPO, Ziffer 23 Abs. 1 und 3 UVollzO i.V.m. Art. 1 GG verstoßen, als es den Kläger während der Untersuchungshaft gemeinschaftlich unterbrachte. Entgegen dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien im Prozesskostenhilfeverfahren befand sich der Kläger in der Justizvollzugsanstalt H. nicht in Straf-, sondern in Untersuchungshaft, so dass nicht § 18 StVollzG, sondern Ziffer 23 UVollzO einschlägig ist.
21 
Zwar hat sich der Kläger bei seiner Aufnahme in die Justizvollzugsanstalt H. mit der vorläufigen Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle einverstanden erklärt, so dass an sich die Voraussetzungen für eine gemeinschaftliche Unterbringung gem. Ziffer 23 Abs. 1 Satz 2 UVollzO vorliegen. Ziffer 23 UVollzO ist nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung aber dahingehend einzuschränken, dass durch diese Vorschrift nicht eine Gemeinschaftunterbringung unter menschenunwürdigen Bedingungen erlaubt werden soll (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.07.2005, 12 U 300/04, Rz. 15, zitiert nach juris; BVerfG, Beschluss vom 07.11.2011, 1 BvR 1403/09, Rn. 37, 42 f.m.w.N., zitiert nach juris).
22 
Hier wurden die Haftbedingungen des Klägers dem aus Art. 1 GG folgenden Gebot der Achtung der Menschenwürde nicht gerecht. Den in dieser Zeit doppelt und auch wechselnd belegten Zellen fehlte eine räumlich abgetrennte und gesondert zu entlüftende Toilette. Es bestand keinerlei Sicht-, Geräusch- und Geruchsschutz, so dass der Kläger innerhalb der Gemeinschaftszelle nicht ein Mindestmaß an Intimsphäre wahren konnte. Darin liegt nach der ständigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des Bundesverfassungsgerichts ein Verstoß gegen die Menschenwürde (BVerfG, a.a.O., Rz. 39). Entgegen der Auffassung des beklagten Landes kommt es nicht darauf an, dass noch zusätzliche erschwerende Umstände wie die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Wohls hinzutreten. Die Rechtsprechung hat Zusatzerfordernisse nicht für die Ebene der anspruchsbegründenden Voraussetzungen aufgestellt, sondern ausschließlich für die Ebene der Rechtsfolgen, also bei der Frage, ab welcher Erheblichkeit des Eingriffs eine Geldentschädigung zu gewähren ist (BGH, Beschluss vom 28.09.2006 - III ZB 89/05, NJW 2006, 3572; BVerfG, a.a.O., Rz. 33). Gleiches gilt für die Verkürzung der täglichen Einschlusszeit als die Haftsituation mildernder Faktor. Dies wird von der Rechtsprechung allenfalls bei der Bemessung der Geldentschädigung, nicht aber als Ausschluss der Menschenwürdeverletzung herangezogen (BVerfG, a.a.O., Rz. 34).
23 
Die Verletzung der Menschenwürde ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger bei seiner Aufnahme in die JVA H. in die Gemeinschaftsunterbringung eingewilligt hat. Bei der Menschenwürde handelt es sich nach Auffassung der Kammer um ein nicht disponibles Grundrecht, das einen Grundrechtsverzicht nicht zulässt (BVwerG, Urteil vom 17.10.2000, 2 WD 12/00, NJW 2001, 2343; BSG, Urteil vom 06.05.2009 - B 11 AL 11/08, juris, Rn. 25; offen gelassen von BVerfG, a.a.O., Rz. 42).
24 
2. Es ist auch von einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des beklagten Landes auszugehen. Die Rechtsprechung bejaht in Fällen der menschenunwürdigen Unterbringung grundsätzlich ein Organisationsverschulden des betroffenen Landes, da die Belegungsverhältnisse in den Haftanstalten des Landes bekannt sind und das Land Vorkehrungen treffen muss, vorsorglich Abhilfe für Überbelegung zu schaffen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.07.2005, Az. 12 U 300/04, Rz. 19, zitiert nach juris). Anhaltspunkte, die im vorliegenden Fall gegen ein Organisationsverschulden des beklagten Landes sprechen, wurden hier nicht vorgetragen. Vielmehr lässt sich der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt H. vom 16.01.2012 entnehmen, dass die dortigen Hafträume zwischenzeitlich alle über abgetrennte Nasszellen verfügen, eine Beseitigung der menschenunwürdigen Zustände also durchaus möglich war.
25 
3. Ob der Anspruch des Klägers gem. § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, da er es schuldhaft versäumt hat, ihm mögliche und zumutbare Rechtsmittel gegen die Gemeinschaftsunterbringung einzulegen, kann hier dahinstehen. Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB sind alle Rechtsbehelfe im weitesten Sinn, die sich unmittelbar gegen ein bereits erfolgtes, sich als Amtspflichtverletzung darstellendes Verhalten richten. Dazu gehören insbesondere auch Verlegungsanträge an die Anstaltsleitung sowie für die Zeit der Untersuchungshaft Anträge nach §§ 119 a, 126 StPO in Verbindung mit Nr. 73, 75 Abs. 1 UVollzO (BVerfG, a.a.O., Rz. 37). Die Versäumung der Einlegung dieser Rechtsmittel führt dann zum Anspruchsausschluss, wenn das insofern beweisbelastete Land darlegt, dass bei Einlegung von Rechtsmitteln eine Änderung der Unterbringungssituation erfolgt wäre (sog. hypothetische Kausalität; vgl. BVerfG, a.a.O., Rz. 48; BGH, Urteil vom 11.03.2010, II ZR 124/09, Ziffer 11, zitiert nach juris). Hier spricht für einen Anspruchssauschluss nach § 839 Abs. 3 BGB, dass der Kläger keine schriftlichen Verlegungsanträge oder Anträge auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat und das Land durch die Aussage der Zeugin M. T. als Leiterin der Justizvollzugsanstalt H. beweisen konnte, dass gerichtliche Entscheidungen zur Einzelunterbringung innerhalb von max. zwei Wochen umgesetzt würden. Nicht darlegen und beweisen konnte das beklagte Land jedoch, innerhalb welchen Zeitraums eine gerichtliche Entscheidung nach §§ 119 a, 126 StPO in Verbindung mit Nr. 73, 75 Abs. 1 UVollZO ergangen wäre, ob der Kläger also während seiner innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten erfolgten Gemeinschaftsunterbringung überhaupt eine Anordnung zur Einzelunterbringung hätte erreichen können. Insofern konnte nicht darauf abgestellt werden, dass die Parteien in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt haben, dass eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Mannheim innerhalb von 6 Wochen erfolgen würde, da zuständig für Entscheidungen gem. § 119 a StPO gem. § 126 StPO das Amtsgericht Heidelberg als das den Haftbefehl erlassende Gericht gewesen wäre. Dies kann jedoch letztlich offen bleiben, da dem Kläger aus den im folgenden unter Ziffer 4 genannten Gründe eine Geldentschädigung nicht zuzusprechen war.
26 
4. Jedenfalls ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände die Erheblichkeitsgrenze für die Gewährung einer Geldentschädigung bei Verstößen gegen die Menschenwürde im vorliegenden Fall nicht überschritten. Zwischen der Feststellung einer Verletzung des Art. 1 Abs. 1 GG und der Zuerkennung einer Geldentschädigung besteht kein zwingendes Junktim. Ein Anspruch auf Geldentschädigung besteht nur dann, wenn die Beeinträchtigung der Menschenwürde nicht in anderer Weise ausgeglichen werden kann, der Eingriff also ein Mindestmaß an Schwere erreicht und dem Opfer nur durch Zubilligung einer Geldentschädigung Genugtuung zu teil werden kann. Dies hängt von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab. Zu beurteilen sind alle Umstände des Einzelfalls in einer Gesamtbetrachtung, wie beispielweise die Dauer der Gemeinschaftsunterbringung, ihre psychischen oder physischen Folgen, Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, die konkrete Ausgestaltung der Zelle und die Intensität der Beeinträchtigung, die durch Freizeitprogramme oder Arbeitstätigkeit tagsüber gemildert werden kann (OLG Karlsruhe, a.a.O., Rz. 21; BGH, Urteil vom 04.11.2004 - III ZR 361/03, NJW 2005, 58 f.). Für die subjektiv als erheblich empfundene Beeinträchtigung seiner Menschenwürde trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Da der Nachwies innerer Sachverhalte jedoch erheblichen Schwierigkeiten begegnet, kann auf objektive Beweisanzeichen zurückgegriffen werden (OLG Karlsruhe, a.a.O., Rz. 22).
27 
Für einen die Erheblichkeitsschwelle überschreitenden Eingriff spricht hier, dass sich die menschenunwürdige Unterbringung über einen Zeitraum von insgesamt 41 Tagen erstreckte. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird ein Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle regelmäßig angenommen, wenn die gemeinschaftliche Unterbringung etwa einen Monat andauert (OLG Hamm, Urteil vom 05.07.2006, Az. 11 W 73/05; OLG Hamburg, Urteil vom 14.01.2005, Az: 1 U 43 /04; zustimmend BVerfG a.a.O. Rz. 31). Ferner ist zu beachten, dass die Hafträume, in denen der Kläger untergebracht war, nicht nur über eine räumlich nicht abgetrennte Nasszelle verfügten, sondern zum Teil auch eine so kleine Grundfläche pro Gefangenen auswiesen, dass dies nach der Rechtsprechung der Oberlandesgericht ebenfalls einen Verstoß gegen die Menschenwürde darstellen würde. Die Rechtsprechung fordert eine Mindestfläche von 6 - 7 qm pro Gefangenen (vgl. BVerfG a.a.O., Rz. 31 m.w.N.). Allein bei einer Mitbelegung mit nur einem weiteren Gefangenen ergeben sich aber für die Hafträume 3307 und 3111, in denen der Kläger insgesamt 30 Tage verbrachte, nur eine Fläche pro Gefangenen von 4,485 qm bzw. 4,125 qm. Auch war ein Ausblick aus den Fenstern durch Milchglasscheiben versperrt.
28 
Andererseits wird der Verstoß gegen die Menschenwürde aber durch die Ausgestaltung des Vollzugs deutlich gemildert. Die Rechtsprechung erkennt die Verkürzung der täglichen Einschlusszeit als einen die Haftsituation abmildernden Faktor an (BGH, Beschluss vom 28.09.2006 - III ZB 89/05, NJW 2006, 3572). Hier ging der Kläger ab dem 29.01.2009 einer Arbeitstätigkeit außerhalb seiner Zelle nach und war ab dem 13.03.2009 zusätzlich als Essensträger beschäftigt, so dass er sich an 10 Stunden pro Tag nicht unter menschenunwürdigen Bedingungen in dem Haftraum aufhalten musste. Als den Eingriff mildernd ist weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger im Zeitraum vom 06.01.2009 bis 26.03.2009 nicht dauerhaft gemeinschaftlich untergebracht war. Vielmehr war er nach einer ersten zehntätigen gemeinschaftlichen Unterbringung für die Dauer von einem Monat allein untergebracht, um dann wieder für einen Monat gemeinschaftlich und sodann nochmals je eine Woche allein bzw. gemeinschaftlich untergebracht zu sein. Das beklagte Land hat sich somit erkennbar bemüht, für eine Einzelunterbringung des Klägers zu sorgen, dem Kläger wurden regelmäßig menschenwürdige Haftbedingungen ermöglicht.
29 
Ausschlaggebend für die Ablehnung der Geldentschädigung ist nach Ansicht der Kammer jedoch schließlich, dass sich der Kläger während seiner Gemeinschaftsunterbringung nicht gegen diese gewehrt hat. Die dargestellten menschenunwürdigen Haftbedingungen in einer Gemeinschaftszelle werden von nicht wenigen Gefangenen hingenommen, da sie sie der Isolation von der Außenwelt und der fehlenden Möglichkeit der Kommunikation in einer Einzelzelle vorziehen. Zudem werden die Haftbedingungen je nach Herkunft und Persönlichkeit der Betroffenen unterschiedlich empfunden. Als objektives Anzeichen dafür, dass der Kläger bei dem gegebenen Gemisch aus unterschiedlichsten persönlichen Motiven, objektiv und subjektiv empfundenen Vorteilen und Nachteilen der konkreten Situation diese als nicht mehr hinnehmbar empfand, bedarf es nach Auffassung der Kammer einer entsprechenden Äußerung des Klägers gegenüber dem Personal der Justizvollzugsanstalt (so auch OLG Karlsruhe, a.a.O., Rz. 25). Insofern ist nicht auf den Antrag auf Einzelunterbringung bei Aufnahme des Klägers in die JVA abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger noch nicht gemeinschaftlich untergebracht, er kannte also die konkrete Art und Weise der Gemeinschaftsunterbringung und die damit verbundenen Beeinträchtigungen noch nicht. Entscheidend für die Beurteilung der subjektiv als erheblich empfundenen Beeinträchtigungen der Menschenwürde können daher nur Äußerungen nach erfolgter Gemeinschaftsunterbringung sein. Zwar hat der Kläger behauptet, sich wiederholt beim zuständigen Wachpersonal mündlich über die Haftbedingungen beschwert zu haben. Diese vom beklagten Land bestrittene Behauptung hat er jedoch nicht unter Beweis gestellt, die Benennung des „Zeugnis des Mituntergebrachten aus dem streitbefangenen Haftraum“ ist mangels ladungsfähiger Anschrift kein tauglicher Beweisantritt. Zudem geht die Kammer nach Verwertung der Gefangenenpersonalakte des Klägers davon aus, dass dieser für den Fall, dass er sich subjektiv erheblich beeinträchtigt gefühlt hätte, schriftliche Anträge bei der Anstaltsleitung eingereicht hätte. Der Kläger stellt sich ausweislich seiner Gefangenenpersonalakte als aktiver Gefangener dar, der keine Scheu hatte, seine Bedürfnisse gegenüber der Anstaltsleitung zu kommunizieren und von seinen Rechten Gebrauch zu machen. Der Kläger hat bereits eine Woche nach seiner Aufnahme in die Justizvollzugsanstalt die Teilnahme an Beschäftigung und Sport schriftlich beantragt und sodann sich in beinahe wöchentlichen Abständen mit Bitten und Anträgen an die Anstaltsleitung gewandt. Die Anträge sind in deutscher Sprache gut verständlich und höflich formuliert abgefasst, sie betreffen Wünsche nach Musikinstrumenten, CDs sowie persönlichen Gesprächen. Die Kammer hat daher keinen Zweifel daran, dass der Kläger sich mit schwerwiegenderen Bedürfnissen, wie einer als menschenunwürdig empfundenen Unterbringung, ebenfalls schriftlich an die Anstaltsleitung gewandt hätte. Dies gilt umso mehr, als der Kläger bereits während der Untersuchungshaft von seiner Strafverteidigerin betreut und regelmäßig besucht wurde. Hätte ihn die gemeinschaftliche Unterbringung ohne räumlich abgetrennte Toilette bereits damals so sehr gestört wie er es heute behauptet, ist nicht erklärbar, warum er die Situation nicht gegenüber seiner Verteidigerin angesprochen haben sollte, um sodann mit ihrer Hilfe dagegen vorzugehen. Aus alldem schließt die Kammer, dass der Kläger die menschenunwürdige Gemeinschaftsunterbringung als nicht so schwerwiegend empfunden hat, dass ihm eine Geldentschädigung zuzusprechen wäre.
II.
30 
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 2. Alt., 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Gründe

 
I.
19 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 1.000 EUR wegen Amtspflichtverletzung des beklagten Lands gem. § 839 BGB, Art. 34 GG zu.
20 
1. Das beklagte Land hat gegen seine Amtspflicht gem.§ 119 StPO, Ziffer 23 Abs. 1 und 3 UVollzO i.V.m. Art. 1 GG verstoßen, als es den Kläger während der Untersuchungshaft gemeinschaftlich unterbrachte. Entgegen dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien im Prozesskostenhilfeverfahren befand sich der Kläger in der Justizvollzugsanstalt H. nicht in Straf-, sondern in Untersuchungshaft, so dass nicht § 18 StVollzG, sondern Ziffer 23 UVollzO einschlägig ist.
21 
Zwar hat sich der Kläger bei seiner Aufnahme in die Justizvollzugsanstalt H. mit der vorläufigen Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle einverstanden erklärt, so dass an sich die Voraussetzungen für eine gemeinschaftliche Unterbringung gem. Ziffer 23 Abs. 1 Satz 2 UVollzO vorliegen. Ziffer 23 UVollzO ist nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung aber dahingehend einzuschränken, dass durch diese Vorschrift nicht eine Gemeinschaftunterbringung unter menschenunwürdigen Bedingungen erlaubt werden soll (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.07.2005, 12 U 300/04, Rz. 15, zitiert nach juris; BVerfG, Beschluss vom 07.11.2011, 1 BvR 1403/09, Rn. 37, 42 f.m.w.N., zitiert nach juris).
22 
Hier wurden die Haftbedingungen des Klägers dem aus Art. 1 GG folgenden Gebot der Achtung der Menschenwürde nicht gerecht. Den in dieser Zeit doppelt und auch wechselnd belegten Zellen fehlte eine räumlich abgetrennte und gesondert zu entlüftende Toilette. Es bestand keinerlei Sicht-, Geräusch- und Geruchsschutz, so dass der Kläger innerhalb der Gemeinschaftszelle nicht ein Mindestmaß an Intimsphäre wahren konnte. Darin liegt nach der ständigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des Bundesverfassungsgerichts ein Verstoß gegen die Menschenwürde (BVerfG, a.a.O., Rz. 39). Entgegen der Auffassung des beklagten Landes kommt es nicht darauf an, dass noch zusätzliche erschwerende Umstände wie die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Wohls hinzutreten. Die Rechtsprechung hat Zusatzerfordernisse nicht für die Ebene der anspruchsbegründenden Voraussetzungen aufgestellt, sondern ausschließlich für die Ebene der Rechtsfolgen, also bei der Frage, ab welcher Erheblichkeit des Eingriffs eine Geldentschädigung zu gewähren ist (BGH, Beschluss vom 28.09.2006 - III ZB 89/05, NJW 2006, 3572; BVerfG, a.a.O., Rz. 33). Gleiches gilt für die Verkürzung der täglichen Einschlusszeit als die Haftsituation mildernder Faktor. Dies wird von der Rechtsprechung allenfalls bei der Bemessung der Geldentschädigung, nicht aber als Ausschluss der Menschenwürdeverletzung herangezogen (BVerfG, a.a.O., Rz. 34).
23 
Die Verletzung der Menschenwürde ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger bei seiner Aufnahme in die JVA H. in die Gemeinschaftsunterbringung eingewilligt hat. Bei der Menschenwürde handelt es sich nach Auffassung der Kammer um ein nicht disponibles Grundrecht, das einen Grundrechtsverzicht nicht zulässt (BVwerG, Urteil vom 17.10.2000, 2 WD 12/00, NJW 2001, 2343; BSG, Urteil vom 06.05.2009 - B 11 AL 11/08, juris, Rn. 25; offen gelassen von BVerfG, a.a.O., Rz. 42).
24 
2. Es ist auch von einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des beklagten Landes auszugehen. Die Rechtsprechung bejaht in Fällen der menschenunwürdigen Unterbringung grundsätzlich ein Organisationsverschulden des betroffenen Landes, da die Belegungsverhältnisse in den Haftanstalten des Landes bekannt sind und das Land Vorkehrungen treffen muss, vorsorglich Abhilfe für Überbelegung zu schaffen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.07.2005, Az. 12 U 300/04, Rz. 19, zitiert nach juris). Anhaltspunkte, die im vorliegenden Fall gegen ein Organisationsverschulden des beklagten Landes sprechen, wurden hier nicht vorgetragen. Vielmehr lässt sich der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt H. vom 16.01.2012 entnehmen, dass die dortigen Hafträume zwischenzeitlich alle über abgetrennte Nasszellen verfügen, eine Beseitigung der menschenunwürdigen Zustände also durchaus möglich war.
25 
3. Ob der Anspruch des Klägers gem. § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, da er es schuldhaft versäumt hat, ihm mögliche und zumutbare Rechtsmittel gegen die Gemeinschaftsunterbringung einzulegen, kann hier dahinstehen. Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB sind alle Rechtsbehelfe im weitesten Sinn, die sich unmittelbar gegen ein bereits erfolgtes, sich als Amtspflichtverletzung darstellendes Verhalten richten. Dazu gehören insbesondere auch Verlegungsanträge an die Anstaltsleitung sowie für die Zeit der Untersuchungshaft Anträge nach §§ 119 a, 126 StPO in Verbindung mit Nr. 73, 75 Abs. 1 UVollzO (BVerfG, a.a.O., Rz. 37). Die Versäumung der Einlegung dieser Rechtsmittel führt dann zum Anspruchsausschluss, wenn das insofern beweisbelastete Land darlegt, dass bei Einlegung von Rechtsmitteln eine Änderung der Unterbringungssituation erfolgt wäre (sog. hypothetische Kausalität; vgl. BVerfG, a.a.O., Rz. 48; BGH, Urteil vom 11.03.2010, II ZR 124/09, Ziffer 11, zitiert nach juris). Hier spricht für einen Anspruchssauschluss nach § 839 Abs. 3 BGB, dass der Kläger keine schriftlichen Verlegungsanträge oder Anträge auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat und das Land durch die Aussage der Zeugin M. T. als Leiterin der Justizvollzugsanstalt H. beweisen konnte, dass gerichtliche Entscheidungen zur Einzelunterbringung innerhalb von max. zwei Wochen umgesetzt würden. Nicht darlegen und beweisen konnte das beklagte Land jedoch, innerhalb welchen Zeitraums eine gerichtliche Entscheidung nach §§ 119 a, 126 StPO in Verbindung mit Nr. 73, 75 Abs. 1 UVollZO ergangen wäre, ob der Kläger also während seiner innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten erfolgten Gemeinschaftsunterbringung überhaupt eine Anordnung zur Einzelunterbringung hätte erreichen können. Insofern konnte nicht darauf abgestellt werden, dass die Parteien in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt haben, dass eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Mannheim innerhalb von 6 Wochen erfolgen würde, da zuständig für Entscheidungen gem. § 119 a StPO gem. § 126 StPO das Amtsgericht Heidelberg als das den Haftbefehl erlassende Gericht gewesen wäre. Dies kann jedoch letztlich offen bleiben, da dem Kläger aus den im folgenden unter Ziffer 4 genannten Gründe eine Geldentschädigung nicht zuzusprechen war.
26 
4. Jedenfalls ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände die Erheblichkeitsgrenze für die Gewährung einer Geldentschädigung bei Verstößen gegen die Menschenwürde im vorliegenden Fall nicht überschritten. Zwischen der Feststellung einer Verletzung des Art. 1 Abs. 1 GG und der Zuerkennung einer Geldentschädigung besteht kein zwingendes Junktim. Ein Anspruch auf Geldentschädigung besteht nur dann, wenn die Beeinträchtigung der Menschenwürde nicht in anderer Weise ausgeglichen werden kann, der Eingriff also ein Mindestmaß an Schwere erreicht und dem Opfer nur durch Zubilligung einer Geldentschädigung Genugtuung zu teil werden kann. Dies hängt von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab. Zu beurteilen sind alle Umstände des Einzelfalls in einer Gesamtbetrachtung, wie beispielweise die Dauer der Gemeinschaftsunterbringung, ihre psychischen oder physischen Folgen, Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, die konkrete Ausgestaltung der Zelle und die Intensität der Beeinträchtigung, die durch Freizeitprogramme oder Arbeitstätigkeit tagsüber gemildert werden kann (OLG Karlsruhe, a.a.O., Rz. 21; BGH, Urteil vom 04.11.2004 - III ZR 361/03, NJW 2005, 58 f.). Für die subjektiv als erheblich empfundene Beeinträchtigung seiner Menschenwürde trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Da der Nachwies innerer Sachverhalte jedoch erheblichen Schwierigkeiten begegnet, kann auf objektive Beweisanzeichen zurückgegriffen werden (OLG Karlsruhe, a.a.O., Rz. 22).
27 
Für einen die Erheblichkeitsschwelle überschreitenden Eingriff spricht hier, dass sich die menschenunwürdige Unterbringung über einen Zeitraum von insgesamt 41 Tagen erstreckte. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird ein Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle regelmäßig angenommen, wenn die gemeinschaftliche Unterbringung etwa einen Monat andauert (OLG Hamm, Urteil vom 05.07.2006, Az. 11 W 73/05; OLG Hamburg, Urteil vom 14.01.2005, Az: 1 U 43 /04; zustimmend BVerfG a.a.O. Rz. 31). Ferner ist zu beachten, dass die Hafträume, in denen der Kläger untergebracht war, nicht nur über eine räumlich nicht abgetrennte Nasszelle verfügten, sondern zum Teil auch eine so kleine Grundfläche pro Gefangenen auswiesen, dass dies nach der Rechtsprechung der Oberlandesgericht ebenfalls einen Verstoß gegen die Menschenwürde darstellen würde. Die Rechtsprechung fordert eine Mindestfläche von 6 - 7 qm pro Gefangenen (vgl. BVerfG a.a.O., Rz. 31 m.w.N.). Allein bei einer Mitbelegung mit nur einem weiteren Gefangenen ergeben sich aber für die Hafträume 3307 und 3111, in denen der Kläger insgesamt 30 Tage verbrachte, nur eine Fläche pro Gefangenen von 4,485 qm bzw. 4,125 qm. Auch war ein Ausblick aus den Fenstern durch Milchglasscheiben versperrt.
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Andererseits wird der Verstoß gegen die Menschenwürde aber durch die Ausgestaltung des Vollzugs deutlich gemildert. Die Rechtsprechung erkennt die Verkürzung der täglichen Einschlusszeit als einen die Haftsituation abmildernden Faktor an (BGH, Beschluss vom 28.09.2006 - III ZB 89/05, NJW 2006, 3572). Hier ging der Kläger ab dem 29.01.2009 einer Arbeitstätigkeit außerhalb seiner Zelle nach und war ab dem 13.03.2009 zusätzlich als Essensträger beschäftigt, so dass er sich an 10 Stunden pro Tag nicht unter menschenunwürdigen Bedingungen in dem Haftraum aufhalten musste. Als den Eingriff mildernd ist weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger im Zeitraum vom 06.01.2009 bis 26.03.2009 nicht dauerhaft gemeinschaftlich untergebracht war. Vielmehr war er nach einer ersten zehntätigen gemeinschaftlichen Unterbringung für die Dauer von einem Monat allein untergebracht, um dann wieder für einen Monat gemeinschaftlich und sodann nochmals je eine Woche allein bzw. gemeinschaftlich untergebracht zu sein. Das beklagte Land hat sich somit erkennbar bemüht, für eine Einzelunterbringung des Klägers zu sorgen, dem Kläger wurden regelmäßig menschenwürdige Haftbedingungen ermöglicht.
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Ausschlaggebend für die Ablehnung der Geldentschädigung ist nach Ansicht der Kammer jedoch schließlich, dass sich der Kläger während seiner Gemeinschaftsunterbringung nicht gegen diese gewehrt hat. Die dargestellten menschenunwürdigen Haftbedingungen in einer Gemeinschaftszelle werden von nicht wenigen Gefangenen hingenommen, da sie sie der Isolation von der Außenwelt und der fehlenden Möglichkeit der Kommunikation in einer Einzelzelle vorziehen. Zudem werden die Haftbedingungen je nach Herkunft und Persönlichkeit der Betroffenen unterschiedlich empfunden. Als objektives Anzeichen dafür, dass der Kläger bei dem gegebenen Gemisch aus unterschiedlichsten persönlichen Motiven, objektiv und subjektiv empfundenen Vorteilen und Nachteilen der konkreten Situation diese als nicht mehr hinnehmbar empfand, bedarf es nach Auffassung der Kammer einer entsprechenden Äußerung des Klägers gegenüber dem Personal der Justizvollzugsanstalt (so auch OLG Karlsruhe, a.a.O., Rz. 25). Insofern ist nicht auf den Antrag auf Einzelunterbringung bei Aufnahme des Klägers in die JVA abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger noch nicht gemeinschaftlich untergebracht, er kannte also die konkrete Art und Weise der Gemeinschaftsunterbringung und die damit verbundenen Beeinträchtigungen noch nicht. Entscheidend für die Beurteilung der subjektiv als erheblich empfundenen Beeinträchtigungen der Menschenwürde können daher nur Äußerungen nach erfolgter Gemeinschaftsunterbringung sein. Zwar hat der Kläger behauptet, sich wiederholt beim zuständigen Wachpersonal mündlich über die Haftbedingungen beschwert zu haben. Diese vom beklagten Land bestrittene Behauptung hat er jedoch nicht unter Beweis gestellt, die Benennung des „Zeugnis des Mituntergebrachten aus dem streitbefangenen Haftraum“ ist mangels ladungsfähiger Anschrift kein tauglicher Beweisantritt. Zudem geht die Kammer nach Verwertung der Gefangenenpersonalakte des Klägers davon aus, dass dieser für den Fall, dass er sich subjektiv erheblich beeinträchtigt gefühlt hätte, schriftliche Anträge bei der Anstaltsleitung eingereicht hätte. Der Kläger stellt sich ausweislich seiner Gefangenenpersonalakte als aktiver Gefangener dar, der keine Scheu hatte, seine Bedürfnisse gegenüber der Anstaltsleitung zu kommunizieren und von seinen Rechten Gebrauch zu machen. Der Kläger hat bereits eine Woche nach seiner Aufnahme in die Justizvollzugsanstalt die Teilnahme an Beschäftigung und Sport schriftlich beantragt und sodann sich in beinahe wöchentlichen Abständen mit Bitten und Anträgen an die Anstaltsleitung gewandt. Die Anträge sind in deutscher Sprache gut verständlich und höflich formuliert abgefasst, sie betreffen Wünsche nach Musikinstrumenten, CDs sowie persönlichen Gesprächen. Die Kammer hat daher keinen Zweifel daran, dass der Kläger sich mit schwerwiegenderen Bedürfnissen, wie einer als menschenunwürdig empfundenen Unterbringung, ebenfalls schriftlich an die Anstaltsleitung gewandt hätte. Dies gilt umso mehr, als der Kläger bereits während der Untersuchungshaft von seiner Strafverteidigerin betreut und regelmäßig besucht wurde. Hätte ihn die gemeinschaftliche Unterbringung ohne räumlich abgetrennte Toilette bereits damals so sehr gestört wie er es heute behauptet, ist nicht erklärbar, warum er die Situation nicht gegenüber seiner Verteidigerin angesprochen haben sollte, um sodann mit ihrer Hilfe dagegen vorzugehen. Aus alldem schließt die Kammer, dass der Kläger die menschenunwürdige Gemeinschaftsunterbringung als nicht so schwerwiegend empfunden hat, dass ihm eine Geldentschädigung zuzusprechen wäre.
II.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 2. Alt., 711 Satz 1 und 2 ZPO.

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