Urteil vom Landgericht Karlsruhe - 11 S 88/16

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 24.06.2016, Az. 45 C 9/16, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 28. Oktober 2010 unter TOP 1, wonach Abstimmungen künftig nach dem Objektverfahren erfolgen und jede Wohneinheit eine Stimme hat, nichtig ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerinnen, die Kosten des Berufungsverfahrenstragen die Klägerinnen zu 90 Prozent und die Beklagten zu 10 Prozent.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Parteien sind die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft ... und streiten über das Stimmrechtsprinzip, nach dem innerhalb der Eigentümerversammlungen die Stimmen abgegeben und gewertet werden, sowie die Stimmverteilung. Hintergrund des Streits ist eine Teilung des Miteigentumsanteils der Klägerin Ziffer 1 in zwei neue Miteigentumsanteile.
Laut Teilungserklärung vom 10. April 1992 bestehen vier Miteigentumsanteile verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnungen, die sich jeweils über zwei Stockwerke erstrecken (Akten erster Instanz Seite 75). Die Klägerin Ziffer 1 war seit 1992 Eigentümerin des zweiten Miteigentumsanteils mit einer Größe von 303/1.000. Im Bereich ihres Sondereigentums bestanden bereits bei ihrem Einzug zwei Wohnungen mit separaten Eingängen ohne eine bei den übrigen Wohnungen vorhandene interne Verbindungstreppe zwischen den Stockwerken. Mit notarieller Urkunde vom 19. März 2013 (Akten erster Instanz Seite 39) teilte die Klägerin Ziffer 1 ihren Miteigentumsanteil in zwei Miteigentumsanteile zu 192/1.000 und 111/1.000 auf und übertrug das Eigentum an der neuen Wohnung Nummer 5 der Klägerin Ziffer 2. Die Änderung wurde im Grundbuch eingetragen. Eine bauliche Abgeschlossenheitsbescheinigung lag vor.
Laut Teil II Ziffer 14 der Teilungserklärung wird in der Eigentümerversammlung nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile abgestimmt, d.h. jeder volle Tausendstel des Miteigentumsanteils gibt eine Stimme. Halbsatz 2 dieser Bestimmung ermöglicht, dass die Eigentümer in einer Versammlung mehrheitlich beschließen, dass jeder Wohneinheit eine Stimme zukommt. Steht der Miteigentumsanteil mehreren Personen zu, können diese ihr Stimmrecht nur einheitlich ausüben. In der Eigentümerversammlung vom 28. Oktober 2010 (Protokoll vom 9. November 2010, Akten erster Instanz Seite 111) beschlossen die Eigentümer mit 697 Ja-Stimmen zu 303 Nein-Stimmen einen Wechsel bei den künftigen Abstimmungen in der Eigentümerversammlung zum Objektprinzip, wonach jeder Wohnung eine Stimme zukommt.
In der Eigentümerversammlung vom 12. Januar 2016 verlangten die Klägerinnen eine Änderung der Teilungserklärung dahingehend, dass die Teilung des Miteigentumsanteils der Klägerin Ziffer 1 in § 2 der Teilungserklärung berücksichtigt wird und dass künftig beiden Wohnungen je eine Stimme zukommt. Die Anträge wurden mit den Stimmen der Beklagten abgelehnt.
Die Klägerinnen trugen in erster Instanz vor:
Die Teilungserklärung müsse, schon wegen des Erfordernisses der Abgeschlossenheit aus § 3 Absatz 2 WEG, dem tatsächlichen Zustand angepasst werden. Sie meinen, dass sie einen Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung und Berücksichtigung der Änderung in der Eigentümerversammlung haben. Verjährung dieses Anspruchs sei nicht eingetreten, weil der Miteigentumsanteil erst 2013 aufgeteilt wurde. Dass die Eigentümer der Wohnung Nummer 2 und der Wohnung Nummer 5 nur eine halbe Stimme hätten, sei eine eklatante Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes.
Sie beantragten daher die Ungültigerklärung der beiden ablehnenden Beschlüsse und die Feststellung, dass die Änderungen der Stimmzuweisung und die Änderung der Teilungserklärung wie in der Eigentümerversammlung beantragt beschlossen worden seien.
Die Beklagten beantragten Klageabweisung und trugen zur Begründung vor, dass bereits im Jahr 2013 ein inhaltsgleiches Änderungsverlangen der Klägerinnen abgelehnt worden sei. Zur Anfechtung des nunmehr gefassten Zweitbeschlusses fehle den Klägerinnen das Rechtsschutzbedürfnis. Ansprüche auf Änderung der Teilungserklärung gebe es nicht, sie seien überdies verjährt. Die Wohnung der Klägerin Ziffer 1 möge planabweichend errichtet worden sein, es fehle daher allenfalls an einer plangerechten Herstellung des Gebäudes. Der Anspruch auf Berichtigung bestünde schon seit 1992 und wäre dann spätestens im Jahr 2002 verjährt. Es gebe auch keinen Anlass zur Stimmvermehrung. An der Aufteilung des Miteigentumsanteils seien sie nicht beteiligt gewesen; die Aufteilung dürfe für sie nicht nachteilig sein. Schon deshalb dürfe ihr Stimmrecht durch eine Stimmvermehrung nicht geschmälert werden. Die Anwendung des Objektprinzips sei ordnungsgemäß und bestandskräftig beschlossen worden. Der Inhalt der Beschlüsse sei auch fehlerfrei festgestellt worden.
Mit dem angegriffenen Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Die Anfechtung sei zulässig, der vorangehende Negativbeschluss aus dem Jahr 2013 stehe einer neuen Beschlussfassung und einer Anfechtung des neuen Beschlusses nicht entgegen. Die Klage sei aber nicht begründet. Die Aufteilung des ursprünglichen Stimmgewichts habe sich durch die Unterteilung nicht verändert. Zur Wahrung der Interessen der Beklagten dürfe die Unterteilung des Miteigentumsanteils der Klägerin Ziffer 1 keine Nachteile hervorbringen. Eine Verdoppelung der Stimmen durch die Teilung wäre aber für die Beklagten nachteilig. Daher hätten die Klägerinnen keinen Anspruch auf Neuausweisung von fünf Stimmen. Die Feststellungsklage sei unbegründet, weil die Stimmabgabe und das Ergebnis richtig protokolliert worden seien. Eine Änderung der Teilungserklärung im Beschlusswege sei mangels Beschlusskompetenz nicht möglich. Im Übrigen unterliege der Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 196 BGB.
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Dagegen legten die Klägerinnen Berufung ein, verfolgten zunächst ihre erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiter und beantragten hilfsweise die Verurteilung zur Zustimmung zur beabsichtigten Änderung der Teilungserklärung. Zur Begründung trugen sie vor, dass die Öffnungsklausel in der Teilungserklärung unzulässig und zudem nicht im Grundbuch eingetragen sei. Stimmrecht und Stimmkraft gehörten zum Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts und seien deshalb nur durch eine Vereinbarung zu ändern. Zudem gelte das Ermessen der Eigentümer bei der Änderung des Stimmprinzips auf Grundlage der Öffnungsklausel nicht schrankenlos. Ein Grund für den Übergang zum Objektprinzip durch Beschluss aus dem Jahr 2010 sei aber weder angegeben worden noch ersichtlich. Der Beklagte ... habe sie mit dem Beschluss nur maßregeln wollen. Der Anspruch auf Zuweisung von fünf Stimmen an die fünf Wohnungen beruhe auf der Tatsache, dass von Anfang an fünf Wohnungen bestanden hätten. Das Amtsgericht hätte daher eine Beschlussersetzung wie von ihnen in der Eigentümerversammlung beantragt veranlassen müssen.
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Ihr Begehren wegen der Änderung der Teilungserklärung hätte dahingehend ausgelegt werden müssen, dass nicht nur eine Beschlussersetzung, sondern zumindest hilfsweise auch die Anpassung der Teilungserklärung als Vereinbarung begehrt wird. Es könne nicht angehen, dass ihnen die wirtschaftlichen Verpflichtungen für zwei Objekte auferlegt würden, sie aber nur halbe Stimmkraft besäßen. Verjährung sei nicht eingetreten, weil der Anspruch erst mit der Beschlussfassung im Jahr 2010 bzw. mit der Aufteilung im Jahr 2013 entstanden sei. Hintergrund der Existenz zweier Wohnungen sei gewesen, dass der Verkäufer und Bauträger ihnen den Erwerb mit einer baulichen Trennung der Etagen zur Ermöglichung einer teilweisen Vermietung schmackhaft gemacht und versichert habe, dass die übrigen Eigentümer damit einverstanden seien.
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Nach Hinweis des Vorsitzenden mit Verfügung vom 7. Oktober 2016 (AS 55) beantragen die Klägerinnen nunmehr (teilweise leicht gekürzt, auf AS 91 ff. wird Bezug genommen):
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I. Unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Heidelberg vom 24. Juni 2016 wird der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 12. Januar 2016 (Protokoll TOP 2 "Beschlussfassung über die Festlegung des Stimmrechts"), mit dem der Antrag der Klägerinnen abgelehnt wurde, für ungültig erklärt und es wird festgestellt, dass in der Eigentümerversammlung vom 12. Januar 2016 ein Beschluss zustande gekommen ist, wonach bei Abstimmungen nach dem Objektprinzip jede der insgesamt fünf Wohneinheiten jeweils eine Stimme hat.
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Hilfsweise:
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Die Beklagten werden verurteilt, der Festlegung des Stimmrechts derart zuzustimmen, dass die Wohneinheit Nr. 2 und die Wohneinheit Nr. 5 jeweils eine Stimme haben.
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Höchst hilfsweise:
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Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 9. November 2010 unter Protokoll TOP 1, wonach Abstimmungen künftig nach dem Objektverfahren erfolgen, d.h. jede Wohneinheit eine Stimme hat, nichtig ist.
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II. Unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Heidelberg vom 24. Juni 2016 wird der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 12. Januar 2016 (Protokoll TOP 8 "Änderung der Teilungserklärung") für ungültig erklärt und es wird festgestellt, dass in der Eigentümerversammlung vom 12. Januar 2016 ein Beschluss zustande gekommen ist, wonach Teil 1 § 2 der Teilungserklärung vom 10. April 1992 wie folgt geändert ist:
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Wohnung Nummer 1 unverändert wie Teilungserklärung vom 10. April 1992
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Wohnung Nummer 2: 292/1000 Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung Nummer 2
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Wohnung Nummer 3 unverändert wie Teilungserklärung
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Wohnung Nummer 4 verändert wie Teilungserklärung
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Wohnung Nummer 5: 111/1000 Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der Untergeschoss gelegenen Wohnung Nummer 5
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Hilfsweise:
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Die Beklagten werden verurteilt, der Änderung des Teil 1 § 2 der Teilungserklärung vom 10. April 1992 wie folgt zuzustimmen: (wie im Hauptantrag II.)
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Die Beklagten beantragten
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Zurückweisung der Berufung und Klageabweisung.
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Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Die Öffnungsklausel halten sie für wirksam, den Vortrag zur Motivation des Beschlusses aus dem Jahr 2010 sowie hinsichtlich der Zusicherungen des Verkäufers bestreiten sie. Einen Beschluss vom 9. November 2010 gebe es nicht. Hinsichtlich der Zustimmungsklagen fehle den Klägerinnen das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie in der Eigentümerversammlung vom 12. Januar 2016 bei richtigem Verständnis ihres Antrags einen Wechsel zum Kopfprinzip begehrt hätten.
II.
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Die Berufung ist zulässig. Sie ist aber nur teilweise begründet, und auch nur hinsichtlich eines Antrags, der in zulässiger Weise erst in zweiter Instanz gestellt wurde. Die ursprüngliche Klage hat das Amtsgericht zu Recht abgewiesen. Auch der überwiegende Teil der neuen Anträge ist unbegründet. Allerdings mit Erfolg machen die Klägerinnen nunmehr geltend, dass der Beschluss vom 28. Oktober 2010 betreffend den Wechsel bei Abstimmungen zum Objektprinzip nichtig ist. Der Beschluss erging ohne die notwendige Kompetenz der Eigentümerversammlung, über das Stimmrechtsprinzip mehrheitlich zu entscheiden; die Öffnungsklausel in der Teilungserklärung ist unwirksam.
30 
1. Der Antrag der Klägerinnen auf Ungültigerklärung des ablehnenden Beschlusses, zukünftig mit fünf Stimmen abzustimmen, ist unbegründet.
31 
Zwar ist die Anfechtung nicht unzulässig, denn die Bestandskraft des Vorbeschlusses aus dem Jahr 2013 beschränkt sich auf die Ablehnung des dortigen Antrags. Der Negativbeschluss entfaltet keine Sperrwirkung für eine erneute Befassung einer Eigentümerversammlung mit einem gleichlautend formulierten Antrag (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2015 - VZR 5/15 - NJW 2015, 3713, juris Rn. 13; Schultzky in: Jennißen, WEG, 5. Auflage 2017, § 23 WEG Rn. 97).
32 
Die Anfechtung ist aber unbegründet Eine Kompetenz der Eigentümerversammlung, über eine Vermehrung der Stimmen bei Geltung des Objektprinzips mehrheitlich zu beschließen, ist nicht gegeben. Selbst wenn man die Öffnungsklausel in der Teilungserklärung, durch Beschluss zum Objektprinzip zu wechseln, für wirksam hält, begründet sie schon nach ihrem Wortlaut keine Kompetenz, eine zusätzliche Stimme durch Mehrheitsbeschluss zu schaffen. Die übrigen Eigentümer haben dem Antrag der Klägerinnen daher zu Recht keine Folge geleistet.
33 
2. Der Antrag auf Feststellung eines anderen Beschlussergebnisses ist ebenfalls unbegründet. In diesem Punkt ist die Klage schon unschlüssig. Die Feststellung einer positiven Beschlussfassung statt wie protokolliert einer Ablehnung setzt eine falsche Verkündung des Beschlussergebnisses voraus (vgl. Bärmann/Roth WEG 13. Auflage 2015 § 43 Rn. 97). Eine falsche Verkündung behaupten die Klägerinnen nicht. Die Ablehnung ist unstreitig wie verkündet beschlossen worden, selbst wenn man die Stimmen nach dem Mehrheitsprinzip auszählen würde.
34 
Selbst wenn man - wie vom Amtsgericht erwogen - den Klageantrag als Antrag auf Beschlussersetzung gemäß § 21 Absatz 8 WEG auslegt, wäre er ebenfalls unbegründet, da - wie bereits ausgeführt - keine Beschlusskompetenz zur Stimmrechtsmehrung nach Objektprinzip besteht. Soweit man ihn als Antrag gemäß § 21 Absatz 8 WEG auf Ersetzung einer Vereinbarung auslegen sollte, stellen die Klägerinnen nunmehr ausdrücklich einen Hilfsantrag (dazu folgend unter 3.).
35 
3. Der Hilfsantrag auf Verurteilung, einer Änderung der Teilungserklärung hin zu einer Abstimmung mit fünf Stimmen zuzustimmen, ist erstmals in zweiter Instanz gestellt worden. Die Klageerweiterung ist zulässig, aber unbegründet.
36 
a. Der Antrag ist eine gemäß § 533 ZPO zulässige Klageerweiterung in zweiter Instanz. Die Einwilligung der Beklagten ist nicht erforderlich, weil die Klageerweiterung schon sachdienlich ist. Die Beurteilung der Sachdienlichkeit erfordert eine Berücksichtigung, Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Interessen. Maßgebend ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit, für den es entscheidend darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet, und einem anderenfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (BGH, Urteil vom 27. Januar 2012 - V ZR 92/11 -, juris). Das ist vorliegend der Fall; die Parteien streiten wie bisher auch zum neuen Antrag über einen Anspruch der Klägerinnen, dass künftig ihren Wohnungen jeweils eine volle Stimme zukommt. Ob darüber zu beschließen ist oder die Beklagten zustimmen sollen, ist rechtstechnischer Natur. Daher ist die Klageerweiterung sachdienlich. Die Voraussetzungen des § 533 Nummer 2 ZPO sind ebenfalls erfüllt; neuer Prozessstoff wird in den Rechtsstreit durch die Klageerweiterung nicht eingeführt. Entgegen der Meinung der Beklagten ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerinnen nicht zu bezweifeln. Mit ihren Anträgen haben die Klägerinnen stets hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie im Rahmen des angewendeten Objektprinzips für ihre beiden Wohnungen jeweils eine volle Stimme beanspruchen.
37 
b. Der Hilfsantrag ist aber unbegründet. Es ist kein Anspruch der Klägerinnen auf Zustimmung zu einer Stimmrechtsmehrung zu erkennen. Die nachträgliche Teilung des ursprünglichen Miteigentumsanteils der Klägerin Ziffer 1 begründet grundsätzlich keinen Anspruch auf Stimmrechtsmehrung, im Gegenteil darf sie nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zu keinen Nachteilen der übrigen Eigentümer führen, insbesondere zu keiner Beeinträchtigung ihrer Stimmkraft. Denn die spätere Aufteilung bedarf nicht der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer. Auch die anschließende Veräußerung einer neu geschaffenen Einheit ist grundsätzlich zustimmungsfrei. Diese Befugnisse des teilenden Wohnungseigentümers setzen voraus, dass der Status der übrigen Wohnungseigentümer gewahrt wird. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist dies nur dann gewährleistet, wenn die ursprüngliche Stimmenzahl keine Änderung erfährt (BGH, Urteil vom 27. April 2012 - V ZR 211/11 - NJW 2012, 2434). Deshalb werden bei einer Teilung eines Miteigentumsanteils unter Geltung des Objektprinzips die Stimmen nicht verdoppelt, sondern gleichmäßig nach Bruchteilen auf die neuen Miteigentumsanteile aufgeteilt (vgl. auch Bärmann/Merle WEG 13. Auflage 2015 § 25 Rn. 42 ff.; 45). Auch die von den Klägerinnen behaupteten Umstände beim Verkauf begründen keinen Änderungsanspruch. Selbst wenn man als richtig unterstellt, dass die übrigen Eigentümer mit einer planabweichenden Errichtung einverstanden gewesen wären, ist nicht ersichtlich, dass sie damit auch mit einer Stimmkraftverdopplung nach dem damals noch nicht geltenden Objektprinzip einverstanden waren.
38 
4. Der höchst hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung, dass der Beschluss aus dem Jahr 2010 nichtig ist, stellt eine zulässige Klageerweiterung in zweiter Instanz dar und ist auch begründet. Bei sach- und interessengerechter Auslegung wird die Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses vom 28. Oktober 2010 beantragt, das von den Klägerinnen genannte Datum bezieht sich auf die Erstellung des Protokolls zur Eigentümerversammlung vom 28. Oktober 2010.
39 
a. Nach den bereits unter 3. dargestellten Voraussetzungen gemäß § 533 ZPO handelt es sich um eine zulässige Klageerweiterung in zweiter Instanz. Die Parteien streiten auch weiterhin über das geltende Stimmrechtsprinzip und führen keinen neuen Prozessstoff ein. Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht.
40 
b. Der Antrag ist auch begründet. Der Beschluss vom 28. Oktober 2010 unter TOP 1 ist nichtig, da er in unzulässiger Weise in den Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte der Eigentümer eingreift. Veränderungen der Stimmkraft dürfen grundsätzlich nicht einer Mehrheitsentscheidung innerhalb der Eigentümergemeinschaft unterworfen werden.
41 
(1) Ein Beschluss ist nichtig, wenn er ohne Beschlusskompetenz erging. Änderungen des Stimmprinzips müssen grundsätzlich vereinbart und können nicht mehrheitlich beschlossen werden (Bärmann/Merle WEG 13. Auflage 2015 § 25 Rn. 30). Daher kommt es zur Wirksamkeit des Beschlusses vom 28. Oktober 2010 auf die Wirksamkeit der Öffnungsklausel in der Teilungserklärung an. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung hat eine Öffnungsklausel lediglich die Funktion, zukünftige Mehrheitsentscheidungen formell zu legitimieren, ohne sie materiell zu rechtfertigen. Deshalb ist ein Änderungsbeschluss auf der Grundlage einer Öffnungsklausel nicht schon dann rechtmäßig, wenn er die Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt. Vielmehr sind insbesondere zum Schutz der Minderheit bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken zu beachten. Fundamentale Schranken ergeben sich zunächst aus den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 134, 138, 242 BGB und den zum Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts zählenden Vorschriften, wozu u.a. unentziehbare und unverzichtbare Individualrechte gehören. Denn was selbst durch Vereinbarung nicht geregelt werden könnte, entzieht sich auch einer Regelung im Beschlusswege aufgrund einer Öffnungsklausel. Darüber hinaus wird die durch eine Öffnungsklausel legitimierte Mehrheitsmacht - worauf es hier entscheidend ankommt - auch durch Individualrechte begrenzt, die zwar ebenfalls zu den unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten gehören, die aber verzichtbar sind. Ein in solche Rechte eingreifender Beschluss ist nur dann wirksam, wenn die hiervon nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer zustimmen; bis dahin ist er schwebend unwirksam (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2014 - V ZR 315/13 BGHZ 202, 346; vgl. auch Blankenstein ZWE 2016, 197, 199).
42 
(2) Das Stimmrecht gehört zum Kernbereich des Mitgliedschaftsrechts der Wohnungseigentümer. Es handelt sich um "das wichtigste und sensibelste Mitgliedschaftsrecht des Wohnungseigentümers, weshalb die Gestaltungsfreiheit nicht erst durch die Schranke des § 138 BGB begrenzt wird" (Bärmann/Merle WEG 13. Auflage 2015 § 25 Rn. 39). Durch Anwendung einer Öffnungsklausel können dem Wohnungseigentümer nicht elementare Mitverwaltungsrechte genommen werden, wozu auch das Stimmrecht gehört (Blankenstein a.a.O. 202). Im vorliegenden Fall wird die Kraft der Stimmrechte durch die Anwendung der - im Übrigen voraussetzungslosen - Öffnungsklausel ganz erheblich verschoben. Wie die Klägerinnen zu Recht geltend machen, genügte vor dem Beschluss, dass die Klägerin Ziffer 1 einen weiteren Eigentümer fand, um mit ihm die Mehrheit in der Versammlung zu bilden. Das ist ihr nach dem Beschluss aus dem Jahr 2010 nicht mehr möglich.
43 
(3) Folglich können die Eigentümer nicht wirksam vereinbaren, dass zukünftig das Stimmrechtsprinzip durch einfachen Mehrheitsbeschluss geändert werden kann. Die Öffnungsklausel ist gemäß §§ 134, 138 BGB unwirksam und daher der auf ihrer Grundlage ergangene Beschluss vom 28. Oktober 2010 mangels Beschlusskompetenz nichtig. Diese Rechtsfolge war auf Antrag festzustellen.
44 
5. Der Antrag auf Ungültigerklärung der Ablehnung, die beiden neuen Miteigentumsanteile in die Teilungserklärung aufzunehmen, ist unbegründet, wie das Amtsgericht zu Recht festgestellt hat. Zwar ist die Anfechtung nicht unzulässig, da die Bestandskraft eines Vorbeschlusses sich auf die Ablehnung des damals gestellten Antrags beschränkt.
45 
Die Anfechtung ist aber unbegründet. Schon die Beschlusskompetenz ist nicht gegeben. Eine Änderung der Teilungserklärung durch Beschluss ist grundsätzlich nicht möglich.
46 
6. Der Antrag auf Feststellung eines anderen Beschlussergebnisses ist ebenfalls unbegründet. Eine falsche Verkündung des Abstimmungsergebnisses behaupten die Klägerinnen nicht einmal.
47 
7. Der Hilfsantrag auf Verurteilung, der Änderung der Teilungserklärung hin zu einer Aufnahme der beiden neuen Miteigentumsanteile zuzustimmen, stellt eine zulässige Klageerweiterung in zweiter Instanz dar, ist aber unbegründet.
48 
Denn ein Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung setzt gemäß § 10 Absatz 2 Satz 3 WEG voraus, dass ein Festhalten an den bisherigen Regelungen aus schwerwiegenden Gründen unbillig erscheint. Die Voraussetzungen für einen Anspruch sind hoch, eine Abänderung der Teilungserklärung auf Verlangen eines Wohnungseigentümers bleibt auf echte Ausnahmefälle beschränkt (Timme/Dötsch WEG 2. Auflage 2014 § 10 Rn. 285). Hier ist nicht zu erkennen, dass die Mitglieder der Gemeinschaft aus Billigkeitsgründen darauf angewiesen sind, dass die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse, wie sie im Grundbuch eingetragen sind, auch in der Teilungserklärung abgebildet werden. Soweit die Klägerinnen geltend machen, dass sie nicht bei bloß halber Stimmkraft für zwei separate Wohnungen zahlen wollen, ist keine unbillige Benachteiligung zu erkennen. Wie nunmehr festgestellt, gilt weiterhin das Wertprinzip bei Abstimmungen, das eine präzise und gerechte Teilung der Stimmkraft des ehemaligen Miteigentumsanteils erlaubt. Zudem wird der weit überwiegende Teil der Betriebskosten gemäß Teil II Ziffer 10 der Teilungserklärung nach Wohnfläche, Verbrauch oder dem Verhältnis der Miteigentumsanteile abgerechnet. Allenfalls die Verwalterkosten werden nach Anzahl der Wohnungen verteilt, nach Darstellung der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung über die Berufung zudem auch ein Teil der Müllentsorgungskosten. Diese finanziellen Folgen stellen keine erheblichen zusätzlichen Belastungen dar und würden durch eine Änderung der Teilungserklärung auch nicht beseitigt, sondern bekräftigt. Unbillige Rechtszustände bestehen folglich nicht. Die Innenverhältnisse der Gemeinschaft können ohne weiteres auf Grundlage der unveränderten Teilungserklärung geregelt werden.
49 
8. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen beruht auf §§ 92 Absatz 1, 97 Absatz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nummer 10, 713 ZPO. Die Nichtzulassungsbeschwerde erscheint gemäß § 26 Nummer 8 EGZPO nicht zulässig, da der erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht wird.
50 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO).

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