Beschluss vom Landgericht Karlsruhe - 3 T 126/18

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Pforzheim vom 15.11.2018/20.11.2018, Az. 2 M 5459/18, aufgehoben.

Der Gerichtsvollzieher wird aufgegeben, die Schuldnerin zur Abgabe der erneuten Vermögensauskunft nach § 802d ZPO zu laden.

2. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 15.02.2018, Geschäftsnummer 18-8878504-0-2. Sie beantragte mit Vollstreckungsauftrag vom 26.06.2018 die Abnahme der erneuten Vermögensauskunft nach § 802d ZPO, da sich die Vermögensverhältnisse der Schuldnerin wesentlich geändert hätten, da die Schuldnerin geheiratet habe. Die Schuldnerin hat die Vermögensauskunft bereits am 29.06.2017 abgegeben. Mit Schreiben vom 11.06.2018 teilte der zuständige Obergerichtsvollzieher mit, dass eine erneute Abgabe der Vermögensauskunft gemäß § 802d Abs. 1 nicht möglich sei, da hierzu mit Auftragserteilung glaubhaft gemacht werden müsse, dass sich die Vermögensverhältnisse der Schuldnerin wesentlich geändert haben. Eine Heirat allein stelle keinen Grund zur vorzeitigen Ableistung der Vermögensauskunft dar.
Die Gläubigerin hat mit Schreiben vom 17.09.2018 Erinnerung gemäß § 766 ZPO eingelegt und beantragt, den zuständigen Obergerichtsvollzieher anzuweisen, den Antrag vom 26.06.2018 zeitnah zu bearbeiten. Der Obergerichtsvollzieher beim Amtsgericht Pforzheim ... hat mit Schreiben vom 10.11.2018 seine Sonderakten dem Amtsgericht Pforzheim zur Entscheidung über die Erinnerung der Schuldnerin vorgelegt und dabei an der von ihm vertretenen Auffassung festgehalten.
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht Pforzheim - hat die Erinnerung der Gläubigerin durch Beschluss vom 15.11.2018/20.11.2018 zurückgewiesen und im Wesentlichen darauf verwiesen, dass eine Heirat nicht mit der erforderlichen Gewissheit auf eine wesentliche Änderung der Vermögensverhältnisse der Schuldnerin schließen lasse. Gegen diesen der Gläubigerin am 22.11.2018 zugestellten Beschluss hat die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 06.12.2018, eingegangen beim Amtsgericht Pforzheim vorab per Telefaxschreiben am 06.12.2018, sofortige Beschwerde eingelegt.
Zur Begründung trägt sie unter anderem vor, dass die Schuldnerin die Vermögensauskunft am 29.06.2017 unter dem Namen ... abgegeben habe. Laut Lohnabrechnung für Dezember 2017 heiße die Schuldnerin mit Nachnamen nunmehr ... und habe die Steuerklasse 5, woraus zwingend folge, dass die Schuldnerin geheiratet habe. Es bestehe die Möglichkeit, dass die Schuldnerin durch Heirat pfändbares Vermögen erworben habe wie z.B. Grund-, Bar- oder sonstiges Vermögen, auch aus Geschenken. Des Weiteren komme eine Taschengeldpfändung in Betracht. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Änderung der Vermögensverhältnisse dürfe nicht überspannt werden, da durch die Offenbarungspflicht das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers geschützt werden solle.
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - Pforzheim hat der sofortigen Beschwerde der Gläubigerin durch Beschluss vom 14.12.2018 nicht abgeholfen und dem Landgericht Karlsruhe zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 06.12.2018 vorgelegt.
Die Sonderakten des Obergerichtsvollziehers ... beim Amtsgericht Pforzheim DR II 877/18 lagen vor.
II.
1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist gemäß §§ 793, 567 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt.
2. Das Rechtsmittel der Gläubigerin hat auch in der Sache Erfolg. Es führte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Dem Gerichtsvollzieher war aufzugeben, die Schuldnerin zur Abgabe der erneuten Vermögensauskunft nach § 802d ZPO zu laden. Die Voraussetzungen für eine erneute Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802d ZPO liegen vor. Denn die Gläubigerin hat eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse der Schuldnerin glaubhaft gemacht.
a) Die Annahme des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - Pforzheim, dass ein Schuldner innerhalb der Sperrfrist des § 802d Abs. 1 S. 1 ZPO die erneute (vollständige) Vermögensauskunft nur abzugeben hat, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners wesentlich geändert haben, ist nicht zu beanstanden. Der Zweck der Norm gebietet es, den unbestimmten Rechtsbegriff "wesentliche Veränderung" nicht nur im Hinblick auf die Lebenssituation des Schuldners zu konkretisieren, sondern auch und vor allem im Hinblick auf die Situation der Zwangsvollstreckung und auf das Interesse des Gläubigers, vollstreckungsrelevante Informationen zu erhalten. Daher ist das Adjektiv "wesentlich" als "vollstreckungswesentlich" zu deuten (Fleck in BeckOK ZPO, 32. E. (01.03.2019), ZPO, § 802d Rn. 5). Damit werden alle Fallgestaltungen erfasst, in denen Anhaltspunkte bestehen, dass sich das Vermögen bzw. die Vermögensverhältnisse des Schuldners - binnen der Sperrfrist - geändert haben. Praktisch relevant ist vor allem der Fall, dass sich das Vermögen des Schuldners vermehrt hat (Harnacke, DGVZ 2012, 197, 202). Erforderlich ist, dass der Gläubiger die Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen glaubhaft macht, § 294 ZPO (MüKoZPO/Wagner, 5. Aufl., Rn. 5).
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b) Bei Anwendung der vorgenannten Grundsätze ist die Schuldnerin zur Abgabe der erneuten Vermögensauskunft nach § 802d ZPO verpflichtet. Denn die Gläubigerin hat durch die Vorlage einer Lohnabrechnung der Schuldnerin für Dezember 2017 glaubhaft gemacht, dass die Schuldnerin geheiratet hat und die Steuerklasse 5 für die Versteuerung ihres Verdiensts aus einer Teilzeitbeschäftigung gewählt hat. Insbesondere aufgrund der Wahl der Steuerklasse 5 durch die Schuldnerin ist eine Veränderung ihrer Vermögensverhältnisse glaubhaft gemacht. Namentlich könnte ein bedingt pfändbarer Taschengeldanspruch der Schuldnerin gegen ihren Ehegatten gegeben sein (BGH, Beschluss vom 19. März 2004 - IXa ZB 57/03 -, zitiert nach juris)
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 574 Abs. 2 und 3 ZPO) sind nicht gegeben.
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Die Festsetzung des Beschwerdewerts ergibt sich aus § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG analog.

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