Beschluss vom Landgericht Kiel (13. Zivilkammer) - 13 T 124/11, 13 T 125/11, 13 T 202/11, 13 T 203/11

Tenor

Der angefochtene Beschluss vom 15.4. 2011 wird aufgehoben.

Der zugrundeliegende Antrag auf Anordnung des Beitritts der Gläubigerin zur Zwangsverwaltung wird zurückgewiesen.

Der angefochtene Beschluss vom 28.11. 2011 wird aufgehoben.

Der Beschluss vom 5.8. 2010 wird aufgehoben, der zugrundeliegende Antrag vom 3./4. 8.2010 wird zurückgewiesen.

Die Gläubigerin trägt die Kosten der vier Beschwerdeverfahren nach einem Wert von jeweils 50.000,00 €.

Die Rechtsbeschwerde wird in allen vier Beschwerdeangelegenheiten zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsverwaltung in die vorbezeichneten Grundstücke. Für einen Rechtsvorgänger wurde aufgrund notarieller Urkunde des Notars XXX in Kiel Nr. XXX eine Gesamtgrundschuld im Nennbetrag von 100.000,00 DM am 26.10.1990 in die vorbezeichneten Grundbücher „vollstreckbar nach § 800 ZPO“ eingetragen. In den Jahren 1990 und 1991 wurden darüber hinaus in die betreffenden Grundbücher die Gesamtrechte Abt. III Nr. 1, 3 und 5 eingetragen. Im Jahre 1995 wurde das Gesamtrecht Abt. 3 Nr. 15 auf Grund Bewilligung zur Urkunde 262/94 des Notars XXX in Kiel für den Rechtsvorgänger eingetragen. Im Jahre 2002 wurde zugunsten der Beteiligten ein Nießbrauch zu Lasten der vorbezeichneten Grundstücke in Abt. II Nr. 6 der Grundbücher eingetragen. Im Jahre 2009 wurden vor dem Notar XXX hinsichtlich der Grundbuchrechte Abt. III Nr. 1, 3 und 5 Unterwerfungserklärungen beurkundet und im Juli 2009 im Grundbuch eingetragen.

2

Die Schuldnerin hatte die in Rede stehende Liegenschaft im Februar 1992 an die Beteiligte verpachtet. Der Pachtvertrag läuft jedenfalls noch bis 2019. Auf Antrag der Gläubigerin wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Kiel vom 01.10.2008 gegen die Schuldnerin die Zwangsverwaltung aus dem jeweiligen Recht Abt. III Nr. 2 der Grundbücher angeordnet. Mit Beschluss vom 14.10.2009 in der Form der Berichtigungsbeschlüsse vom 05.11. und 12.11.2009 wurde auf Antrag der Gläubigerin deren Beitritt zum Zwangsverwaltungsverfahren aus den Rechten Abt. III Nr. 1, 3 und 5 des Grundbuchs gegen die Schuldnerin angeordnet. Rechtsbehelfe hiergegen führten schließlich zur Aufhebung des Beitritts aus den Rechten Abt. III Nr. 1, 3 und 5 und zu der Beschwerdeentscheidung, dass über die Anordnung des Verfahrens aus dem Recht III Nr. 2 durch das Amtsgericht erneut zu entscheiden sei (Beschwerdeentscheidung 13 T 127/10 und 13 T 132/10). Jedenfalls u.a. aufgrund durch das Amtsgericht angeregten erneuten Antrages der Gläubigerin vom 03.12.2010 ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 07.12.2010 die Zwangsverwaltung gegen die Schuldnerin aus dem Rechten Abt. III Nr. 2 des jeweiligen Grundbuchs in Form der Zulassung des Beitritts zu einem zwischenzeitlich durch Beschluss vom 05.08.2010 angeordneten Beitritts aus dem Recht Abt 3 Nr 15 der Grundbücher Verfahrens erneut an. Der Beschluss vom 07.12.2010 wurde mit der Auflage an das Vollstreckungsgericht aufgehoben, den Antrag vom 03.12.2010 erneut zu prüfen. Insoweit ging es u.a. um den Einwand der Schuldnerin und der Beteiligten, dass zum Zwecke der Durchführung einer Zwangsverwaltung gegen die Letztere ein Duldungstitel vorliegen müsse. In dem vorliegend angefochtenen Beschluss vom 15.04.2011 ordnete das Amtsgericht die Zulassung des Beitritts zur Zwangsverwaltung beider Grundstücke aus dem Recht Abt. III Nr. 2 der Grundbücher unbeschränkt auch gegen die Beteiligte an. Der Vollstreckungsgegenstand auf Blatt XXX ist nunmehr infolge Fortschreibung als Nr. 9 des Bestandsverzeichnisses gekennzeichnet. Ferner wurde zugrunde gelegt, dass eine Titelumschreibung gem. § 727 ZPO der ursprünglichen Grundschuldbestellungsurkunde aus dem Jahre 1990 gegen die Beteiligte die Vollstreckung auch gegen die Letztere ermögliche. Ferner liegt die Feststellung zugrunde, dass die Rechtsnachfolgeklausel zugestellt sei. Gegen diese Entscheidung richten sich die Beschwerden 13 T 124/11 und 13 T 125/11.

3

Schuldnerin und Beteiligte beantragen, den Beschluss vom 5.8. 2010 aufzuheben. Mit Beschluss vom 28.11. 2011 hat das Amtsgericht den Antrag der Schuldnerin zurückgewiesen. Dagegen richten sich die Beschwerden 13 T 202/11 und 13 T 203/11 der Schuldnerin und der Beteiligten.

II

4

Die Beschwerden sind gem. §§ 793, 567, 569 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

1)

5

Sie sind auch begründet, da die Zwangsverwaltung außer dem Titel gegen die Schuldnerin auch einen Duldungstitel gegen die Beteiligte erfordert und dieser Titel nicht dadurch erwirkt werden konnte, dass die Vollstreckungsunterwerfung aus der im Jahre 1990 beurkundeten Grundschuldbestellungsurkunde auf die Beteiligte gem. § 727 ZPO umgeschrieben wurde. Die Beteiligte ist nicht Rechtsnachfolgerin der Schuldnerin i.S. des § 727 ZPO. Die Kammer hat bereits in dem Beschwerdeverfahren 13 T 71/11 und 13 T 72/11 im Anschluss an BGH IXa ZB 45/03 vom 14. März 2003; IX ZR 119/06 = NJW 08, 1599; OLG Saarbrücken RPflG 93, 80 f; Wolfsteiner in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 1124 Rdnr. 21 die Auffassung vertreten, dass die, zumal unbeschränkte, Vollstreckung im Wege der Zwangsverwaltung eines Grundstücks, an welchem ein Nießbrauch besteht, einen gegen den Nießbraucher gerichteten, nicht nur umgeschriebenen Duldungstitel erfordert. Dies gilt unabhängig davon, dass das Nießbrauchsrecht der Beteiligten vorliegend später als die Grundschuld für die Gläubigerin in das Grundbuch eingetragen ist und somit gem. § 879 BGB ein Vorrangsverhältnis bestünde. Denn das Vorliegen des Erfordernisses eines Titels gegen den Nießbraucher besteht unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge der Grundbucheintragungen insbesondere auch im Falle eines nachrangig eingetragenen Nießbrauchsrechts (BGH IXa ZB 45/03). Das in dem vom BGH entschiedenen Fall eingetragene Nießbrauchsrecht war nach der Reihenfolge der Eintragungen zunächst vorrangig, hatte jedoch durch Rangrücktrittserklärung ausdrücklich Nachrang erhalten. Dass die Zwangsverwaltung auch gegen die Schuldnerin und Grundstückseigentümerin betrieben wird, von deren Eigentum das Nießbrauchsrecht in gewisser Weise abgeleitet ist, ändert daran nichts. Gemäß BGH IXa ZB 45/03 , Tz 11, erfordert eine solche Konstellation das Vorliegen eines Duldungstitels nicht allein gegen den Eigentümer , sondern auch gegen den Nießbraucher. Es findet in einem solchen Fall u.a. eine Erweiterung der Anzahl der Vollstreckungsschuldner statt und nicht eine normale Rechtsnachfolge. Die Position des hinzutretenden, besitzwilligen Nießbrauchers ist dabei eigenständig. Ihr Zurücktreten bedarf der Feststellung im Titelverfahren, nicht lediglich im Klauselverfahren. Der Nießbraucher ist auch nicht Rechtsnachfolger im Eigentum gemäß § 800 ZPO, so dass dahinstehen kann, welche Anforderungen an die Eintragung einer entsprechenden Vollstreckbarkeit im Grundbuch zu stellen sind.

6

Nach vorstehend angeführter Auffassung darf die unbeschränkt angeordnete Zwangsverwaltung wegen der Beeinträchtigung der Rechtsposition der Beteiligten nicht fortgesetzt werden. Diese Auffassung knüpft gesondert an die besitzrechtliche Position des Nießbrauchsberechtigten an, der die bloße Umschreibung eines Titels gem. § 727 ZPO nicht gerecht wird. Soweit die Gläubigerin bei ihrem Einwand geblieben sein sollte, dass die Beteiligte den von ihr unzweifelhaft ausgeübten unmittelbaren Besitz nicht aufgrund des Nießbrauchs ausübe, ist nicht ersichtlich, woran sie insoweit anknüpft. Die Beschwerden weisen zutreffend darauf hin, dass die Beteiligte sich bereits in dem Rechtsstreit 16 O 143/09 LG Kiel auf ihr Nießbrauchsrecht berufen habe. Dessen ungeachtet muss, dem Sinn der vorbezeichneten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerecht werdend, in jedem Fall ohnehin daran angeknüpft werden, ob bzw. dass der Nießbrauchsberechtigte jedenfalls für die Zukunft den Willen zum unmittelbaren Besitz bekundet und nicht erkennbar wird, dass er, aus welchem Grunde auch immer, diesen Besitzwillen ausschließlich auf Rechte aus einem auch vorliegenden schuldrechtlichen Verhältnis stützen will.

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Darauf, dass grundsätzlich i.S. des § 325 ZPO für die Frage der zeitlichen Reihenfolge innegehabter Rechtspositionen in den vorliegend in Rede stehenden Fällen an die Zeitpunkte der Errichtung von notariellen Urkunden angeknüpft werden kann, wenn ein Erkenntnisverfahren nicht zugrunde liegt, kann die Gläubigerin für sich nichts herleiten.

8

§ 325 ZPO knüpft an eine echte Rechtsnachfolge und nicht an eine Nachfolge in einen Rechtsausschnitt an, um die es sich bei der Begründung eines Nießbrauchsrechtes im Verhältnis zum Eigentumsrecht allenfalls handelt.

9

Dass beide Nutzungsrechte vorliegend in einer Person zusammenfallen, kann vorbehaltlich eines für den Zeitpunkt der Begründung des Nießbrauchs ersichtlichen Rechtsmissbrauchs nicht entscheidend sein. Letztlich kann deswegen auch die Zwangsversteigerung eines Grundstücks ohne Duldungstitel gegen den Nießbraucher nur deswegen angeordnet werden, weil sie dessen Nutzungsrecht nicht schmälert (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 29. Aufl. § 737 m.N. auf BGH NJW 2003, 2164, 2165 und Stöber, ZVG § 15 Rdnr. 26). Dass vorliegend, anders als in § 737 ZPO, der Nießbrauch nicht an einem Vermögen, sondern an einem einzelnen Vermögensgegenstand bestellt ist, kann somit für das Erfordernis eines Duldungstitels keinen Unterschied machen. Vielmehr liegt ein Fall abgeleiteten Besitzrechts vor, der für den Fall der Besitzbeeinträchtigung durch Vollstreckung, etwa ähnlich der Situation bei Räumung von Wohnraum, einen originären Titel erfordert.

2)

10

Aufgrund notarieller Urkunde vom 09.05.1994 (Urkunds-Nr. 262/94 Notar XXX) wurde Ende Januar 1995 in die vorstehend bezeichneten Grundbücher in Abt. III Nr. 15 eine Gesamtgrundschuld eingetragen, deren Abtretung an eine Vorläuferin der Gläubigerin im August 1998 eingetragen worden ist. Auf Antrag der Gläubigerin wurde deren Beitritt zum Zwangsverwaltungsverfahren aus diesem Recht durch Beschluss des Amtsgerichtes vom 05.08.2010 angeordnet. Gegen die Ablehnung der Aufhebung dieses Beschlusses durch Beschluss vom 28.11.2011 richten sich sie Beschwerden zu den Az 13 T 202/11 und 13 T 203/11. Auch hinsichtlich der notariellen Urkunde vom 09.05.1994 ist eine Rechtsnachfolgeklausel gem. § 727 ZPO erteilt worden und machen die Beschwerdeführerinnen geltend, dass ein Duldungstitel gegen die Beteiligte erforderlich sei, um die Zwangsverwaltung betreiben zu können.

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Die Rechtslage ist insoweit entsprechend den vorstehenden Ausführungen betreffend die Anordnung vom 15.4.2011 zu beurteilen. Die Grundlage der Zwangsverwaltung gemäß Beitrittsbeschluss vom 15.04.2011 ist in der Beitrittsanordnung vom 05.08.2010 zu sehen, die auf der Grundlage des Grundbuchrechts Abt. III Nr. 15 ergangen ist. Das Gericht nimmt diesbezüglich Bezug auf die Ausführungen in dem Beschluss vom 02. März 2011 zum Aktenzeichen: 13 T 8/11 zu 2. und 3. (Blatt 310 ff d.A.).

3)

12

Die Kostenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1 ZPO.

4)

13

Die Kammer erachtet erneut die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO für geboten, da ein erheblicher Teil der Rechtspraxis und der Rechtsprechung die Anordnung der Zwangsverwaltung trotz eingetragenen Nießbrauchs aufgrund einer Rechtsnachfolgeklausel gem. § 727 ZPO, teilweise eingeschränkt auf den Nießbraucher nicht beeinträchtigende Nutzungen, für zulässig hält. Es geht es um die Abgrenzung von prozessrechtlichen Konsequenzen einer von den einen angenommenen Rechtsnachfolge von der prozessualen Behandlung des Besitzrechts, welches sachen- und vollstreckungsrechtlich zum Eigentum nicht lediglich in einer abgeleiteten, minderen Wertigkeit steht.


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