Beschluss vom Landgericht Kleve - 4 T 152/16
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Emmerich vom 23.05.2016 wird abgeändert.
Auf die Erinnerung der Gläubigerin wird die Kostenrechnung der Obergerichtsvollzieherin W vom 04.02.2016 (DRII-0165/16) dahingehend geändert, dass Zustellungskosten in Höhe von 3,45 € nach Nr. 701 KV GvKostG nicht angesetzt werden.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Obergerichtsvollzieherin W hat der Gläubigerin in der verfahrensgegenständlichen Kostenrechnung nach Nr. 701 KV GvKostG Auslagen in Höhe von 3,45 € für die Zustellung der Eintragungsanordnung in das Schuldnerverzeichnis an den Schuldner in Rechnung gestellt. Dagegen hat sich die Gläubigerin mit ihrer Erinnerung vom 13.04.2016 gewandt, mit der sie beantragt hat, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, eine berichtigte Kostenrechnung nachzureichen und die ungerechtfertigt erhobenen Kosten für die Zustellung der Eintragungsanordnung: Zustellungsentgelt 3,45 € an die Gläubigerin zu erstatten. Die Staatskasse ist der Erinnerung entgegengetreten. Das Amtsgericht Emmerich hat die Erinnerung mit Beschluss vom 23.05.2016 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 23.06.2016 eingelegte Beschwerde der Vollstreckungsgläubigerin, mit der sie beantragt, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, eine berichtigte Kostenrechnung nachzureichen und die ungerechtfertigt erhobenen Kosten für die Zustellung der Eintragungsanordnung: Zustellungsentgelt 3,45 € an die Gläubigerin zu erstatten. Das Amtsgericht Emmerich hat der Beschwerde mit Beschluss vom 30.06.2016 nicht abgeholfen.
4II.
5Die gemäß §§ 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, 66 Abs. 2 S. 2 GKG aufgrund der Zulassung durch das Amtsgericht statthafte Beschwerde der Gläubigerin ist auch im Übrigen zulässig. Das Rechtsmittel ist trotz seiner Bezeichnung als „sofortige Beschwerde“ analog §§ 133, 157 BGB als Beschwerde im Sinne von §§ 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, 66 GKG auszulegen. Diese und nicht die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO ist selbst dann das statthafte Rechtsmittel gegen die Erinnerungsentscheidung im Hinblick auf den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers, wenn es sich dabei um Vollstreckungskosten handelt, da der Verweis des § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG auf § 766 Abs. 2 ZPO nur die Zuständigkeit für die Erinnerungsentscheidung regelt, nicht aber den Rechtsmittelweg (vgl. BGH, Beschluss vom 17.09.2014, Az.: I ZB 71/14, Juris-Rn. 4).
6Die Beschwerde ist in der Sache teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.
71.)
8Auf die gemäß §§ 5 Abs. 2 GvKostG, 766 Abs. 2 ZPO zulässige Erinnerung der Gläubigerin ist der Ansatz der Auslagen nach Nr. 701 KV GvKostG in Höhe von 3,45 € für die Zustellung der Eintragungsanordnung an den Schuldner aufzuheben.
9Die (Vollstreckungs-)Gläubigerin schuldet die Auslagen für die Zustellung der Anordnung der Eintragung ins Schuldnerverzeichnis an den (Vollstreckungs-) Schuldner gemäß § 882c Abs. 2 ZPO nicht nach § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GvKostG. Ihr Vollstreckungsauftrag umfasste die vorgenannte Eintragungsanordnung nicht. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 GvKostG umfasst der Auftrag eines Gläubigers alle Amtshandlungen des Gerichtsvollziehers, die zu seiner Durchführung erforderlich sind. Das Eintragungsverfahren in das Schuldnerverzeichnis ist aber kein Teil des vom Gläubiger beauftragten Vollstreckungsverfahrens, sondern ein amtliches Folgeverfahren aufgrund einer begonnenen oder durchgeführten Zwangsvollstreckungsmaßnahme, in dem sich die Parteistellung des Gläubigers gerade nicht fortsetzt (vgl. BGH NJW 2016, 876, 879). Anders als ein Erzwingungshaftverfahren nach § 802g Abs. 1 ZPO, das nur auf Antrag des Gläubigers eingeleitet wird, steht es nicht zur Disposition des Gläubigers, sondern wird gemäß § 882c Abs. 1 ZPO ausdrücklich „von Amts wegen“ durchgeführt. Das Eintragungsverfahren in das Schuldnerverzeichnis dient nicht dem Interesse des vollstreckenden Gläubigers, sondern dem Interesse der Allgemeinheit (BGH NJW 2016, 876, 878; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19.02.2016, Az.: 6 W 9/16 = BeckRS 2016, 10950). Das Schuldnerverzeichnis dient in erster Linie der Bonitätskontrolle und nicht der Zwangsvollstreckung des Gläubigers (OLG Koblenz MDR 2016, 423, 424; OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.06.2016, Az.: 8 W 189/16, Juris-Rn. 8). Dementsprechend handelt es sich bei der Zustellung nach § 882c Abs. 2 ZPO – was auch die Staatskasse vorliegend nicht in Abrede stellt – um eine Amts- und nicht um eine Parteizustellung, weil es deren Sinn und Zweck zuwiderliefe, wenn sie von einem Gläubigerauftrag abhinge (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.02.2015, Az.: I-10 W 16/15, Juris-Rn. 2).
10Damit wäre es unvereinbar, dem Vollstreckungsgläubiger über § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GvKostG hinaus nicht nur die Kosten des von ihm beauftragten Vollstreckungsverfahrens, sondern auch die des amtlichen Folgeverfahrens im Rahmen einer „Veranlasserhaftung“ aufzuerlegen (OLG Dresden, Beschluss vom 03.03.2016, Az.: 3 W 22/16 = BeckRS 2016, 05814, Rn. 4; OLG Koblenz MDR 2016, 423, 423/424; a. A. OLG Nürnberg, Beschluss vom 09.02.2015, Az.: 8 Wx 2651/14, zitiert nach Juris). Eine Rechtsgrundlage für ein solches „Sonderopfer“ des Vollstreckungsgläubigers zugunsten der Allgemeinheit ist nicht ersichtlich, zumal § 1 Abs. 1 GvKostG die Erhebung von Kosten ausdrücklich nur aufgrund des Gerichtsvollzieherkostengesetzes gestattet.
11Ob der (Vollstreckungs-)Schuldner die Auslagen für die Eintragungsanordnung der Staatskasse zu erstatten hat oder ob diese der Staatskasse zur Last fallen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Ein Kostenansatz gegenüber dem Schuldner ist nicht erfolgt und damit nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.
122.)
13Unbegründet ist die Beschwerde der Gläubigerin hingegen, soweit sie begehrt, die Obergerichtsvollzieherin anzuweisen, ihr die erhobenen Zustellungsauslagen in Höhe von 3,45 € zu erstatten. Die §§ 5 GvKostG, 66 GKG bieten keine Rechtsgrundlage für die Titulierung eines Rückforderungsanspruchs des Gläubigers durch das Erinnerungs- oder Beschwerdegericht (vgl. OLG Köln FGPrax 2006, 116 zur insoweit vergleichbaren Rechtslage bei der Betreuervergütung und Seggewiße/Weber DS 2015, 264, 266 zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach JVEG). Es fehlt an einer §§ 127, 90 Abs. 2 S. 1 GNotKG entsprechenden Vorschrift. Eine Rechtsgrundlage kann nicht aus § 49a VwVfG NRW hergeleitet werden, weil die Tätigkeit der ordentlichen Gerichte gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG NRW nicht in den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes fällt (vgl. Seggewiße/Weber DS 2015, 264, 266).
14Überdies ist die Obergerichtsvollzieherin für den insoweit geltendgemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht passivlegitimiert. Das GvKostG regelt nur das Rechtsverhältnis zwischen der Staatskasse und den Kostenschuldnern und nicht zwischen dem Gerichtsvollzieher und den Kostenschuldnern (Kessel in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 1. Aufl. 2014, § 1 GvKostG, Rn. 4). Kostengläubiger ist allein die Staatskasse (vgl. DB-GvKostG (zu § 1) Nr. 1). Dies gilt nicht nur für die erhobenen Gebühren, sondern auch für die erhobenen Auslagen (Kessel in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 1. Aufl. 2014, § 1 GvKostG, Rn. 4). Aus diesem Grunde ist der Gerichtsvollzieher auch kein „Gebührenbeamter“ im Sinne des § 1 Abs. 3 des preußischen „Gesetzes über die Haftung des Staates und anderer Verbände für Amtspflichtverletzungen von Beamten bei Ausübung der öffentlichen Gewalt“ vom 01.08.1909 (vgl. BGH NJW 2001, 434, 435; RGZ 88, 256, 258), das in Nordrhein-Westfalen als Landesrecht fortgilt. Dementsprechend räumt § 5 Abs. 2 S. 1 GvKostG nur dem Kostenschuldner und der Staatskasse die Erinnerungs- und Beschwerdebefugnis ein, nicht aber dem Gerichtsvollzieher selbst, der demgemäß auch grundsätzlich nicht am Verfahren über den Kostenansatz zu beteiligen ist. Dem Gerichtsvollzieher ist nur dann eine Verfahrensbeteiligung zuzugestehen, wenn und soweit ihm durch die gerichtliche Entscheidung ein unmittelbarer persönlicher oder wirtschaftlicher Nachteil entsteht (Kessel in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 1. Aufl. 2014, § 5 GvKostG, Rn. 16), etwa wenn ihm das Gericht die Kosten des Erinnerungsverfahrens auferlegt. Die Entscheidung über den Ansatz der Gerichtsvollzieherkosten betrifft keinen unmittelbaren, sondern nur einen mittelbaren wirtschaftlichen Nachteil des Gerichtsvollziehers (OLG Hamm, Beschluss vom 10.02.2015, Az.: 25 W 277/14 = BeckRS 2015, 05971; a.A.: OLG Düsseldorf NJW 1980, 1111, 1112; OLG Königsberg, Beschluss vom 13.06.1900 = OLGZ 1, 197, 198; Kammergericht, Beschluss vom 12.04.1902 = OLGZ 4, 364; offengelassen OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.02.2016, Az.: 14 W 1/16 = BeckRS 2016, 05460). Dass sich die Höhe der Vergütung des Gerichtsvollziehers gemäß § 1 GVVergVO NRW anteilig nach der Höhe der vereinnahmten Gerichtsvollziehergebühren bestimmt, führt nur zu einer mittelbaren Anknüpfung, die den Gerichtsvollzieher nicht selbst zum Kostengläubiger macht (OLG Hamm, Beschluss vom 10.02.2015, Az.: 25 W 277/14 = BeckRS 2015, 05971). Ist der Gerichtsvollzieher nicht selbst Kostengläubiger, ist er auch nicht der Erstattungsschuldner überzahlter Kosten.
153.)
16Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, 66 Abs. 8 GKG.
174.)
18Gemäß §§ 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, 66 Abs. 4 S. 1 GKG ist die weitere Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen. Bei einer Erinnerung gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers kommt niemals die Rechtsbeschwerde, sondern nur die weitere Beschwerde als dritter Rechtszug in Betracht (BGH, Beschluss vom 17.09.2014, Az.: I ZB 71/14, Juris-Rn. 4). Die Frage, ob der Vollstreckungsgläubiger die Auslagen für die Zustellung der Eintragungsanordnung in das Schuldnerverzeichnis an den Vollstreckungsschuldner zu tragen hat, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist obergerichtlich umstritten. Eine Entscheidung des für den hiesigen Sprengel zuständigen Oberlandesgerichts Düsseldorf liegt – soweit für die Kammer ersichtlich – noch nicht vor. Trotz des im Einzelfall regelmäßig geringfügigen Betrages handelt es sich angesichts der Vielzahl der auftretenden Fälle um eine volkswirtschaftlich bedeutsame Angelegenheit, worauf die Staatskasse in ihrer Stellungnahme vom 11.07.2016 zu Recht hingewiesen hat.
19Rechtsbehelfsbelehrung:
20Gegen diesen Beschluss ist die weitere Beschwerde statthaft. Sie ist bei dem Landgericht Kleve, Schloßberg 1 (Schwanenburg), 47533 Kleve, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
21(Unterschriften)
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Referenzen
- GvKostG § 5 Kostenansatz, Erinnerung, Beschwerde, Gehörsrüge 7x
- §§ 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, 66 Abs. 2 S. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- BGB § 157 Auslegung von Verträgen 1x
- §§ 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, 66 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 5 Mehrere Ansprüche 1x
- ZPO § 766 Erinnerung gegen Art und Weise der Zwangsvollstreckung 2x
- §§ 5 GvKostG, 66 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 127, 90 Abs. 2 S. 1 GNotKG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, 66 Abs. 8 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, 66 Abs. 4 S. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 793 Sofortige Beschwerde 1x
- VwVfG § 49a Erstattung, Verzinsung 1x
- GvKostG § 1 Geltungsbereich 3x
- § 1 GVVergVO 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 882c Eintragungsanordnung 3x
- GvKostG § 13 Kostenschuldner 2x
- GvKostG § 3 Auftrag 1x
- ZPO § 802g Erzwingungshaft 1x
- VwVfG § 2 Ausnahmen vom Anwendungsbereich 1x
- I ZB 71/14 2x (nicht zugeordnet)
- 6 W 9/16 1x (nicht zugeordnet)
- 8 W 189/16 1x (nicht zugeordnet)
- 10 W 16/15 1x (nicht zugeordnet)
- 3 W 22/16 1x (nicht zugeordnet)
- 8 Wx 2651/14 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 25 W 277/14 2x
- 14 W 1/16 1x (nicht zugeordnet)