Urteil vom Landessozialgericht NRW - L 11 SF 208/14 EK SO
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt eine Entschädigung aus Staatshaftungsrecht nach §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Er macht die unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens S 28 SO 538/10 Sozialgericht (SG) Düsseldorf geltend.
3In diesem Rechtsstreit hat der Kläger mit seiner am 15.11.2010 beim SG Düsseldorf erhobenen Klage die Gewährung der bewilligten Heizkosten als Zuschuss statt als Darlehen begehrt.
4Nach Eingang der Klageerwiderung (10.02.2011) und weiteren Schriftwechsel mit führte das SG am 16.09.2011 einen Erörterungstermin durch. Mit ausführlichem Richterbrief vom 19.09.2011 forderte das SG den Beklagten zur Abgabe eines Anerkenntnisses auf, was dieser mit Schreiben vom 25.10.2011 ablehnte. Nach weiterem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten erklärte der Klägerbevollmächtigte am 11.01.2012 (Eingang beim SG am 12.01.2012) sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
5Mit Schriftsatz vom 04.07.2012 verwies der Bevollmächtigte darauf, dass die Ehefrau des Klägers, die zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Beteiligte des Verfahrens war, am 00.03.2012 verstorben sei und bat um Sachstandmitteilung. Mit umfangreichem Richterbrief vom 11.07.2012 legte das SG den Beteiligten seine Rechtsauffassung dar und forderte den Beklagten neuerlich zu einem Anerkenntnis auf. Dem Bevollmächtigten des Klägers teilte es zugleich mit, dass ein zeitnaher Verhandlungstermin vorgesehen sei. Außerdem bat es um die Übersendung der Kopie einer Sterbeurkunde und einen aktuellen Klageantrag. Mit Schreiben vom 20.07.2012 legte der Klägerbevollmächtigte die Sterbeurkunde vor und teilte mit, dass die Erben in den Rechtsstreit einträten. Am 04.09.2012 erklärte der Beklagte, auch weiterhin nicht bereit zu sein, ein Anerkenntnis abzugeben. Mit Verfügung vom 12.09.2012 lud das SG die Sache zur mündlichen Verhandlung auf den 15.11.2012. Am 18.09.2012 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers den Termin zu verlegen. Mit Schreiben vom 01.12.2012, eingegangen bei Gericht am 03.12.2012, rügte er die Verfahrensdauer. Daraufhin wies ihn das SG darauf hin, dass er der mit Verfügung vom 11.07.2012 geäußerten Bitte, einen aktuellen Klageantrag zu stellen, nicht nachgekommen sei und die in den Rechtsstreit eintretenden Erben bislang nicht benannt habe. Hierauf übersandte der Bevollmächtigte des Klägers den Erbschein vom 04.12.2012 und benannte die Erben (Schriftsatz vom 11.12.2012). Das SG wandte sich hierauf neuerlich an den Beklagten und bat um nochmalige Prüfung, ob eine gütliche Einigung in Betracht komme (Verfügung vom 14.01.2013). Unter dem 31.01.2013 teilte der Beklagte mit, nicht bereit zu sein, die Forderung gänzlich niederzuschlagen, sich aber mit einer vergleichsweisen Lösung einverstanden erklären zu können. Mit Verfügung vom 18.02.2013 wurde die Sache auf den 07.03.2013 geladen. Das Verfahren endete im Termin durch Anerkenntnis.
6Am 06.06.2013 hat der Kläger die Entschädigungsklage erhoben. Er begehrt eine Entschädigung in Höhe von 5.600,00 EUR für die Gerichtsverfahren S 28 SO 537/10, S 28 538/10, S 28 SO 224/11 und S 28 SO 225/11. Da es in den Verfahren ausschließlich um die Entscheidung von Rechtsfragen gegangen sei, hätte das SG bereits nach dem Scheitern der gütlichen Einigung im Erörterungstermin um das Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bitten können. Alternativ hätte unverzüglich nach dem ergebnislosen Erörterungstermin Termin zur mündlichen Verhandlung angesetzt werden müssen. Die mündliche Verhandlung mit einem Abschluss aller vier Verfahren hätte also noch im Jahr 2011 erfolgen können, da ein dreimonatiger Vorlauf für die Anberaumung eines Verhandlungstermins angemessen sein dürfe. Deswegen begehre er eine Entschädigung für 14 Monate der Verzögerung jedes der Verfahren, und zwar von Januar 2012 bis Februar 2013. Die Verzögerung wöge schwer, weil jeweils Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch im Streit streitig gewesen seien. Er sei 1935 geboren und schwer krank. Die Gerichtsverfahren hätten ihn aufgrund seines Alters und seiner Gesundheit stark belastet. Wären die Verfahren ohne Verzögerung abgeschlossen worden, hätte dies auch seine Ehefrau noch erlebt. Insbesondere nach deren Tod habe er befürchtet, den Ausgang der Verfahren nicht mehr zu erleben und seinen Kindern aufgrund der nur darlehensweisen Gewährung der Grundsicherung Schulden, zumindest aber einen ungeklärten Rechtsstreit, zu hinterlassen. Die sechsmonatige Sperrfrist (§ 198 Abs. 5 Satz 1 GVG) sei keine Ausschlussfrist. Wenn ein Verfahren innerhalb von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge abgeschlossen werde, lasse dies den Entschädigungsanspruch nicht entfallen. Schließlich könne die Rüge erst erhoben werden, wenn die Verzögerung eingetreten sei. Eine möglicherweise verspätete Verzögerungsrüge sei unschädlich. Zur Frage, wann Anlass zur Besorgnis bestehe, dass ein Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werde, gebe es noch keine veröffentlichte Rechtsprechung. Aus Gründen anwaltlicher Vorsicht sei es deshalb geboten, die Verzögerungsrüge erst dann zu erheben, wenn ganz sicher sei, dass eine Verfahrensbeendigung in angemessener Frist nicht mehr zu erwarten sei. Die Übergangsvorschriften gemäß Art. 23 Satz 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) seien auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Bei Inkrafttreten des ÜGG am 02.12.2011 seien die Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG nicht gegeben gewesen. Auch nach der nach Erhebung der Verzögerungsrüge habe eine Verzögerung vorgelegen. Obwohl alle vier Verfahren bereits seit langem entscheidungsreif gewesen wären, seien sie erst drei Monate nach Eingang der Verzögerungsrügen abgeschlossen worden. Von einem unverzüglichen Abschluss der Verfahren nach Rüge könne deshalb nicht die Rede sein. Im Übrigen werde eine bereits eingetretene Verzögerung durch die Erhebung der Rüge nicht geheilt.
7Der Kläger beantragt,
8den Beklagten zu verurteilen, ihm angemessene Entschädigung wegen überlanger Dauer des Gerichtsverfahrens S 28 SO 538/10 Sozialgericht Düsseldorf zu zahlen.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Er hält die Klage für unzulässig, jedenfalls für unbegründet. Die Klagen seien vor Ablauf der Frist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge abschließend bearbeitet worden. Die in § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG normierte Frist solle nach der Gesetzesbegründung dem Gericht des Ausgangsverfahrens hinreichend Zeit geben, auf die Verzögerungsrüge zu reagieren und das Verfahren so zu fördern, dass es in angemessener Zeit beendet werden könne. Eine Entschädigung für die behauptete Verzögerung der vier Klageverfahren in der Zeit vor Erhebung seiner Verzögerungsrügen am 03.12.2012 könne der Kläger nicht verlangen. Er habe die Rüge in allen vier Verfahren nicht "unverzüglich" (Art. 23 Satz 2 ÜGG), sondern erst am 03.12.2012, also ein Jahr nach Inkrafttreten des ÜGG erhoben. Werde ein Rüge nicht unverzüglich erhoben, entfalle der Entschädigungsanspruch, sofern und soweit die Verzögerung vor Rügeerhebung eingetreten sei. Soweit der Kläger vortrage, am 03.12.2011 habe noch kein Anlass zur Besorgnis bestanden, dass die Verfahren nicht angemessener Zeit abgeschlossen würden, sei dem entgegenzuhalten, dass die Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 2 ÜGG Verfahren voraussetze, "die bei seinem Inkrafttreten schon verzögert sind". Unterstelle man zugunsten des Klägers, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, habe seine Rechtsverfolgung gleichwohl keine Aussicht auf Erfolg. Die Verzögerungsrüge könne nicht erst dann erhoben werden, wenn sich im Verfahren die Möglichkeit der Verzögerung zur Gewissheit verdichtet habe und feststehe, dass ein Verfahrensabschluss in angemessener Zeit nicht mehr möglich sei. Eine solche Rüge komme zu spät und könne ihre Warnfunktion nicht mehr voll entfalten. Das Verhalten des Klägers stelle sich daher bei Würdigung der Gesamtumstände eher als "Dulde und liquidiere" dar.
12Mit Beschluss vom 12.04.2014 hat der Senat die Entschädigungsklagen in vier Verfahren getrennt.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und Akte des Ausgangsverfahrens S 28 SO 538/10 SG Düsseldorf Bezug genommen. Diese war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
14Entscheidungsgründe:
15Die statthafte und im übrigen zulässige Klage (nachfolgend I.) ist nicht begründet (nachfolgend II.). Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Entschädigung wegen einer unangemessenen Dauer des Verfahrens S 28 SO 538/10.
16I. Für eine Entschädigungsklage wegen unangemessener Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens sind § 198 Abs. 1 GVG sowie die §§ 183, 197a und 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 03.12.2011 geltenden Fassung durch das ÜGG vom 24.11.2011 (BGBl. I 2302), zuletzt geändert durch das Gesetz über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06.12.2011 (BGBl. I 2554), maßgebend.
17Davon ausgehend gilt:
181. Nach Art. 23 Satz 1 ÜGG gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die - wie vorliegend - bei Inkrafttreten am 03.12.2011 bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist oder noch werden kann.
192. Für die Entscheidung über die Klage ist das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen zuständig. Nach § 200 Satz 1 GVG haftet das Land für Nachteile, die auf Grund von Verzögerungen bei Gerichten des Landes eingetreten sind. Für Klagen auf Entschädigung gegen das Land ist nach § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG das Oberlandesgericht (OLG) zuständig, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Für sozialgerichtliche Verfahren ergänzt § 202 Satz 2 SGG diese Regelung dahin, dass die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198 - 201 GVG) u.a. mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass an die Stelle des OLG das LSG und an die Stelle der Zivilprozessordnung (ZPO) das SGG tritt.
20Daraus folgt die Zuständigkeit des LSG Nordrhein-Westfalen; das streitgegenständliche Verfahren S 28 SO 538/10 wurde im Bezirk des LSG Nordrhein-Westfalen geführt.
213. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft (hierzu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.05.2014 - L 2 SF 3228/13 EK -).
224. Die Klage ist auch zulässig, soweit der Kläger eine Verzögerung für die Zeit ab Erhebung der Verzögerungsrüge am 03.12.2012 bis zum Abschluss des Verfahrens S 28 SO 538/10 am 07.03.2013 rügt. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass das Ausgangsverfahren innerhalb von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge abgeschlossen wurde. Nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG kann eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Hieraus leitet das OLG Celle (Beschluss vom 17.12.2013 - 23 SchH 6/13 -) her: Die Verzögerungsrüge diene als Vorwarnung, die das Gericht zur Prüfung hinsichtlich einer zügigen Bearbeitung veranlassen solle, um anderenfalls entstehende Entschädigungsansprüche gegen das Land zu vermeiden. Werde das Verfahren nach Klageerhebung in angemessener Weise beschleunigt und abgeschlossen, schieden Ansprüche nach §§ 198 ff. GVG aus. Indem der Gesetzgeber die zulässige Erhebung einer Klage nach § 198 GVG unabhängig vom Verfahrensgegenstand und der bisherigen Dauer des Verfahrens von einem weiteren Zuwarten von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge abhängig gemacht habe, könne daraus nur der Schluss gezogen werden, dass dies den Zeitraum bestimme, in dem der Abschluss eines Verfahrens als angemessen anzusehen sei.
23Der Senat folgt dem nicht. Bei einer solchen Auslegung bliebe offen, was mit der Entschädigung von bis dahin eingetretenen Nachteilen ist und ob diese dann erlöschen (vgl. Burhoff, StRR 2014, 119). Die Vorschrift des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG daher so auszulegen, dass die darin genannte Frist nur für Verfahren gilt, bei denen das Ausgangsverfahren noch nicht abgeschlossen ist (Marx, in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 2013, § 198 Rdn. 150; Schenke, NVwZ 2012, 257 ff., 263; Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 Rdn. 246). Die Einhaltung der Wartefrist ist nach ihrem Zweck, einen beschleunigten Abschluss des Verfahrens zu ermöglichen, nicht mehr erforderlich, wenn das Ausgangsverfahren mittlerweile in der oder den Instanzen abgeschlossen ist, auf deren Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird (Marx, a.a.O.; Wehrhahn SGb 2013, 61, 65; vgl. auch Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.02.2013 - OVG 3 A 6.12 -). Ohne teleologische Reduktion des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ergäbe sich zudem eine sachlich nicht gerechtfertigte und damit unverhältnismäßige Einschränkung des durch Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 6 Abs. 1, 13 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gebotenen effektiven Rechtsschutz (Schenke, a.a.O.). Eine dermaßen restriktive Auslegung ist auch vor dem Hintergrund der Frage, ob und inwieweit das Haftungssystem der §§ 198 ff. GVG einen effektiven Rechtsbehelf i.S.d. Art. 13 EMRK darstellt, nicht angezeigt. Das gilt umso mehr, als die Anwendung der §§ 198 ff. GVG durch die Entschädigungsgerichte der Beobachtung des EGMR unterliegt. Der Gerichtshof hat das Haftungssystem der §§ 198 ff. GVG zwar als effektiv i.S.d. Art. 13 EMRK bewertet, indessen hinzugefügt, dass "die Position des Gerichtshofs ( ) jedoch in der Zukunft der Überprüfung unterliegen (kann), was insbesondere von der Fähigkeit der innerstaatlichen Gerichte abhängen wird, im Hinblick auf das Rechtsschutzgesetz eine konsistente und den Erfordernissen der Konvention entsprechende Rechtsprechung zu etablieren." (Urteil vom 29.05.2012 - 53126/07 - (Taron/Deutschland)).
24Allerdings ist die Klage - sowohl hinsichtlich dieses Zeitraums als auch hinsichtlich des Zeitraums vor Erhebung der Verzögerungsrüge am 03.12.2012 - unbegründet, so dass die aufgeworfene Rechtsfrage letztlich dahinstehen kann.
25II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung. Das Ausgangsverfahren hat nicht unangemessen gedauert (nachfolgend 1.), im Übrigen ist seine Verzögerungsrüge unwirksam (nachfolgend 2.).
261. Haftungsauslösend ist eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 SGG). Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten des Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG).
27a) Feste Zeitvorgaben sind mit § 198 GVG nicht vereinbar. Die Vorschrift verbietet es nachgerade, die Angemessenheit der Verfahrensdauer mit Hilfe von Orientierungs- oder Richtwerten für die Laufzeit gerichtlicher Verfahren zu ermitteln, und zwar unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme, Erfahrungswerten oder auf statistisch basierten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen (hierzu Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 13.03.2014 - III ZR 91/13 -; Urteil vom 05.12.2013 - II ZR 73/13 -; Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 07.11.2013 - X K 13/12 -; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 11.07.2013 - 5 C 27/12 D -; Urteil vom 11.07.2013 - 5 C 23/12 D -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2013 - L 37 SF 82/12 EK R -; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.12.2013 - 23 SchH 2/13 EntV; LSG Thüringen, Urteil vom 18.06.2013 - L 3 SF 1149/12 EK -; Urteil vom 18.06.2013 - L 3 SF 1759/12 EK -; Urteil vom 18.06.2013 - L 3 SF 1147/12 EK -). Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut, nach der sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer "nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter" richtet, folgt überdies aus der Gesetzesbegründung, wonach eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist (BT-Drucks. 17/3802, S. 18; insoweit unzutreffend BSG, Urteil vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL -). Auch die als Auslegungshilfe mit Orientierungsfunktion heranzuziehende Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK (hierzu Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -) lässt nicht ansatzweise den Schluss zu, der Gerichtshof habe feste Vorgaben entwickelt. Das Gegenteil ist der Fall. Jeder Sachverhalt wird auf der Grundlage der immer wiederkehrenden Eingangsformel
28"Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer im Lichte der Umstände der Rechtssache sowie unter Berücksichtigung folgender Kriterien zu beurteilen ist: Komplexität der Rechtssache, Verhalten des Beschwerdeführers sowie der zuständigen Behörden und Bedeutung des Rechtsstreits für den Beschwerdeführer (siehe u.v.a. Frydlender./. Frankreich [GK], IndividualbeschwerdeNr. 30979/96, Rdnr. 43, ECHR 2000-VII)."
29einer individuellen Betrachtung unterzogen (z.B. EGMR, Urteil vom 13.10.2011 - 37264/06 - (Mianowicz/Deutschland); Urteil vom 22.09.2011 - 28348/09 - (Otto/Deutschland); Urteil vom 07.06.2011 - 277/05 - (S.T.S./Niederlande)). Es gibt weder eine feste zeitliche Grenze noch hat der EGMR eine allgemeine Höchstdauer für Verfahren einer bestimmten Art definiert (vgl. Mayer-Ladewig, EMRK, 3. Auflage, 2011, Art 6. Rdn. 199; Meyer, in Karpenstein/Mayer, EMRK, 2012, Art. 6 Rdn. 76). So hat der EGMR eine Verfahrensdauer von zwölf Jahren und sieben Monaten durch mehrere Instanzen einschließlich des Kosten- und Vollstreckungsverfahrens unter Berücksichtigung der Komplexität der Sach- und Rechtslage und des Verhaltens des Beschwerdeführers als angemessen bewertet (EGMR, Urteil vom 04.02.2010 - 13791/06 - (Gromzig/Deutschland)).
30§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt deshalb nur beispielhaft ("insbesondere") solche Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind (BT-Drucks. 17/3802, S. 18), nämlich die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Zu beachten ist bei der Bewertung eines Zeitraums als unangemessen i.S.d. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG überdies, dass u.a. für eine Meinungsbildung des angerufenen Gerichts erforderliche Zeiten nicht als entschädigungsrelevante Verzögerung zu berücksichtigen sind (BSG, Urteil vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL -; Senat, Beschluss vom 21.08.2014 - L 11 SF 211/14 EK - AL). Gleichermaßen besteht auch kein Anspruch darauf, dass ein Rechtsstreit, auch wenn er entscheidungsreif ist, sofort bzw. unverzüglich vom Gericht entschieden wird. Das Land als verantwortlicher Justizgewährträger ist nicht verpflichtet, so große Gerichtskapazitäten vorzuhalten, dass jedes anhängige Verfahren sofort und ausschließlich von einem Richter bearbeitet werden kann. Vielmehr muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Verfahren zu bearbeiten hat. Insofern ist ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten (BSG, Urteil vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL -; Senat, Beschluss vom 21.08.2014 - L 11 SF 211/14 EK - AL). Die Verfahrensdauer ist demnach als unangemessen anzusehen, wenn eine Abwägung aller Umstände ergibt, dass die aus den §§ 198 ff. GVG folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, verletzt ist (OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25.07.2012, Urteil vom 25.07.2012 - 7 KE 1/11 -)
31b) Eine solche Pflichtverletzung des haftenden Landes (Haftungssubjekt) vermag der Senat nicht festzustellen. Das Ausgangsverfahren hat nicht unangemessen gedauert.
32Bis zur Mitteilung des Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündlichen Verhandlung durch den Kläger im Januar 2012 ist das Verfahren systematisch und zielgerichtet vom SG betrieben worden, indem es die Beteiligten wiederholt zur Stellungnahme zu gegnerischen Schriftsätzen aufgefordert hat. Eine Lücke ist für den Zeitraum vom 09.02.2012 bis zum 11.07.2012 (Richterbrief) zu vermerken. Unter dem 08.02.2012 verfügte die Kammervorsitzende die Weiterleitung eines Schreibens des Beklagten vom 01.02.2012 an den Klägerbevollmächtigten "z.K." (= zur Kenntnis) und als Wiedervorlage "z.Fr." (= zur Frist). Die Geschäftsstelle führte dies am 09.02.2012 aus. Am 21.02.2012 verfügte die Kammervorsitzende zum "VT" (= Verhandlungstermin)t. Auf die Sachstandanfrage vom 04.07.2012 reagierte das SG mit umfangreichem Richterbrief vom 11.07.2012. Am 12.09.2012 hat das SG den Rechtsstreit insoweit für entscheidungsreif gehalten, als es Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 15.11.2002 bestimmte und die Beteiligten hierzu lud. Dieser Termin wurde am 20.09.2012 aufgrund des Verlegungsantrags des Klägerbevollmächtigten vom 18.09.2012 aufgehoben. Es schloss sich weiterer Schriftverkehr an. Das SG verwies darauf, dass der Klageantrag zu aktualisieren und die Erben zu benennen seien (Verfügung vom 03.12.2012). Nach entsprechenden Erklärungen des Klägerbevollmächtigen (Schriftsatz vom 11.12.2012) und weiterem Schriftwechsel bestimmte das SG mit Verfügung vom 18.02.2013 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 07.03.2013.
33Im Ergebnis ist also lediglich für knapp fünf Monate - Februar 2012 bis Juli 2012 - ein rein rechnerischer Stillstand des Verfahrens zu vermerken. Dieser erweist sich vorliegend als nicht entschädigungspflichtig. Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BGH, Urteil vom 05.12.2013 - III ZR 73/13 - ). Allzu "kleinteilige" Überlegungen sind bei der Bemessung der (noch) akzeptablen Verfahrensdauer verfehlt. Für die Anwendung eines eher größeren Zeitrahmens spricht auch, dass § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG die Entschädigungspauschale von 1.200 EUR für immaterielle Nachteile lediglich als Jahresbetrag ausweist und die Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG frühestens nach einem halben Jahr wiederholt werden kann. Bei geringfügigen Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, die gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht fallen, werden eine Geldentschädigung oder sonstige Wiedergutmachung daher regelmäßig nicht in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 13.02.2014 - III ZR 311/13, siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14.12.2010 - 1 BvR 404/10 -; Steinbeiß-Winkelmann/Sporrer, NJW 2014, 177, 182). So liegt es hier. "Rechnerische" Wartezeiten von knapp fünf Monaten sind den Verfahrensbeteiligten (vorliegend) zumutbar.
34Unerheblich ist, ob das SG das Verfahren aus Sicht ex-post (hierzu BT-Drucks.17/3802, S. 18) optimal gefördert hat. Es ist nicht die Aufgabe des Entschädigungsgerichts, jede richterliche Verfahrenshandlung darauf zu überprüfen, ob und inwieweit sie sich ex-post als verfahrensfördernd oder -hemmend darstellt. Anspruchsauslösend sind vom Haftungssubjekt zu vertretenes Systemversagen und/oder strukturelle Defizite (zutreffend LSG Hessen, Urteil vom 06.02.2013 - L 6 SF 6/12 EK U -; hierzu auch LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22.07.2014 - L 12 SF 47/13 EK U WA - zu strukturellen Defiziten der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Mecklenburg-Vorpommern), nicht aber etwaige richterliche Pflichtwidrigkeiten (hierzu BT- Drucks. 17/3802, S. 19). Schon im Ansatz verfehlt sind daher Überlegungen danach, richterliche Verfahrensgestaltung auf "Vertretbarkeit" mit der Folge zu prüfen ist, dass eine nicht vertretbare Maßnahme entschädigungsrelevant ist. Abgesehen davon, dass sich insoweit eine Kollisionslage mit Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und § 26 Deutsches Richtergesetz (DRiG) ergeben kann (hierzu mit Blick auf die Untätigkeitsbeschwerde Bäcker, EuGRZ 2011, 222, 224 und Kroppenberg, ZZP 119 (2006), 177, 196 f.; zum weiten richterlichen Gestaltungsspielraum siehe auch BGH, Urteil vom 13.03.2014 - III ZR 91/13 -), verkennen die eine schlichte Vertretbarkeitsprüfung präferierenden Entscheidungen (z.B. OLG Brandenburg, Beschluss vom 04.12.2013 - 11 EK 4/13 (PKH) -; OLG Frankfurt, Urteil vom 10.07.2013 - 4 EntV 3/13 -, nachgehend BGH, Urteil vom 10.04.2014 - III ZR 335/13 -) Sinn- und Zweck der §§ 198 ff. GVG. Im Gegensatz zum Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB) knüpft der Entschädigungsanspruch des § 198 GVG nicht an Handlungs- sondern an Erfolgs"unrecht" an. Damit verbietet sich jede Prüfung richterlicher Verfahrensgestaltung dahin, ob sie (noch) vertretbar ist. Im Übrigen werden die vom BGH entwickelten Vertretbarkeitsmaßstäbe verkannt. Mitnichten prüft der BGH richterliche Verfahrenshandlungen auf "schlichte" Vertretbarkeit. Die vom BGH verwendete Formel lautet vielmehr:
35"Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen ( ). Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, juris Rn. 30)."
36Diese qualifizierte Vertretbarkeitskontrolle ( "nicht mehr verständlich") ist ein offenkundiges aliud zur gelegentlich vorausgesetzten schlichten Vertretbarkeitsprüfung. Ein "nicht mehr verständliches Verhalten" des SG hat der Kläger nicht aufgezeigt (zur Substantiierung des Klagevorbringens siehe auch OLG Köln, Urteil vom 21.03.2013 - 7 SchH 5/12 -); es liegt auch - offenkundig - nicht vor.
372. Der Anspruch scheitert auch daran, dass die Verzögerungsrüge nicht wirksam ist.
38a) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge darauf hinweisen. Andernfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge (§ 198 Abs. 3 GVG). Die Verzögerungsrüge ist materielle Anspruchsvoraussetzung (BFH, Urteil vom 07.11.2013 - X K 13/12 -; BSG, Beschluss vom 27.06.2013 - B 10 ÜG 9/13 B -; LSG Thüringen, Urteil vom 26.11.2013 - L 3 SF 1135/12 EK -; LSG Bayern, Urteil vom 20.06.2013 - L 8 SF 134/12 EK -), kombiniert mit Elementen einer Prozesshandlung (BFH, Urteil vom 07.11.2013 - X K 13/12 -). Ohne wirksame Verzögerungsrüge entsteht der Entschädigungsanspruch nicht.
39b) Nach Art. 23 ÜGG gilt für anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.12.2011 schon verzögert sind, § 198 Abs. 3 GVG mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss. In diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum. Mittels der Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird "unverzüglich" durch "ohne schuldhaftes Zögern" präzisiert. Die Gesetzesbegründung zum ÜGG legt es nahe, diese allgemeine Bestimmung auch im vorliegenden Zusammenhang heranzuziehen (vgl. BT-Drucks 17/3802, S 31). Damit gehört zum Begriff der Unverzüglichkeit ein nach den Umständen des Falles beschleunigtes Handeln, das dem Interesse des Empfängers der betreffenden Erklärung an der gebotenen Klarstellung Rechnung trägt. Demnach ist "unverzüglich" nicht gleichbedeutend mit "sofort". Vielmehr ist dem Verfahrensbeteiligten eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen, ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren muss (BSG, Beschluss vom 27.06.2013 - B 10 ÜG 9/13 B - m.w.N.). Bei der Bemessung der angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des Gesetzes zu beachten, durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird. Hinzu kommt, dass das Gesetz nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 ÜGG). Davon ausgehend ist der Begriff der Unverzüglichkeit in Art. 23 Satz 2 ÜGG weit zu verstehen; eine zu kurze, wirksamen Rechtsschutz in Frage stellende Frist wäre mit den Erfordernissen eines effektiven Menschenrechtsschutzes nur schwer vereinbar. Der Senat hält deshalb in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 07.11.2013 - X K 13/12 -) und des BGH (Urteil vom 10.04.2014- III ZR 335/13 -) eine Drei-Monats-Frist für erforderlich, um den Anforderungen des Art. 13 EMRK zu entsprechen, aber auch für ausreichend, damit Betroffene in allen Fällen prüfen können, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist (Senat, Beschluss vom 30.06.2014 - L 11 SF 364/12 VE AS -).
40c) Die Rüge des Klägers ist am 03.12.2012 beim SG eingegangen. Das war, gemessen am Zeitraum von drei Monaten nach Inkrafttreten des ÜGG, nicht unverzüglich. Dennoch ist der Anspruch nicht präkludiert (hierzu BFH, Urteil vom 20.08.2014 - X K 9/13 -; BGH, Urteile vom 17.07.2014 - III ZR 228/13 - und 10.04.2014 - III ZR 335/13 -). Es liegt kein Fall des Art. 23 ÜGG vor. Weder begehrt der Kläger eine Entschädigung für ein bereits bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.12.2011 schon verzögertes Verfahren noch hat er geltend gemacht, dass das Verfahren am 03.12.2011 schon verzögert war. Er ist vielmehr der Auffassung, dass das Verfahren im Dezember 2012 zum Abschluss hätte gebracht werden können, so dass eine Verzögerung erst ab Januar 2012 eingetreten sei. Auch zur Überzeugung des Senats war das Ausgangsverfahren am 03.12.2011 nicht verzögert. Eine Verzögerungsrüge nach Übergangsrecht war damit entbehrlich.
41d) Für den Zeitraum ab Inkrafttreten des ÜGG hat der Kläger keine wirksame Verzögerungsrüge erhoben. Wird die Rüge zur Unzeit erhoben, ist der Anspruch nicht begründet und die Klage abzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 17.07.2014 - III ZR 228/13 -). Die Gesetzesbegründung formuliert, dass die Rüge "ins Leere" gehe (BT-Drucks. 17/3802, S. 20). Sie ist damit endgültig unwirksam und wird auch dann nicht wirksam, wenn tatsächlich eine unangemessene Verfahrensdauer eintritt (vgl. auch Senat, Beschluss vom 04.12.2013 - L 11 SF 398/13 EK AS -).
42Die Rüge war deplaziert. Am 03.12.2012 bestand "bei vernünftiger Betrachtung" (Steinbeiß-Winkelmann/Ott, a.a.O., 198 GVG, Rdn. 187) nicht einmal im Ansatz ein Anhaltspunkt für die Besorgnis, dass das Gerichtsverfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden würde, zumal das SG zu diesem Zeitpunkt bereits einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und damit zum Ausdruck gebracht hatte, dass das Verfahren einem Ende zuführen zu wollen. Der Kläger übersieht, dass das Verfahren nach der Durchführung des Erörterungstermins im September 2011 nicht schon im selben Jahr hätte abgeschlossen werden müssen.
433. Offen bleiben kann damit, ob in den Fällen des § 198 GVG auch eine Entschädigung für Zeiten vor Erhebung der Verzögerungsrüge in Betracht kommt (so Roderfeld, in Marx/Roderfeld, a.a.O., § 198 Rdn. 96, 135; Ott, in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, a.a.O., § 198 Rdn. 194 ).
44III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 VwGO.
45Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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