Urteil vom Landessozialgericht für das Saarland - L 1 RA 65/02

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 18.10.2002 wird zurückgewiesen, soweit darin der Bescheid der Beklagten vom 17.01.2002 aufgehoben wurde.

Unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts für das Saarland vom 18.10.2002 hat die Beklagte die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Klage- und Berufungsverfahren auf jeweils 4.923,22 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger für die Zeit von 16.01.1984 bis 25.11.1986 zugunsten des Beigeladenen Nachversicherungsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung an die Beklagte zu entrichten hat.

Der 1955 geborene Beigeladene wurde nach Bestehen der ersten juristischen Staatsprüfung am 16.01.1984 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Gerichtsreferendar ernannt und schied mit Bestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung am 25.11.1986 ohne Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung aus dem Beamtenverhältnis beim Kläger aus. In der Folgezeit war er als Angestellter tätig. Nach Eingang der Mitteilung über das Ausscheiden des Beigeladenen aus dem Beamtenverhältnis erfolgte im Mai 1988 bei der Oberfinanzdirektion S. (jetzt: Landesamt für Finanzen) – Zentrale Besoldungs- und Versorgungsstelle (ZBS) – die Löschung des Personalfalles des Beigeladenen in der elektronischen Datenverarbeitung.

Im Rahmen eines vom Beigeladenen im Januar 2001 beantragten Kontenklärungsverfahrens forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 09.05.2001 – eingegangen beim Landesamt für Finanzen am 02.11.2001 – unter Hinweis auf § 185 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) auf, bezüglich der versicherungsfreien Beschäftigung des Beigeladenen als Gerichtsreferendar die Nachversicherungsbeiträge zu berechnen und den Gesamtbetrag der Beiträge an sie zu überweisen sowie eine Nachversicherungsbescheinigung an sie und den Beigeladenen zu übersenden. Demgegenüber machte der Kläger durch Schreiben vom 06.11.2001 die Einrede der Verjährung geltend und gab an, eine Nachversicherung nicht mehr durchzuführen. Auf entsprechende Anfrage teilte der Kläger der Beklagten unter dem 04.12.2001 mit, der Beigeladene habe folgende Dienstbezüge erhalten:

16.01.1984 – 31.12.1984 12.725,72 DM 01.01.1985 – 31.12.1985 9.683,51 DM 01.01.1986 – 25.11.1986 9.461,79 DM

Aufgrund dieser Dienstbezüge errechnete die Beklagte für die Zeit vom 16.01.1984 bis 25.11.1986 einen Nachversicherungsgesamtbeitrag von 9.628,98 DM (4.923,22 Euro). Mit Bescheid vom 17.01.2002 setzte die Beklagte diesen Gesamtbeitrag fest und forderte ihn vom Kläger an.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht für das Saarland (SG) hat der Kläger geltend gemacht, der Anspruch der Beklagten auf Nachversicherungsbeiträge sei vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge fällig geworden seien, verjährt. Die längere 30-jährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 des Vierten Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV), die nur bei absichtlicher Hinterziehung von Beiträgen gelte, greife hier nicht ein. Nach dem Ausscheiden des Beigeladenen aus dem Beamtenverhältnis im Jahre 1986 habe zwar der zuständige Sachbearbeiter beim Landesamt für Finanzen den Fall fehlerhaft behandelt. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Beigeladenen im Jahre 1986 habe über die Höhe der Besoldung noch nicht entschieden werden können, weil der Beigeladene Nebeneinkünfte erzielt habe, die zu berücksichtigen gewesen seien. Gleichzeitig habe noch eine Stundung wegen Rückforderung von Dienstbezügen bestanden. Die Sache sei dann 1987 vom Sachbearbeiter irrtümlich abgeschlossen worden. Dabei habe er übersehen, dass eine Nachversicherung noch nicht durchgeführt worden sei. Er habe aber damit nicht vorsätzlich Beiträge der Beklagten vorenthalten, sondern lediglich in Unkenntnis über die rechtlichen Vorschriften zur Durchführung der Nachversicherung gehandelt. Eine spezielle Dienstanweisung zur Durchführung bzw. Aufschub einer Nachversicherung von ausgeschiedenen Beamten habe nicht bestanden.

Die Beklagte hat dem entgegen gehalten, der Anspruch auf die Nachversicherungsbeiträge sei vorliegend nicht verjährt. Es finde nämlich die 30-jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV Anwendung, da die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden seien. Hierfür reiche es aus, wenn der Beitragsschuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten habe, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe. Im vorliegenden Fall seien die Nachversicherungsbeiträge mangels Aufschubgrund am 26.11.1986 fällig geworden. Jeder Personalsachbearbeiter eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn hätte den Eintritt der Fälligkeit der Beiträge beurteilen und erkennen müssen. Die insoweit offensichtliche Amtspflichtverletzung seines zuständigen Mitarbeiters entbinde den Kläger nicht von seinen Pflichten gegenüber der Versichertengemeinschaft und dem Beigeladenen, so dass von einem vorsätzlichen Vorenthalten der Beiträge auszugehen sei.

Durch Urteil vom 18.10.2002 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 17.01.2002 aufgehoben sowie der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt und dazu ausgeführt, die Klage sei zulässig. Eines Vorverfahrens habe es gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht bedurft. Die Klage sei auch begründet. Der Beigeladene sei zwar auch nach Auffassung des Klägers von diesem nachzuversichern. Der Durchsetzung dieses Anspruchs stehe hier jedoch entgegen, dass der Kläger die Einrede der Verjährung erhoben habe. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjährten Ansprüche auf Beiträge in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Diese 4 Jahre seien auch nach Auffassung der Beklagten mittlerweile abgelaufen. Entgegen der Auffassung der Beklagten richte sich die Verjährung nicht nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Danach verjährten Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Für die Annahme einer dreißigjährigen Verjährungsfrist reiche es aus, wenn der Beitragspflichtige die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten habe, er also seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe. Vorsatz könne dem Kläger jedoch nicht nachgewiesen werden. Er habe zwar von seiner Verpflichtung zur Durchführung der Nachversicherung gewusst. Dies allein genüge jedoch zur Annahme des Vorsatzes nicht. Zusätzlich sei erforderlich, dass auch die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen werde. Daran fehle es hier. Die Nichtabführung der Beiträge sei nicht bewusst und wissentlich erfolgt, sondern habe lediglich auf einem Versehen des zuständigen Sachbearbeiters des Landesamtes für Finanzen des Klägers beruht. Dieser habe im Jahre 1987 schlicht übersehen, dass die Nachversicherung noch nicht durchgeführt gewesen sei. Die Nichtabführung der Beiträge habe somit auf Fahrlässigkeit, nicht jedoch auf Vorsatz beruht.

Gegen das am 04.11.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.11.2002 Berufung eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, das SG verkenne, dass das Landesamt für Finanzen als Dienststelle des öffentlichen Rechts seine Aufgaben im Rahmen des Gesetzes und des sonstigen maßgebenden Rechts – also auch unter Beachtung der Vorschriften über die Nachversicherung – zu erfüllen habe. Der Kläger habe daher wissen müssen, dass der Beigeladene bei unversorgtem Ausscheiden aus dem Referendariat nachzuversichern gewesen sei. Weiterhin habe er wissen müssen, dass eine Nachversicherung nur dann nicht durchzuführen gewesen sei, wenn ein Aufschubgrund im Sinne des § 125 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) vorgelegen habe. Wenn der Nachversicherungsschuldner als Träger der öffentlichen Gewalt seine Arbeitsbereiche so organisiere, dass der für die Bearbeitung der Angelegenheiten der Nachversicherung zuständige Mitarbeiter nicht in der Lage sei, die Verpflichtung zur Nachversicherung zu erkennen oder die Akte des Versicherten nach dessen Ausscheiden irrtümlich schließe, nehme er damit die schuldhafte Nichtabführung der Nachversicherungsbeiträge billigend in Kauf. Damit handele der Nachversicherungsschuldner bedingt vorsätzlich im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, so dass der Beitragsanspruch erst in 30 Jahren verjähre.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 18.10.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Inhalt der Akten der Beklagten und der Akten des Klägers sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Zu Recht hat das SG den Bescheid vom 17.01.2002, mit dem die Beklagte Nachversicherungsbeiträge für die Zeit von 16.01.1984 bis 25.11.1986 zugunsten des Beigeladenen von dem Kläger fordert, aufgehoben, weil dem Beitragsanspruch der Beklagten die vom Kläger erhobene Einrede der Verjährung entgegensteht. Zur Begründung wird vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen.

Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 des bis 31.12.1991 geltenden AVG, der nach § 233 Abs. 1 Satz 1 SGB VI auf den hier im Jahre 1986 eingetretenen Nachversicherungsfall anzuwenden ist, hat der Arbeitgeber in den Fällen des unversorgten Ausscheidens eines Versicherten aus dem Beamtenverhältnis (§ 9 AVG) die Beiträge nach den Vorschriften an die Beklagte zu entrichten, die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung für die Berechnung der Beiträge für versicherungspflichtige Beschäftigte maßgebend sind. Mithin entsteht mit dem unversorgten Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis der Nachversicherungsfall und damit das dreiseitige Nachversicherungsverhältnis zwischen dem Nachversicherten, dem Rentenversicherungsträger und dem Arbeitgeber. Im Regelfall entsteht damit auch der entsprechende und sofort fällige Beitragsanspruch des Rentenversicherungsträgers gegen den Arbeitgeber. Hiervon ist nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn einer der in § 125 AVG genannten Aufschubgründe vorliegt, die im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommen. Mit Eintritt des Nachversicherungsfalles besteht die Hauptpflicht des Rentenversicherungsträgers gegenüber dem Nachversicherten darin, ihn sofort nach dem unversorgten Ausscheiden zukunftsgerichtet so zu behandeln, als ob er versicherungspflichtig beschäftigt gewesen wäre (§ 124 AVG). Hauptpflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Rentenversicherungsträger ist, die – im Regelfall – sofort fällig werdenden Nachversicherungsbeiträge zu tragen und unmittelbar an den Rentenversicherungsträger zu zahlen (§ 124 Abs. 6 AVG). Hingegen treffen den unversorgt Ausgeschiedenen gegenüber dem Arbeitgeber oder dem Rentenversicherungsträger keine Hauptpflichten, weil er "kraft Gesetzes" nachversichert ist, ohne dass es hierfür rechtlich von Bedeutung ist, ob der Arbeitgeber die Nachversicherungsbeiträge an den Rentenversicherungsträger zahlt; vielmehr obliegt es diesem, seinen Beitragsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen (BSG, Urteile vom 29.07.1997 – 4 RA 107/95 –, SozR 3-2600 § 8 Nr. 4 = Juris und vom 23.03.1999 – B 4 RA 50/98 R –, SozR 3-2940 § 9 Nr. 1 = Juris, m.w.N.).

Ausgehend hiervon ist vorliegend mangels Vorliegens von Aufschubgründen der Beitragsanspruch der Beklagten gegen den Kläger bezüglich der Nachversicherung des Beigeladenen mit dem unversorgten Ausscheiden des Beigeladenen aus dem Beamtenverhältnis am 25.11.1986 entstanden und fällig geworden. Der Durchsetzung dieses Anspruchs steht indes die vom Kläger erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Der Anspruch ist verjährt.

Nach § 25 des am 01.07.1977 in Kraft getretenen SGB IV verjähren Beitragsansprüche in der Sozialversicherung, also auch in der gesetzlichen Rentenversicherung, in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge aber erst in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). In dem anstehenden Fall war die Verjährungsfrist von 4 Jahren, die hinsichtlich des in November 1986 fällig gewordenen Beitragsanspruchs mit Ablauf des Jahres 1986 begonnen hat, zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs durch die Beklagte im Jahre 2001 abgelaufen. Die Voraussetzungen für das Eingreifen der 30jährigen Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB VI liegen nicht vor, weil eine vorsätzliche Vorenthaltung der Beiträge durch den Kläger nicht gegeben ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind für Vorsatz im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB VI das Bewusstsein und der Wille erforderlich, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Die Feststellungslast (Beweislast) für das Vorliegen dieses inneren (subjektiven) Tatbestandes trifft im Zweifel den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstige lange Verjährungsfrist beruft. Für das Eingreifen der 30jährigen Verjährungsfrist reicht es aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Fahrlässigkeit, auch in den Erscheinungsformen der bewussten oder der groben Fahrlässigkeit, genügt nicht. Vorsatz wird regelmäßig vorliegen, wenn für das gesamte typische Arbeitsentgelt (z.B. bei Schwarzarbeit) überhaupt keine Beiträge entrichtet werden. Vorsatz liegt auch noch nahe, wenn Beiträge für verbreitete Nebenleistungen zum Arbeitsentgelt nicht gezahlt werden und zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder ohne weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht. Demgegenüber muss der Vorsatz bei wenig verbreiteten Nebenleistungen, bei denen die Steuer- und die Beitragspflicht in komplizierten Vorschriften geregelt sind und nicht voll übereinstimmen, eingehend festgestellt werden. Fehler bei der Beitragsentrichtung dürften in diesen Fällen nicht selten nur auf fahrlässiger Rechtsunkenntnis beruhen. Zum Vorsatz aber gehört auch in diesen Fällen, dass es der Arbeitgeber zumindest für möglich hält, dass bestimmte Zuwendungen an die Arbeitnehmer dem Grunde nach beitragspflichtiges Arbeitsentgelt und, sofern noch nicht geschehen, Beiträge zu zahlen sind. Hingegen braucht die genaue Beitragshöhe nicht vom Vorsatz umfasst zu sein (BSG, Urteil vom 30.03.2000 – B 12 KR 14/99 R –, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7 = Juris, m.w.N.).

Gemessen hieran ist vorliegend mit dem SG ein vorsätzliches Vorenthalten der geforderten Beiträge durch den Kläger zu verneinen, weil ihm, was er auch einräumt, zwar seine Verpflichtung zur Durchführung der Nachversicherung in Fällen vorliegender Art bekannt war, aber er die Nichtabführung der Beiträge im Falle des Beigeladenen nicht nachweislich billigend in Kauf genommen hat. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag des Klägers habe der zuständige Sachbearbeiter bei der Besoldungsstelle nach Abwicklung der Anrechnung von Nebeneinkünften auf die Dienstbezüge des Beigeladenen und der daraus resultierenden Rückforderung von Dienstbezügen im Jahre 1987 die Akte des Beigeladenen abgeschlossen ohne die Nachversicherung durchzuführen. Wie es zu dieser fehlerhaften Sachbearbeitung gekommen sei, sei nicht mehr festzustellen. Bei dieser Sachlage kann nicht ohne weiteres von einem billigenden Inkaufnehmen der Nichtabführung der Beiträge ausgegangen werden, zumal die Nachversicherung von unversorgt ausgeschiedenen Beamten bei der Besoldungsstelle des Klägers nicht der Regelfall war und im Vergleich zum Einbehalt und zu der Abführung von Beiträgen etwa bei Angestellten an besondere rechtliche Vorschriften anknüpfte. Vielmehr ist die offenkundig lediglich fehlerhafte Sachbearbeitung im Einzelfall als fahrlässig einzustufen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem Kläger darüber hinaus auch kein vorsätzliches Verhalten bezüglich der Auswahl und des Einsatzes seiner Mitarbeiter bei der Besoldungsstelle anzulasten. Es liegen nämlich keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger bei der Besoldungsstelle Mitarbeiter mit nicht von ihnen zu leistenden Aufgaben betraut und dadurch die Nichtabführung von Beiträgen im Einzelfall billigend in Kauf genommen hat.

Nach alledem hat die Berufung bezüglich des Haupttenors des angefochtenen Urteils keinen Erfolg.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das angefochtene Urteil abzuändern. Die insoweit herangezogene Vorschrift des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht anzuwenden. Nach der am 01.01.2002 in Kraft getretenen, mithin zum Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Bestimmung des § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG sind, wenn, wie hier, weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, statt der §§ 184 bis 195 SGG die §§ 154 bis 162 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuwenden, wobei Gerichtskosten erhoben werden. Demnach sind gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. 154 VwGO sowohl für das Klage- als auch für das Berufungsverfahren der unterlegenen Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, wobei es billig erscheint, keinen Kostenausspruch für bzw. gegen den Beigeladenen zu treffen, weil er keinen Sachantrag gestellt hat (vgl. § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

Die Berufung ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Zu Recht hat das SG den Bescheid vom 17.01.2002, mit dem die Beklagte Nachversicherungsbeiträge für die Zeit von 16.01.1984 bis 25.11.1986 zugunsten des Beigeladenen von dem Kläger fordert, aufgehoben, weil dem Beitragsanspruch der Beklagten die vom Kläger erhobene Einrede der Verjährung entgegensteht. Zur Begründung wird vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen.

Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 des bis 31.12.1991 geltenden AVG, der nach § 233 Abs. 1 Satz 1 SGB VI auf den hier im Jahre 1986 eingetretenen Nachversicherungsfall anzuwenden ist, hat der Arbeitgeber in den Fällen des unversorgten Ausscheidens eines Versicherten aus dem Beamtenverhältnis (§ 9 AVG) die Beiträge nach den Vorschriften an die Beklagte zu entrichten, die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung für die Berechnung der Beiträge für versicherungspflichtige Beschäftigte maßgebend sind. Mithin entsteht mit dem unversorgten Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis der Nachversicherungsfall und damit das dreiseitige Nachversicherungsverhältnis zwischen dem Nachversicherten, dem Rentenversicherungsträger und dem Arbeitgeber. Im Regelfall entsteht damit auch der entsprechende und sofort fällige Beitragsanspruch des Rentenversicherungsträgers gegen den Arbeitgeber. Hiervon ist nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn einer der in § 125 AVG genannten Aufschubgründe vorliegt, die im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommen. Mit Eintritt des Nachversicherungsfalles besteht die Hauptpflicht des Rentenversicherungsträgers gegenüber dem Nachversicherten darin, ihn sofort nach dem unversorgten Ausscheiden zukunftsgerichtet so zu behandeln, als ob er versicherungspflichtig beschäftigt gewesen wäre (§ 124 AVG). Hauptpflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Rentenversicherungsträger ist, die – im Regelfall – sofort fällig werdenden Nachversicherungsbeiträge zu tragen und unmittelbar an den Rentenversicherungsträger zu zahlen (§ 124 Abs. 6 AVG). Hingegen treffen den unversorgt Ausgeschiedenen gegenüber dem Arbeitgeber oder dem Rentenversicherungsträger keine Hauptpflichten, weil er "kraft Gesetzes" nachversichert ist, ohne dass es hierfür rechtlich von Bedeutung ist, ob der Arbeitgeber die Nachversicherungsbeiträge an den Rentenversicherungsträger zahlt; vielmehr obliegt es diesem, seinen Beitragsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen (BSG, Urteile vom 29.07.1997 – 4 RA 107/95 –, SozR 3-2600 § 8 Nr. 4 = Juris und vom 23.03.1999 – B 4 RA 50/98 R –, SozR 3-2940 § 9 Nr. 1 = Juris, m.w.N.).

Ausgehend hiervon ist vorliegend mangels Vorliegens von Aufschubgründen der Beitragsanspruch der Beklagten gegen den Kläger bezüglich der Nachversicherung des Beigeladenen mit dem unversorgten Ausscheiden des Beigeladenen aus dem Beamtenverhältnis am 25.11.1986 entstanden und fällig geworden. Der Durchsetzung dieses Anspruchs steht indes die vom Kläger erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Der Anspruch ist verjährt.

Nach § 25 des am 01.07.1977 in Kraft getretenen SGB IV verjähren Beitragsansprüche in der Sozialversicherung, also auch in der gesetzlichen Rentenversicherung, in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge aber erst in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). In dem anstehenden Fall war die Verjährungsfrist von 4 Jahren, die hinsichtlich des in November 1986 fällig gewordenen Beitragsanspruchs mit Ablauf des Jahres 1986 begonnen hat, zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs durch die Beklagte im Jahre 2001 abgelaufen. Die Voraussetzungen für das Eingreifen der 30jährigen Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB VI liegen nicht vor, weil eine vorsätzliche Vorenthaltung der Beiträge durch den Kläger nicht gegeben ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind für Vorsatz im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB VI das Bewusstsein und der Wille erforderlich, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Die Feststellungslast (Beweislast) für das Vorliegen dieses inneren (subjektiven) Tatbestandes trifft im Zweifel den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstige lange Verjährungsfrist beruft. Für das Eingreifen der 30jährigen Verjährungsfrist reicht es aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Fahrlässigkeit, auch in den Erscheinungsformen der bewussten oder der groben Fahrlässigkeit, genügt nicht. Vorsatz wird regelmäßig vorliegen, wenn für das gesamte typische Arbeitsentgelt (z.B. bei Schwarzarbeit) überhaupt keine Beiträge entrichtet werden. Vorsatz liegt auch noch nahe, wenn Beiträge für verbreitete Nebenleistungen zum Arbeitsentgelt nicht gezahlt werden und zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder ohne weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht. Demgegenüber muss der Vorsatz bei wenig verbreiteten Nebenleistungen, bei denen die Steuer- und die Beitragspflicht in komplizierten Vorschriften geregelt sind und nicht voll übereinstimmen, eingehend festgestellt werden. Fehler bei der Beitragsentrichtung dürften in diesen Fällen nicht selten nur auf fahrlässiger Rechtsunkenntnis beruhen. Zum Vorsatz aber gehört auch in diesen Fällen, dass es der Arbeitgeber zumindest für möglich hält, dass bestimmte Zuwendungen an die Arbeitnehmer dem Grunde nach beitragspflichtiges Arbeitsentgelt und, sofern noch nicht geschehen, Beiträge zu zahlen sind. Hingegen braucht die genaue Beitragshöhe nicht vom Vorsatz umfasst zu sein (BSG, Urteil vom 30.03.2000 – B 12 KR 14/99 R –, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7 = Juris, m.w.N.).

Gemessen hieran ist vorliegend mit dem SG ein vorsätzliches Vorenthalten der geforderten Beiträge durch den Kläger zu verneinen, weil ihm, was er auch einräumt, zwar seine Verpflichtung zur Durchführung der Nachversicherung in Fällen vorliegender Art bekannt war, aber er die Nichtabführung der Beiträge im Falle des Beigeladenen nicht nachweislich billigend in Kauf genommen hat. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag des Klägers habe der zuständige Sachbearbeiter bei der Besoldungsstelle nach Abwicklung der Anrechnung von Nebeneinkünften auf die Dienstbezüge des Beigeladenen und der daraus resultierenden Rückforderung von Dienstbezügen im Jahre 1987 die Akte des Beigeladenen abgeschlossen ohne die Nachversicherung durchzuführen. Wie es zu dieser fehlerhaften Sachbearbeitung gekommen sei, sei nicht mehr festzustellen. Bei dieser Sachlage kann nicht ohne weiteres von einem billigenden Inkaufnehmen der Nichtabführung der Beiträge ausgegangen werden, zumal die Nachversicherung von unversorgt ausgeschiedenen Beamten bei der Besoldungsstelle des Klägers nicht der Regelfall war und im Vergleich zum Einbehalt und zu der Abführung von Beiträgen etwa bei Angestellten an besondere rechtliche Vorschriften anknüpfte. Vielmehr ist die offenkundig lediglich fehlerhafte Sachbearbeitung im Einzelfall als fahrlässig einzustufen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem Kläger darüber hinaus auch kein vorsätzliches Verhalten bezüglich der Auswahl und des Einsatzes seiner Mitarbeiter bei der Besoldungsstelle anzulasten. Es liegen nämlich keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger bei der Besoldungsstelle Mitarbeiter mit nicht von ihnen zu leistenden Aufgaben betraut und dadurch die Nichtabführung von Beiträgen im Einzelfall billigend in Kauf genommen hat.

Nach alledem hat die Berufung bezüglich des Haupttenors des angefochtenen Urteils keinen Erfolg.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das angefochtene Urteil abzuändern. Die insoweit herangezogene Vorschrift des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht anzuwenden. Nach der am 01.01.2002 in Kraft getretenen, mithin zum Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Bestimmung des § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG sind, wenn, wie hier, weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, statt der §§ 184 bis 195 SGG die §§ 154 bis 162 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuwenden, wobei Gerichtskosten erhoben werden. Demnach sind gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. 154 VwGO sowohl für das Klage- als auch für das Berufungsverfahren der unterlegenen Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, wobei es billig erscheint, keinen Kostenausspruch für bzw. gegen den Beigeladenen zu treffen, weil er keinen Sachantrag gestellt hat (vgl. § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

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