Beschluss vom Oberlandesgericht Bamberg - 1 Ws 732-733/21
Tenor
I. [Anm: Verfahrensverbindung]
II. Die weiteren Beschwerden der Staatsanwaltschaft gegen die Beschlüsse des Landgerichts vom 03.12.2021 betreffend den Beschuldigten Y und betreffend den Beschuldigten Z, werden verworfen.
III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der hierfür notwendigen Auslagen der Beschuldigten trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
„Am 11.11.2021 gegen 16:10 Uhr verkaufte der Beschuldigte in der C-Straße an der dortigen Shell-Tankstelle an einen verdeckten Ermittler der Polizei einen gelben - wohl mit einem Mittäter gemeinsam - angekauften Impfpass, mit 2 selbsterklärenden SARS-COV-2 bzw. Covid-19 Impfungen („Corona-Impfungen“) mit den Impfdaten-Stempeln vom 19.06.2021 und 31.07.2021 und zwei eingeklebten angekauften Aufklebern mit sogenannten Chargen-Nummern von vermeintlichen Impfstoffen mit der Bezeichnung „COMIRNATY Ch.-B. FA5833 und COMIRNATY Ch.-B FC1440“ sowie neben jedem Aufkleber einen selbst erstellten oder angekauften, aber selbst eingetragenen Stempel mit selbst angebrachter nicht leserlicher Unterschrift über dem Stempel zum Preis von 150 €, obwohl der Ankäufer nicht der geimpfte Inhaber des Ausweises war. Der Ankäufer musste dann nur noch selbst einen Namen auf der Vorderseite des Passes eintragen. Der Beschuldigte verkaufte aus reiner Gewinnerzielungsabsicht in dem Bewusstsein, dass der Käufer damit vortäuschen würde, dass er zweifach gegen SARS-COV-2 bzw. Covid-19 durch einen Arzt geimpft sei und damit in der aktuellen „Corona Pandemie“-Situation“ als vollständig geimpft gälte.
Der Beschuldigte vereinbarte zudem am 13.11.2021 und 17.11.2021 mit einem verdeckten Ermittler der Polizei die Herstellung und Lieferung von weiteren mindestens 70 gefälschten gelben Impfpässen mit jeweils erneut (wie zuvor mit dem am 11.11.2021 verkauften Impfpass) zwei selbst eingetragenen SARS-COV-2 bzw. Covid-19-Impfungen („Corona-Impfungen“) am 17.11.2021 um die Mittagszeit für 6.500 €, um auch hier erneut Gewinn zu erzielen und in dem Bewusstsein, dass der Käufer diese weiterverkaufen und diese Käufer wiederum damit vortäuschen würden, dass sie zweifach gegen SARS-COV-2 bzw. Covid-19 durch einen Arzt geimpft seien und damit in der aktuellen „Corona-Pandemie“-Situation als vollständig geimpft gälten.“
„Der anderweitig Verfolgte Y, der Beschuldigte und der Mitbeschuldigte A fassten zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt, wohl Anfang November, den Plan, professionell in großem Umfang selbst hergestellte Impfpässe zu verkaufen und diese Geschäftsidee von dem anderweitig Verfolgten M zu übernehmen. Auf dieser Idee basierend agierten sie sodann gemäß dem gemeinsamen Plan als Bande zusammen, um sich durch die Beschaffung und den Verkauf von selbst hergestellten Impfpässen und jeweils zwei selbst eingetragenen SARS-COV-2 bzw. Covid-19-Impfungen („Corona-Impfungen“) eine erhebliche gewinnbringende Einkommensquelle von längerer Dauer und einigem Umfang zu verschaffen:
Der anderweitig Verfolgte Y und der Beschuldigte bestellten jeweils Blanko-Impfausweise wohl bereits mit Arztstempeln versehen, füllten sodann händisch jeweils zwei beliebige Impfdaten aus dem Sommer 2021 ein, beklebten diese sodann jeweils mit 2 angekauften oder selbst hergestellten Aufklebern mit sogenannten Chargen-Nummern von vermeintlichen Impfstoffen mit der Bezeichnung „COMIRNATY Ch.-B. FA5833 und COMIRNATY Ch.-B FC1440“ und unterschrieben auf dem Stempel mit selbst angebrachter nicht leserlicher Unterschrift. Dies taten sie in dem Wissen, dass gerade kein Arzt die Ausweise ausstellte und dass der Ankäufer nicht der geimpfte Inhaber des Ausweises war. Der Ankäufer musste dann nur noch selbst einen Namen auf der Vorderseite des Passes eintragen. Der Beschuldigte A übernahm innerhalb der Gruppierung insbesondere Kurierdienste. Die Tätergruppierung agierte und verkaufte aus reiner Gewinnerzielungsabsicht in dem Bewusstsein, dass der Käufer des Passes damit vortäuschen würde, dass er zweifach gegen SARS-COV-2 bzw. Covid-19 durch einen Arzt geimpft sei und damit in der aktuellen „Corona-Pandemie“-Situation als vollständig geimpft gälte.
Am 11.11.2021 gegen 16:10 Uhr verkaufte der anderweitig Verfolgte Y einen auf diese Weise hergestellten Impfpass für 150 € dem gemeinsamen Plan entsprechend in der C-Straße an einen verdeckten Ermittler der Polizei und bot weitere Impfpässe an. Daraufhin wurde ein weiterer Verkauf von 70 Impfpässen vereinbart und fand am 17.11.2021 gegen 15:15 Uhr zum Preis von 6.500 € erneut in der C-Straße an einen verdeckten Ermittler der Polizei statt. Dabei bot der anderweitig Verfolgte Y den Verkauf von weiteren 100 Impfpässen an.
Im Zuge dieses Verkaufs fand der Zugriff der Polizei und die Festnahme der 3 Täter sowie die Sicherstellung der gefälschten Impfpässe statt.“
II.
III.
- Hierfür spricht zum einen die systematische Stellung der §§ 277 - 279 StGB a.F., welche die Strafbarkeit des Umgangs mit unrichtigen Gesundheitszeugnissen ausführlich und ausdifferenziert regeln. Es ist kein Sinn und Zweck erkennbar, warum der Gesetzgeber in den §§ 277-279 a.F. StGB bestimmte Erscheinungsformen des Umgangs mit unrichtigen Gesundheitszeugnissen einerseits unter gegenüber § 267 StGB milde Strafe stellen, nicht den Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 277-279 StGB a.F. unterfallende Verhaltensweisen des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen jedoch nach der allgemeinen Strafvorschriften verfolgt wissen wollte, während es umgekehrt deutliche Hinweise darauf gibt, warum hinsichtlich des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen ein Sonderrecht geschaffen werden sollte.
- Die §§ 277-279 StGB a.F. befinden sich bereits seit dem Jahre 1871 im Kern unverändert im deutschen Strafgesetz (RGBl. 1871, 127 [180]). Zu dieser Zeit waren die Diagnosemöglichkeiten einer Krankheit wesentlich eingeschränkter und die sich daraus ergebenden Folgerungen für den gegenwärtigen und zukünftigen Gesundheitszustand der Person wesentlich ungewisser als zum heutigen Zeitpunkt. Dementsprechend war der Aussagegehalt eines Gesundheitszeugnisses über den aktuellen Gesundheitszustand einer Person und die sich daraus für ihren künftigen Gesundheitszustand abzuleitenden Folgerungen zum Zeitpunkt der Gesetzesentstehung wesentlich vager und unsicherer als nach den heutigen Diagnosemöglichkeiten und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die nur eingeschränkte inhaltliche Aussagekraft eines Gesundheitszeugnisses zum Zeitpunkt der Gesetzesentstehung spricht dafür, dass der Gesetzgeber einem solchen nicht die gleiche Bedeutung beimessen wollte wie einer sonstigen Urkunde, dass er nur in den vom Gesetz geregelten Fällen überhaupt ein strafwürdiges Unrecht gesehen hat und deshalb die § 277-279 StGB a.F. als abschließende Sonderregelungen in Hinblick auf den Umgang mit Gesundheitszeugnissen verstanden wissen wollte. Im Hinblick auf das besondere Vertrauen, welches schon zur damaligen Zeit dem Urteil eines (i.d.R. studierten) Arztes entgegengebracht wurde, hat der Gesetzgeber andererseits den in § 277 StGB a.F. normierten Sonderfall der Ausstellung eines Gesundheitszeugnisses unter der dem Aussteller nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt, also einen Fall der schriftlichen Lüge, welche nach der allgemeinen Vorschriften des § 267 StGB grundsätzlich nicht strafbar ist, ausnahmsweise für strafbar erklärt.
- Wenn ein Gesundheitszeugnis gefälscht werden würde, um es einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft vorzulegen, es aber noch nicht zur Vorlage gekommen wäre, wäre diese Handlung nicht nach § 277 StGB a.F. strafbar. Sehr wohl läge aber eine Strafbarkeit nach § 267 StGB vor, da gemäß der Einaktigkeit dieser Strafnorm bereits das Erstellen einer unechten Urkunde den Tatbestand der Urkundenfälschung vollendete. Ohne die Sperrwirkung würde das bloße Fälschen eines Gesundheitszeugnisses schwerer bestraft als das Fälschen und die anschließende Vorlage. Dies würde einen eklatanten Wertungswiderspruch darstellen (vgl. LG Kaiserslautern a.a.O.).
IV.
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Referenzen
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