Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-23 U 107/13
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 08.07.2013 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung. Die Beklagte zu 1) ist eine Steuerberatungsgesellschaft und unterhielt als solche eine Haftpflichtversicherung. Sie betreute über viele Jahre hinweg in steuerrechtlichen Angelegenheiten die Betonsteinwerke H GmbH, deren Eigentümer der Kläger und seine Eltern waren. Der Vater des Klägers war außerdem Inhaber eines Einzelunternehmens, dessen wesentlicher Vermögensbestandteil ein Grundbesitz war, den das Einzelunternehmen an die GmbH verpachtete. Neben der laufenden Beratung erbrachte die Beklagte zu 1) im Jahr 2001 Beratungsleistungen an den Kläger und seine Eltern im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von den Eltern auf den Kläger. Unter anderem übertrug der Vater des Klägers diesem durch notariellen Übertragungsvertrag vom 18.12.2001 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge den zu seinem Einzelunternehmen gehörenden Grundbesitz. Die Übertragung, wegen deren Einzelheiten auf den Inhalt der Vertragsurkunde Bezug genommen wird (Anlage zur Klageschrift), erfolgte mit der Maßgabe, dass sich der Vater des Klägers den lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch an dem Grundbesitz vorbehielt. Wegen des dargestellten Übertragungsvorgangs setzte das Finanzamt mit Schenkungssteuerbescheid vom 29.06.2006 (Anlage zur Klageschrift) Schenkungssteuer in Höhe von 131.474,-- Euro gegen den Kläger fest, wobei es erläuterte, dass die Vergünstigung des § 13a ErbStG nicht habe gewährt werden können, weil es sich nicht um Betriebsvermögen gehandelt habe.
4Der Kläger hat geltend gemacht, bei der Ausarbeitung des Übertragungsvertrages, der im Vorfeld zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und dem beurkundenden Notar abgestimmt worden sei, sei in Form des Nießbrauchsvorbehalt eine steuerlich nachteilige Gestaltung gewählt worden, die dazu geführt habe, dass er Schenkungssteuer in Höhe von 131.474,-- Euro anstelle von durch den Geschäftsführer der Beklagten zu 1) im Rahmen der Schenkungssteuererklärung vom 28.03.2003 errechneter 11.298,53 Euro habe zahlen müssen. Nachdem er einen Teilbetrag von 5.978,98 Euro der ihm vermeintlich zustehenden Schadensersatzforderung von 120.175,47 Euro (131.474,-- Euro ./. 11.298,53 Euro) an die Betonsteinwerke H GmbH abgetreten hat, hat der Kläger mit der vorliegenden, am 31.12.2009 beim Landgericht eingegangenen Klage den restlichen Betrag (114.196,49 Euro) sowie vorprozessual aufgewendete Rechtsanwaltskosten (514,68 Euro), jeweils nebst Zinsen, geltend gemacht.
5Durch Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 07.03.2012 (Az.: 60 IN 224/11) ist über das Vermögen der Beklagten zu 1) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 2) zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Der Kläger hat die eingeklagte Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet und insoweit klargestellt, dass bezüglich der angemeldeten Forderung abgesonderte Befriedigung aus dem Deckungsanspruch der Beklagten zu 1) gegen die Haftpflichtversicherung unter gleichzeitiger Anmeldung des Ausfalls beansprucht werde. Die angemeldete Forderung ist vom Beklagten zu 2) im Prüfungstermin in voller Höhe bestritten worden. Mit Schreiben an den Geschäftsführer der Beklagten zu 1) vom 20.07.2012 (vgl. Bl. 202 d.A.) hat der Beklagte zu 2) einen etwaigen Deckungsanspruch aus dem streitgegenständlichen Schadenfall gegen die Versicherung freigegeben. Der Kläger hat daraufhin das infolge der Insolvenzeröffnung unterbrochene Verfahren wieder aufgenommen und darüber hinaus die Klage gegen den Beklagten zu 2) erweitert.
6Er hat beantragt,
71. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn 114.711,17 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 114.196,49 Euro seit dem 20.09.2007 und aus weiteren 514,68 Euro seit dem 01.11.2007 – beschränkt auf die Leistung aus der Versicherungsforderung gegen die Haftpflichtversicherung – zu zahlen;
82. festzustellen, dass ihm in dem beim Amtsgericht Duisburg unter dem Aktenzeichen 60 IN 224/11 geführten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S Steuerberatungsgesellschaft mbH folgende Forderung als Insolvenzforderung zusteht, soweit er bei der Geltendmachung seiner Rechte auf abgesonderte Befriedigung ausfällt: Zahlung von 114.711,17 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 114.196,49 Euro seit dem 20.09.2007 und aus weiteren 514,68 Euro seit dem 01.11.2007 jeweils bis 06.03.2012.
9Die Beklagten haben beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagten sind der Klageforderung entgegengetreten. Sie haben den Vorwurf einer Pflichtverletzung zurückgewiesen, die Kausalität der angeblichen Pflichtverletzung für den Schaden sowie die Schadenshöhe bestritten und sich auf die Einrede der Verjährung berufen.
12Das Landgericht hat der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Urteil vom 08.07.2013, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, überwiegend stattgegeben. Es hat die Beklagte zu 1) verurteilt, an den Kläger 108.418,74 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 107.904,06 Euro seit dem 20.09.2007 und aus weiteren 514,68 Euro seit dem 01.11.2007 – beschränkt auf die Leistung aus der Versicherungsforderung gegen die Haftpflichtversicherung – zu zahlen. Außerdem hat es festgestellt, dass dem Kläger in dem beim Amtsgericht Duisburg unter dem Aktenzeichen 60 IN 224/11 geführten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S Steuerberatungsgesellschaft mbH folgende Forderung als Insolvenzforderung zusteht, soweit er bei der Geltendmachung seiner Rechte aus abgesonderter Befriedigung ausfällt: Zahlung von 108.418,74 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 107.904,06 Euro seit dem 20.09.2007 und aus weiteren 514,68 Euro seit dem 01.11.2007. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
13Zur Begründung hat das Landgericht, das die Klageforderung nicht als verjährt angesehen hat, im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte zu 1) ein Schadensersatzanspruch aus fehlender anwaltlicher Beratung zu. Zwischen den Parteien sei ein anwaltlicher Beratungsvertrag zustande gekommen. Dies gelte auch im Hinblick auf die Frage der Gestaltung der streitgegenständlichen Übertragung. Die Beklagte zu 1) habe den Kläger darüber aufklären müssen, welche verschiedenen Modelle denkbar seien. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, denen sich uneingeschränkt angeschlossen werde, sei eine ordnungsgemäße Beratung des Klägers und seiner Familie jedoch nicht erfolgt. Wenn man, wie im vorliegenden Fall, Betriebsvermögen übertragen wolle, solle man eine Gestaltung in Form einer dauernden Last wählen. Mache man dies, wie geschehen, mit einem Nießbrauch, müsse dies komplett besteuert werden, und zwar im Hinblick auf die Einkommenssteuer. Welchen Vorteil die Wahl einer dauernden Last gegenüber dem Nießbrauch für den Kläger gehabt hätte, habe der Sachverständige eindrucksvoll ausgerechnet. Beim Nießbrauch wäre Schenkungssteuer in Höhe von 131.474,-- Euro angefallen, wovon anteilig 10.122,50 Euro abzuziehen seien. Bei der dauernden Last wäre beim Kläger lediglich eine Steuerbelastung von 7.498,44 Euro angefallen, so dass sich beim Kläger ein Schaden in Höhe von 113.883,06 Euro ergebe. Dieser sei zu erstatten. Hiervon seien die abgetretenen Ansprüche in Höhe von 5.978,98 Euro abzuziehen, so dass der ausgeurteilte Betrag in Höhe von 107.904,08 herauskomme. Hinzu komme ein Betrag in Höhe von 514,68 Euro als Ersatz für aufgewendete Rechtsanwaltskosten. Aufgrund der Freigabe gehöre die Forderung nicht mehr zur Insolvenzmasse. Nach der erklärten Freigabe sei der ursprüngliche Klageantrag zu 1) weiter gegen die Gemeinschuldnerin, die ursprüngliche Beklagte und jetzige Beklagte zu 1) zu verfolgen gewesen, allerdings mit der Einschränkung, dass der Zahlungsanspruch beschränkt sei auf die Leistung aus der Versicherungsforderung gegen die Haftpflichtversicherung. Der Klageanspruch zu 2) sei ebenfalls begründet. Es gehe um die Feststellung der Forderung zur Tabelle, die vom Beklagten zu 2) bestritten werde. Hieran habe der Kläger ein berechtigtes Interesse, so dass insoweit auch dem Anspruch stattzugeben gewesen sei.
14Gegen das ihnen am 12.07.2013 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 09.08.2013, beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.10.2013 mit am 11.10.2013 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag begründet.
15Die Beklagten machen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend, eine Pflichtverletzung sei der Beklagten zu 1) nicht vorzuwerfen. Der Auftrag der Beklagten zu 1) habe darin bestanden, eine Schenkung des Einzelunternehmens unter Nießbrauchsvorbehalt mit einer Schenkung allein des Betriebsgrundstücks zu vergleichen. Die Beklagte zu 1) habe zutreffend errechnet, dass die Schenkung des Einzelunternehmens steuerlich deutlich günstiger gewesen sei als die Übertragung allein des Grundstücks. Nach Beratung durch den Notar hätten sich der Kläger und sein Vater dennoch entschieden, den Grundbesitz und nicht das Einzelunternehmen zu übertragen und sich damit sehenden Auges für die Gestaltung entschieden, die nach den Berechnungen der Beklagten zu 1) nachteilig gewesen sei. Die Beklagte zu 1) sei nicht beauftragt gewesen, die Vertragsentwürfe zu prüfen. Da der Beklagten zu 1) kein umfassendes Mandat erteilt worden sei, sei sie nicht verpflichtet gewesen auf eine gänzlich andere Gestaltungsmöglichkeit, nämlich die der Vollübertragung des Grundbesitzes bzw. des Einzelunternehmens gegen eine dauernde Last hinzuweisen, zumal diese Übertragungsform erhebliche zivilrechtliche Nachteile aufgewiesen hätte. Die Zahlungsklage gegen die Beklagte zu 1) sei nicht zulässig. Die Freigabe des Deckungsanspruchs betreffe allein das Deckungsverhältnis. Das Haftpflichtverhältnis bleibe insolvenzbefangen und müsse deshalb mit den im Insolvenzrecht dafür vorgesehenen Mitteln geklärt werden.
16Die Beklagten beantragen,
17das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 08.07.2013 abzuändern und die Klage gegen sie abzuweisen.
18Der Kläger beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Der Kläger verteidigt unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag die angefochtene Entscheidung.
21II.
22Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
23Klageantrag zu 1) (Zahlungsklage gegen die Beklagte zu 1)
24Der Antrag ist nicht zulässig, im Übrigen aber auch nicht begründet.
251.
26Die Beklagte zu 1) ist hinsichtlich der geltend gemachten Forderung nicht prozessführungsbefugt. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 07.03.2012 hat die Beklagte zu 1) ihre zunächst vorhandene Prozessführungsbefugnis verloren, weil ihre Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen ist (vgl. Ott/Vula in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 2, 3. Aufl. 2013, § 80 Rdnr. 74). Die Beklagte zu 1) hat die Prozessführungsbefugnis auch nicht etwa wiedererlangt. Zwar hat der Beklagte zu 2) unstreitig den Deckungsanspruch der Beklagten zu 1) gegen die Versicherung mit Schreiben vom 20.07.2012 freigegeben. Die Freigabe war aber auf den Deckungsanspruch beschränkt. Sie ermöglichte damit eine auf den Deckungsanspruch bezogene Prozessführung, m.a.W. einen Deckungsprozess der Beklagten zu 1) gegen die Versicherung oder die Geltendmachung eines Rechts des Klägers an dem Deckungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 1). Der geltend gemachte Zahlungsanspruch betrifft demgegenüber das übrige, nach wie vor dem Insolvenzbeschlag unterliegende Vermögen der Beklagten zu 1, auch wenn der Kläger seine Forderung der Höhe nach auf die Versicherungsleistung beschränkt.
272.
28Selbst wenn im Übrigen aufgrund der vorgenannten Beschränkung von einer Prozessführungsbefugnis des Klägers auszugehen wäre, stünde dem Kläger derzeit ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Der Beklagte zu 2) hat keine Mittel aus der nach wie vor beschlagnahmten Insolvenzmasse zur Erfüllung der Haftpflichtforderung des Klägers gegen die Beklagte zu 1) freigegeben. Was das Absonderungsrecht des Klägers betrifft, setzt sich dieses nach Freigabe des Deckungsanspruchs als Pfandrecht an dem Deckungsanspruch fort (vgl. BGH, Urteil v. 28.03.1996 – IX ZR 77/95, NJW 1996, 2035, 2036; Urteil v. 02.04.2009 – IX ZR 23/08, a.a.O.; LG Itzehoe, Urteil v. 28.06.2011 – 7 O 57/10, BeckRS 2012, 15205; jew. m.w.Nw.). Als Pfandrechtsgläubiger kann der Kläger von der Beklagten zu 1) gemäß § 1285 BGB lediglich die Mitwirkung zur Einziehung der Forderung verlangen. Die Einziehung an sich, m.a.W. die Durchsetzung des Zahlungsanspruchs, erfolgt dagegen gegenüber dem Haftpflichtversicherer. Der vom Kläger herangezogenen Entscheidung des Landgerichts Itzehoe (a.a.O.), wonach eine Klage gegen den Gemeinschuldner auf Zahlung – beschränkt auf die Leistung aus der Versicherungsforderung – möglich sein soll, kann nicht gefolgt werden. Versicherungsrechtlich ist zwischen der Haftpflichtforderung des Geschädigten gegen den Schädiger als Zahlungsanspruch und dem Deckungsanspruch des Schädigers gegen seine Haftpflichtversicherung, an welchem der Geschädigte lediglich ein Pfandrecht hat, zu unterscheiden. Wird – wie hier – der Deckungsanspruch freigegeben, ist der Geschädigte damit auf seine Stellung als Pfandrechtsgläubiger beschränkt und hat keinen Zahlungsanspruch gegen den Schädiger. Dem versicherungsrechtlichen Trennungsprinzip zwischen Haftpflichtforderung einerseits und Deckungsanspruch andererseits entspricht es, dass das Vorliegen des Schadenfalls im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger und das Vorliegen des Versicherungsfalles im Verhältnis des Schädigers - bzw. ggf. des Pfandrechtsgläubigers - zur Versicherung zu klären ist (Lücke in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl. 2010, § 100 Rdnr. 45 f.). Gründe für eine Durchbrechung dieses Prinzips allein aufgrund des Insolvenzbeschlags des Vermögens des Schädigers sind nicht ersichtlich.
29Klageantrag zu 2) (Feststellungsklage gegen den Beklagten zu 2)
30Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
311.
32Der Antrag ist hinreichend bestimmt, auch wenn der Kläger den erwarteten Ausfall, den er im Insolvenzverfahren geltend macht, nicht konkret beziffert. Der absonderungsberechtigte Gläubiger, der wie hier der Kläger einerseits sein Absonderungsrecht und andererseits seine persönliche Forderung verfolgt, kann nämlich seine persönliche Forderung sogar in voller Höhe zur Tabelle anmelden, ohne überhaupt nur auf das Absonderungsrecht hinzuweisen (Ganter in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2013, § 52 Rdnr. 17); die Höhe des Ausfalls ist grundsätzlich erst vor der Schlussverteilung nachzuweisen, § 190 Abs. 1 S. 1 InsO. Ein Antrag, der wie der vorliegende die volle Höhe der persönlichen Forderung angibt und deren Beschränkung auf den Ausfall deutlich macht, ist dementsprechend in jedem Fall hinreichend bestimmt.
33Der Beklagte zu 2) ist prozessführungsbefugt. Die persönliche Forderung des Klägers, nämlich die Haftpflichtforderung gegen die Beklagte zu 1), ist eine Insolvenzforderung. Da die Insolvenzmasse betroffen ist, liegt die Prozessführungsbefugnis beim Beklagten zu 2) als Insolvenzverwalter. Die von ihm erklärte Freigabe bezog sich lediglich auf den Deckungsanspruch der Beklagten zu 1) gegen die Versicherung (s.o.).
34Die Feststellungsklage ist die zutreffende Klageart, § 180 Abs. 1 InsO. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass der Beklagte zu 2) die angemeldete Forderung im Prüfungstermin bestritten hat.
352.
36Dem Kläger steht die angemeldete Schadensersatzforderung aus der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage der §§ 280, 675 BGB nicht zu. Sein Vorbringen ist unschlüssig.
37a)
38Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) bestand unstreitig ein Schuldverhältnis, welches u.a. die steuerliche Beratung des Klägers und seines Vaters bei Übertragung des Grundbesitzes im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Vater auf den Kläger zum Gegenstand hatte.
39b)
40Zwar hat die Beklagte zu 1) ihre Pflichten aus dem Schuldverhältnis verletzt. Denn ihre Beratung war unvollständig. Der Umfang der Beratungspflicht richtet sich nach dem Inhalt des erteilten Mandats. Im Rahmen seines Mandats hat der Steuerberater seinen Mandanten von sich aus über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen einschließlich insoweit bestehender zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu unterrichten (BGH, Urteil v. 23.01.2003 – IX ZR 180/01, NJW-RR 2003, 1574; Heermann in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 675 Rdnr. 43; jew. m.w.Nw.). Im vorliegenden Fall hat es die Beklagte zu 1) unterlassen, darauf hinzuweisen, dass die Übertragung nicht nur unter Nießbrauchsvorbehalt vorgenommen werden kann, sondern auch eine Übertragung gegen Zahlung einer dauernden Last – etwa einer lebenslangen Rente – möglich ist. Die Beklagten können sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass der Beklagten zu 1) kein umfassendes Mandat erteilt worden sei. Selbst wenn der ihr erteilte Auftrag, wie die Beklagten geltend machen, nur dahingehend gelautet haben sollte, eine Schenkung des Einzelunternehmens unter Nießbrauchsvorbehalt mit einer Schenkung allein des Betriebsgrundstücks zu vergleichen, hätte dies nicht eine entsprechende Beschränkung der Beratungspflichten zur Folge gehabt; vielmehr hatte die Beklagte zu 1) auf andere Gestaltungsmöglichkeiten der Übertragung auch ungefragt hinzuweisen. Die Vereinbarung einer lebenslangen Rente anstelle des Nießbrauchs war im Hinblick auf die vom Vater des Klägers angestrebte Altersversorgung auch nicht etwa fernliegend. Etwaige hiermit verbundene zivilrechtliche Nachteile entbanden die Beklagte zu 1) nicht von ihrer Pflicht zur umfassenden Unterrichtung. Denn es unterlag allein der Entscheidungsbefugnis des Klägers bzw. seines Vaters, ob sie solche Nachteile in Kauf nehmen wollten. Es kommt schließlich nicht darauf an, ob der Übertragungsvertrag – was die Beklagten bestreiten - zwischen dem Notar und dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) abgestimmt worden ist, bzw. die Beklagte zu 1) zumindest zu einer Überprüfung des ihr jedenfalls unstreitig zugeleiteten Vertragsentwurfs verpflichtet war. Denn die der Beklagten zu 1) vorzuwerfende Pflichtverletzung der unterbliebenen Aufklärung über eine grundsätzlich andere Gestaltungsmöglichkeit hat bereits im Vorfeld der vertraglichen Umsetzung stattgefunden.
41c)
42Es ist jedoch nicht schlüssig, dass die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) für den geltend gemachten Schaden, nämlich die Differenz zwischen der festgesetzten Schenkungssteuer gemäß Bescheid des Finanzamtes vom 29.09.2006 in Höhe von 131.474,-- Euro und der Schenkungssteuer gemäß Erklärung der Beklagten zu 1) vom 28.03.2003 in Höhe von 11.298,53 Euro, kausal gewesen ist.
43Dass überhaupt Schenkungssteuer festgesetzt worden ist, stellt für sich besehen keinen Schaden dar. Denn diese wäre auch bei Ausgestaltung der Übertragung mit einer dauernden Last nur dann entfallen, wenn die Übertragung einkommensteuerneutral erfolgt wäre. Dass eine Gestaltung hätte gewählt werden können, bei der keinerlei Schenkungssteuer angefallen wäre, hat der Kläger der Beklagten zu 1) nicht vorgeworfen. Die Geltendmachung der Differenz zwischen erklärter und festgesetzter Schenkungssteuer als zu ersetzenden Schaden macht deutlich, dass der an die Beklagte zu 1) gerichtete Vorwurf lediglich in der Höhe seiner Steuerbelastung liegt.
44Die gegenüber der Erklärung deutlich höhere Festsetzung der Schenkungssteuer beruht nach den Erläuterungen des Finanzamtes im Steuerbescheid im Wesentlichen darauf, dass das Finanzamt die Vergünstigung des § 13a ErbStG a.F. (in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung) in Form der bis zum 31.12.2001 schenkungssteuerrechtlich günstigen Bewertungsansätze eines Betriebsvermögensfreibetrages von 500.000,-- DM und eines Bewertungsabschlages auf das übrige Betriebsvermögen von 40% nicht gewährt hat, weil es sich bei dem übertragenen Grundbesitz nicht um Betriebsvermögen gehandelt hat. Dass der übertragene Grundbesitz nicht als Betriebsvermögen behandelt worden ist, beruht aber nicht darauf, dass die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt erfolgt ist, sondern darauf, dass das ursprünglich dem Einzelunternehmen des Vaters des Klägers zugeordnete Grundstück zum Übertragungszeitpunkt als dem Betriebsvermögen entnommen galt und damit steuerrechtlich kein begünstigtes Betriebsvermögen mehr war. Zu der unter steuerrechtlichen Aspekten schädlichen Entnahme wäre es aber dann nicht gekommen, wenn der Vater dem Kläger sein Einzelunternehmen insgesamt übertragen hätte. Die Beklagte zu 1) hat im Vorfeld der streitgegenständlichen Übertragung vom 18.12.2001 Berechnungen der Schenkungssteuer in Bezug auf beide Varianten der Übertragung, d.h. einerseits des Einzelunternehmens (vgl. Expertise vom 01.06.2001, Anlage zur Klageschrift) und andererseits allein des Grundbesitzes (vgl. Expertise vom 31.05.2001, Anlage BB1), angestellt. Ihr hierüber verfasstes Schreiben vom 01.06.2001 (vgl. Bl. 75 ff. d.A.) stellt die Ergebnisse gegenüber. Die Übertragung allein des Grundbesitzes stellt sich danach gegenüber der Übertragung des Einzelunternehmens als deutlich ungünstiger dar. Diese Variante ist deshalb auf dem Schreiben nach eigenem Vorbringen des Klägers von seinem Vater durchgestrichen und mit dem Vermerk „entfällt“ versehen worden. Die Steuerbelastung des Klägers in der geltend gemachten Höhe beruht demnach auf der Wahl der nach den Berechnungen der Beklagten zu 1) deutlich ungünstigeren Variante einer Übertragung allein des Grundbesitzes anstelle des Einzelunternehmens insgesamt, und nicht auf der Einräumung des Nießbrauchsvorbehalts an sich.
45Das nicht nachgelassene neue Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 11.08.2014 gab keine Veranlassung zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO. Denn es fehlt eine nähere Darlegung zur Motivationslage des Vaters beim Abschluss des Übertragungsvertrages. Eine steuerliche Fehleinschätzung ist deshalb nicht zwingend.
46Nicht unterstellt werden kann, dass der Kläger bei einer Übertragung des Einzelunternehmens unter Nießbrauchsvorbehalt wegen des Auseinanderfallens von rechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum mit Schenkungssteuer in einer der Festsetzung entsprechenden Höhe belastet worden wäre. Der Kläger hat nicht dargelegt, wie sich seine steuerrechtliche Situation bei Übertragung des Einzelunternehmens insgesamt unter Nießbrauchsvorbehalt dargestellt hätte. Die Expertise der Beklagten zu 1) vom 01.06.2001 (Anlage zur Klageschrift), deren Richtigkeit der Kläger nicht in Zweifel gezogen hat, weist für den Fall der Übertragung des Einzelunternehmens lediglich einen Betrag von 16.081,-- DM (= 8.222,08 Euro) zu zahlender Schenkungssteuer aus. Der gerichtliche Sachverständige hat lediglich die Übertragung des Grundbesitzes unter Nießbrauchsvorbehalt, wie tatsächlich geschehen, mit der Übertragung gegen Zahlung einer dauernden Last verglichen. Zu seiner ergänzenden Anhörung besteht mangels entsprechender Darlegungen des Klägers keine Veranlassung. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts einen möglichen Steuerschaden des Klägers zu ermitteln.
47Letztendlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger und sein Vater sich bei einem pflichtgemäßen Hinweis der Beklagten zu 1) auf die Möglichkeit der Übertragung gegen Zahlung einer dauernden Last für diese Übertragungsform entschieden hätten, da sie in Kenntnis der deutlich höheren Schenkungssteuerbelastung einer Variante der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt gegenüber einer solchen Variante den Vorzug gegeben haben, bei der sich die Belastung mit 16.081,-- Euro (= 8.222,08 Euro) gemäß Expertise der Beklagten zu 1) vom 01.06.2001 in dem Bereich der vom gerichtlichen Sachverständigen für den Fall der Übertragung gegen Zahlung einer dauernden Last ermittelten Schenkungssteuer (max. 11.135,43 Euro) bewegt hätte.
48Prozessuale Nebenentscheidungen
49Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
50Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.
51Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 ZPO sind nicht ersichtlich.
52Streitwert 114.711,17 Euro
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Referenzen
- InsO § 80 Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- IX ZR 23/08 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 190 Berücksichtigung absonderungsberechtigter Gläubiger 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 543 Zulassungsrevision 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 13a ErbStG 2x (nicht zugeordnet)
- 60 IN 224/11 3x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 540 Inhalt des Berufungsurteils 1x
- IX ZR 180/01 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 180 Zuständigkeit für die Feststellung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- IX ZR 77/95 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 156 Wiedereröffnung der Verhandlung 1x
- 7 O 57/10 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 675 Entgeltliche Geschäftsbesorgung 1x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
- BGB § 1285 Mitwirkung zur Einziehung 1x