Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VI-3 Kart 286/12 (V)
Tenor
Ziffer 3 des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 09.11.2012, BK7-12-026, wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die jeweilige Leitung der Center
„Netzbetrieb“
„Lastverteilung“
„Netzmanagement“
„Netzvermarktung“
den Vorgaben des § 10c Abs. 6 EnWG unterliegt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwen- digen Auslagen der Antragstellerin und der Bundesnetzagentur tra- gen die Antragstellerin zu 15% und die Bundesnetzagentur zu 85%.
Der Beschwerdewert wird auf 50.000 Euro festgesetzt. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
Gründe
2A.
3Die Bundesnetzagentur hat die Antragstellerin mit Bescheid vom 09.11.2012 gemäß § 4a EnWG als Transportnetzbetreibern zertifiziert. Mit der Beschwerde greift die Antragstellerin Ziffer 2 g) und Ziffer 3 des Be- schlusses an, mit denen für bestimmte Unternehmensbereiche festgestellt wird, dass die Leiter dieser Abteilungen vor und nach Übernahme ihrer Funktion für eine gewisse Zeit nicht bestimmte Aufgaben im Konzernver- bund übernehmen dürfen, und die derzeit unbesetzte Stelle des Leiters
4„Recht/Personal“ unter Beachtung der Vorgaben des § 10c EnWG zu er- folgen habe.
5Die Antragstellerin betreibt mit rund … Mitarbeitern ein … km langes Erdgas-Hochdruckleitungsnetz in …. Sie ist eine 100%-ige Tochter der A-GmbH, des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens.
6Auf einen Antrag der Antragstellerin vom 20.02.2012 zertifizierte die Bun- desnetzagentur diese am 09.11.2012 als Unabhängige Transportnetz- betreiberin. Die Zertifizierung wurde unter dem Vorbehalt des Widerrufs (Ziffer 5.) und verschiedener Auflagen erteilt (Ziffer 2 des Bescheides), etwa bestimmte Tätigkeiten zu trennen, konzerninterne Regelungen und Verträge anzupassen und den entflechtungsrechtlichen Vorgaben ent- sprechend zu ändern.
7In Ziffer 3 des Tenors stellt die Bundesnetzagentur ferner fest, dass
8- außer des Centers „Zentrale Dienste“ - sieben der acht „Center“ sowie die beiden der Geschäftsführung angegliederten Bereiche/Stabsstellen
9„Regulierungsmanagement/Strategie“ und „Sicherheitsingenieur“, mithin die folgenden „Center“ und Bereiche
10- 11
„Netzbetrieb“
- 12
„Lastverteilung“
- 13
„Netzmanagement“
- 14
„IT/Organisation“
- 15
„Finanzen/Controlling“
- 16
„Personal/Recht“
- 17
„Netzvermarktung“
- 18
„Regulierungsmanagement/Strategie“
- 19
„Sicherheitsingenieur“
den Vorgaben des § 10 Buchst. c Abs. 6 EnWG unterliegen. Tenorziffer 2 g) des Bescheides lautet:
21„Die Besetzung der Leitung des Centers „Recht/Personal“ hat unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 10c EnWG spätestens sechs Monate nach Erteilung der Zertifizierung zu erfolgen. Die erfolgte Besetzung des Centers ist der Beschlusskammer umgehend anzu- zeigen und es sind dabei auch die Unterlagen über die berufliche Eignung des neuen Leitungspersonals von der Antragstellerin ein- zureichen“.
22Die Bundesnetzagentur geht in dem Bescheid von einem weiten Ver- ständnis des § 10c Abs. 6 EnWG aus und versteht unter „für Betrieb, War- tung oder Entwicklung des Netzes verantwortlich“ nicht nur technische, sondern auch rechtliche, kommerzielle wie auch technische Verantwor- tungsbereiche. „Verantwortlich“ seien nicht nur die Abteilungen, die eine direkte Zuständigkeit und Entscheidungsbefugnisse für die drei genannten Bereiche hätten.
23Aus der Aufgabenverteilung bei der Antragstellerin ergebe sich, dass bis auf den Bereich „Zentrale Dienste“ - alle Organisationsbereiche sowie die beiden Stabsstellen „Regulierungsmanagement/Strategie“ und „Sicher- heitsingenieur“ originäre Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse
24„für Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes“ hätten.
25Hierfür spreche schon, dass sie der Unternehmensleitung unmittelbar un- terstellt seien. So verfügten auch Personen der 2. Führungsebene, die nicht für den technischen, sondern für einen kommerziellen oder rechtli- chen Bereich verantwortlich seien, in der Regel über umfangreiche diskri- minierungsrelevante Erkenntnisse des Netzes. Im Zweifel fiele daher die gesamte 2. Führungsebene unter § 10c Abs. 6 EnWG.
26Das Merkmal „Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes“ verliere auch nicht seine Bedeutung, weil es von der unternehmensinternen Orga- nisation abhänge, wie ein Netzbetreiber seine Aufgaben verteile. So exis- tierten Unabhängige Transportnetzbetreiber, bei denen die Leiter einiger Fachbereiche zwar der Unternehmensleitung unterstellt seien, diese aber nur netzfremde Aufgaben zu verantworten hätten, etwa „Zentrale Dienste“, Facility Management“, „Assistance“ oder „Sicherheit, Umwelt und Ge- sundheit“.
27Auch die Gesetzesbegründung lege eine weite Auslegung nahe, weil die- se an die Möglichkeit der Einflussnahme und die Verantwortung für einen der drei, umfangreiche Netzkenntnisse vermittelnden Bereiche „Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes“ anknüpfe. Es sollten nicht nur die Unternehmensleitung, sondern auch Personen erfasst werden, die zwar nicht zur Leitung gehörten, aber eine vergleichbare Stellung wie die Un- ternehmensleitung mit entsprechendem Einfluss und Kenntnissen der technischen Eigenschaften des Netzes und seines Zustandes hätten.
28§ 10c Abs. 6 EnWG beschränke zwar die Berufswahlfreiheit der betroffe- nen Personen, sei aber im Hinblick auf das Ziel, einen diskriminierungs- freien Betrieb des Transportnetzes zu gewährleisten, verhältnismäßig.
29Aufgrund der unterschiedlichen Rechtsauffassungen von Antragstellerin und Bundesnetzagentur seien aus Gründen der Rechtssicherheit – insbe- sondere im Hinblick auf die Gewährleistung der Einhaltung der cooling-off- Vorgaben aus § 10c Abs. 5, 6 EnWG - in Ziffer 3 des Tenors des Beschei-
30des die Leitungspositionen festgestellt worden, für die die Vorgaben des
31§ 10c Abs. 6 EnWG gelten.
32Die Europäische Kommission hatte am 06.09.2012 zu dem Antrag Stel- lung genommen, sich aber nicht zu einer Auslegung des § 10c Abs. 6 EnWG geäußert (Bl. 1347 VV).
33Die Antragstellerin greift isoliert Tenorziffer 2 g) und Ziffer 3 des Beschei- des an.
34Auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag zu Tenorziffer 2 g) sei statthaft und richte sich dagegen, dass bei der Besetzung der Stelle die Vorgaben des § 10c EnWG zu beachten seien. Die Stelle sei zwar zum 01.02.2013 mit einem nicht aus dem vertikal integrierten Energieversor- gungsunternehmen, der A-GmbH, kommenden Bewerber besetzt worden. Sofern der Senat aber davon ausgehe, dass sich mit der Neubesetzung der Stelle zum 01.02.2013 Tenorziffer 2 g) des Bescheides erledigt habe, bestehe jedenfalls ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, weil die Antragstellerin befürchten müsse, dass die Bundesnetzagentur bei einer späteren Wiederbesetzung ggfs. dann die Einhaltung der § 10c- Vorgaben verlange. Von der Auflage nach Tenorziffer 2 g) gehe auch eine stärkere Wirkung als von Feststellung in Ziffer 3 aus, weshalb der Feststel- lungsantrag nicht subsidiär sei.
35Entscheidungen mit Bezug zu Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes träfen neben der Geschäftsleitung nur die Leiter der drei Bereiche
36- 37
„Netzbetrieb“
- 38
„Lastverteilung“
- 39
„Netzmanagement“.
Die übrigen von der Bundesnetzagentur unzutreffend unter § 10c Abs. 6 EnWG eingestuften Leiter der Bereiche seien nicht für Betrieb, Wartung
41oder Entwicklung des Netzes verantwortlich. Die weite Auslegung der Bundesnetzagentur, wonach eine bloße Mitwirkung an Entscheidungen in den drei relevanten Bereichen ausreiche, bedeute, dass faktisch die ge- samte oder nahezu gesamte 2. Führungsebene von § 10c Abs. 6 EnWG betroffen sei.
42Die Führungskräfte, die nicht zu den genannten Bereichen gehörten, seien zwar der obersten Unternehmensleitung unmittelbar unterstellt, nicht aber für „Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes verantwortlich“. Sie hätten per se keine unmittelbare Entscheidungsbefugnis und Entschei- dungsverantwortlichkeit für die drei relevanten Tätigkeitsbereiche. Sie wirkten nur an Entscheidungen der Geschäftsführung oder der für den
43„Betrieb, Wartung und Entwicklung des Netzes“ verantwortlichen Bereiche mit, sei es durch Vorbereitung, Unterstützung oder Beratung. Die Bundes- netzagentur habe jedoch im Wesentlichen auch die Leitungen der Berei- che, die dem „Kaufmännischen Geschäftsbereich“ zuzurechnen seien,
44§ 10c Abs. 6 EnWG unterstellt.
45So habe der Leiter des Centers „Informationstechnik & Organisation“ kei- ne Entscheidungsbefugnisse für den Betrieb, die Wartung oder die Ent- wicklung des Netzes. Er sei auch nicht für den netzbezogenen IT-Einsatz zuständig. Hierfür sei der Leiter „Netzmanagement“, der unstreitig unter
46§ 10c Abs. 6 EnWG falle, verantwortlich. Auch vertrete er nicht einen der Leiter der drei Bereiche, die bei der Antragstellerin für den Betrieb, die Wartung oder Entwicklung des Netzes verantwortlich seien.
47Der Leiter „Finanzen & Controlling“ habe ebenfalls keine Entscheidungs- befugnis oder Verantwortlichkeit für „den Betrieb, die Wartung oder die Entwicklung des Netzes“. Er sei für die Unternehmensplanung, Kosten- rechnung, Kalkulation, Projekt- und Beteiligungscontrolling, Buchhaltung und Jahresabschluss zuständig. Soweit die Abteilung Tätigkeiten mit Be- zug zum Netzbetrieb wahrnähmen, z.B. Szenarienberechnungen, Entgelt- anträge, Investitionsbudgets, gehe es nur um vorbereitende und unterstüt- zende Tätigkeiten. Entscheidungen in diesen Fragen träfen neben der
48Geschäftsführung die Leiter der Center „Netzmanagement“ oder „Netzbe- trieb“.
49Der Leiter „Recht & Personal“ koordiniere die juristische Betreuung und die Zusammenarbeit mit externen Beratern, bereite Berichte und Vorlagen für die Aufsichtsgremien vor. Entscheidungsbefugnisse für den Betrieb, die Wartung oder die Entwicklung des Netzes habe der Stelleninhaber nicht. Soweit er energiewirtschaftsrechtliche Streitigkeiten betreue oder Verträge vorbereite, entschieden die Geschäftsleitung oder der Leiter des Centers „Netzvermarktung“.
50Auch der Leiter „Netzvermarktung“ sei nicht für Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes verantwortlich. Die Abteilung kümmere sich um die Beschaffungs- und Vertriebsaktivitäten der Antragstellerin, Entwicklung und Abschluss von markt- und kundengerechten Vereinbarungen zum Gastransport, überwache die Wirtschaftlichkeit der Verträge und sei für Aufbau und Entwicklung von Transporthandelsaktivitäten verantwortlich.
51Die Stabsstelle „Sicherheitsingenieur“ sei gemäß § 5 Abs. 1, § 7 Abs. 1 ASiG gesetzlich vorgeschrieben und die Person für die Arbeitssicherheit,
52-schutz und Unfallverhütung zuständig. Im Zertifizierungsverfahren habe die Antragstellerin zwar ein Organigramm vorgelegt, wonach der „Sicher- heitsingenieur“ dem Center „Netzbetrieb“ zugeordnet sei. Er habe jedoch keine Entscheidungsbefugnis für die drei relevanten Netztätigkeiten. So habe auch die Bundesnetzagentur im Bescheid (S. 39) darauf hingewie- sen, dass der Leiter der Abteilung „Sicherheit, Umwelt und Gesundheit“ nicht § 10c Abs. 6 EnWG unterfalle.
53Die Stabsstelle „Regulierungsmanagement/Strategie“ sei ebenfalls nicht von den cooling-on/cooling-off-Vorgaben erfasst. Der Stelleninhaber un- terstütze und berate die Geschäftsleitung, vertrete Unternehmensinteres- sen gegenüber der Bundesnetzagentur und kümmere sich um die Ver- bandsarbeit. Eine unmittelbare Entscheidungsbefugnis für die drei rele- vanten Aufgaben habe er nicht.
54Die cooling-on/cooling-off-Regelungen, beruhend auf zwei europäischen Richtlinien (Richtlinie 2009/73/EG vom 13.07.2009 (GasRL), Richtlinie 2009/72/EG vom 13.07.2009 (StromRL)), schränkten ganz erheblich und rechtswidrig die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten der betroffenen Personen ein.
55Die Karenzzeiten erschwerten den Wechsel in die Unternehmensleitung des Unabhängigen Transportnetzbetreibers oder den Wechsel von dort in Führungspositionen des vertikal integrierten Energieversorgungsunter- nehmens oder dessen Mehrheitsanteilseignern. Der berufliche Aufstieg der betroffenen Personen im vertikal integrierten Energieversorgungsun- ternehmen werde faktisch verhindert. Durch die cooling-off-Regelung wer- de darüber hinaus ein Wechsel auf eine weniger bedeutsame Stelle im Unternehmensverbund des vertikal integrierten Energieversorgungsunter- nehmens unmöglich gemacht, weil die cooling-off-Regelung jegliche Tä- tigkeit in den relevanten Unternehmensbereichen verbiete. Die Karenzzei- ten ließen sich daher auch nicht sinnvoll in den Karriereweg der Betroffe- nen einplanen. Es sei auch wenig praktikabel, die betroffenen Personen auf „Abkühlungsstellen“ beim unabhängigen Transportnetzbetreiber zu
56„parken“, um sie dann nach vier Jahren anderweitig einzusetzen. Füh- rungspositionen außerhalb der relevanten Bereiche (im Elektrizitätsbe- reich: Erzeugung, Verteilung, Lieferung oder Kauf, im Gasbereich: Gewin- nung, Verteilung, Lieferung, Kauf oder Speicherung von Erdgas) seien im Übrigen auch nur bei Mehrspartenunternehmen vorhanden, die auch elektrizitäts- und erdgasfremde Geschäfte betrieben.
57Für Führungskräfte sei es daher wenig attraktiv, bei einem Unabhängigen Transportnetzbetreiber zu arbeiten, weil sich dies als „Sackgasse“ darstel- le, dort die Entwicklungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen beschränkt seien. Wechselten sie den Arbeitgeber, müssten sie - obwohl nicht zum
58„obersten Management“ gehörend - in einem größeren Maße als andere Arbeitnehmer Umzüge und die damit einhergehenden Folgen für das Pri- vat- und Familienleben in Kauf nehmen. Die beruflichen Entwicklungsmög-
59lichkeiten würden noch weiter dadurch verschärft, dass mit den cooling- on/cooling-off Regelungen nicht nur eine Anstellung beim vertikal integrier- ten Energieversorgungsunternehmen oder deren verbundenen Unterneh- men, sondern daneben Interessen- und Geschäftsbeziehungen verboten seien.
60Die Karenzzeiten seien auch für das Energieversorgungsunternehmen gravierend. Die Beschränkungen machten die betroffenen Stellen beim Unabhängigen Transportnetzbetreiber unattraktiv und erschwerten die Nachwuchssuche und -förderung. Es werde eine langfristige Personalpla- nung verhindert. Ferner entstehe ein „Karrierestau“ beim Unabhängigen Transportnetzbetreiber, weil Stelleninhaber, die die Vorgaben des § 10c Abs. 6 EnWG zu beachten hätten, in der Regel auf ihrer Position bis zum Ruhestand verblieben. So verschlechterten sich für andere Mitarbeiter die Karrierechancen und es entstünden statische und damit nicht nachhaltige Strukturen beim Unabhängigen Transportnetzbetreiber. Diese Auswirkun- gen stünden im Widerspruch zum EnWG, wonach die Energieversorgung möglichst preisgünstig und effizient sein (§ 1 Abs. 1 EnWG) und ein lang- fristiger, leistungsfähiger und zuverlässiger Betrieb des Netzes erreicht werden solle (§ 1 Abs. 2 EnWG). Auch im Hinblick auf die Anreizregulierung könnten sich Nachteile ergeben, wenn die fehlende At- traktivität der Stellen beim Unabhängigen Transportnetzbetreiber durch höhere Vergütungen ausgeglichen werden müsste.
61Die Bundesnetzagentur habe die cooling-on/cooling-off-Regelungen rechtswidrig erweiternd ausgelegt, so dass im Wesentlichen die gesamte
622. Führungsebene von den Karenzregeln erfasst sei.
63Sie gehe unzutreffend davon aus, dass „im Zweifel sämtliche Personen, die der 2. Führungsebene angehören“, unter die Sperrfristen fielen. So sei die Behörde ohne nähere Begründung und Prüfung davon ausgegangen, dass die hier strittigen Bereiche originäre Zuständigkeiten und Entschei- dungsbefugnisse hätten, die eine eigene Verantwortlichkeit im Sinne des
64§ 10c Abs. 6 EnWG begründeten. Die jeweiligen Leiter der hier streitigen
65Stellen seien jedoch nicht - wie es § 10c Abs. 6 EnWG fordere - für be- stimmte Bereiche, für „Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes“, verantwortlich und hätten für die relevanten Aufgaben keine Entschei- dungsbefugnisse. Sie wirkten allenfalls an Entscheidungen mit Bezug zu
66„Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes“ mit, verantworteten sol- che Entscheidungen aber nicht selbst unmittelbar oder abschließend.
67Die Bundesnetzagentur nehme zu Unrecht an, dass für eine „Verantwort- lichkeit“ bereits eine bloße Mitwirkung an Entscheidungen oder eine Art
68„Mitverantwortung“ ausreiche. Im Ergebnis stelle die Behörde darauf ab, ob in einer Abteilung diskriminierungsrelevantes Wissen vorhanden sei. Außerdem lege die Bundesnetzagentur das einschränkende Merkmal „Be- trieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes“ so weit aus, dass nahezu jegliche Tätigkeit bei dem unabhängigen Transportnetzbetreiber, jede im allerweitesten Sinne dem Netzbetrieb dienende Tätigkeit, erfasst sei.
69Jedoch verdeutliche der Wortlaut des § 10c Abs. 6 EnWG, dass gerade nicht sämtliche Mitglieder der 2. Führungsebene von den Sperrfristen er- fasst werden sollten. Der Begriff „Verantwortlichkeit“ mache deutlich, dass nur solche Stelleninhaber betroffen sein sollten, die eine Entscheidung träfen, nicht hingegen diejenigen, die an Entscheidungen mitwirkten oder diese vorbereiteten. So müsse sich die Tätigkeit gerade auf die Bereiche
70„Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes“ beziehen. Die Begriffe
71„Wartung und Entwicklung des Netzes“ wären aber überflüssig, wenn mit dem „Betrieb“ jegliche Tätigkeit des Unabhängigen Transportnetzbetrei- bers gemeint sei. So erbringe der Unabhängige Transportnetzbetreiber regelmäßig keine transportnetzfremden Tätigkeiten.
72Auch die Gesetzessystematik spreche gegen die erweiternde Auslegung der Bundesnetzagentur. So zeige § 10 Abs. 1 S. 2 EnWG, der die Aufga- ben des Unabhängigen Transportnetzbetreibers aufliste und Einrichtungen wie Rechtsabteilung, Buchhaltung und die IT-Abteilung ausdrücklich nen- ne (§ 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 EnWG), dass mit „Betrieb, Wartung oder Ent- wicklung des Netzes“ nicht jegliche, sondern nur ein Ausschnitt der Tätig-
73keit des Unabhängigen Transportnetzbetreibers gemeint sei. Ferner ma- che die gesonderte Nennung der „Erstellung des Netzentwicklungsplans“ neben dem „Netzbetrieb“ in § 10b Abs. 2 EnWG und in § 10d Abs. 2 EnWG deutlich, wie eng der Gesetzgeber den Begriff „Betrieb des Netzes“ gesehen habe.
74Die Gesetzeshistorie zeige, dass der von der Regelung erfasste Perso- nenkreis nicht über Gebühr habe ausgedehnt, sondern auf Personen habe beschränkt werden sollen, die „ebenfalls erheblichen Einfluss und umfang- reiche Erkenntnisse der technischen Eigenschaften des Transportnetzes und seines Zustandes“ hätten (BT-Drs. 17/6072, S. 64). So werde in der Begründung beispielhaft auf den „Hauptbereichsleiter Netz“ verwiesen.
75Auch Sinn und Zweck der Regelung sprächen gegen eine erweiternde Auslegung. So werde in § 10c EnWG maßgeblich auf die Entscheidungs- befugnis der Unternehmensleitung im Sinne des § 3 Nr. 29b und § 3 Nr. 33a EnWG abgestellt. Hieraus folge, dass auch für die Personen der
762. Führungsebene, die von § 10c Abs. 6 EnWG erfasst werden sollten, eine bloße Kenntnis bestimmter diskriminierungsrelevanter Umstände al- lein nicht ausreichend sei. Im Übrigen bestehe im cooling-on-Fall, bei ei- nem Wechsel vom vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen zum Unabhängigen Transportnetzbetreiber, schon kein Diskriminierungs- potential, weil Informationen aus der Tätigkeit beim vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen für die Ausgestaltung und Abwicklung des Netzbetriebes nicht relevant seien. So müsse ein Netzbetreiber ohne- hin alle Informationen erhalten, die zur Umsetzung des Netzzugangs er- forderlich seien. Mögliche Loyalitätskonflikte bestünden auch bei einem Wechsel von einem anderen Gasversorgungsunternehmen (Gashändler, Vertriebsgesellschaft). Scheide der betroffene Leiter aus, könne dieser nicht mehr diskriminieren, sondern allenfalls die beim Unabhängigen Transportnetzbetreiber verbleibenden Kollegen, ggfs. auch die dortigen Sachbearbeiter ohne Führungsverantwortung. Wie im cooling-on-Fall sei das Diskriminierungspotential unabhängig davon, ob ein Wechsel zum vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen oder zu einem ande-
77ren Wettbewerber erfolge. Die Karenzzeiten rechtfertigten sich auch nicht deshalb, weil eine Führungskraft ggfs. im Hinblick auf eine spätere „Be- lohnung“, etwa durch eine entsprechend wohlwollende künftige berufliche Entwicklung, das vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen be- vorzugen könnte.
78Im Übrigen seien die Bestimmungen grundrechtskonform eng auszulegen. Das weite Verständnis der Bundesnetzagentur verletzte die Berufswahl- freiheit der betroffenen Personen, die Berufsausübungsfreiheit des Netz- betreibers, das Eigentumsrecht des vertikal integrierten Energieversor- gungsunternehmen sowie seiner Gesellschafter und den Gleichheitssatz. Die Rechtsanwendung durch die Bundesnetzagentur sei ausufernd und konturenlos, das einschränkende Merkmal für die 2. Führungsebene ver- liere seine Bedeutung. Die Auslegung der Bundesnetzagentur sei weder geeignet, erforderlich noch verhältnismäßig im engeren Sinne. Eine mögli- che Diskriminierung setze eine Entscheidungsbefugnis in den drei rele- vanten Bereichen voraus. Wettbewerbsrelevante Informationen hätten auch Mitarbeiter ohne Entscheidungsverantwortung. Im Hinblick auf die zahlreichen Regelungen und Verbote des EnWG sei eine extensive Aus- legung zudem nicht erforderlich.
79Die Auslegung der Bundesnetzagentur sei auch nicht richtlinienkonform. So nenne Art. 17 Abs. 2 e) GasRL/Art. 17 Abs. 2 e) StromRL ausdrücklich den „Betrieb, die Wartung und den Ausbau eines sicheren, effizienten und wirtschaftlichen Fernleitungsnetzes“ neben der sonstigen Geschäftstätig- keit (Art. 17 Abs. 2 h) GasRL: u.a. Rechtsabteilung, Buchhaltung, IT- Dienste). Auch die englische und französische Fassung der Richtlinie („directly reporting to“, „rendent directement compte“) spreche für eine en- ge Auslegung.
80Die Antragstellerin beantragt,
811. Ziffer 3 des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom
8209.12.2012, BK7-12-026, aufzuheben, soweit dort festgestellt wird, dass die jeweilige Leitung der Center
83- 84
„IT/Organisation“
- 85
„Finanzen/Controlling“
- 86
„Personal/Recht“
- 87
„Netzvermarktung“ sowie der Bereiche
- 88
„Regulierungsmanagement/Strategie“
- 89
„Sicherheitsingenieur“
den Vorgaben des §10c Abs. 6 EnWG unterliegt,
912. Ziffer 2 g) des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 09.12.2012, BK7-12-026, insoweit aufzuheben, als der Antrag- stellerin damit die Beachtung der Vorgaben des § 10c Abs. 6 EnWG bei der Besetzung der Leitung des Centers
92„Recht/Personal“ aufgegeben wird,
93hilfsweise festzustellen,
94dass Ziffer 2 g) des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 09.12.2012, BK7-12-026, insoweit rechtswidrig ist, als der An- tragstellerin damit die Beachtung der Vorgaben des § 10c Abs. 6 EnWG bei der Besetzung der Leitung des Centers
95„Recht/Personal“ aufgegeben wird.
96Die Bundesnetzagentur beantragt,
97die Beschwerde zurückzuweisen.
98Der Feststellungsantrag zu Ziffer 2 sei bereits unzulässig, weil dieser sub- sidiär sei. Die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde sei nur zulässig, wenn eine Rechtsschutzlücke drohe. Der Aufhebungsantrag zu 2., der sich auch auf die Stelle „Recht/Personal“ beziehe, mache jedoch den Feststellungsantrag überflüssig.
99Die Antragstellerin begehre mit ihrem Anfechtungsantrag die Aufhebung der Tenorziffer 3 des Bescheides. Die dortige Feststellung beziehe sich aber nur auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Entscheidung. Eine Feststel- lung für zukünftige Sachverhalte sei damit nicht verbunden. Soweit be- kannt, halte die Antragstellerin die cooling-on/cooling-off-Vorgaben derzeit auch ein. Aus der Tenorziffer 3 des Bescheides ergäben sich keine Ge- und Verbote. Die Bundesnetzagentur habe nur die kraft Gesetzes gelten- de Rechtslage klargestellt.
100Die cooling-on/cooling-off-Regelungen verstießen nicht gegen das Grund- recht der Berufsfreiheit. Da die Leiter der betroffenen Abteilungen die Möglichkeit hätten, außerhalb des vertikal integrierten Energieversor- gungsunternehmens und deren Tochterunternehmen zu arbeiten, seien sie nicht grundsätzlich in ihrem Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes betroffen. Außerdem greife das Verbot nur innerhalb der dort festgelegten Fristen. Der Eingriff in das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt, erfolge nur mit geringer Intensität. Den betroffenen Personen werde nicht die Ausübung ihres jeweiligen Berufs- bildes an sich unmöglich gemacht, sondern lediglich der sofortige Wechsel zu einem bestimmten Arbeitgeber unterbunden. Die Regelung verlange nicht, dass die betroffenen Personen den Konzern verließen. Der Eingriff sei geeignet, Transparenz herzustellen sowie die diskriminierungsfreie Ausgestaltung und Abwicklung des Netzbetriebes und damit einen wirk- samen und unverfälschten Wettbewerb zu gewährleisten. „Abkühlungs- phasen“ oder Karenzzeiten seien als geeignetes Mittel allgemein aner- kannt, um persönliche Interessenkonflikte zu vermeiden (vgl. z.B. § 74 HGB, § 90a HGB). Auch die zeitliche Einschränkung der Berufsausü- bungsfreiheit von 6 Monaten, 3 und 4 Jahren stehe im Hinblick auf die Vernetzung der Führungskräfte im vertikal integrierten Energieversor- gungsunternehmen nicht außer Verhältnis.
101Die übrigen Maßnahmen des EnWG, um die Unabhängigkeit des Netzbe- treibers zu erreichen, stünden dem nicht entgegen. Vielmehr seien die
102cooling-on/cooling-off-Regelungen als Teil eines „Gesamtpaketes“ zu se- hen, um das Diskriminierungspotenzial zu minimieren. So käme als gleich wirksame Maßnahme die eigentumsrechtliche Entflechtung nach § 8 EnWG in Betracht, die ggfs. aber stärker in die unternehmerische Freiheit und Berufsausübungsfreiheit eingreife. Dann aber stünden den Führungs- kräften des eigentumsrechtlich entflochtenen Transportnetzbetreibers ebenfalls nicht mehr die regelmäßig innerhalb eines Konzerns bestehen- den vielfältigen Karrieremöglichkeiten offen. Diese Karrieremöglichkeiten blieben den Führungskräften im Fall des Unabhängigen Transportnetzbe- treibers jedoch erhalten, wenn auch mit einem gewissen zeitlichen Ver- zug.
103Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Entflechtungsregeln durch das Dritte EU-Energiebinnenmarktpaket und die Änderungen des EnWG 2011 gerade deshalb verschärft worden seien, weil die bisherigen Regelungen nicht zu einer effektiven Entflechtung der Netzbetreiber ge- führt hätten. So habe der Gesetzgeber mit § 10c EnWG darauf reagiert, dass Managementfunktionen von Muttergesellschaft und Netztochter von den gleichen Personen wahrgenommen und so eine Steuerung der Netz- tochter ermöglicht worden sei. Darüber hinaus sei der Verhältnismäßig- keitsgrundsatz berücksichtigt worden, indem Übergangsvorschriften ge- schaffen worden seien, mit denen etwa die cooling-on-Regelungen auf Ernennungen vor dem 03.03.2012 keine Anwendung fänden (§ 10c Abs. 2
104S. 3 EnWG).
105Es sei fraglich, ob der Schutzbereich des Art. 14 GG überhaupt tangiert sei, weil dieser allenfalls dann berührt wäre, wenn die Handlungspflichten so weit gingen, dass ein Eingriff in die Substanz des Gewerbebetriebes gegeben sei. Ein derart existenzieller, substanzgefährdender Eingriff liege hier schon nicht vor.
106Die Bundesnetzagentur meint, dass das Merkmal „Verantwortlichkeit für Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes“ in einem weiten Sinne auszulegen sei. Hierunter seien rechtliche, kommerzielle und technische
107Verantwortungsbereiche zu verstehen. Eine Begrenzung auf rein techni- sche Aufgaben sei nicht sachgerecht. Vielmehr seien unter § 10 Abs. 6 EnWG im Zweifel sämtliche Personen der 2. Führungsebene zu subsu- mieren. Eine zu enge Auslegung führe das Entflechtungsmodell ad absur- dum. So verfügten auch Personen der 2. Führungsebene, die für den kommerziellen oder rechtlichen Bereich verantwortlich seien, in der Regel über umfangreiche diskriminierungsrelevante Kenntnisse des Netzes.
108„Verantwortlich“ im Sinne des § 10c Abs. 6 EnWG sei derjenige, der eine direkte Zuständigkeit für und Entscheidungsbefugnisse im Hinblick auf einen der genannten Bereiche habe. „Verantwortlichkeit“ sei von der tat- sächlichen Durchführung bestimmter Aufgaben zu unterscheiden. Eine bloß unterstützende Einbeziehung in einzelne Entscheidungsprozesse reiche für eine Verantwortlichkeit im Sinne des § 10c Abs. 6 EnWG nicht aus. Allerdings komme es nicht auf eine Letztverantwortung für den Be- trieb, die Wartung und die Entwicklung des Netzes an. Diese liege bei der Unternehmensleitung. Es genüge vielmehr jede Art von Verantwortlichkeit für einen der drei relevanten Bereiche, auch für einzelne Teilaspekte. Es sei nicht entscheidend, wer bestimmte Tätigkeiten für das Netz erbringe, sondern wer aufgrund seiner Stellung im Unternehmen ein Diskriminie- rungspotenzial in sich trage, das dem Entflechtungsgedanken des EnWG widerspreche. Es genüge eine Verantwortlichkeit für einen „den Netzbe- trieb unterstützenden Bereich“. So stelle etwa die Verantwortung für die IT, die für den Netzbetrieb elementar sei, eine „vollwertige Verantwortlich- keit“ im Sinne des § 10c Abs. 6 EnWG dar. Es könnten im Übrigen - je nach der Organisationsstruktur – durchaus Fachbereiche unmittelbar der obersten Unternehmensleitung unterstellt sein, aber dennoch nur netz- fremde Dienstleistungen zu verantworten haben (z.B. „Zentrale Dienste“,
109„Facility Management“, „Assistance“ oder „Sicherheit, Umwelt“ oder „Ge- sundheit“).
110So sei auch der Begriff „Betrieb des Netzes“ sprachlich weit gefasst und nicht auf technische Abläufe beschränkt. Er sei vielmehr synonym zu den Begriffen „Arbeitsablauf“ oder „Funktionsablauf“ zu verstehen. Auch der
111Begriff „Entwicklung“ sei in einem planerisch-ökonomischen Sinn auszule- gen. Lediglich der Begriff „Wartung“ sei vorrangig technisch, auf die tat- sächliche Instandhaltung des Netzes gerichtet, gemeint.
112Auch die Gesetzesbegründung zeige, dass relevante Querschnittsaufga- ben als für den Transportbetrieb zugehörig eingestuft werden sollten (BT- Drs. 17/6072, S. 59: „die Einrichtung und den Unterhalt von erforderlichen Einrichtungen für den Transportbetrieb (z.B. Rechtsabteilung)…“). Die Aufzählung der Aufgaben in § 10 Abs. 1 S. 2 EnWG stehe dem nicht ent- gegen. Auch werde der betroffene Personenkreis nicht über Gebühr aus- gedehnt. Soweit in der Gesetzesbegründung beispielhaft auf den „Haupt- bereichsleiter Netz“ verwiesen werde, sei nur ein besonders eingängiger Fall für die von § 10c Abs. 6 EnWG erfassten Tätigkeiten herausgegriffen worden, ohne andere Bereich ausschließen zu wollen.
113Sinn und Zweck der Regelung sprächen ebenfalls für eine weite Ausle- gung. So sei Anknüpfungspunkt die Möglichkeit, Einfluss auf und Verant- wortung für einen der drei relevanten Bereiche, Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes, zu nehmen. Derartige Kenntnisse lägen jedoch auch bei Personen der 2. Führungsebene vor, die für einen kommerziellen oder rechtlichen Bereich verantwortlich seien. Sie könnten ihre Aufgabe nur dann sinnvoll erfüllen, wenn sie über umfangreiche Netzkenntnisse verfügten. Diese Auslegung entspreche dem Ziel der Entflechtung. Das Modell des unabhängigen Transportnetzbetreibers stelle hierbei den mil- desten Eingriff dar. Im Unternehmensverbund sei ein Diskriminierungspo- tenzial angelegt und charakteristisch. Der von den Karenzregelungen er- fasste Personenkreis müsse daher so vollständig sein, wie es die auf Transparenz und Vermeidung von Diskriminierungspotenzial ausgerichte- te Entflechtung erfordere. Mit der Gesetzesänderung habe der Gesetzge- ber deutlich gemacht, dass die zuvor geltenden Regeln nicht ausreichend gewesen seien. Auch eine richtlinienkonforme Auslegung belege, dass der Begriff „verantwortlich“ weit auszulegen sei. So werde in der Richtlinie die Formulierung „befasst“ verwendet (vgl. auch Erwägungsgründe 8 und 16 GasRL).
114Bei der Antragstellerin seien daher die Leiter der hier im Streit stehenden Abteilungen unter die cooling-on/cooling-off-Regelungen des § 10 c Abs. 6 EnWG zu fassen.
115Der Leiter „Netzvermarktung“ sei für den „Betrieb, Wartung oder Entwick- lung des Netzes verantwortlich“. So sei er für den „Aufbau und die Durch- führung der Beschaffungs- und Vertriebsaktivitäten des Netzbetreibers und zusammenhängender Dienstleistungen zuständig. Hierzu gehörten nach der Aufgabenbeschreibung die
116- 117
„Entwicklung, Gestaltung, Abschluss und Abwicklung von markt- und kundengerechten Vereinbarungen für den Gastransport,
- 118
die Entwicklung und Weiterentwicklung von kaufmännischen und vertraglichen Grundlagen für den Gastransport,
- 119
Beobachtung des Transportmarktes im In- und Ausland
- 120
Ausbau und Weiterentwicklung von Transporthandelsaktivitäten
- 121
Abstimmung zu Centerergebnisrechnungen mit Leistungslieferan- ten und Kunden“
Die Antragstellerin gehe zwar zutreffend davon aus, dass der Leiter „Netz- vermarktung“ keine Kompetenzen im technischen Betrieb habe. Er sei je- doch für die wirtschaftliche Weiterentwicklung des Netzes verantwortlich.
123Der Leiter „IT & Organisation“ unterstütze den technischen Netzbetrieb. Die IT sei Grundvoraussetzung und wesentlicher Teil des Netzbetriebs. Es sei kein Grund ersichtlich, den IT-Bereich anders als die eigentliche tech- nische „stahlbasierte“ Leitungsstruktur zu behandeln.
124Auch der Leiter des Centers „Finanzen & Controlling“ falle unter § 10c Abs. 6 EnWG. Dieser Zentralbereich sei zwingend erforderlich, um den technischen Netzbetrieb sicherzustellen und die Netzentwicklung zu ge- währleisten. Aufgrund seiner finanziellen Entscheidungskompetenzen steuere er unmittelbar den Netzbetrieb. Auch habe der Leiter umfassend
125Zugang zu diskriminierungsrelevanten Informationen.
126Der Leiter „Recht & Personal“, der zum 01.02.2013 begonnen habe, führe ebenfalls einen Zentralbereich und steuere damit unmittelbar den Netzbe- trieb und die Netzentwicklung. Aufgrund der eigenständigen Bewertung des Centers sowie der Verantwortung für das gesamte Personal, Perso- nalbeschaffung und -betreuung, könne der Leiter maßgeblichen Einfluss auf den unmittelbaren Netzbetrieb und die Netzentwicklung nehmen. Te- norziffer 2 g) des Bescheides sei daher auch rechtmäßig.
127Die Stabsstelle „Regulierungsmanagement/Strategie“ nehme Einfluss auf den Netzbetrieb und die Netzentwicklung, z.B. durch die eigenständige Bewertung regulatorischer Rahmenbedingungen, Sicherstellung und Koordinierung neuer europäischer Pflichten, die Mitwirkung bei der Kalku- lation der Netzentgelte. Auch die Aufgabe, den europäischen Energie- markt zu bewerten und Handlungsempfehlungen vorzunehmen, berge ein hohes Diskriminierungspotential.
128Die Stabsstelle „Sicherheitsingenieur“ unterliege ebenfalls den Vorgaben des § 10c Abs. 6 EnWG. Da die Antragstellerin keine Stellenbeschreibung vorgelegt habe, sei diese Aufgabe dem „Technischen Netzbetrieb“ zuge- ordnet worden. Die Antragstellerin sei auch auf die rechtliche Einordnung durch die Bundesnetzagentur vor Erlass des Bescheides hingewiesen worden, sie sei gleichwohl ihrer Darlegungs- und Nachweispflicht aber nicht nachgekommen (§ 4a Abs. 3 EnWG). Soweit die Antragstellerin nunmehr ihren Sachvortrag geändert und eine Aufgabenbeschreibung beigebracht habe (Anlage BF2), könne dies ohne weitere Unterlagen nicht geprüft werden. Es handle sich ggfs. um einen Unterrichtungsfall nach
129§ 4c EnWG, der ggfs. in einem gesonderten Verfahren eine Neubewer- tung und –bescheidung durch die zuständige Beschlusskammer erforder- lich machen könne. Eine Prüfung könne jedoch nicht mehr vor der mündli- chen Verhandlung und dem Abschluss des laufenden Beschwerdeverfah- rens ergehen.
130Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit Anlagen, den bei- gezogenen Verwaltungsvorgang der Bundesnetzagentur sowie das Proto- koll der Senatssitzung vom 04.06.2014 Bezug genommen.
131B.
132Die zulässige Beschwerde ist weitgehend begründet.
133Die Umsetzung der cooling-on/cooling-off-Bestimmungen im EnWG ist verfassungs- und europarechtlich nicht zu beanstanden. Jedoch geht die Bundesnetzagentur von einem zu extensiven Verständnis des § 10c Abs. 6 EnWG aus.
134Es sind lediglich die im Tenor genannten Leiter der 2. Führungsebene von den Vorgaben des § 10c Abs. 6 EnWG erfasst.
135I.
136Die Anfechtungsbeschwerde ist zulässig.
1371.
138Die isolierte Anfechtung der Tenorziffern 2 g) und 3 des Bescheides, trennbarer Nebenbestimmungen, ist zulässig (vgl. BGH, WM 1984, 1294; Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage, 2014,
139§ 36, Rn. 54 ff.).
1402.
141Der Anfechtungsantrag der Antragstellerin ist zulässig, weil die cooling- on/cooling-off-Bestimmungen sie in ihren Rechten berührt, die Antrag- stellerin bei der Auswahl des benötigten Personals einschränken.
142Mit der Feststellung im Tenor zu Ziffer 3. des Zertifizierungsbescheides will die Bundesnetzagentur auch eine verbindliche Rechtsfolge setzen.
143Ob und wie weit eine verbindliche Regelung getroffen werden soll, ent- scheidet die Behörde (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.04.2014, VI-3 Kart 277/12 (V)). Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert, d.h. der am objektiven Inhalt zu messende Bindungswille. Entsprechend § 133 BGB ist im Wege der Auslegung daher zu ermitteln, wie ihn der durch die Erklä- rung Betroffene bei verständiger Würdigung verstehen durfte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.04.2014, VI-3 Kart 277/12 (V); OLG Düs- seldorf, Beschluss vom 23.09.2009, VI-3 Kart 25/08 (V) m.w.N.). Unklar- heiten bezüglich der Frage, ob die Behörde die Verwaltungsaktform ge- wählt hat, gehen zu Lasten der Verwaltung (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage, § 35, Rn. 73a). Im Streitfall ist zwischen einem feststellenden Verwaltungsakt, der lediglich eine bestehende Rechtslage - allerdings rechtsverbindlich – fest- stellt und einem schlichten Hinweis auf die Rechtslage, der bloßen Mittei- lung oder Auskunft ohne Regelungscharakter, zu unterscheiden (vgl. Pietzcker in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 25. Ergänzungslieferung,
144§ 42, Rn. 26).
145Hier war erkennbar, dass die Bundesnetzagentur mit ihrer Anordnung eine Rechtsfolge setzen wollte. Dafür spricht bereits, dass sie die Formulie- rung, welche Abteilungen nach ihrer Auffassung unter die Sperrfristen- Regeln fallen sollen, in den Tenor aufgenommen hat. In der Begründung zum Beschluss hat die Bundesnetzagentur dann ausgeführt, dass die Feststellung im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsauffassungen
146„zur Schaffung von Rechtssicherheit“ getroffen worden sei.
147Es ist daher nicht plausibel, dass die Bundesnetzagentur nur die geltende Rechtslage habe unverbindlich klarstellen wollen. Es ist der Antragstellerin angesichts der im Bescheid erkennbaren Regelungswirkung daher auch nicht zumutbar, etwa die angefochtene Entscheidung rechtskräftig werden zu lassen und sich erst in einem späteren Verfahren gegen die entspre-
148chende Bestimmung wehren zu müssen. Hätte die Bundesnetzagentur keine Rechtsfolge verbindlich bestimmen wollen, wäre auch nicht nach- vollziehbar, warum eine solche Feststellung überhaupt getroffen worden ist. So hätte es im Bescheid keinerlei Ausführungen zur cooling-on-Frist bedurft, weil die eingesetzte 2. Führungsebene nicht betroffen ist, denn die Bestimmungen gelten nur für Personen, die erst nach dem 02.03.2012 ihre Position angetreten haben.
1493.
150Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag gegen die Anordnung zu Te- norziffer 2 g) des Bescheides ist hingegen unzulässig. Es besteht insoweit nach der Erledigung kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse.
151Ein Feststellungsantrag ist in energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungs- verfahren möglich, wenn auch das EnWG diese Möglichkeit nicht aus- drücklich nennt (BGH, Beschluss vom 14.08.2008, KVR 42/07, „Rhein- hessische Energie“, Rn. 80, zit. nach juris).
152Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist hier hinsichtlich der Tenorziffer 2 g) nicht mehr erkennbar. Die Anordnung hat sich nach der Besetzung der Stelle zum 01.02.2013 erledigt. So fehlt es an einem Feststellungsinte- resse, wenn die zuständige Behörde eine eindeutige Erklärung abgege- ben und eine streitige Rechtsfrage klargestellt hat (vgl. z.B. OLG Düssel- dorf, Beschluss vom 29.05.2013 - VI-3 Kart 462/11 (V); Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 25. Ergänzungslie- ferung 2013, § 113, Rn. 90).
153Im vorliegenden Fall geht auch die Bundesnetzagentur davon aus, dass sich nach der Besetzung der Stelle die Anordnung zu Ziffer 2 g) erledigt habe. Auch in der Begründung des Bescheides (S. 46) hat die Bundes- netzagentur darauf hingewiesen, dass die Anordnung im Hinblick auf die seinerzeit unbesetzte Stelle erfolgt sei. Ob bei einer Neubesetzung der Stelle die Vorgaben des § 10c EnWG zu beachten sind, ergibt sich aus
154der Tenorziffer 3, die die betroffenen Bereiche, einschließlich des Centers
155„Recht/Personal“, auflistet. Ein Interesse, diese Frage im Rahmen der in- zwischen erledigten Tenorziffer 2 g) zu klären, besteht daher nicht.
156II.
157Die Beschwerde ist teilweise begründet.
1581.
159Die cooling-on/cooling-off-Bestimmungen sind verfassungsgemäß und greifen nicht in unzulässiger Weise in Grundrechte, sei es aus dem Grundgesetz oder der Grundrechtecharta abgeleiteten Rechten, ein.
160aa)
161Da die detaillierten europäischen Vorgaben dem deutschen Gesetzgeber kaum einen Umsetzungsspielraum lassen, spricht einiges dafür, dass die Vorschriften (vorrangig) an der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu messen sind (vgl. hierzu: weites Verständnis der Anwendung europäischen Rechts: EuGH, EuZW 2013, 302, C-617/10; „Rechtssache Åkerberg Fransson“; EuGH, Urteil vom 30.04.2014, C-390/12; einschrän- kend: BVerfG, NJW 2013, „Antiterrordatei“; vgl. hierzu: Winter, NZA 2013, 473; Rabe, NJW 2013, 1407; Thym, NVwZ 2013, 889). So geht die Ge- setzesbegründung zu § 10c EnWG davon aus, dass die europäischen Regeln im Wesentlichen eins zu eins umgesetzt würden, der deutsche Gesetzgeber keinen erkennbaren wesentlichen Umsetzungsspielraum habe (Begr. BR-Drs. 343/11, S. 119).
162Die Frage kann jedoch dahinstehen, weil die hier ggfs. betroffenen Grund- rechte, die nach deutschem und europäischen Recht weitgehend ähnliche Schutzbereiche aufweisen, weder nach deutschem noch europäischem Recht in unverhältnismäßiger Weise berührt sind.
163bb)
164Die cooling-on/cooling-off-Bestimmungen greifen in den Schutzbereich der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GRCh, der Berufsausübungsfrei- heit der betroffenen Netzbetreiber und die Berufswahlfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG der jeweiligen Leiter der 2. Führungsebene ein.
165Die cooling-on/cooling-off-Regeln schränken die unternehmerische Frei- heit und Berufsausübung des betroffenen Netzbetreibers und des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens ein. So verweist die An- tragstellerin etwa nachvollziehbar darauf, dass die Personal- und Nach- wuchsplanung erschwert werde. Es kann ggfs. zu verzögerten Beförde- rungen kommen, wenn Stelleninhaber möglichst lange auf einer von § 10c Abs. 6 EnWG erfassten Stellen verbleiben wollen, um nicht in die cooling- off-Zeit zu fallen. Die betroffenen Führungskräfte werden in ihrer Berufs- wahl eingeschränkt, können eine angestrebte Position nicht bzw. erst mit erheblichem zeitlichen Verzug annehmen und müssen daher Nachteile in Kauf nehmen, dürfen innerhalb der Fristen keine Interessen- oder Ge- schäftsbeziehungen im Unternehmensverbund unterhalten. So kann etwa ein Wechsel zu einem externen Arbeitgeber oder ein Umzug erforderlich werden.
166Der Eingriff durch die Karenzzeiten-Bestimmungen ist aber – auch im Hin- blick auf die erhöhte Rechtfertigungsschwelle für den Eingriff in die Be- rufswahlfreiheit - gerechtfertigt. Die Karenzzeiten-Regeln sind geeignet, das Diskriminierungspotential innerhalb des Unternehmensverbundes zu vermindern. Ein vollständiger Ausschluss möglicher Diskriminierungen kann zwar kaum erreicht werden, ist aber auch zur Zielerreichung nicht erforderlich. In nachvollziehbarer Weise konzentriert sich die Regelung auf die Verbindungen innerhalb eines Unternehmensverbundes. Es liegt auf der Hand, dass innerhalb eines Konzerns, schon aufgrund einer oft jahre- langen Zusammenarbeit in verschiedenen Positionen im Unternehmen, ein relevantes Diskriminierungspotential bestehen kann. Die europäischen Regelungen und mit ihnen das EnWG haben dies gesehen und deshalb für das Entflechtungsmodell des Unabhängigen Transportnetzbetreibers
167besondere Bestimmungen geschaffen. Die Regeln dienen den Zielen des
168§ 1 EnWG, u.a. eine preisgünstige und verbraucherfreundliche Versor- gung sowie unverfälschten und wirksamen Wettbewerb sicherzustellen.
169Die Auffassung der Antragstellerin, das Diskriminierungspotential sei bei dem Entflechtungsmodell des Unabhängigen Transportnetzbetreibers nicht erhöht, ist nicht nachvollziehbar. Vielmehr besteht aufgrund der rechtlichen Gestaltung, anders als etwa bei dem Modell des eigentums- rechtlich entflochtenen Netzbetreibers, eine erhöhte Gefahr von Diskrimi- nierungen. Das Netz bleibt im Unternehmensverbund, was an sich schon dem Grundgedanken einer vollständigen Entflechtung widerspricht. So ist das Entflechtungsmodell auch erst auf Druck u.a. Deutschlands und Frankreichs „als dritte Option“ in die beiden europäischen Richtlinien auf- genommen worden, um letztlich eine „vollständige Entflechtung“ zu ver- meiden (vgl. Säcker/Mohr, Energierecht, 3. Auflage, § 10 EnWG, Rn. 1, 4). Durch die strikte Trennung des Personals von Unabhängigem Transport- netzbetreiber und vertikal integriertem Energieversorgungsunternehmen und die dadurch bewirkte Aufgabentrennung sollten die Voraussetzungen für ein ausschließlich an marktüblichen Preisen orientiertes Wettbewerbs- verhalten des Managements des Unabhängigen Transportnetzbetreibers geschaffen werden (vgl. Säcker/Mohr, N&R 2012, Beilage 2/2012, S. 1). Es ist daher naheliegend, dass für dieses „unvollkommene“ Entflech- tungsmodell besondere gesetzliche Anforderungen normiert werden, um die Unabhängigkeit der Beteiligten sicher zu stellen.
170Es ist deshalb plausibel, dass die cooling-on/cooling-off-Regeln nicht auch auf Personen ausgeweitet worden sind, die vom Drittunternehmen zum vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen oder Unabhängigen Transportnetzbetreiber wechseln, wenn auch Loyalitätskonflikte mit einem früheren Arbeitgeber nicht ausgeschlossen sind. Die Sperrfristen-Regeln wollen aus den erläuterten Gründen vor allem Diskriminierungspotentiale innerhalb eines Unternehmensverbundes erfassen, weil diese dort typi- scherweise wahrscheinlicher sind. Auch würde ein umfassendes Verbot, für einen bestimmten Zeitraum vor und nach der Tätigkeit bei einem Un-
171abhängigen Transportnetzbetreiber überhaupt im Energiebereich zu arbei- ten, besonders gravierend die Berufswahl und -ausübungsmöglichkeiten beschränken. Der Anwendungsbereich der Sperrfristen-Norm wäre ferner nur schwer abgrenzbar.
172Die Richtlinien und das EnWG gehen ferner lebensnah davon aus, dass das Diskriminierungspotenzial umso stärker ausgeprägt sein wird, je her- vorgehobener die Position der Agierenden im Unternehmen ist. Die ge- setzliche Regelung unterscheidet hierbei im Wesentlichen zwischen Auf- sichtsrat, Unternehmensleitung, 2. Führungsebene und sonstigen Mitar- beitern und sieht nachvollziehbar für diese Gruppen jeweils unterschiedli- che Anforderungen vor.
173Die Bestimmungen sind auch erforderlich, um das Risiko möglicher Dis- kriminierungen im Konzernverbund zu vermindern. So sind die Europäi- sche Union und mit ihr der deutsche Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Entflechtung bislang noch nicht in dem notwendigen Maße um- gesetzt worden sei, weshalb strengere Entflechtungsregeln erforderlich seien.
174So kommt auch in den Gas- und Stromrichtlinien zum Ausdruck, dass es noch „Hindernisse für den Verkauf von Erdgas/Strom … zu gleichen Be- dingungen und ohne Diskriminierung oder Benachteiligung“ gebe (Erwä- gungsgrund 4 GasRL/StromRL). Ohne eine wirksame Trennung des Netzbetriebs von der Gewinnung und Versorgung („wirksame Entflech- tung“) bestehe die Gefahr einer Diskriminierung nicht nur in der Ausübung des Netzgeschäfts, sondern auch in Bezug auf die Schaffung von Anrei- zen für vertikal integrierte Unternehmen, ausreichend in ihre Netze zu in- vestieren (Erwägungsgrund 6 GasRL, Erwägungsgrund 9 StromRL). Bei- de Richtlinien gehen davon aus, dass die bisherigen Regeln nicht zu einer tatsächlichen Entflechtung der Übertragungsnetzbetreiber geführt hätten (Erwägungsgrund 7 GasRL, Erwägungsgrund 10 StromRL). Daher müss- ten mit dem wirksamsten Mittel, der Entflechtung, die bestehenden Anrei- ze für vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen beseitigt wer-
175den, Wettbewerber zu diskriminieren (Erwägungsgrund 8 GasRL, Erwä- gungsgrund 11 StromRL).
176Diese Wertung der europäischen Richtlinien ist jedenfalls nachvollziehbar. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird darauf verwiesen, dass die vorhandene Trennung zwischen Netzgesellschaft und in Wettbewerbsbe- reichen tätigen Konzerngesellschaften verbesserungswürdig sei (Begr. Gesetzentwurf, BR-Drs. 343/11, S. 1). Die Bundesregierung sah die drei Entflechtungsalternativen als „gleichwertig“ an (Begr. Gesetzentwurf, BR- Drs. 343/11, S. 2, 109). Ziel sei es, den Wettbewerb auf vor- und nachge- lagerten Märkten zu stärken (Begr. Gesetzentwurf, BR-Drs. 343/11, S. 5, 109, 117). So war die Änderung erfolgt, um die nicht unübliche Praxis ver- tikal integrierter Energieversorgungsunternehmen, Managementfunktionen von Muttergesellschaft und Netztochter von der gleichen Person wahr- nehmen zu lassen, künftig zu unterbinden und so eine unerwünschte
177„Wissens- bzw. Informationsschnittstelle“ auszuschalten (Bourwieg/Miller, RdE 2008, 230; Säcker/Mohr in Energierecht, 3. Auflage, § 10c, Rn. 1). Durch die Personenidentität war zuvor eine über die Kontrolle der Rentabi- lität der Netztochter hinausgehende Unternehmenssteuerung möglich ge- wesen (Bourwieg/Miller, RdE 2008, 230; Säcker/Mohr in Energierecht, 3. Auflage, § 10c, Rn. 1).
178Die Bestimmungen sind auch nicht deshalb von vornherein entbehrlich, weil es zahlreiche andere Vorschriften und Verbote im Energierecht gibt, die ebenfalls das Ziel haben, Diskriminierungen zu vermeiden (u.a. infor- matorische, rechtliche und organisatorische Entflechtung, Zertifizierung, Gleichbehandlungsbeauftragter, allgemeines Diskriminierungsverbot). Mit den cooling-on/cooling-off-Bestimmungen soll „präventiv“ verhindert wer- den, dass Diskriminierungen in besonders sensiblen Unternehmensberei- chen überhaupt erst entstehen. Diese Form der Regulierung geht daher über bloße Verbote oder anderen Vorgaben, die zum Teil vergleichsweise einfach übertreten werden können und oft auch nur schwer zu kontrollie- ren sein werden, in vertretbarer Weise hinaus.
179Es ist daher plausibel, dass durch organisatorische Maßnahmen im Füh- rungskräftebereich die Entflechtung abgesichert werden soll. So sollen durch die berufliche Handlungsunabhängigkeit der Führung des Unab- hängigen Transportnetzbetreibers zusammen mit den formalen personel- len Entflechtungsregeln Anreize unterbunden werden, das vertikal inte- grierte Energieversorgungsunternehmen aus Gründen der persönlichen Karrierechancen oder Vergütung zu bevorzugen (vgl. Säcker/Mohr, N&R 2012, Beilage 2/2012, S. 1). Die beiden Richtlinien verweisen ebenfalls darauf, dass die Unabhängigkeit des Unabhängigen Transportnetzbetrei- bers gerade auch durch Karenzzeiten sichergestellt werden solle (Erwä- gungsgrund 16 GasRL, Erwägungsgrund 19 StromRL). Die Bundesnetz- agentur erläutert zutreffend, dass die Entflechtungsregeln Teil eines „Ge- samtpakets“ seien, um mögliche Diskriminierungen zu vermeiden. Der Erforderlichkeit steht auch nicht entgegen, dass das Diskriminierungspo- tential zunehmend sinkt, der Ablauf des Netzzugangs und der Netzbetrieb standardisiert werden, einem Netzbetreiber weniger Einfluss auf die Ver- gabe von Kapazitäten verbleibt. Dies macht vielmehr deutlich, dass der Prozess der Entflechtung fortschreitet.
180Die cooling-on/cooling-off-Regelungen für die 2. Führungsebene sind auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
181Wie bereits erörtert, sind die Bestimmungen geschaffen worden, um das Entflechtungsmodell des Unabhängigen Transportnetzbetreibers umset- zen und gleichzeitig dem Entflechtungsgedanken Rechnung tragen zu können. Die Richtlinien gehen ersichtlich davon aus, dass nur durch die Sperrfristen-Regeln ein solches Maß an Unabhängigkeit erreicht werde, das dem Gedanken einer vollständigen Entflechtung nahe kommt. Die weiterhin erhebliche strukturelle und rechtliche Verbundenheit im Unter- nehmensverbund und das damit verbundene Diskriminierungspotenzial sollen durch teilweise einschneidende Bestimmungen zur Unabhängigkeit des Personals, einschließlich der cooling-on/cooling-off-Bestimmungen reduziert werden. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass für die weiterhin bestehende Unternehmensverbindung die Führungskräfte
182„im Gegenzug“ in ihren persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten be- schränkt werden. Um überhaupt den Zielen der Entflechtung gerecht zu werden, sind die Sperrfristen-Regeln für Führungskräfte, nach Hierarchie- ebenen abgestuft, geschaffen worden.
183Die Antragstellerin weist zutreffend darauf hin, dass es durch die cooling- on/cooling-off-Bestimmungen zu Schwierigkeiten auf dem Karriereweg kommen kann. Sie erläutert nachvollziehbar, dass es meist wenig prakti- kabel sein wird, die Betroffenen auf „Abkühlungsstellen“ zu parken, um sie dann für einen künftigen Einsatz im Unternehmensverbund einsetzen zu können. Es besteht auch die Gefahr, dass sich der Einsatz auf einer Füh- rungsstelle i.S.d. § 10c Abs. 6 EnWG als „Sackgasse“ im Unternehmens- verbund erweisen oder die berufliche Entwicklung verzögern kann. Diese Beschränkungen gehen jedoch nicht so weit, dass den Betroffenen eine Tätigkeit in ihrem Fachgebiet unmöglich gemacht wird. Vielmehr werden sie in verhältnismäßiger Weise in ihrem Recht beschränkt, ihre Arbeitsstel- le für bestimmte Zeiträume und bei einem bestimmten Arbeitgeber frei zu wählen.
184So beziehen sich die Sperrfristen nur auf Tätigkeiten im Unternehmens- verbund und entsprechende Interessen- und Geschäftsbeziehungen. Den betroffenen Führungskräften ist es möglich und zumutbar, außerhalb des Unternehmens eine neue Position zu suchen. Ein entsprechender Wech- sel beeinträchtigt die Führungskräfte der 1. und 2. Ebene nicht in unver- hältnismäßiger Weise. Vielmehr ist ein Wechsel auch gerade zwischen verschiedenen Unternehmen für das Berufsbild von Führungskräften nicht untypisch. Führungskräften der 1. und 2. Ebene ist daher ggfs. auch ein Umzug zumutbar. Die deutsche Regelung sieht außerdem Übergangsvor- schriften vor, die ebenfalls dem Ziel dienen, eine angemessene und ver- hältnismäßige Regelung zu schaffen. Auch der Antragstellerin ist es zu- mutbar, ggfs. außerhalb des Unternehmensverbundes nach geeigneten Führungskräften zu suchen. Außerdem wird es, jedenfalls bei Mehrspar- tenunternehmen, im Verbund selbst ggfs. geeignete Führungskräfte oder
185–stellen geben, die nicht unter die cooling-on/cooling-off-Vorschriften fal- len.
186Soweit § 10c Abs. 5 und 6 EnWG davon ausgeht, dass etwa nach dem Ausscheiden aus der Führungsstelle bei dem Unabhängigen Transport- netzbetreiber auch bloße Interessen- und Geschäftsbeziehungen zum ver- tikal integrierten Energieversorgungsunternehmen und dessen Unterneh- men schädlich sind (vgl. auch § 10c Abs. 2 EnWG), führt dies ebenfalls nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Regelung. So kommen als Geschäfts- beziehungen nur solche infrage, die von einigem Gewicht sind, etwa Dienst-, Werk- oder Beraterverträge (vgl. Säcker/Mohr in Säcker, Energie- recht, 3. Auflage, § 10c EnWG, Rn. 23). Unter „Interessenbeziehung“ sind etwa finanzielle Beteiligungen zu fassen (vgl. Säcker/Mohr in Säcker, Energierecht, 3. Auflage, § 10c EnWG, Rn. 23).
187Es ist auch gut nachvollziehbar, dass die cooling-on/cooling-off-Regeln nicht auf die Sachbearbeiter-Ebene ausgedehnt worden sind. Zwar be- steht auch auf dieser Ebene relevantes Wissen. Für einen Sachbearbeiter wird es aber gegenüber einer Führungskraft regelmäßig deutlich schwieri- ger sein, das relevante Wissen auch in diskriminierender Weise zu verwer- ten. So fehlt einem Sachbearbeiter die Entscheidungsbefugnis, ggfs. durch entsprechende Anordnungen potentiell diskriminierungsrelevantes Wissen auch tatsächlich in eine diskriminierende Maßnahme umzusetzen. Eine Ausdehnung der Sperrfristen-Bestimmungen auf die Sachbearbeiter- Ebene würde im Ergebnis dazu führen, dass in ausufernder Weise prak- tisch alle Arbeitnehmer eines Netzbetreibers von den Sperrfristen erfasst wären.
188Auch die vorgesehenen „Abkühlungszeiten“ von 3 und 4 Jahren sind im Hinblick auf die verfolgten Ziele noch verhältnismäßig.
189Die Einschränkungen sind differenziert. So wird für die 2. Führungsebene der Anwendungsbereich – wie später näher erläutert – insgesamt erheb- lich durch das Merkmal „für Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes
190verantwortlich“ eingeschränkt. Darüber hinaus wird nicht grundsätzlich eine Tätigkeit im Unternehmensverbund untersagt, sondern nur in den relevanten Bereichen und nur für bestimmte Zeiträume. Jedenfalls in ei- nem Mehrspartenkonzern bestehen damit weiterhin Entwicklungsmöglich- keiten im Unternehmensverbund. Von vornherein ist ein Betroffener nicht gehindert, sich eine Führungsaufgabe außerhalb des Unternehmensver- bundes zu suchen. Wenig praktikabel ist es auch, etwa anstelle „starrer Fristen“ eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen.
191Der 3- und 4-Jahresfrist steht nicht entgegen, dass aktien- und handels- rechtliche Vorschriften kürzere Karenzzeiten von zwei Jahren vorsehen (vgl. die 2-Jahres-Frist gemäß § 100 II Nr. 4 AktG für den Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat einer börsennotierten Aktiengesellschaft, vgl. auch §§ 74, 90a HGB). Es ist hierbei die unterschiedliche Zielrichtung zu beachten. So dienen die cooling-on/cooling-off-Bestimmungen gemäß
192§ 10c EnWG dazu, das Diskriminierungspotential im öffentliche Interesse der Allgemeinheit zu minimieren, hingegen die aktien- und handelsrechtli- chen Bestimmungen vorrangig dazu, Einzel- und Partikularinteressen der noch oder früher im Unternehmen Beschäftigten und der beteiligten Un- ternehmen selbst zu schützen. Es ist ferner zu berücksichtigen, dass mit den EnWG-Bestimmungen ein diskriminierungsfreier Netzbetrieb von Gas und Strom gewährleistet werden soll. Der Betrieb eines solchen Netzes ist regelmäßig als „monopolistischer Engpass“ („Bottleneck“) ein natürliches Monopol, bei dem von vornherein ein erhebliches Diskriminierungspoten- zial bestehen kann (vgl. auch die Begründung zum Gesetzentwurf, BR- Drs. 343/11, S. 109; Säcker/Mohr, N&R 2012, Beilage 2/2012, S. 1). Da- rüber hinaus ist das Gas- und Elektrizitätsnetz ein besonders sensibler Bereich der Daseinsvorsorge, der von hoher gesamtwirtschaftlicher Be- deutung ist.
193Die dargestellten Gründe gelten sinngemäß auch für den betroffenen Netzbetreiber und das vertikal integrierte Energieversorgungsunterneh- men. Das Modell des Unabhängigen Transportnetzbetreibers ist auch in- soweit verhältnismäßig im engeren Sinne und stellt gegenüber dem eigen-
194tumsrechtlich entflochtenen Netzbetrieb den milderen Eingriff dar. So hat auch die Antragstellerin sich für die Entflechtungsvariante des Unabhängi- gen Transportnetzbetreibers entschieden, obwohl es möglich gewesen wäre, eine der beiden anderen Entflechtungsmöglichkeiten zu wählen. Da die eigentums- und rechtliche Entflechtung bei diesem „dritten“ Modell nur unvollständig erfolgt, sind Einschränkungen im Hinblick auf die Beschäfti- gungsmodalitäten der Führungskräfte hinzunehmen. Auch der Kreis der Betroffenen ist weder ausufernd noch konturenlos, sondern wie erläutert auf bestimmte Führungskräfte beschränkt.
195cc)
196Soweit die cooling-on/cooling-off-Regeln als zukunftsgerichtete und ggfs. die künftigen Erwerbschancen beeinträchtigende Normen überhaupt die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 17 Abs. 1 S. 1 GRCh tan- gieren sollten (vgl. hierzu: BVerfGE 30, 292, „Erdölbevorratung“; Schmidt in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Auflage 2014, Art. 14 GG, Rn. 5), ist dieser Eingriff jedenfalls aus den erörtern Gründen rechtmäßig.
197dd)
198Auch der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG/Art. 20 GRCh ist nicht ver- letzt.
199Wie bereits dargestellt, ist es sachgerecht, die Wechselmöglichkeiten in- nerhalb des Unternehmensverbundes, aber nicht zu Drittunternehmen zu beschränken. Im Unternehmensverbund ist das Diskriminierungspotential aufgrund der Verbundenheit innerhalb des Konzerns strukturell größer als bei einem Wechsel von oder nach außen.
200Auch eine mögliche Ungleichbehandlung mit Führungskräften der beiden anderen Entflechtungsvarianten, von eigentumsrechtlich entflochtenen Transportnetzbetreibern oder unabhängigen Systembetreibern, ist ge- rechtfertigt. Mit den cooling-on/cooling-off-Bestimmungen soll mit dem ei-
201gentlich unvollkommenen Entflechtungsmodell des Unabhängigen Trans- portnetzbetreibers gleichwohl eine weitgehende Entflechtung erreicht wer- den. Hierzu sind strenge Vorschriften an die persönliche Unabhängigkeit der Führungskräfte sinnvoll. Darüber hinaus sind auch bei den beiden an- deren Entflechtungsvarianten Vorschriften zu beachten, die die persönli- che Unabhängigkeit der Handelnden gewährleisten sollen (vgl. z.B. § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 2 S. 1 EnWG).
202Eine unterschiedliche Behandlung von Führungskräften einerseits und sonstigem Personal, etwa Sachbearbeitern, andererseits ist ebenfalls sachgerecht. Beide Gruppen sind nicht vergleichbar. Wie erläutert, besteht bei Führungskräften aufgrund ihrer Entscheidungsmöglichkeiten die er- höhte Wahrscheinlichkeit, dass sie relevante Informationen auch in dis- kriminierender Weise tatsächlich verwenden könnten.
203Es ist auch plausibel, dass die cooling-on/cooling-off-Bestimmungen nicht für alle Netzbetreiber gelten, sondern nur für die „großen“ Transportnetz- betreiber. Für Verteilernetzbetreiber gelten die Entflechtungsregeln insge- samt nur in einem deutlich reduzierten Umfang (vgl. §§ 7 ff. EnWG). Der deutsche und der europäische Normengeber haben die Bestimmungen nach der Bedeutung und dem ggfs. bestehenden Diskriminierungspotenti- al differenziert. So gehen auch die beiden Richtlinien davon aus, dass die Diskriminierungsproblematik sich weniger auf der Ebene der Verteilung als vielmehr auf der Ebene der Fernleitung stelle, „wo Engpässe und der Ein- fluss von Gewinnungsinteressen im Allgemeinen ausgeprägter als auf der Verteilerebene“ seien (Erwägungsgrund 25 GasRL, Erwägungsgrund 26 StromRL).
2042.
205Darüber hinaus schränkt § 10 Buchst. c Abs. 6 EnWG den Anwendungs- bereich der cooling-on/cooling-off-Regelungen für die 2. Führungsebene erheblich dadurch ein, dass nur die Leiter erfasst werden, die für „Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes verantwortlich sind“. Das weite
206Verständnis der Bundesnetzagentur, wonach „im Zweifel die gesamte 2. Führungsebene“ erfasst sei, entspricht nicht der Auslegung des Merkmals nach Wortlaut, Historie, Systematik und Sinn und Zweck der Vorschrift und würde die als Einschränkung gedachte Bestimmung weitgehend leerlau- fen lassen.
207So zeigt bereits der Wortlaut des §§ 10 Buchst. c Abs. 6 EnWG, dass nur ganz bestimmte Betriebsbereiche erfasst werden sollen, „Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes“. Der Anwendungsbereich soll ersichtlich durch den Begriff „verantwortlich“ weiter eingeschränkt werden. Es wird der Begriff „verantwortlich“, nicht etwa Bezeichnungen wie „Mitverantwor- tung“, „beteiligt“ o.ä. verwandt. Es sollen auch nicht alle Mitglieder der 2. Führungsebene erfasst werden, sondern nur Personen, die eine persönli- che und sachliche Verantwortung für die drei relevanten Bereiche über- nehmen. Dies macht deutlich, dass „im Zweifel“ nicht die gesamte 2. Füh- rungsebene den Sperrfristen unterliegen soll. Der Wortlaut deutet auch nicht auf eine erweiterte Darlegungslast der jeweils betroffenen Unter- nehmen hin, etwa durch beweis- oder darlegungslastausdrückende For- mulierungen (z.B. „es sei denn…“), mit der Folge, dass insoweit grund- sätzlich von einer Zweifelsregelung zum Nachteil des jeweiligen Unab- hängigen Transportnetzbetreibers ausgegangen werden könnte. Dass die Bundesnetzagentur von einer unzutreffenden Darlegungslastverteilung ausgeht, macht etwa der Zertifizierungsbescheid in der Sache „…“ vom 09.11.2012, BK7-12-033, deutlich. Dort wird in der Be- gründung (S. 49) darauf verweisen, dass „grundsätzlich alle Fachbereichsleiter, die einen kommerziellen, rechtlichen oder technischen Verantwor- tungsbereich leiten, als Personen dieser sog. zweiten Führungsebene einzustufen seien, es sei denn, sie sind für offensichtlich netzfremde Dienst- leistungen verantwortlich“.
208Vielmehr legt auch die Systematik der Sperrfristen-Regeln eine entspre- chend engere Auslegung der Vorschrift nahe. So machen die einschrän- kenden Begriffe „Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes“ deutlich, dass mit „Betrieb“ nicht der „Netzbetrieb“ des Netz-„betreiber“s gemeint
209sein kann. Da das vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen den Netzbetrieb als – alleinige – Aufgabe auf den Unabhängigen Trans- portnetzbetreiber ausgelagert hat, dieser damit faktisch nichts anderes als den „Betrieb eines Netzes“ ausübt, wären bei einem weiten Verständnis die als Einschränkung gewollten Merkmale „Wartung oder Entwicklung“ ohne Bedeutung.
210Dieses Ergebnis wird auch durch die Wertung des § 10d EnWG bestätigt. So gelten die – nach der Gesetzesbegründung „strengen Vorgaben“ des
211§ 10c EnWG - Karenzzeiten von drei und vier Jahren nicht einmal für die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder (§ 10d Abs. 3 EnWG „für die Hälfte der Mitglieder abzüglich eines entsprechend…“, Art. 20 Abs. 3 GasRL/StromRL; vgl. auch S. 161 Begr. Gesetzentwurf, BR-Drs. 343/11; vgl. auch Pisal, Diss. 2011, Entflechtungsoptionen nach dem Dritten Ener- giebinnenmarktpaket, S. 269 ff.). Bewusst sollte für den Aufsichtsrat keine
212„lupenreine“ Unabhängigkeit geschaffen werden. Vielmehr hatte der Ge- setzgeber beabsichtigt, dass den Repräsentanten der Anteilseigner, dem vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen, eine knappe Mehr- heit im Aufsichtsrat verbleiben solle (Säcker/Mohr, N&R 2012, Beilage 2/2012, S. 1).
213Das extensive Verständnis der Bundesnetzagentur des § 10c Abs. 6 EnWG bedeutet aber im Ergebnis, dass im Regelfall faktisch - bis auf we- nige, eher unbedeutende Abteilungen wie „Zentrale Dienst“ oder „Facility Management“ – die 2. Führungsebene insgesamt von der dreijährigen cooling-on-Zeit erfasst wäre. Im Ergebnis ergäben sich dann für die Grup- pe der 2. Führungsebene insgesamt strengere cooling-on-Zeiten, als etwa für den Aufsichtsrat. Ein derartiges Verständnis überzeugt daher nicht. So weist die Gesetzesbegründung zutreffend darauf hin, dass die 2. Füh- rungsebene im Hinblick auf Einfluss und Kenntnisse mit der Unterneh- mensleitung vergleichbar sei - allerdings nur „eingeschränkt“ (Begr. Ge- setzentwurf BT-Drs. 343/11, S. 160). Der von der Regelung erfasste Per- sonenkreis dürfe nicht über Gebühr ausgedehnt werden, weil beide Per- sonengruppen nur „unvollständig vergleichbar“ seien (Begr. Gesetzentwurf
214BT-Drs. 343/11, S. 160). Auch dies macht deutlich, dass die Karenzregeln für die 2. Führungsebene jedenfalls im Ergebnis nicht strenger als für Un- ternehmensleitung und Aufsichtsrat sein sollen, sondern tendenziell eher geringer.
215Entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur genügt es für eine An- wendung des § 10c Abs. 6 EnWG auch nicht, dass die jeweiligen Bereiche den Netzbetrieb – irgendwie oder in allgemeiner Form - unterstützen. So- weit die Behörde auf die Gesetzesbegründung verweist, wonach relevante Querschnittsaufgaben als für den Transportbetrieb zugehörig eingestuft werden sollten (S. 147 f., Begr. Gesetzentwurf BT-Drs. 343/11: „..die Ein- richtung und den Unterhalt von erforderlichen Einrichtungen für den Transportbetrieb (z.B. Rechtsabteilung)…“), greift diese Argumentation nicht. So sollen nach der Gesetzesbegründung zu § 10 EnWG „im Ergeb- nis … damit dem Unabhängigen Transportnetzbetreiber alle Aufgaben mit wesentlichem Bezug zum Transportnetzbetrieb übertragen werden“ (Begr. Gesetzentwurf BT-Drs. 343/11, S. 147 f.). Zu diesen Aufgaben gehören auch die zum Betrieb benötigten Querschnittsaufgaben, um überhaupt einen „vollwertigen“ Netzbetreiber zu schaffen.
216Es ist nicht plausibel, weshalb überhaupt noch eine Einschränkung in
217§ 10c Abs. 6 EnWG auf „Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes“ erforderlich wäre, wenn alle Querschnittsaufgaben als sperrfristenrelevant gelten sollten. Eine derartige Auslegung führte dazu, dass im Ergebnis (fast) die gesamte 2. Führungsebene unter die Regeln des § 10c Abs. 6 EnWG fiele, weil - wie bereits erläutert - bei einem Netzbetreiber praktisch alle Abteilungen „für den Netzbetrieb da sind“, diesen unterstützen. Auch eine Abteilung „Facility Management“ wäre in diesem Sinne für den Netz- betrieb essentiell, ein Netzbetrieb ohne diese Abteilung jedenfalls langfris- tig nicht möglich. Ausgehend von der Ansicht der Bundesnetzagentur überzeugt es daher nicht, gerade diese Abteilung aus dem Anwendungs- bereich des § 10c Abs. 6 EnWG herauszunehmen.
218Das engere Verständnis wird auch dadurch bestätigt, dass in § 10 Abs. 1
219S. 2 EnWG – neben den „Aufgaben nach Teil 3 Abschnitt 1 bis 3 (Netzbe- trieb, Netzanschluss, Netzzugang) des EnWG (vgl. § 10 Abs. 1 S. 2 EnWG) - einzelne Abteilungen wie Rechtsabteilung, Buchhaltung oder IT eines Netzbetreibers genannt werden. So wird etwa in Teil 3 Abschnitt 1,
220§ 11 Abs. 1 EnWG der „Betrieb einer Energieversorgungsnetzes“ als Auf- gabe genannt. Dies macht deutlich, dass mit „Betrieb eines Netzes“ i.S.d.
221§ 10c Abs. 6 EnWG nicht die übergeordnete Geschäftstätigkeit „Netzbe- trieb“ eines Netzbetreiber gemeint sein kann. Auch die einschlägige Richt- linie nennt ausdrücklich den „Betrieb, die Wartung und den Ausbau eines sicheren, effizienten und wirtschaftlichen Fernleitungsnetzes“ neben der sonstigen Geschäftstätigkeit (Art. 17 Abs. 2 e) - Art. 17 Abs. 2 h) GasRL/StromRL: u.a. Rechtsabteilung, Buchhaltung, IT-Dienste).
222Auch die historische Entwicklung der Vorschriften spricht dafür, dass mit dem Zusatz „für Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes verant- wortlich“ eine maßgebliche Einschränkung für die 2. Führungsebene ge- schaffen werden sollte. So ist schon nicht erkennbar, warum eine entspre- chende Vorschrift in die Gas- und Stromrichtlinie hätte aufgenommen werden sollen, wenn diese im Ergebnis weitgehend bedeutungslos wäre. Es ist darüber hinaus zu sehen, dass das Modell des Unabhängigen Transporttransportnetzbetreibers als „dritter Weg“ ausgestaltet worden ist. Ersichtliches Ziel war es, mit dem Modell des Unabhängigen Transport- netzbetreibers das Entflechtungsregime zwar voranzutreiben, gleichwohl jedoch keine vollständige, „ideale“ Entflechtung zu schaffen. So weist die Gesetzesbegründung darauf hin, dass der Anwendungsbereich des § 10c Abs. 6 EnWG auf Personen beschränkt werden solle, die „erheblichen Einfluss und umfangreiche Erkenntnisse der technischen Eigenschaften des Transportnetzes und seines Zustandes“ hätten (Begr. Gesetzentwurf, BR-Drs. 343/11, S. 159 f.).
223Ferner deutet der Wortlaut der englischen und französischen Übersetzung beider Richtlinien eher auf eine enge Auslegung des Begriffs „verantwort- lich“ hin. Der Bundesnetzagentur verweist zunächst zutreffend darauf,
224dass der Begriff in der deutschen Richtlinie „befasst“ für ein weites Ver- ständnis des § 10c Abs. 6 EnWG sprechen könnte. So lautet Art. 19 Abs. 8 S. 3 GasRL/StromRL:
225„Unterabsatz 1 sowie die Absätze 4 bis 7 finden Anwendung auf al- le Personen, die der obersten Unternehmensleitung angehören, sowie auf die ihnen unmittelbar unterstellten Personen, die mit dem Betrieb, der Wartung oder der Entwicklung des Netzes befasst sind.“
226Jedoch legen der Wortlaut der englischen und französischen Fassung mit den Formulierungen „reporting“ und „rendent directement compte“ eher ein enges Verständnis nahe, machen deutlich, dass eine echte Verantwor- tung für die drei relevanten Bereiche gemeint ist („…to those directly re- porting to them on matters related to the operation, maintenance or deve- lopment of the network.“ und „celles qui leur rendent directement compte àpropos de questions liées à la gestion, à la maintenance ou audéveloppement du réseau“).
227Im Ergebnis kommt eine andere Auslegung auch nicht aus Sinn und Zweck der Bestimmung in Betracht. Die Bundesnetzagentur verweist zu- nächst zutreffend darauf, dass nach Sinn und Zweck ein weites Verständ- nis des § 10c Abs. 6 EnWG durchaus dem Ziel der Entflechtung stärker dienen mag. Allerdings kommt eine solche Auslegung nur dann in Be- tracht, wenn sie mit den übrigen Auslegungsgrundsätzen vereinbar ist und darf sich nicht über das vom europäischen und deutschen Normsetzungs- geber Gewollte hinwegsetzen. Darüber hinaus führt ein engeres Ver- ständnis entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur die gesetzliche Regelung nicht „ad absurdum“.
228Aus den dargelegten Gründen ist hier ein engeres Verständnis sachge- recht und entspricht Sinn und Zweck der Regelung. So ist schon nicht plausibel, dass die 2. Führungsebene im Ergebnis faktisch strengere Vor- gaben als etwa der Aufsichtsrat beachten soll. § 10c Abs. 6 EnWG ver-
229weist auch nicht allgemein auf die 2. Führungsebene, sondern schränkt den Anwendungsbereich durch zwei erhebliche Tatbestandsmerkmale ein.
230Diese beiden bewusst auf europäischer Ebene vorgesehenen und vom deutschen Gesetzgeber umgesetzten Einschränkungen sind zu beachten, wenn es auch de lege ferenda möglicherweise sinnvoll erscheinen mag, insbesondere kaufmännische Bereiche, die ebenfalls über diskriminie- rungsrelevantes Wissen verfügen, vom Anwendungsbereich der cooling- on/cooling-off-Regeln zu erfassen. Ein derart breiter Anwendungsbereich kann aber nicht dadurch geschaffen werden, dass der Begriff „verantwort- lich“ extensiv ausgelegt wird, damit jede „Mitverantwortung“ für einen Be- reich, der den Netzbetrieb „irgendwie unterstützt“, gemeint sein kann.
231Die Auslegung der Bundesnetzagentur führt dazu, dass allenfalls nur noch untergeordnete „Randabteilungen“, wie etwa „Facility Manage- ment/Hausverwaltung“, vom Anwendungsbereich des § 10c Abs. 6 EnWG ausgenommen wären. Dass dies keineswegs theoretisch ist, zeigen die beim Senat anhängigen Verfahren. So ist die Bundesnetzagentur in die- sen Verfahren von einem so weiten Verständnis des Anwendungsbereich des § 10c Abs. 6 EnWG ausgegangen, dass bis auf die genannten
232„Randabteilungen“ im Wesentlichen die Leiter aller anderen Bereiche die Sperrfristen-Vorgaben zu beachten hätten. In der Sache „…“, VI-3 Kart 300/12 (V), ist die Bundesnetzagentur so- gar davon ausgegangen, dass alle Abteilungen des Unabhängigen Trans- portnetzbetreibers die Vorgaben des § 10c Abs. 6 EnWG zu beachten hätten. Dies macht auch deutlich, dass bei einem derart weiten Verständnis die Voraussetzung „für Betrieb, Wartung und Entwicklung des Netzes verantwortlich“ ohne praktische Relevanz wäre.
233Ferner sind die Fristen von drei und vier Jahren vergleichsweise lang (vgl. die 2-Jahres-Frist gemäß § 100 II Nr. 4 AktG für den Wechsel vom Vor- stand in den Aufsichtsrat einer börsennotierten Aktiengesellschaft, vgl. auch §§ 74, 90a HGB), weshalb im Sinne einer grundrechtsschonenden Auslegung hier ein erweiterndes Verständnis nicht überzeugt. Aus Grün-
234den der Verhältnismäßigkeit und der Erheblichkeit des Eingriffs ist daher eine engere, sich am Wortlaut und Systematik orientierende Auslegung sachgerecht.
2353.
236Ausgehend von der erörterten Auslegung des § 10c Abs. 6 EnWG ergibt sich, dass bei der Antragstellerin – vorbehaltlich etwaiger späterer Ände- rungen der Zuständigkeiten – die Leiter der Bereiche
237- 238
„Netzbetrieb“
- 239
„Lastverteilung“
- 240
„Netzmanagement“
- 241
„Netzvermarktung“
unter die cooling-on/cooling-off-Regeln des § 10c Abs. 6 EnWG fallen.
243a)
244Im vorliegenden gehen die Beteiligten unstreitig davon aus, dass die Leiter der Bereiche
245- 246
„Netzbetrieb“
- 247
„Lastverteilung“
- 248
„Netzmanagement“
i.S.d. § 10c Abs. 6 EnWG für „Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Net- zes“ verantwortlich sind.
250Auch der Leiter des Centers „Netzvermarktung“ fällt unter die Sperrfristen- Regelung, weil er eine typische Tätigkeit in Zusammenhang mit dem Netzbetrieb (Vertrieb Gastransport, Transporthandelsaktivitäten) ausübt. Die Abteilung ist für die Entwicklung und Abwicklung von Gastransport- vereinbarungen und damit zusammenhängenden Dienstleistungen, Be-
251obachtung des Transportmarktes und Aufbau und Entwicklung von Trans- porthandelsaktivitäten verantwortlich. In der Sitzung hat die Antragstellerin ferner erläutert, dass die Abteilung auch für die Kapazitätsvermarktung verantwortlich sei. Die Bundesnetzagentur hat ergänzend darauf hinge- wiesen, dass in der Abteilung das „Hochladen der Kapazitäten“ erfolge und auch die „Netz-IT“ gesteuert werde. Diese Aufgaben sind eng dem Netzbetrieb im engeren Sinne verbunden.
252b)
253Hingegen sind die Leiter der zwischen den Beteiligten strittigen Bereiche
254- 255
„Regulierungsmanagement/Strategie“
- 256
„IT & Organisation“
- 257
„Finanzen & Controlling“
- 258
„Personal & Recht“
- 259
„Sicherheitsingenieur“
nicht von den cooling-on/cooling-off-Bestimmungen erfasst. Die Bereiche und damit die jeweiligen Leiter sind nicht in dem hier zugrunde zu legen- den engeren Sinne für „Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes“ verantwortlich. Die Leitung von Abteilungen, die andere „netznahe Abtei- lungen“ allgemein unterstützen, führt nicht dazu, dass diese Leiter § 10c Abs. 6 EnWG zu beachten haben. Dass in diesen Abteilungen, wie bei dem Netzbetreiber insgesamt, durchaus auch diskriminierungsrelevantes Wissen vorhanden sein kann, kann aus den erörterten Gründen eine er- weiterte Auslegung des § 10c Abs. 6 EnWG nicht rechtfertigen.
261So genügt der Einfluss im Unternehmen auf finanzielle Mittel, auf Buchhal- tung und Jahresabschluss sowie Personal nicht, um eine Steuerung des Netzbetriebs oder der Netzentwicklung i.S.d. § 10c Abs. 6 EnWG anzu- nehmen. Eine Verantwortlichkeit für die Bearbeitung von Rechtsfragen reicht ebenfalls nicht aus, um die Vorgaben des § 10c Abs. 6 EnWG be- achten zu müssen. Auch soweit die Bundesnetzagentur mit Schriftsatz vom 11.07.2014 darauf hinweist, dass die Nichtbeachtung von Hand-
262lungsempfehlungen der Rechtsabteilung für die Geschäftsleitung mit be- sonderen Haftungsrisiken verbunden sein könne, die Unternehmenslei- tung daher faktisch die Vorgaben der Rechtsabteilung zu beachten habe, führt dies ebenfalls nicht zur Anwendbarkeit des § 10c Abs. 6 EnWG auf den jeweiligen Leiter der Rechtsabteilung. Die Rechtsabteilung ist nicht in dem hier erörterten engen Sinne für „Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes“ verantwortlich. So kann und wird sich eine Geschäftsleitung durchaus auch über eine von der Rechtsabteilung geäußerte Auffassung hinwegsetzen, wenn dies auch – wie bei der Nichtbeachtung von Hinwei- sen anderer Fachabteilungen – zu erhöhten Haftungsrisiken führen kann. Daher sind die Leiter „Finanzen & Controlling“ und „Personal & Recht“ nicht von den Vorgaben erfasst.
263Ferner fällt der Leiter der Stabsstelle „Regulierungsmanage- ment/Strategie“ nicht unter § 10c Abs. 6 EnWG. Wie in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten erläutert, bereitet er Gremienent- scheidungen vor, vertritt die Antragstellerin nach außen und kümmert sich um die Interessenwahrnehmung, ohne eine besondere Verantwortung im
264„netznahen Bereich“ zu übernehmen. Ein für § 10c Abs. 6 EnWG erforder- licher Bezug zu „Betrieb, Wartung oder Entwicklung des Netzes“ besteht nicht.
265Auch die Verantwortlichkeit für die IT, die für ein Funktionieren des Unab- hängigen Transportnetzbetreibers unabdingbar ist und den Netzbetrieb im engeren Sinne so auch unterstützt, ist hier ebenfalls nicht ausreichend, um diesen Bereich als verantwortlich „für Betrieb, Wartung und Entwick- lung des Netzes“ i.S.d. § 10c Abs. 6 EnWG einzustufen. Dies kann ggfs. dann anders zu beurteilen sein, wenn die IT-Abteilung etwa nicht nur ge- legentlich, sondern regelmäßig z.B. Software für den Netzbetrieb im enge- ren Sinne entwickelt und betreut. Im vorliegenden Fall ist die IT-Abteilung jedoch für die „Entwicklung optimaler EDV unterstützter Organisationsfor- men (außer techn. Verfahren)“ zuständig. Die Antragstellerin hat in der Sitzung darauf hingewiesen, dass etwa auch die Lichtwellenleitertechnik nicht von dieser Abteilung verantwortet werde. Dies macht deutlich, dass
266die „technischen Verfahren“ gerade nicht vom Aufgabengebiet dieses Lei- ters erfasst sein sollen.
267Hinsichtlich des „Sicherheitsingenieurs“ hat die Antragstellerin deutlich gemacht, dass dieser sich um Arbeitsschutz und –sicherheit kümmere. Ein unter § 10c Abs. 6 EnWG fallender Bezug ist nicht erkennbar. Die Antrag- stellerin ist insoweit auch nicht auf ein neues Änderungsverfahren zu ver- weisen. Die Antragstellerin hat nunmehr ein Anforderungsprofil vorgelegt (Anlage BF2), der Tätigkeitsbereich ist auch im Hinblick auf das ASiG klar umschrieben. Die Bundesnetzagentur hat sich mit Schreiben vom 15.05.2014 an die Antragstellerin nunmehr dieser Auffassung im Grund- satz angeschlossen und stellt – sofern die Angaben zum tatsächlichen Tätigkeitsbereich zutreffend sein sollten - nicht mehr infrage, dass ein für den Arbeitsschutz tätiger Sicherheitsingenieur nicht unter die Vorgaben des § 10c Abs. 6 EnWG falle.
268III.
269Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 1 EnWG.
270Den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren setzt der Senat im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung und nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten auf 50.000 Euro fest (§ 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 3 ZPO).
271Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen, weil die streitgegenständliche Frage grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs entspre- chend § 86 Abs. 2 Nr. 2 EnWG erfordert.
272Rechtsmittelbelehrung:
273Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Ent- scheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 546, 547 ZPO). Sie ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesge- richt Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechts- beschwerde ist durch einen bei dem Beschwerdegericht oder Rechtsbe- schwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Die Frist beginnt mit der Einlegung der Be- schwerde und kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entschei- dung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Rechtsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Für die Regulierungsbehörde besteht kein Anwaltszwang; sie kann sich im Rechtsbeschwerdeverfahren durch ein Mitglied der Behörde vertreten las- sen (§§ 88 Abs. 4 S. 2, 80 S. 2 EnWG).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- § 10c Abs. 5, 6 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 10c EnWG 11x (nicht zugeordnet)
- § 10b Abs. 2 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 547 Absolute Revisionsgründe 1x
- § 86 Abs. 2 Nr. 2 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- 3 Kart 25/08 1x (nicht zugeordnet)
- § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Nr. 33a EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- § 10 Abs. 6 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 2 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- HGB § 90a 3x
- § 10c Abs. 2 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- 3 Kart 300/12 1x (nicht zugeordnet)
- § 10c Abs. 6 EnWG 54x (nicht zugeordnet)
- § 10d Abs. 3 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 10c Abs. 5 und 6 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- HGB § 74 3x
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 1x
- § 8 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 7 ff. EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 4a EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 1 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- 3 Kart 277/12 2x (nicht zugeordnet)
- § 10d Abs. 2 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 7 Abs. 1 ASiG 1x (nicht zugeordnet)
- § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- AktG § 100 Persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder 2x
- § 10 c Abs. 6 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 10d EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 4c EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 546 Begriff der Rechtsverletzung 1x
- § 10 Abs. 1 S. 2 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- 3 Kart 462/11 1x (nicht zugeordnet)
- § 11 Abs. 1 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 10 EnWG 2x (nicht zugeordnet)
- § 10 Abs. 1 S. 2 EnWG 2x (nicht zugeordnet)
- § 4a Abs. 3 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 90 Satz 1 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 2 S. 1 EnWG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 88 Abs. 4 S. 2, 80 S. 2 EnWG 2x (nicht zugeordnet)