Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-20 W 84/15
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 29. Juli 2015 abgeändert und die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten auch für die Widerklage festgestellt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Beklagte war von 2005 bis 2010 bei der Klägerin beschäftigt, einer gemeinnützigen Stiftung. Neben ihrer im Anstellungsvertrag ausgewiesenen Tätigkeit als Assistentin der Geschäftsführung wurde sie auch mit der Erstellung, Entwicklung und Pflege von Datenbanken beauftragt. So betreute die Beklagte seit November 2006 die Datenbank B, die als Nachschlagewerk für homöopathische Grundlagenforschung konzipiert war. Die Datenbank stand der Öffentlichkeit ab Mitte 2007 unter der Domain „www.x-stiftung.org“ zur Verfügung, die auf den Zeugen L., den Ehemann der Beklagten, registriert war. Für diese Tätigkeiten erhielt die Beklagte eine Vergütung in Höhe von 16,00 Euro pro Stunde, wobei jedenfalls die Klägerin der Auffassung war, dass es sich um eine neben dem Arbeitsverhältnis ausgeübte selbstständige Tätigkeit handele.
4Im September 2010 verhandelten die Parteien über eine nachträgliche Erhöhung der Vergütung auf 40,00 Euro pro Stunde; über das Zustandekommen einer entsprechenden Vereinbarung bestehen unterschiedliche Auffassungen. Während die Beklagte diese für gegeben erachtet, ist die Klägerin der Auffassung, die Beklagte habe ihr unter den Bedingungen der Integration der Datenbanken in ihre - der Klägerin - Internetseite sowie einer Erbringung als Selbständige stehendes Angebot schon deshalb nicht angenommen, weil sie auf der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen beharrt habe; auch das Verlangen der Integration der Datenbanken habe sie konkludent abgelehnt.
5Das Verhältnis der Parteien verschlechterte sich zunehmend. Die Klägerin forderte von der Beklagten die Übertragung der Domain „www.x-stiftung. org“. Der öffentliche Zugang zur Datenbank B. wurde gesperrt, von wem und auf wessen Veranlassung ist streitig. Der Aufforderung der Klägerin vom 6. Oktober 2010, die Datenbank wieder zugänglich zu machen, war kein Erfolg beschieden. Die Beklagte erklärte, nicht Inhaberin der Domain „www.x-stiftung.org“ zu sein, im Übrigen habe sie ihre Urheberrechte für die von ihr geschaffene Software, die Algorithmen und die Datenstruktur nie an die Klägerin abgetreten. Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 31. Oktober 2010.
6Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin Erstattung der ihr für die Neuerstellung der Datenbank nach ihrem Vortrag entstandenen Kosten geltend, die sie mit einer Vertragsverletzung sowie einer Verletzung ihres Rechts als Datenbankherstellerin gemäß § 87b UrhG begründet glaubt.
7Die Beklagte begehrt widerklagend die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung der Differenz zwischen 16,00 und 40,00 Euro für in der Zeit von 2006 bis 2010 geleistete 2.375,5 Programmierstunden, wobei sie sich auf die ihrer Auffassung nach zustande gekommene Vereinbarung und für den Fall, dass das Gericht deren Zustandekommen verneinen sollte, auf die Zahlung als angemessene Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB oder aus ungerechtfertigter Bereicherung stützt; die ursprüngliche Vergütung sei unangemessen niedrig und die entsprechende Vereinbarung folglich nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig gewesen.
8Im Rahmen des von der Beklagten am 18. Januar 2012 eingeleiteten Statusfeststellungsverfahrens hat die Deutsche Rentenversicherung Bund nach einem Hinweis des Sozialgerichts die Einordnung der für die Klägerin in Bezug auf die Datenbanken erbrachten Tätigkeit als abhängiges Beschäftigungsverhältnis am 27. März 2015 anerkannt.
9Das Landgericht hat daraufhin die Widerklage abgetrennt, den Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit insoweit für unzulässig erklärt und das die Widerklage betreffende Verfahren an das Arbeitsgericht E. verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, für die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche sei nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben; das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis sei auch insoweit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren.
10Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Die Frage der Nachvergütung stehe in einem untrennbaren Zusammenhang mit Fragen des Urheberrechts und damit auch mit dem von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch. Ohne die Zahlung der von ihr gegehrten, für den Fall, dass die vertragliche Vereinbarung aus September 2010 nicht bestehen sollte, auf die gesetzlichen Anspruchsgrundlagen gestützte angemessene Vergütung habe für sie keine Veranlassung zur Herausgabe der Quellcodes bestanden. Zudem sei die Anerkennung der Tätigkeit als abhängige als eine nach Eintritt der Rechtshängigkeit eingetretene Veränderung zu qualifizieren.
11Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, § 104 Satz 2 UrhG weise Klagen auf Vergütung aus einem Arbeitsverhältnis den Arbeitsgerichten zu.
12II.
13Die nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. mit § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten vom 13. August 2015 hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten zu Unrecht verneint.
14Mit ihrer Widerklage begehrt die Beklagte die Zahlung rückständiger Vergütung für die Erstellung, Entwicklung und Pflege von Datenbanken, die nach ihrem Vortrag die Schaffung von urheberrechtlich geschützter Software, Algorithmen und Datenstrukturen erfordert hat. Die Auseinandersetzung über die Vergütung für die Schaffung urheberrechtlich geschützter Werke ist eine Urheberrechtsstreitsache, für die nach § 104 Satz 1 UrhG der ordentliche Rechtsweg gegeben ist (Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 104 Rn. 2).
15Die Gerichte für Arbeitssachen sind nach § 2 Abs. 2 Buchst. b ArbGG, § 104 Satz 2 UrhG nur für urheberrechtliche Streitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen zuständig, die „ausschließlich Ansprüche auf Leistung einer vereinbarten Vergütung zum Gegenstand haben" (BAG, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 42). § 104 Satz 2 UrhG ist als Ausnahme von der Regel eng auszulegen (Wild in Schricker/ Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 104 Rn. 4). Die Vereinbarung muss auch die Höhe der Vergütung verbindlich regeln (vgl. zur entsprechenden Bestimmung im ArbNErfG: Bartenbach/Volz, ArbNErfG, 5. Aufl., § 39 Rn. 18), da bei der Bestimmung einer angemessenen Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB i. V. mit § 32 Abs. 1 Satz 2 UrhG der Werkcharakter und die Schöpfungshöhe zu bewerten und damit urheberrechtliche Vorfragen zu klären sind, was einer Anwendung von § 104 Satz 2 UrhG entgegensteht (Loewenheim/Rojahn, Handbuch des Urheberrecht, § 92 Rn. 1). Über die Angemessenheit der Vergütung bei für den Arbeitgeber geschaffenen Werken haben die ordentlichen Gerichte zu entscheiden, derartige Vergütungsansprüche werden von der Zuständigkeitsregelung der §§ 2 Abs. 2 Buchst. b ArbGG, 104 Satz 2 UrhG nicht erfasst (LAG, Baden-Württemberg, Beschl. v. 31. Mai 2010, 3 Ta 5/10, BeckRS 2010, 70923; LAG Hamm, ZUM-RD 2008, 578; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 104 Rn. 4; Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 3. Aufl. § 104 Rn. 3; Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl., § 104 Rn. 13).
16Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 2 Buchst. b ArbGG, § 104 Satz 2 UrhG sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar begründet die Beklagte ihre Widerklageforderung vorrangig mit einer Vergütungsvereinbarung, die eine nachträgliche Erhöhung der Vergütung pro Programmierstunde von 16,00 auf 40,00 Euro vorsehen soll. Deren Zustandekommen wird jedoch von der Klägerin jedoch mit dem Argument in Zweifel gezogen, die Beklagte habe ihr auf eine entsprechende Vergütung im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit gerichtetes Angebot nicht angenommen, da sie auf der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen beharrt und das Verlangen der Integration der Datenbanken in ihre Internetseite abgelehnt habe. Die Beklagte stützt ihre Forderung daher für den Fall, dass das Gericht ein Zustandekommen der Vergütungsvereinbarung verneinen sollte, vorsorglich auf die Zahlung als angemessene Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB (i. V. mit § 32 Abs. 1 Satz 2 UrhG) oder aus ungerechtfertigter Bereicherung. Derartige Vergütungsansprüche unterfallen fallen der Zuständigkeitsregelung der §§ 2 Abs. 2 Buchst. b ArbGG, 104 Satz 2 UrhG nicht.
17Die Auffassung, bei Haupt- und Hilfsbegründung sei allein die Hauptbegründung maßgeblich (Musielak/Voith, ZPO, 12. Aufl. § 17 GVG Rn. 7; Zöller/ Lückemann, ZPO, 31. Aufl., § 17 GVG Rn. 7; zur prozessualen Behandlung s. auch BGH, Beschluss vom 19.05.2015 – X ARZ 61/15), kann in Bezug auf Urheberrechtsstreitsachen nicht überzeugen. Dem steht der eindeutige Wortlaut des § 104 Satz 2 UrhG entgegen, wonach der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nur dann unberührt bleibt, wenn die Urheberrechtsstreitsachen „ausschließlich“ Ansprüche auf Zahlung einer vereinbarten Vergütung zum Gegenstand haben. Mit dieser, nach dem Vorbild des § 39 ArbNErfG geschaffenen Regelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass nur solche Urheberrechtsstreitsachen zu den Arbeitsgerichten gelangen, bei denen keine Rechtsfragen zu entscheiden sind, die Inhalt und Umfang urheberrechtlicher Befugnisse betreffen (Begr. RegE, BT-Drucks. IV/ 270 S. 106 zu § 114 des Entwurfs). Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts entfällt folglich schon dann, wenn eine Klagepartei die Berechnungskriterien in Frage stellt (vgl. Bartenbach/Volz, ArbNErfG, 5. Aufl., § 39 Rn. 18). Stützt der (Wider-)Kläger den Vergütungsanspruch nicht nur auf eine Vereinbarung, sondern - wie vorliegend die Beklagte - vorsorglich, sollte deren Zustandekommen nicht belegbar sein, auch auf Zahlung einer angemessen Vergütung, Schadensersatz oder ungerechtfertigte Bereicherung, betrifft dieser einheitliche prozessuale Anspruch nicht mehr „ausschließlich“ Ansprüche auf Leistung einer vereinbarten Vergütung, so dass in diesem Fall der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist (Kefferpütz in Wandtke/ Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 104 Rn. 16; ebenso, auf das Rechtsverhältnis abstellend: Wild in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auf., § 104 Rn. 4; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 104 Rn. 4; Lütje in Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl., § 104 Rn. 8; auch bei objektiver Klagehäufung: Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 3. Aufl. § 104 Rn. 3).
18Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob auch der Umstand, dass Klage und Widerklage im selben Rechtsverhältnis wurzeln - dem die Erstellung, Entwicklung und Pflege der Datenbanken betreffenden Arbeitsverhältnis der Beklagten zur Klägerin - der Verweisung der Widerklage an die Gerichte für Arbeitssachen entgegensteht. Hierfür spricht, dass der Gesetzgeber die Bescheidung desselben Sachverhalts, also der sich aus einem Lebenssachverhalt ergebenden, möglicherweise wechselseitigen Ansprüche, durch zwei verschiedene Gerichte vermeiden wollte (Begr. RegE, BT-Drucks. IV/ 270 S. 106 zu § 114 des Entwurfs; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 104 Rn. 4; a. A. Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 104 Rnrn. 15, 17; Büscher/Dittmer/Schiwy/Haberstrumpf, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheber, Medienrecht, 3. Aufl., § 104 UrhG Rn. 3).
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
20Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG zugelassen, da der Rechtsfrage, ob bei der Prüfung der Zuständigkeit nach § 104 UrhG bei einem einheitlichen prozessualen Anspruch allein die Hauptbegründung maßgebend ist oder ob auch Hilfsbegründungen oder dasselbe Rechtsverhältnis betreffende weitere Ansprüche zu berücksichtigen sind in Anbetracht des Fehlens höchstrichterlicher Entscheidung grundsätzliche Bedeutung zukommt.
21Der Beschwerdewert wird auf 19.000,00 Euro festgesetzt.
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Referenzen
- ArbnErfG § 39 Zuständigkeit 1x
- UrhG § 104 Rechtsweg 9x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- UrhG § 87b Rechte des Datenbankherstellers 1x
- GVG § 17a 2x
- ZPO § 567 Sofortige Beschwerde; Anschlussbeschwerde 1x
- BGB § 612 Vergütung 3x
- BGB § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher 1x
- X ARZ 61/15 1x (nicht zugeordnet)
- UrhG § 32 Angemessene Vergütung 2x
- GVG § 17 2x
- 3 Ta 5/10 1x (nicht zugeordnet)