Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 8 U 12/99
Tenor
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 31.07.1998 gefaßten Beschlüsse, die die Einziehung der von dem Kläger gehaltenen Geschäftsanteile zum Gegenstand hatten.
3Der Kläger ist Alleinerbe seines am 05.11.1997 verstorbenen
4Vaters P.
5Die Beklagte wurde im Jahr 1979 als eine Familien-GmbH gegründet. Gründungsgesellschafter waren der derzeitige Geschäftsführer der Beklagten, seine damalige Ehefrau und sein Sohn, der verstorbene Vater des Klägers.
6Zuletzt hielt der Vater des Klägers vom Stammkapital der Beklagten in Höhe von 50.000,00 DM Geschäftsanteile in Höhe von 23.200,00 DM und 1.800,00 DM; weitere Geschäftsanteile im Wert von insgesamt ebenfalls 25.000,00 DM hielt der jetzige Gesellschaftergeschäftsführer W.
7Im Jahr 1984 heiratete P die Mutter des Klägers. Im zeitlichen Zusammenhang mit dieser Eheschließung schlossen der Geschäftsführer der Beklagten, W, und sein Sohn P am 04.09.1984 einen Erbvertrag vor dem Notar Dr.O in R (UR-Nr. ), in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen.
8Im Jahr 1994 reichte die Mutter des Klägers die Scheidung ein.
9Nach dem Tod des Vaters des Klägers am 05.11.1997 schlug der Geschäftsführer der Beklagten, W, die Erbschaft aus, weil er wegen der Zugewinnauseinandersetzung eine Überschuldung des Nachlasses vermutete. Erbe seines Vaters wurde sodann der Kläger.
10Auf Betreiben des Gesellschaftergeschäftsführers der Beklagten wurde am 31.07.1998 eine Gesellschafterversammlung abgehalten.
11Punkt 5) der Tagesordnung lautete:
12Einziehung der von dem Gesellschafter J im Erbgang nach seinem Vater P nunmehr gehaltenen Geschäftsanteile im Nominalbetrag von 23.200,00 DM und 1.800,00 DM unter Bezugnahme auf § 11 Abs.3 in Verbindung mit § 5 des Gesellschaftervertrages gegen eine nach § 13 des Gesellschaftervertrages zu ermittelnde Abfindung.
13Die dabei hier interessierende Regelung in § 5 des Gesellschaftsvertrages lautet:
14§ 5
15Einziehung von Geschäftsanteilen Die Gesellschafter können die Einziehung von Geschäftsanteilen eines Gesellschafters ohne dessen Zustimmung beschließen wenn a) ... b) der Gesellschafter verstirbt und seine Gesellschaftsrechte kraft Gesetzes oder durch Verfügung von Todes wegen nicht auf einen anderen Gesellschafter oder eheliche Abkömmlinge eines Gründergesellschafters übergehen; c) ... Die Beschlußfassung über die Einziehung erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit. Der betroffene Gesellschafter hat hierbei kein Stimmrecht. Statt der Einziehung kann die Gesellschaft nach entsprechender Beschlußfassung der Gesellschafter verlangen, daß der Geschäftanteil ganz oder teilweise von ihr erworben oder auf von ihr benannten Gesellschafter oder dritte Personen übertragen wird.
16§ 11 des Gesellschaftsvertrages lautet demgegenüber auszugs-
17weise:
18§ 11 Erbfolge
19Geht der Gesellschaftsanteil eines Gesellschafters von Todes wegen über, so ist der Erwerber des Geschäftsanteils verpflichtet, innerhalb von 6 Monaten seit Erbfall alle Gesellschafter schriftlich von diesem Erwerb zu unterrichten. Der bzw. die Erben/Vermächtnisnehmer sind verpflichtet, den übergegangenen Geschäftsanteil den verbleibenden Gesellschaftern zu einem nach § 13 des Gesellschaftsvertrages zu ermittelnden Preis zum Kauf anzubieten. Erfüllt der Gesellschafter, welcher seinen Geschäftsanteil von Todes wegen erworben hat, die vorstehende Verpflichtung nicht binnen einer durch die Gesellschaft schriftlich gesetzten Frist von 2 Monaten, so wird sein Geschäftsanteil eingezogen. Die Einziehung erfolgt gemäß § 5 des Gesellschaftsvertrages. Das Erwerbsrecht steht den Gesellschaftern in dem Verhältnis zu, in welchem die Nennbeträge der von ihnen gehaltenen Geschäftsanteile zueinander stehen. Falls mehrere Erwerbsberechtigte ihr Erwerbsrecht ausüben, so ist der Geschäftsanteil entsprechend zu teilen. ... Der Geschäftsanteil gewährt kein Stimmrecht, solange das Erwerbsverfahren nicht abgeschlossen ist.
20Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die als Anlage 2 zur Klage eingereichte Kopie des Gesellschaftsvertrages(Bl.12 bis 23 GA) sowie auf die als Anlage 3 eingereichte Kopie der Tagesordnung der Gesellschafterversammlung per 31.Juli 1998 (Bl.24 f GA) verwiesen.
21In der Gesellschafterversammlung am 31.07.1998 wurden der Gesellschaftergeschäftsführer W von Rechtsanwalt Dr. R aus M und der Kläger von Rechtsanwalt Dr.G aus R vertreten; Rechtsanwalt Dr.R stimmte für die Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers, Rechtsanwalt Dr.G stimmte als Vertreter des Klägers dagegen.
22Mit Schreiben vom 07.08.1998 zeigte der Geschäftsführer der Beklagten dem Vertreter des Klägers, Rechtsanwalt Dr.G, an, daß er als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten die Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers erkläre.
23Der Kläger hat sich mit der am 26.08.1998 eingegangenen Klage gegen die im Zusammenhang mit der Einziehung seiner Geschäftsanteile gefaßten Gesellschafterbeschlüsse gewendet. Er hat die Ansicht vertreten, es fehlte an einer rechtlichen Grundlage für die Einziehung seiner Geschäftsanteile. Als ehelicher Abkömmling seines Vaters, eines Gründungsgesellschafters, sei eine Einziehung nach § 5 des Gesellschaftsvertrages nicht möglich. § 11 des Gesellschaftervertrages gelte nur für Erben, die nicht eheliche Abkömmlinge von Gründungsgesellschaftern seien.
24Der Kläger hat beantragt,
25- festzustellen, daß in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 31.07.1998 die Anträge des Gesellschafters W, die folgenden Beschlüsse zu fassen, abgelehnt worden seien: 26
- Einziehung der von dem Gesellschafter J im Erbgang nach seinem Vater P nunmehr gehaltenen Geschäftsanteile im Nominalbetrag von 23.200,00 DM und 1.800,00 DM unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 3 in Verbindung mit § 5 des Gesellschaftervertrages gegen eine nach § 13 des Gesellschaftervertrages zu ermittelnde Abfindung (TOP 5 der Tagesordnung);
- Beauftragung des Geschäftsführers W, dem Gesellschafter J gegenüber die Einziehung seiner Geschäftsanteile schriftlich zu erklären (TOP 6);
- Beauftragung des Geschäftsführers W, entsprechend § 13 des Gesellschaftervertrages in der geltenden Fassung das vorgesehene Einziehungsentgelt zu ermitteln und die im Gesellschaftervertrag vorgesehenen Raten zu Lasten der offenen Rücklagen für den gesellschaftsvertraglich fstgelegten Fälligkeitstermin an den Gesellschafter J zu zahlen oder im Wege der Verhandlung andere Zahlungsmodalitäten zu vereinbaren (TOP 7);
- Aufstockung des Nennbetrages der Geschäftsanteile des Gesellschafters W entsprechend, d.h. Aufstockung des von Herrn W gehaltenen Geschäftsanteils im Nominalbetrag von 4.200,00 DM um 1.800,00 DM auf 6.000,00 DM sowie Aufstockung des weiteren von Herrn W gehaltenen Geschäftsanteils im Nominalbetrag von 5.800,00 DM um 23.200,00 DM auf 29.000,00 DM (TOP 8);
- festzustellen, daß er Gesellschafter der Beklagten mit Geschäftsanteilen in Nennwerten von 23.200,00 DM und 1.800,00 DM sei.
hilfsweise zu Ziffer 1.festzustellen, daß die zu verstehenden Ziffern 1.1 bis 1.4. wiedergegebenen Gesellschafterbeschlüsse zu TOP 5 bis 8 der Tagesordnung der Gesellschafterversammlung vom 31.07.1998 nichtig seien; äußerst hilfsweise zu Ziffer 1. die vorstehend bezeichneten Gesellschafterbeschlüsse für nichtig zu erklären;
28Die Beklagte hat beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Sie hat die Auffassung vertreten, dem Klageantrag zu Ziff. 2 fehle das Feststellungsinteresse, da diese Feststellung schon die Folge einer positiven Formulierung des Antrags zu 1) sei.
32Im übrigen sei die Einziehung wirksam. Sie basiere auf § 11 des Gesellschaftsvertrages, der die Verletzung gesellschaftsvertraglicher Pflichten sanktioniere. Die Geschäftsanteile seien unter Beachtung der verfahrensrechtlichen Vorschriften wirksam eingezogen worden.
33§ 11 gelte für alle Erben, somit auch für die ehelichen Abkömmlinge der Gründungsgesellschafter.
34Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im übrigen dem Hilfsantrag des Klägers entsprochen und den Beschluß zu Ziff. 1.1 des Klageantrags (TOP 5 der Tagesordnung) für nichtig gehalten. Die Regelung des § 11 des Gesellschaftsvertrages gelte für den Kläger als ehelichen Abkömmling eines Gründungsgesellschafters nicht.
35Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen.
36Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage insgesamt erreichen möchte.
37Die Beklagte behauptet, es sei der übereinstimmende Wunsch der Gesellschafter W und P gewesen, die Aufnahme unerwünschter weiterer Gesellschafter zu verhindern. Das habe seinen Niederschlag auch in den Regelungen des Gesellschaftsvertrages gefunden. Erste unangenehme Erfahrungen hätten die Gesellschafter mit der Vermögensauseinandersetzung anläßlich der Scheidung des Gesellschafters W schon im Jahre 1981 gemacht. Aus diesen Erfahrungen heraus sei am 13.12.1982 § 4 des Gesellschaftsvertrages neu gefaßt worden, und bei dieser Fassung sei ausdrücklich von einer Privilegierung ehelicher Abkömmlinge von Gründungsgesellschaftern abgesehen worden.
38Anlaß für die Regelung in § 11 des Gesellschaftervertrages in der derzeit geltenden Fassung sei das Scheidungsverfahren der Eltern des Klägers gewesen; auch hier habe derselbe Wunsch bestanden, einen "closed shop" bei den Gesellschaftern zu gewährleisten. Die Neuregelung des § 11 habe nach dem Willen der Gesellschafter auch eine Änderung des § 5 bedeuten sollen. Eheliche Abkömmlinge hätten nicht privilegiert werden sollen, sondern die Regelung des § 11 habe für alle Erben gleichermaßen Geltung. Zum Beweis für den tatsächlichen Willen der Gesellschafter bei der Abfassung des § 11 beruft sich die Beklagte auf die eidliche Parteivernehmung ihres Geschäftsführers.
39Die Beklagte beantragt,
40das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
41Der Kläger beantragt,
42die Berufung zurückzuweisen.
43Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er wiederholt seine Auffassung, der Gesellschaftsvertrag sei dahin auszulegen, daß § 11 für eheliche Abkömmlinge eines Gründungsgesellschafters keine Geltung habe.
44Einer Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten als Partei zum Beweis für die Motivation der Gesellschafter bei der Neuregelung des § 11 widerspricht er.
45Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
46Entscheidungsgründe:
47Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
48Das Landgericht hat der hilfsweise erhobenen Nichtigkeitsklage zu Recht stattgegeben und die Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers für nichtig gehalten.
49Der Gesellschaftsvertrag bietet keine rechtliche Grundlage für die Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers.
50Eine zwangsweise Einziehung von Geschäftsanteilen ist nur zulässig, wenn deren Voraussetzungen in der Satzung hinreichend bestimmt geregelt sind (so Baumbach-Hueck, GmbHG, 16.Aufl. § 34, Rn.6; Scholz/Westermann, GmbHG, 8.Aufl. § 34, Rn.13; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8.Aufl., § 34, Rn.38). Insbesondere bei einer Einziehung ohne eine volle Abfindung, wie sie hier nach § 13 des Gesellschaftsvertrages stattfinden sollte, müssen die Voraussetzungen klar umschrieben sein, damit sich jeder Gesellschafter darauf einstellen kann (Baumbach-Hueck, aaO., BGH, Urt.v.19.09.1977 - II ZR 11/76 - in NJW 1977, S.2316).
51Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten läßt eine klare Regelung der Einziehungsvoraussetzungen und auch des Einziehungsverfahrens jedenfalls für den Fall der Rechtsnachfolge im Erbgang vermissen. Der Gesellschaftsvertrag enthält dazu unterschiedliche Bestimmungen, die nicht ohne weiteres miteinander zu vereinbaren sind:
52Nach § 11 des Gesellschaftsvertrages hat bei isolierter Betrachtung dieser Vorschrift jeder Erbe ohne Ausnahme den übrigen Gesellschaftern seinen ererbten Geschäftsanteil innerhalb näher bestimmter Fristen zum Kauf anzubieten. Jeder der übrigen Gesellschafter kann das Angebot annehmen oder auch ausschlagen; machen mehrere Gesellschafter von ihrem Erwerbsrecht Gebrauch, erfolgt eine Teilung des ererbten Geschäftsanteils, und die Erwerber erwerben den Anteil in dem Verhältnis, in welchem die Nennbeträge der von ihnen jeweils gehaltenen Geschäftsanteile zueinander stehen. Bei diesem Verfahren ist eine Einziehung in der Regel nicht vorgesehen; diese erfolgt allenfalls als Sanktion, wenn der Erbe seiner Andienungspflicht nicht nachkommt. Kommt der Erbe seiner Andienungspflicht jedoch nach und nimmt keiner der übrigen Gesellschafter sein Angebot an, ist für eine Einziehung kein Raum mehr. Der Erbe bleibt Gesellschafter.
53Nach § 5 des Gesellschaftsvertrages kann die Gesellschaft die Einziehung von Geschäftsanteilen beschließen, wenn ein Gesellschafter verstirbt und seine Gesellschaftsrechte nicht auf einen anderen Gesellschafter oder eheliche Abkömmlinge eines Gründergesellschafters übergehen. Die Einziehung betrifft also nicht jeden, sondern nur nicht privilegierte Erben; sie kann dann aber unabhängig davon erfolgen, ob der Erbe seiner Andienungspflicht nach § 11 nachgekommen ist oder nicht. Die Beschlußfassung über die Einziehung erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit, wobei der betroffene Gesellschafter kein Stimmrecht hat. Statt der Einziehung kann verlangt werden, daß der Geschäftsanteil auf die Gesellschaft, auf einen von ihr benannten Gesellschafter oder auf einen von ihr benannten Dritten übertragen werde. Die Verfügungsgewalt über den ererbten Geschäftsanteil steht in diesem Fall also der Mehrheit der Gesellschafter zu; ein Minderheitsgesellschafter hätte danach keine Chance, sein ihm in § 11 eingeräumtes Erwerbsrecht gegen die Stimmmen der Mehrheit auszuüben.
54Die Regelungen in den §§ 5 und 11 des Gesellschaftsvertrages sind von ihrem bloßen Wortlaut her demnach unvereinbar sowohl hinsichtlich der Stellung der betroffenen Erben als auch hinsichtlich der Rechte der übrigen Gesellschafter. Hinsichtlich der Erben enthält § 5 eine ausdrückliche Privilegierung anderer Gesellschafter sowie ehelicher Abkömmlinge der Gründungsgesellschafter, deren Anteile nach § 5 nicht eingezogen werden dürfen. Für sonstige nach § 5 nicht privilegierte Erben bleibt unklar, ob eine Einziehung ihrer Anteile auch erfolgen kann, wenn sie ihrer Andienungspflicht nach § 11 nachgekommen sind. Die Andienungspflicht des § 11 geht in Ansehung des § 5 praktisch ins Leere, da die Gesellschafter nach § 5 mit Mehrheitsbeschluß auch ohne Andienung durch die nichtprivilegierten Erben und ohne Fristen deren Anteile entweder erwerben oder einziehen können.
55Angesichts dieser Widersprüche im Gesellschaftsvertrag hat der Senat durch Auslegung zu beurteilen, wie sich die Vorschriften der §§ 5 und 11 zu einander verhalten und ob die Satzung der Beklagten danach für die Einziehung von Geschäftsanteilen auch ehelicher Abkömmlinge von Gründungsgesellschaftern eine Grundlage bietet.
56Aus der Formulierung des § 11 ist nicht ersichtlich, daß damit die Privilegierung der ehelichen Abkömmlinge von Gründungsgesellschaftern, wie sie in § 5 festgeschrieben ist, aufgehoben werden sollte. Vielmehr sieht § 11 eigentlich eine Besserstellung der Erben gegenüber § 5 insoweit vor, als ererbte Anteile danach nur im Fall einer Verletzung der den Erben auferlegten Andienungspflicht eingezogen werden können. Daß jedoch die Privilegierung aufgehoben werden sollte dadurch, daß § 11 auf die Unterscheidung des § 5 hinsichtlich privilegierter und sonstiger Erben nicht eingeht, erschließt sich dem objektiven Leser des Gesellschaftsvertrages nicht ohne weiteres.
57Auch aus § 4 des Gesellschaftsvertrages folgt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, daß eine Privilegierung ehelicher Abkömmlinge der Gründungsgesellschafter, wie sie § 5 noch vorsieht, im Gesellschaftsvertrag insgesamt aufgehoben worden sein sollte.
58§ 4 des Gesellschaftsvertrages betrifft die Übertragung und Veräußerung von Geschäftsanteilen und lautet:
59Geschäftsanteile an der Gesellschaft dürfen grundsätzlich nur mit Zustimmung aller Stimmen der Gesellschafter übertragen werden. Ohne Zustimmung aller Gesellschafter ist eine Geschäftsanteils-Übertragung auch dann nicht zulässig, wenn der Erwerber ein Gesellschafter oder ein ehelicher Abkömmling eines Gründungsgesellschafters ist.
60Aus dieser im Jahr 1982 erfolgten Regelung zur Veräußerung von Geschäftsanteilen in § 4, die damals den § 5 in der noch heute geltenden Fassung unberührt gelassen hat, läßt sich im Gegenteil entnehmen, daß zwischen dem Erwerb durch Abtretung von Geschäftsanteilen und dem Erwerb von Todes wegen klar unterschieden wurde. Die ausdrückliche Erwähnung von Gesellschaftern und ehelichen Abkömmlingen als potentiellen Erwerbern weist darauf hin, daß diesen nach dem Gesellschaftsvertrag grundsätzlich eine besondere Stellung eingeräumt war, denn anders hätte es ihrer Erwähnung in § 4 nicht bedurft. Der Umstand, daß damals gerade auch unter dem Eindruck einer scheidungsbedingten Vermögensauseinandersetzung die Privilegierung der ehelichen Abkömmlinge in § 5 anders als in § 4 nicht aufgehoben worden ist, spricht gegen ein den gesamten Gesellschaftsvertrag durchziehendes Prinzip eines "closed shop" der Gesellschafter, wonach jeder Gesellschafter stets die Aufnahme eines ungeliebten weiteren Gesellschafters sollte verhindern können.
61Aus dem Umstand schließlich, daß die Regelung des § 11 zeitlich später als die in § 5 getroffene Regelung vereinbart worden ist, folgt auch nicht der Vorrang des § 11 und die Aufhebung des § 5, dies schon deshalb nicht, weil § 11 wegen der Einziehung ausdrücklich auf § 5 verweist und damit zeigt, daß die Bestimmungen des § 5 nicht etwa übersehen worden oder in Vergessenheit geraten waren.
62Wenn aber § 5 des Gesellschaftsvertrages fortgelten sollte, so kann ein Nebeneinander beider Regelungen (§ 5 und § 11) nur widerspruchsfrei dahingehend verstanden werden, daß § 11 nur Anwendung auf nicht privilegierte Erben findet. Andernfalls würde die Regelung des § 5 b) ins Leere gehen. Der Sinn des § 11 besteht dann darin, der nach § 5 möglichen Einziehung das Andienungsverfahren des § 11 mit den dort genannten Fristen und dem einzelnen Gesellschaftern eingeräumten Erwerbsrecht vorzuschalten.
63Auch die Behauptung der Beklagten, mit der Änderung des § 11 sei entgegen dem Wortlaut der Regelung eine Änderung des § 5 tatsächlich gewollt gewesen, vermag der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen.
64Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Beklagte mit dem Antrag auf Vernehmung ihres Geschäftsführers als Partei keinen zulässigen Beweis für den von ihr behaupteten übereinstimmenden Willen aller Gesellschafter bei der Beschlußfassung über § 11 angeboten hat, denn der Kläger hat der Parteivernehmung widersprochen (§ 447 ZPO). Ein Fall des § 448 ZPO liegt hier nicht vor, denn auch im Fall der Beweisnot setzt die Anwendung des § 448 ZPO eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptung voraus (vgl.Musielak/Huber, ZPO, § 448 Rn.6), die der Senat angesichts der bereits dargelegten Sonderstellung der ehelichen Abkömmlinge von Gründungsgesellschaftern im Gesellschaftsvertrag verneint. Auch der Gesichtspunkt der Waffengleichheit (vgl. EGMR, Urt.v.27.10.1993, in NJW 1995, S.1413) gebietet hier nicht die Anwendung des § 448 ZPO.
65Von der Beweissituation abgesehen kommt es aus Rechtsgründen auf den tatsächlichen Willen der beschlußfassenden Gesellschafter hier im Ergebnis aber auch nicht an.
66Bei der Auslegung von Gesellschaftsverträgen können nach ständiger Rechtsprechung unterschiedliche Kriterien maßgebend sein, je nachdem ob es sich bei den auszulegenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages um individualrechtliche Bestimmungen oder um sogenannte körperschaftliche Bestimmungen handelt.
67Für individualrechtliche Bestimmungen besitzen die §§ 133 und 157 BGB uneingeschränkte Gültigkeit, wohingegen bei allen körperschaftlichen Bestimmungen eine normenähnliche Auslegung geboten ist (vgl.Scholz/Emmerich, GmbHG, 8.Aufl. § 2, Rn.35 m.w.N.; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8.Aufl. § 2 Rn.139). Gesellschaftsvertragliche Regelungen körperschaftsrechtlicher Art haben nach den Grundsätzen der sogenannten objektiven Satzungsauslegung zu erfolgen (BGH, Urteil v. 16.12.1991- II ZR 58/91 - in NJW 1992, S. 892; BGH, Urteil v. 11.10.1993 - II ZR 155/92 - in NJW 1994. S.51; BGH, Urteil v. 17.02.1997 - II ZR 41/96 - in NJW 1997, S.1510). Zu den körperschaftlichen Bestimmungen rechnen die grundsätzlichen Regelungen über die Beziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft, Bestimmungen über die Abfindung beim Ausscheiden sowie auch die über die Veräußerung und Vererbung von Geschäftsanteilen (Scholz/Priester, GmbHG, 8.Aufl., § 53, Rn.10), um die es vorliegend geht.
68Bei der Auslegung dieser körperschaftlichen Bestimmungen haben alle Umstände außer Betracht zu bleiben, die außerhalb der Vertragsurkunde liegen und damit nicht allgemein erkennbar sind, wie etwa die Entstehungsgeschichte des Gesellschaftsvertrages sowie die Vorstellungen, Absichten und Äußerungen von Personen, die an der Abfassung des Gesellschaftsvertrages mitgewirkt haben (so BGH, Urteil v. 27.10.1986 - II ZR 240/85 - in NJW 1987, S. 1890 unter Hinweis auf BGHZ 14, 25 (37) = NJW 1954, 1401; BGH, LM § 549 ZPO Nr. 25; RGZ 159, 321 (326); ferner BGH, Urt.v.16.02.1981 - II ZR 89/79 - in GmbHR 1982, S.129).
69Diese Grundsätze gelten auch für personalistische oder Familiengesellschaften, da der spätere Beitritt anderer Gesellschafter nie auszuschließen ist (Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8.Aufl. § 2, Rn.139; Scholz/Emmerich, aaO.; BGH, Urt.vom 16.02.1981 - II ZR 89/79 - aaO.; BGH, Urteil v. 17.02.1997 - II ZR 41/96 - aaO.).
70Nach den demnach anzuwendenden Grundsätzen einer objektiven Satzungsauslegung sind die Motivation und die Vorstellungen der beiden Gesellschafter W und P bei der Beschlußfassung zum § 11 des Gesellschaftsvertrages für die Auslegung der Vorschriften ohne Bedeutung, so daß es auch aus diesem Grund einer Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten als Partei nicht bedurfte.
71Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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