Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 4 UF 161/11
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der am 13.04.2011 erlassene Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Lüdenscheid abgeändert.
Der Antragsteller wird verpflichtet, ab Rechtskraft der Scheidung, dem 21.07.2011, an die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 2.000,00 €, fällig jeweils im Voraus zu jedem 1. eines Monats zu zahlen.
Der weitergehende Antrag bleibt zurückgewiesen.
Die Kosten erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben; die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 24.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2A.
3Die jetzt 66-jährige Antragsgegnerin begehrt vom zwei Jahre älteren Antragsteller im Rahmen des vorliegenden Verbundverfahrens die Zahlung von nachehelichem Unterhalt.
4Die beteiligten Eheleute haben am 04.10.1990 geheiratet. Für Beide war es jeweils die zweite Ehe. Aus der 1. Ehe des Antragstellers sind die am 14.02.1972 geborene Tochter S und der am 08.01.1975 geborene Sohn B hervorgegangen.
5Unter dem 05.09.1990 schlossen die beteiligten Eheleute vor dem Notar C einen notariellen Ehevertrag (Urk.Nr. 287/1990) u.a. mit folgendem Inhalt:
61.) …
72.) Für unsere Ehe schließen wir den Versorgungsausgleich aus.
83.) Für den Fall der Scheidung unserer Ehe verzichten wir gegenseitig auf Unterhalt, einschließlich des Notunterhaltes. Jeder von uns nimmt das hierauf gerichtete Angebot des anderen an.
94.) …
105.) Ungeachtet dessen, dass der Ausschluss des Versorgungsausgleiches im Falle der Stellung des Antrages auf Scheidung unwirksam ist, wollen wir ab der Eheschließung im Güterstand der Gütertrennung gemäß § 1414 BGB leben und heben deshalb den gesetzlichen Güterstand auf.
116.) …
127.) Zwecks Vermeidung von Missverständnissen weisen wir darauf hin, dass wir unseren gemeinsamen Wohnsitz in M, T-Straße 12, haben werden. Der Grundbesitz ist Alleineigentum des Erschienenen zu 1.). Die Erschienene zu 2.) wird bis auf einen Betrag von 10.000,00 DM nichts in das Haus mitbringen.
13Gegenstände aus zukünftigen Anschaffungen sollen Eigentum desjenigen werden, der in der Rechnung als Empfänger der Gegenstände ausgewiesen wird. Die hierfür erforderlichen juristischen Willenserklärungen geben wir bereits jetzt ab und gelten als im Zeitpunkt der Anschaffung der Gegenstände als angenommen.
14Sollte sich eine Zuordnung des Eigentums durch Ausweis in einer Rechnung nicht führen lassen, wird bereits jetzt zum alleinigen Eigentümer der Erschienene zu 1.) bestimmt.
158.) Die Erschienenen sind sich darüber einig, dass die Erschienene zu 2.) mit der Eheschließung ihre volle Arbeitstätigkeit aufgeben und nur noch höchstens eine halbtägige Tätigkeit ausüben wird.
16Aus diesem Grunde verpflichtet sich der Erschienene zu 1.) im Falle der Scheidung der Erschienenen zu 2.) die Nachteile auszugleichen, die sich daraus ergeben, dass die Erschienene zu 2.) mit der Eheschließung ihre volle Berufstätigkeit aufgegeben hat. Die Art und Weise, wie der Ausgleich herbeizuführen ist, steht im Belieben des Erschienenen zu 1.). Jedoch kann die Erschienene zu 2.) bis zum Eintritt der Leistung aus diesem Ausgleich die Stellung einer Sicherheit verlangen.
179.) Die Erschienene zu 2.) ist im Grundbuch als Alleineigentümerin des Hauses H-Straße 74 in M eingetragen. Die tatsächlichen Belastungen trägt der Erschienene zu 1.), namentlich Zinsen und Tilgung für die Darlehen. Die Erschienenen sind sich auch darüber einig, dass der Erschienene zu 1.) aus seinem Vermögen alle Belastungen abtragen wird und diese Belastungen den Wert des Hauses erreichen. Aus diesem Grunde gilt zwischen den Erschienenen vereinbart, dass im Falle der Veräußerung des Hauses der Veräußerungserlös bis in Höhe von 300.000,00 DM allein dem Erschienenen zu 1.) zusteht.
1810.) …
19Die Antragsgegnerin, die als Verwaltungsangestellte beim P in Vollzeit tätig war, übte, entsprechend der Vereinbarung im Ehevertrag, ab Oktober 1990 eine Halbtagsstelle aus. Da in ihrer Abteilung eine entsprechende Stelle nicht zur Verfügung stand, musste sie in eine andere Abteilung wechseln, was zu einer Rückstufung in der Vergütungsgruppe führte.
20Ab dem 15.03.1995 ließ sich die Antragsgegnerin wegen der Pflege der eigenen Mutter insgesamt beurlauben. Am 31.03.2005 schied sie dann gänzlich aus dem öffentlichen Dienst aus.
21Der Antragsteller ist selbstständiger Steuerberater, der seine Praxis seit dem 01.04.2007 mit seiner Tochter als GbR führt.
22Hinsichtlich seiner Altersvorsorge investierte er in erheblichem Umfange in eine Vielzahl von Immobilien. Die Finanzierung erfolgte im Wesentlichen über in den Jahren 1996 bis 1999 bei der Sparkasse M abgeschlossene Immobiliendarlehen, die überwiegend Laufzeiten bis in die Jahre 2018 bis 2020 hinein haben. Zudem vereinbarte der Antragsteller mit der Sparkasse, dass die Objekte in einem Haftungsverbund stehen.
23Anfang des Jahres 2007 trennten sich die Beteiligten zunächst in der ehelichen Wohnung. Der Auszug der Antragsgegnerin erfolgte dann im April 2007.
24Im Zuge der Trennung verlangte die Antragsgegnerin vom Antragsteller mit Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 09.05.2007 unter Berufung auf Ziffer 9 des Ehevertrages die Zahlung eines Betrages von 45.500,00 €. Hintergrund war insoweit, dass der Antragsteller im Jahre 1992 im Einvernehmen mit der Antragsgegnerin das Objekt „H-Straße“ zu einem Kaufpreis von 389.000,00 DM veräußert hatte. Auf die Forderung zahlte der Antragsteller einen Betrag i.H.v. 33.029,40 €, wobei er den geforderten Betrag mit einer unstreitigen eigenen Forderung gegen die Antragsgegnerin verrechnete.
25Die Antragsgegnerin erhält seit dem 01.10.2007 Rentenzahlungen, anfänglich wegen ihrer Schwerbehinderung, später als Altersrente.
26Der Antragsteller bezieht eine Vollrente wegen Alters seit dem 01.01.2010.
27Der Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am 15.01.2008 zugestellt worden.
28Die Antragsgegnerin hat die Ansicht vertreten, der Ehevertrag sei unwirksam. Ihr stehe ein Anspruch auf Zahlung von Altersunterhalt gegen den Antragsteller zu, der wegen der guten Einkommensverhältnisse konkret mit 6.487,40 € zu berechnen sei. Jedenfalls stehe ihr aber ein Quotenunterhaltsanspruch i.H.v. 1.575,00 € zu.
29Unter dem Vorbehalt einer möglichen Erhöhung hat sie beantragt,
30den Antragsteller zu verurteilen, an sie nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 2.500,00 € ab Rechtskraft der Scheidung zu zahlen.
31Der Antragsteller hat beantragt,
32den Antrag zurückzuweisen.
33Er hat die Ansicht vertreten, der abgeschlossene Ehevertrag sei wirksam, weshalb ein Anspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt nicht bestehe.
34Jedenfalls könne sich die Antragsgegnerin nicht auf eine Unwirksamkeit berufen, da sie sich ansonsten mit ihrem Verhalten hinsichtlich der Regelung in Ziffer 9 des Vertrages in Widerspruch setzen würde.
35Darüber hinaus sei der geltend gemachte Unterhaltsbetrag übersetzt und er – der Antragsteller - im Hinblick auf die erheblichen Zins- und Tilgungsleistungen für die Immobiliendarlehen nicht leistungsfähig.
36Darüber hinaus habe er seine Tätigkeit in der Steuerberaterkanzlei altersbedingt zurückgefahren, weshalb es ebenfalls an seiner Leistungsfähigkeit fehle.
37Er sei bereit, den ehebedingten Nachteil bei der Altersversorgung der Antragsgegnerin, der sich nach seinen Berechnungen auf 414,00 € monatlich belaufe, auszugleichen. Allein dies entspreche dem von der Antragsgegnerin bei Vertragsschluss geäußerten und in der vertraglichen Vereinbarung umgesetzten Wunsch, im Falle des Scheiterns der Ehe so gestellt zu werden, wie sie ohne die Ehe gestanden hätte.
38Das Familiengericht hat in der angegriffenen Entscheidung die Ehe der Beteiligten geschieden, festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet, und den Antrag auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt zurückgewiesen. Die Ehescheidung ist seit dem 21.07.2011 rechtskräftig.
39Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsgegnerin stehe nach dem abgeschlossenen notariellen Vertrag kein Unterhaltsanspruch gegen den Antragsteller zu. Dabei könne dahin stehen, ob der Vertrag wirksam sei. Zum einen könne sie sich hierauf nicht berufen, weil sie sich dann in Widerspruch zur Geltendmachung des Zahlungsanspruchs aus § 9 des notariellen Vertrages setze. Zum anderen läge in diesem Verhalten die Bestätigung eines möglicherweise nichtigen Vertrages entsprechend § 141 Abs. 2 BGB. Die Bestätigung sei nicht formbedürftig, da die anzuwendende Norm des § 1585c BGB a.F. keine besondere Form insoweit vorgesehen habe.
40Von einem Bestätigungswillen sei auszugehen, weil die zu dieser Zeit bereits anwaltlich beratene Antragsgegnerin bei pflichtgemäßer Sorgfalt habe erkennen können, dass der Antragsteller ihr Verhalten als Bestätigung des Vertrages auffasse.
41Der Anspruch folge auch nicht aus der Nachteilsausgleichsklausel in Ziff. 8 des notariellen Vertrages, weil dieser vertragliche Anspruch im Scheidungsverbund nicht geltend gemacht werden könne. Zudem fehle es an der notwendigen Bestimmtheit, weil ein konkreter Betrag von der Antragsgegnerin nicht genannt worden sei.
42Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie einen Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 2.000,00 € weiter verfolgt.
43Das erkennende Gericht habe in unzutreffender Weise die Frage, ob der Vertrag nichtig ist, offen gelassen.
44Entgegen der Ansicht des Familiengerichts habe sie mit ihrem Zahlungsbegehren den notariellen Vertrag nicht bestätigt. Nachdem die Immobilie im Jahre 1992 vom Antragsteller zu einem Kaufpreis von 389.000,00 DM veräußert worden sei, habe ihr – unabhängig vom notariellen Ehevertrag - ein Bereicherungsanspruch in Höhe des Erlöses nach Abzug der 300.000,00 DM - entsprechend Ziffer 9 des Vertrages – gegen den Antragsteller zugestanden.
45Einen Vertrauenstatbestand habe sie nicht geschaffen, weil bereits vor der Zahlung in der vorgerichtlichen Korrespondenz über die Unwirksamkeit des Vertrages gestritten worden sei. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 141 Abs. 2 BGB nicht vor, da der Vertrag trotz Wegfalls einzelner Umstände sittenwidrig sei. Außerdem sei die Beurkundung der Bestätigung im Sinne des § 141 Abs. 2 BGB erforderlich gewesen, da wegen der Regelungen zum Versorgungsausgleich und Güterstand auch zur damaligen Zeit das Formerfordernis der §§ 1408, 1410 BGB bestanden habe.
46Der notarielle Ehevertrag sei nach § 138 BGB nichtig, jedenfalls könne sich der Antragsteller gemäß § 242 BGB nicht auf den vereinbarten Unterhaltsausschluss berufen. Die Belastungsungleichheiten dokumentierten die ungleichen Verhandlungspositionen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses; der Vertrag sei nicht ausgehandelt, sondern vom Antragsteller ihr vorgegeben worden.
47Eine Herabsetzung und zeitliche Begrenzung wegen Unbilligkeit komme nicht in Betracht. Ihr seien nämlich ehebedingte Nachteile durch die Reduzierung bzw. Einstellung ihrer Berufstätigkeit während der Ehe in Form geringerer Rentenansprüche entstanden. Ihre rentenrechtlichen Einbußen beliefen sich auf mindestens 800,00 € monatlich.
48Ferner spreche die nacheheliche Solidarität im Rahmen der Billigkeitsprüfung gegen eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs. Denn sie habe durch Aufgabe ihrer Berufstätigkeit im Interesse der Ehe sich wirtschaftlich komplett vom Antragsteller abhängig gemacht. Insoweit sei zudem zu beachten, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten extrem weit auseinander lägen.
49Hinsichtlich der Nichtberücksichtigung der Nachteilsausgleichsregelung nach Ziffer 8 des Ehevertrages liege eine Überraschungsentscheidung vor, da das Familiengericht diese Regelung im Rahmen eines Einigungsvorschlages berücksichtigt und zu keiner Zeit erklärt habe, dass dieser Anspruch nicht im Scheidungsverbund geltend gemacht werden könne.
50Der Antragsteller verteidigt die amtsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens.
51Ausweislich der Korrespondenz habe die Antragsgegnerin ihren Anspruch auf Auszahlung des Verkaufserlöses ausdrücklich auf die Regelung im notariellen Vertrag gestützt.
52Im Hinblick auf sein Alter seien seine Einkünfte überobligatorisch, weshalb sie allenfalls in Höhe von 50 % Berücksichtigung finden könnten. Unter Berücksichtigung seiner Belastungen sei er zudem nicht leistungsfähig. Das erzielte Einkommen werde durch die Zins- und Tilgungsleistungen für den Immobilienbesitz mehr als aufgebraucht, weshalb er sich von seiner Familie Geld leihen müsse.
53Der Senat hat die Beteiligten angehört und aufgrund des Beweisbeschlusses vom 12.07.2012 ein Gutachten des Sachverständigen V eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gutachten des Sachverständigen vom 14.11. und 05.12.2012, seine ergänzenden Stellungnahmen vom 17.06., 17.07. und 06.09.2013 sowie hinsichtlich der mündlichen Erläuterungen auf den Berichterstattervermerk vom 16.09.2013 Bezug genommen.
54B.
55Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist in der Sache begründet. Ihr steht gegen den Antragsteller ein Anspruch auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt in Höhe von 2.000,00 € monatlich zu. Das ergibt sich aus den nachfolgenden Feststellungen und rechtlichen Bewertungen des Senats.
56I.
57Auf das Verbundverfahren findet gem. Art. 111 Abs. 5 FGG-RG das ab dem 01.09.2009 geltende neue Recht Anwendung. Nach dieser Vorschrift ist auf den Versorgungsausgleich und die im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen neues Recht anzuwenden, wenn bis zum 31.08.2010 im 1. Rechtszug noch keine Endentscheidung über den Versorgungsausgleich getroffen worden ist. Da der angegriffene Beschluss mit der Regelung zum Versorgungsausgleich erst am 13.04.2011 verkündet worden ist, greift die vorgenannte 2. Stichtagsregelung ein.
58II.
59Der Antragsgegnerin steht ab Rechtskraft der Scheidung ein Anspruch auf Altersunterhalt gemäß § 1571 BGB in der im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Höhe zu.
60Nach dieser Vorschrift steht einem geschiedenen Ehegatten gegen den anderen unter anderem ein Unterhaltsanspruch zu, soweit von ihm im Zeitpunkt der Scheidung wegen seines Alters eine Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann.
61Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
621.
63Von der Antragsgegnerin ist aufgrund ihres Alters im Zeitpunkt der Scheidung eine Erwerbstätigkeit nicht mehr zu erwarten.
64Maßgebend ist insoweit – in Abgrenzung zu § 1573 Abs. 1 BGB –, ob typischerweise in diesem Alter und der in Betracht kommenden Berufssparte keine angemessene Arbeit mehr gefunden werden kann (Wendl/Dose/Bömmelburg, Unterhaltsrecht, 8. Auflage 2011, § 4 Rz. 224).
65Hiervon ist hinsichtlich der Antragsgegnerin, die seit dem 01.10.2007 eine Vollrente wegen Alters bezieht und seit 1995 nicht mehr als Verwaltungsangestellte berufstätig war, auszugehen.
662.
67Den durch die ehelichen Lebensverhältnisse geprägten konkreten Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin schätzt der Senat – entgegen der Antragsgegnerin, die von rd. 6.490,00 € ausgeht - auf rd. 4.200,00 €.
68Da der Antragsteller nicht in Abrede stellt, über überdurchschnittlich hohe Einkünfte zu verfügen bzw. verfügt zu haben, ist eine konkrete Bedarfsbemessung geboten. Dabei genügt es, dass der Bedürftige die in den einzelnen Lebensbereichen anfallenden Kosten überschlägig darstellt, so dass sie nach § 287 ZPO, der über § 113 Abs. 2 FamFG Anwendung findet, geschätzt werden können (vgl. OLG Hamm FamRZ 1999, 723).
69Konkret ist vorliegend in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin unstreitig ab dem Jahre 2001 monatlich 1.050,00 € zur freien Verwendung überwiesen hat. Daneben hat er ihr den Wagen, den Golfclub und die Flüge nach Portugal in das Ferienhaus bezahlt.
70Unter Berücksichtigung dessen legt der Senat der Schätzung des konkreten Bedarfs der Antragsgegnerin folgende Gesichtspunkte zugrunde:
71a)
72Hinsichtlich der Wohnkosten ist auf Seiten der Antragsgegnerin
73von 800,00 €
74monatlich auszugehen.
75Kosten in dieser Höhe hat der Antragsteller substantiiert dargelegt, wohingegen die Antragsgegnerin zu den von ihr geltend gemachten 1.000,00 € nicht weiter vorgetragen hat.
76b)
77Die Wohnnebenkosten belaufen sich nach Auffassung beider Beteiligter auf
78monatlich rd. 350,00 €.
79c)
80Die Kosten für eine Haushaltshilfe schätzt der Senat auf rd. 300,00 €
81monatlich.
82Dieser Betrag erscheint im Hinblick darauf, dass nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragstellers die Haushaltshilfe 15 Stunden in der Woche im Haushalt der Beteiligten tätig war und hierfür einen Stundenlohn von 10,20 € erhalten hat, angemessen. Umgerechnet entspricht der geschätzte Betrag einer wöchentlichen Stundenzahl von 7,5 Stunden, die im Hinblick auf die Größe der Wohnung und das Alter der Antragsgegnerin vom Senat für notwendig angesehen wird.
83Die vom Antragsteller angenommenen 150,00 € sind demgegenüber deutlich zu niedrig angesetzt, da in diesem Fall der Antragsgegnerin eine Haushaltshilfe nur für rund 3,75 Stunden pro Woche zur Verfügung stünde.
84d)
85Die Kosten für den Gärtner schätzt der Senat auf 100,00 €
86monatlich.
87Dass die Beteiligten einen Gärtner beschäftigt haben, ist unstreitig. Soweit der Antragsteller den vorstehenden, von der Antragsgegnerin geltend gemachten Betrag für übersetzt ansieht, da der Gärtner nur im Sommer tätig gewesen sei, kann dieser Einwand nicht überzeugen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass der Stundenlohn des Gärtners nach der Darstellung des Antragstellers sich auf 12,50 € belief und es sich um ein relativ großes Hausgrundstück handelt, für dessen Pflege außerhalb der Winterzeit nach Schätzung des Senats durchschnittlich mindestens sechs Wochenstunden angefallen sein dürften. Bei Zugrundelegung eines Halbjahres ergibt sich so schon ein Betrag von rund 2.000,00 €, so dass der von der Antragsgegnerin angesetzte Betrag angemessen erscheint.
88e)
89Die Kosten für Urlaube schätzt der Senat – unter Berücksichtigung des Vortrages
90des Antragstellers - auf monatlich rund 250,00 €.
91Die Antragsgegnerin hat nämlich nicht substantiiert dargelegt, dass der von ihr angesetzte monatliche Betrag von 800,00 € tatsächlich für Urlaube der Beteiligten verwandt worden ist. Insbesondere fehlen konkrete Angaben zu den Urlaubskosten. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten bzw. die Antragsgegnerin auch häufig allein Urlaub im eigenen Ferienhaus in Portugal gemacht haben, so dass im Ergebnis lediglich die Flugkosten angefallen sind.
92f)
93Für die Kfz Kosten ist – entsprechend dem Vortrag der Antragsgegnerin – ein
94monatlicher Betrag in Höhe von 1.050,00 €
95zu berücksichtigen.
96Unstreitig hat die Antragsgegnerin einen Mercedes ML genutzt, dessen Kosten sie auf Grundlage der ADAC-Tabellen mit dem vorgenannten Betrag ermittelt hat. Der Hinweis des Antragstellers auf geringere Leasingkosten greift insoweit nicht durch, da ein Nutzenvorteil aus dem Leasing für die Antragsgegnerin nicht ersichtlich ist.
97g)
98Hinsichtlich der Kosten für Bekleidung hält der Senat einen Betrag in Höhe von
99monatlich 380,00 €
100für angemessen.
101Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin zu ihrer Behauptung, es seien überwiegend Kollektionen hochpreisiger Modemarken gekauft worden, nicht substantiiert vorgetragen hat, weshalb die von ihr geltend gemachten 850,00 € monatlich nicht berücksichtigt werden konnten. Bei der Ermittlung des angesetzten Betrages hat der Senat den unstreitigen Vortrag zu Grunde gelegt, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin monatlich 1.050,00 € überwiesen hat. Die Kosten für das Auto, die Urlaubskosten, inklusive der Flüge nach Portugal und die Kosten des Golfclubs hat der Antragssteller daneben zusätzlich getragen.
102Bei Abzug der von der Antragsgegnerin für Greenfee, Golf-Trainingsstunden, Fitnessstudio und Friseur angesetzten Beträge verbleibt ein Betrag von 380,00 €, den sie für Kleidung verwenden konnte.
103h)
104Bezüglich der Mitgliedschaft im Golfclub ist – entsprechend dem Vortrag des
105Antragstellers – ein monatlicher Betrag in Höhe von 70,83 €
106einzustellen, da er unwidersprochen vorgetragen hat, nur den Jahresbetrag und nicht noch die Verzehrpauschale übernommen zu haben.
107i)
108Hinsichtlich der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Beträge für
109Greenfee in Höhe von 100,00 €,
110Golf-Trainingsstunden in Höhe von 150,00 €,
111Fitnessstudio in Höhe von 120,00 €
112und Friseur in Höhe von 300,00 €
113wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Diese Beträge sind im Ergebnis wegen der vom Antragsteller unstreitig erbrachten Zahlungen in Höhe von 1.050,00 € monatlich im Rahmen der Bedarfsberechnung zugrundezulegen.
114j)
115Die angemessenen Telefonkosten schätzt der Senat auf 30,00 €
116monatlich.
117Dem Antragsteller ist dahin Recht zu geben, dass der von der Antragsgegnerin geltend gemachte Betrag von 45,00 € monatlich im Hinblick auf die von den Telekom-Unternehmen angebotenen Flat-Tarife übersetzt ist. Aufgrund eigener Erfahrung geht der Senat davon aus, dass eine ausreichende Versorgung der Antragsgegnerin im Rahmen der Telekommunikation mit dem angesetzten Betrag möglich ist.
118k)
119Die Beträge für die private Zusatzversicherung in Höhe von 84,05 €,
120der Krankenkasse in Höhe von 65,10 €,
121die Hausratversicherung in Höhe von 23,30 €
122und das Zeitungs-Abo in Höhe von 20,00 €
123sind zwischen den Beteiligten unstreitig und waren von daher in die Bedarfsberechnung einzustellen.
1243.
125Die Antragsgegnerin ist in dem von ihr geltend gemachten Umfange auch bedürftig. Sie verfügte aufgrund der vorgelegten Unterlagen in den Jahren 2011 und 2012 über eine monatliche Rente der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von 946,61 € und der Kommunale Versorgungskassen Westfalen-Lippe in Höhe von 284,91 €.
126Seit Januar 2013 hat sich dieser Gesamtbetrag in Höhe von 1.234,52 €
127auf einen monatlichen Gesamtbetrag in Höhe von 1.256,69 €
128erhöht.
129Unter Zugrundelegung dessen ergibt sich für die Jahre 2011 und 2012 ein konkreter
130ungedeckter Bedarf i.H.v. rd. 2.965,00 €
131und für 2013 i.H.v. rd. 2.943,00 €.
132Hiervon macht die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren lediglich einen Teilbetrag i.H.v. 2.000,00 € geltend.
133Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist auf diesen Bedarf das unstreitig im Jahre 2007 ausgezahlte Direktversicherungsguthaben i.H.v rd. 46.000,00 € nicht anzurechnen.
134Den im zeitlichen Zusammenhang mit der Trennung erhaltenen Geldbetrag hat die Antragsgegnerin nämlich nach ihren unwidersprochenen Angaben für die Einrichtung ihrer Wohnung, nach dem Ehevertrag durfte sie im Ergebnis nichts an Hausrat etc. mitnehmen, ihre Lebenshaltung und für Anwaltskosten verbraucht, was aus Sicht des Senats ihr unterhaltsrechtlich nicht vorzuwerfen ist.
135Unabhängig davon macht die Antragsgegnerin – wie dargelegt – nur einen Unterhaltsteilbetrag geltend, weshalb im Hinblick auf den noch offenen Bedarf von über 900,00 € selbst bei einer unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung der Direktversicherungsbeträge sich hinsichtlich des geltend gemachten Bedarfsbetrages nichts ändern würde.
1364.
137Der Antragsteller ist – entgegen seiner Darstellung – sowohl im Einsatzzeitpunkt als auch fortlaufend bis heute als ausreichend leistungsfähig anzusehen.
138Hiervon muss der Senat nach Anhörung der Beteiligten und dem Ergebnis der Beweisaufnahme ausgehen.
139Hierzu nachfolgend im Einzelnen:
140a)
141Das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Antragstellers ist, da bei Selbständigen ein mehrjähriger Zeitraum zugrunde zu legen ist (in der Regel 3 Jahre, Ziffer 1.5 der Hammer Leitlinien), als Durchschnittsbetrag zu ermitteln. Für die Vergangenheit soll dabei der Durchschnittsbetrag aus dem in den jeweiligen Jahren erzielten Einkommen ermittelt werden.
142In Hinblick darauf, dass der Antragsteller diverse Änderungen seines Einkommens behauptet hat, die nachträglich korrigiert werden mussten, weil die ursprünglich behauptete Gewinnverteilung in der Praxis doch eine andere war (vgl. dazu Schreiben des Sachverständigen vom 12.09.2012), und der Antragsteller ab Januar 2012 aus der Praxis ganz ausgeschieden sein will, ohne allerdings seine unstreitig bestehende Altersversorgung in Anspruch zu nehmen, weicht der Senat von der vorgenannten Regelung in den Hammer Leitlinien ab und legt den Drei-Jahres-Schnitt wie folgt fest:
143- für 2011 ist auf die Jahre 2008, 2009 und 2010,
144- für 2012 auf die Jahre 2009, 2010 und 2011 abzustellen,
145die zugleich Grundlage der Prognose für 2012 und 2013 sind.
146b)
147Der Antragsgegner weist im Ergebnis zu Recht darauf hin, dass er aufgrund seines Alters überobligatorisch erwerbstätig ist. Daraus sind allerdings nicht die von ihm für die Unterhaltsberechnung gezogenen Folgerungen zu ziehen.
148aa)
149So ist entgegen seiner Auffassung sein Einkommen nicht um 50 % zu kürzen, weil er über die Altersgrenze von 65 Jahren hinaus arbeitet.
150Dass die Tätigkeit des Antragstellers überobligatorisch ist (vgl. dazu Wendl/Dose/Gerhard, a.a.O., § 1 Rz. 838), steht außer Frage, da nach der Rechtsprechung des BGH mit Erreichen der Regelaltersgrenze grundsätzlich die Ausübung einer Berufstätigkeit nicht mehr verlangt werden kann (BGH FamRZ 2011, 454). Dies gilt auch bei Ausübung einer selbständigen Tätigkeit, bei der es üblich ist, über 65 Jahre hinaus tätig zu sein.
151Auch kommt nach der Rechtsprechung des BGH die Möglichkeit einer Kürzung der überobligatorisch erzielten Einkünfte in Betracht, da der Antragsteller zum Stichtag bereits Altersrente bezieht. Dabei hängt die Höhe der Kürzung im Wesentlichen davon ab, warum weiter gearbeitet wird bzw. warum Nebentätigkeiten verrichtet werden (z. B. Schuldenabbau, unzureichende Altersvorsorge) (BGH a.a.O.). Je nach konkretem Einzelfall kann das bisherige Einkommen weiterhin voll angesetzt oder aber gekürzt werden. Allerdings darf es durch die Verrentung/Pensionierung nicht zu einer Erhöhung des weiterhin berücksichtigten Einkommens kommen. Deshalb sind die gezahlte Altersrente und der Alterssteuerfreibetrag nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen (BGH a.a.O.).
152Auf den vorliegenden Sachverhalt angewandt, führt die Rechtsprechung des BGH nicht zu einer pauschalen Kürzung des Einkommens des Antragstellers. Im Rahmen der vom BGH geforderten Abwägung ist nämlich entscheidend darauf abzustellen, dass die weitere Erwerbstätigkeit des Antragstellers allein dem Schuldenabbau dient. Der seit 2010 Altersrente beziehende Antragsteller muss im Hinblick auf die vereinbarten Rückzahlungstermine der Immobiliendarlehen in den Jahren 2018 bis 2020 zwangsnotwendig über das 65. Lebensjahr hinaus einer Erwerbstätigkeit nachgehen, um die bestehenden Schulden bedienen zu können. Dementsprechend sind mit dem BGH vorliegend lediglich das Renteneinkommen und der Alterssteuerfreibetrag bei der Einkommensberechnung unberücksichtigt zu lassen. Diesem Gesichtspunkt hat der Sachverständige im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme vom 06.09.2013 Rechnung getragen und insbesondere die Steuerlast auf fiktiver Basis neu ermittelt. Da Einwände gegen die Berechnungen des Sachverständigen von den Beteiligten im Rahmen der Senatsanhörung nicht erhoben worden sind, hat der Senat diese seiner Unterhaltsberechnung zugrunde gelegt.
153bb)
154Da die Tätigkeit überobligatorisch ist, ist der Antragsteller allerdings berechtigt, die Tätigkeit jederzeit einzustellen. Dementsprechend ist – entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - nichts dagegen einzuwenden, dass der Antragsteller auf Grund seines Alters sich nach und nach aus der Kanzlei zurückzieht.
155Problematisch und von der Antragsgegnerin bestritten, ist allerdings der tatsächliche Umfang. So musste der Antragsteller im Beschwerdeverfahren einräumen, dass die ursprünglich behauptete Reduzierung auf 10% tatsächlich nicht umgesetzt worden ist, sein Gewinnanteil vielmehr mit Vereinbarung vom 17.01.2010 weiter 60% betrug.
156Auf der gleichen Linie liegt die Vorlage des am 31.03.2007 unterzeichneten Sozietätsvertrages im vorliegenden Verfahren und im Verfahren 5 F 142/08 AG M mit zwei verschiedenen Fassungen des § 24 Abs. 3, der das Datum des Ausscheidens des Antragstellers festlegt, ohne dass die nachträglich erfolgte abändernde Vereinbarung offengelegt worden wäre.
157Unter Berücksichtigung dessen kann der Senat das Misstrauen der Antragsgegnerin hinsichtlich der Behauptung des Antragstellers, nunmehr zum 02.01.2012 aus der Praxis ausgeschieden zu sein, nachvollziehen. Dieses umso mehr, als der Antragsteller auf der Homepage der Kanzlei immer noch persönlich präsent ist und nach seiner eigenen Darstellung die Kanzlei von einem Steuerberater allein eigentlich nicht zu bewältigen ist.
158Letztlich braucht der Senat dieser Frage allerdings nicht abschließend nachzugehen, da das Einkommen des Antragstellers für die Zeit ab 2012 fortzuschreiben ist. Denn der Antragsteller ist in einem Alter, wo die Altersvorsorge auch genutzt werden muss. Parallel zur behaupteten Reduzierung seiner Tätigkeit ist er also gehalten, seine Altersvorsorge zu verbrauchen. Die Erhaltung der Immobilien für seine Kinder ist jedenfalls kein Gesichtspunkt, der einer Verwertung der Immobilien entgegen steht.
159Darlegungen dazu, warum ein Verkauf der Immobilien und die Ablösung sämtlicher Schulden nicht möglich sein soll, werden vom Antragsteller nicht gemacht. Es wird lediglich behauptet, einige Objekte seien unverkäuflich bzw. nur mit Verlust zu verkaufen oder ein teilweiser Verkauf würde ihm nicht die notwendige Liquidität bringen, um Unterhalt zahlen zu können. Auch der Hinweis auf die verschränkte Haftung der jeweiligen Immobilien, die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung oder die zeitliche Dauer des Verkaufs rechtfertigen keine andere Sichtweise. Zum einen sind auch die diesbezüglichen Ausführungen im Ergebnis substanzlos. Zum anderen stellt sich die Immobiliensituation des Antragstellers nach Aktenlage eindeutig positiver dar, als von ihm behauptet, wie folgende Aufstellung zeigt:
160Darlehen: | Objekt | Stand: 24.01.2013 | Abgelöst |
B-Straße 70, M | 0,00 € | 2011 | |
J-Straße 21/21a +23, N | 159.540,12 € | ||
S-Straße 2/2a, 10/10a; J-Straße 3/3a, N | 183.350,64 € | ||
L-Straße III. OG, M | 0,00 € | 2012 | |
S-Straße 2/2a, 10/10a; J-Straße 3/3a, N | 213.935,75 € | ||
S-Straße 14/14a, 16/16a; J-Straße 15/15a, N | 0,00 € | 2008 | |
S-Straße 14/14a, 16/16a; J-Straße 15/15a, N | 0,00 € | 2008 | |
F-Straße, O | 0,00 € | 2010 | |
B-Straße 70, M | 83.744,35 € | ||
S-Straße 14/14a, 16/16a; J-Straße 15/15a, Linthe | 398.116,49 € | ||
Gesamt: | 1.038.687,35 € |
Daneben gehört dem Antragsteller noch das Objekt I-Straße in H (zwei Eigentumswohnungen), das ebenfalls schuldenfrei ist, aber nach der Erklärung des Antragstellers im Senatstermin am 16.09.2013 im Haftungsverbund für die Sparkasse M steht.
162Die Aufstellung zeigt, dass eine Vielzahl von Objekten schuldenfrei sind, weshalb die pauschale Behauptung, die Veräußerung der Objekte könne keine ausreichende Liquidität herbeiführen, in keiner Weise nachzuvollziehen ist. Im Hinblick darauf geht der Senat davon aus, das der Antragsteller durch Verkauf seiner Immobilien und nach Ablösung der Verbindlichkeiten über eine mehr als auskömmliche Altersversorgung verfügen würde, weshalb die Fortschreibung seiner Einkünfte über das Jahr 2011 hinaus gerechtfertigt ist.
163c)
164Entgegen der Ansicht des Antragstellers sind seine für die Immobilien erbrachten und zu erbringenden Zins- und Tilgungszahlungen nur eingeschränkt unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen.
165aa)
166Die Zinszahlungen auf die Immobiliendarlehen bei der Sparkasse M sind nicht in Abzug zu bringen, da diese bereits bei den jeweiligen Gewinnermittlungen durch den Sachverständigen berücksichtigt worden sind. Ein nochmaliger Ansatz, wie vom Antragsteller gefordert, würde zu einer doppelten Berücksichtigung führen.
167bb)
168Entgegen der Auffassung des Antragstellers können seine Tilgungsleistungen nicht vollständig berücksichtigt werden.
169(1)
170Zunächst sind nach der Rechtsprechung des BGH im Grundsatz bei Alleineigentum, das hier vorliegt, und Gütertrennung (dazu später im Rahmen des Ehevertrages) bereits ab der Trennung die Tilgungszahlungen als einseitige Vermögensbildung nicht zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2008, 963).
171Das gilt auch, soweit Tilgungsleistungen seitens des Antragstellers bereits während der Ehe aufgenommen worden sind. Denn eine Eheprägung im unterhaltsrechtlichen Sinne ist nicht festzustellen. Bei den Einkommensverhältnissen des Antragstellers haben diese Leistungen die Ehe nämlich nie so geprägt, dass sie bei den laufenden Ausgaben für das tägliche Leben zu irgendwelchen Einschränkungen geführt hätten.
172(2)
173Eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn es sich bei der Tilgung um eine zulässige Altersvorsorge handelt (BGH a.a.O.). Insoweit geht die Rechtsprechung unzweifelhaft davon aus, dass insgesamt eine Gesamtversorgung für das Alter in einem Umfange von 24 % des Bruttoerwerbseinkommens betrieben werden darf (BGH FamRZ 2009, 1391). Dies gilt nur dann nicht, wenn der Betreffende bereits anderweitig für das Alter ausreichend abgesichert ist (BGH FamRZ 2007, 739).
174(a)
175Nicht gefolgt werden kann dem Antragsteller in diesem Zusammenhang, wenn er bei der Ermittlung des zulässigen Altersvorsorgeaufwandes nicht auf das Bruttoerwerbseinkommen, sondern auf sein Gesamteinkommen abstellen will.
176Zwar hat der 2. Senat für Familiensachen des OLG Hamm unter Hinweis auf eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2009 (NJW 2009, 2523, 2527 Rz. 60) und seine eigene Rechtsprechung (NJW-RR 2009, 294, 297 f.) in einem Fall das gesamte Bruttoeinkommen, konkret: Einkünfte aus Geschäftsführergehalt und aus Vermietung eines Objekts, der Berechnung zugrunde gelegt (BeckRS 2010, 16449).
177Der vorliegende Sachverhalt ist allerdings mit dem vom 2. Senat für Familiensachen entschiedenen Fall nicht vergleichbar und kann deshalb – wie eine interne Abstimmung im Hause ergab – nicht übertragen werden. Insbesondere ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Antragsteller hier eine Altersvorsorge betreibt, die er eigentlich nach dem Grundgedanken der Altersvorsorge bereits in Anspruch nehmen müsste. Demgegenüber hatte der Unterhaltsschuldner im vom 2. Senat für Familiensachen entschiedenen Fall das Rentenalter noch lange nicht erreicht.
178Dementsprechend ist nur auf das Gesamterwerbseinkommen des Antragstellers bei der Ermittlung der angemessenen Altersvorsorge vorliegend abzustellen (vgl. dazu auch Wendl/Dose/Gerhard, a.a.O., § 1 Rz. 1037).
179(b)
180Der Berücksichtigung des Tilgungsanteils steht vorliegend nicht entgegen, dass der Antragsteller im Hinblick auf die Vielzahl seiner Immobilienobjekte – wie bereits ausgeführt - über eine ausreichende Altersversorgung verfügt. Da der Senat im Ergebnis das Erwerbseinkommen des Antragstellers auch für die Zeit nach seinem behaupteten Ausscheiden aus der Kanzlei fortschreibt, ist es geboten, ihm trotz seines Alters die Möglichkeit zu belassen, auch weiterhin Altersvorsorge zu betreiben. Insoweit ist der besonderen Sachverhaltskonstellation zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen Rechnung zu tragen.
181(3)
182Zugunsten des Antragstellers hat der Senat – entsprechend der insoweit nicht angegriffenen Berechnung des Sachverständigen – durchgängig einen Betrag in
183Höhe von jährlich rd. 28.500,00 €
184in seine Berechnung eingestellt.
185Dass dieser Betrag sich im Erstgutachten des Sachverständigen findet, daher nicht auf den in den Ergänzungsgutachten korrigierten Werten beruht, wirkt sich im Ergebnis nicht aus, wie folgende Berechnung zeigt:
186korr. Gesamteinkommen von 2008 bis 2011 | 495.635,55 € |
nachgewiesene Altersvorsorgeaufwendungen in den Jahren 2008 bis 2011 | 5.472,96 € |
Verhältnis Vorsorgeaufwendungen zu Gesamteinkommen | 1% |
Verbleiben für zusätzliche Altersvorsorge: | 23% |
23 % des Bruttoerwerbseinkommens ergeben einen Betrag i.H.v. | 113.996,18 € |
und damit einen jährlichen Betrag i.H.v. | 28.499,04 € |
Soweit es sich hierbei um den vom Sachverständigen über die Jahre 2008 bis 2011 ermittelten Durchschnitt handelt, trägt dies dem Umstand Rechnung, dass der Senat im Ergebnis davon ausgeht, dass der Antragsteller sukzessive mit der von ihm behaupteten Reduzierung seiner Tätigkeit in der Kanzlei verpflichtet war, seine Altersvorsorge im Umfang der Einkommensverluste infolge der Reduzierung in Anspruch zu nehmen.
188Im Hinblick auf diese Wertung kann der Senat dahinstehen lassen, ob der vom Sachverständigen ermittelte Praxiswert einen ausreichenden Ausgleich für den Verlust des Erwerbseinkommens durch das behauptete Ausscheiden aus der Praxis darstellt.
189d)
190Im Rahmen der Berechnung des unterhaltsrelevanten Einkommens des Antragstellers hat der Senat die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen V zugrunde gelegt, die in der Sache nachvollziehbar, in sich logisch und begründet dargestellt sind. Zudem haben die Beteiligten, nachdem der Sachverständige die Verlustzuweisungen aus der Beteiligung des Antragstellers am Objekt „Markthalle“ und – nach Vorlage weiterer Unterlagen – auch einzelne erhobene Einwendungen berücksichtigt hat, im Senatstermin am 16.09.2013 keine wesentlichen Gesichtspunkte dargelegt, die gegen die Feststellungen des Sachverständigen sprechen könnten. Ergänzend ist – unter Differenzierung zwischen den verschiedenen Einkommensarten des Antragstellers - nur noch Folgendes auszuführen:
191aa)
192Das Einkommen des Antragstellers aus der als GbR geführten Steuerberaterpraxis hat der Sachverständige unter mehreren Gesichtspunkten dahin überprüft, ob unterhaltsrechtliche Korrekturen vorzunehmen sind.
193(1)
194Der Privatanteil des vom Antragsteller benutzten Pkw, der steuerlich über die GbR geführt wird, wird mit der 1%-Regelung abgegolten, was aus Sicht des Sachverständigen nicht zu beanstanden ist. Dem folgt der Senat vorliegend, zumal auch die Antragsgegnerin hiergegen keine Einwände erhebt.
195(2)
196Entsprechendes gilt hinsichtlich des Privatanteils der Telefonnutzung, nachdem der Antragsteller dem Sachverständigen weitere aussagekräftige Unterlagen zur Verfügung gestellt hat, wonach bei der Gewinnermittlung in Übereinstimmung mit den von den Finanzbehörden angenommenen Wertansätzen durchgängig ein Betrag i.H.v. 300,00 € monatlich als Privatanteil angesetzt worden ist.
197Auch insoweit folgt der Senat den getroffenen Feststellungen des Sachverständigen, die auch durch die Antragsgegnerin im Ergebnis nicht angegriffen werden.
198(3)
199Im Hinblick auf die von der GbR getätigten Abschreibungen auf Anlagevermögen hat der Sachverständige auf Hinweis des Antragstellers seine zunächst getroffenen Feststellungen korrigiert, nachdem er zuvor die vorgenommenen Sonderabschreibungen ermittelt hat, da diese unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen sind. Die gebotene Korrektur hat er für die Jahre 2008 und 2009 unter Berücksichtigung eines Gewinnanteils des Antragstellers von 99% und für die Jahre 2010 und 2011 unter Zugrundelegung der in diesen Jahren vom Finanzamt anerkannten Gewinnanteile vorgenommen. Einwendungen sind hiergegen von den Beteiligten nicht mehr erhoben worden, weshalb der Senat die vom Sachverständigen ermittelten Korrekturbeträge seiner Berechnung zugrunde gelegt hat.
200(4)
201Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen, hierbei handelt es sich vornehmlich um EDV-Kosten und die bei der Gewinnermittlung berücksichtigten Werbungskosten, die u.a. für ein Golfturnier angefallen und vom Finanzamt bislang nicht anerkannt worden sind, das diesbezügliche Einspruchsverfahren ist noch nicht abgeschlossen, sind vom Sachverständigen insgesamt anerkannt worden. Da die Antragsgegnerin hiergegen nicht remonstriert, sieht auch der Senat insoweit mit dem Sachverständigen keinen Korrekturbedarf, zumal es sich im Ergebnis um der Höhe nach zu vernachlässigende Beträge handelt.
202(5)
203Hinsichtlich der Gewinnverteilung zwischen dem Antragsteller und seiner Mitgesellschafterin hat der Sachverständige seiner Berechnung die sich aus der Betriebsprüfung im Jahre 2011 für die Jahre 2008 und 2009 ergebenden Zahlen, für 2010 den sich aus dem Bescheid vom 23.02.2013 ergebenden Wert und für 2011 den in der Steuererklärung angegebenen Wert zu Grunde gelegt.
204Im Rahmen seiner Anhörung im Senatstermin am 16.09.2013 hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass die steuerlich zu berücksichtigenden Gewinnanteilsbeträge sich auf erste Sicht nicht mit den vereinbarten Gewinnanteilssätzen in Einklang bringen lassen. Grund hierfür ist, dass die Gewinnanteilsbeträge u.a. durch Sonderbetriebsausgaben der Mitgesellschafterin beeinflusst sind, weshalb auf die vom Finanzamt geprüften Beträge abzustellen ist, die aus Sicht des Sachverständigen plausibel sind. Der Senat schließt sich diesen Feststellungen an.
205bb)
206Die nur geringen Einkünfte des Antragstellers aus Gewerbebetrieb (Photovoltaik-Anlage) hat der Sachverständige in seine Berechnung eingestellt; hiergegen wendet sich keine Seite.
207cc)
208Einkünfte aus Kapitalvermögen hat der Antragsteller nach den Feststellungen des Sachverständigen im hier interessierenden Zeitraum nicht erzielt, so dass diese Einkunftsart nicht weiter zu problematisieren ist.
209dd)
210Im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hat der Sachverständige zutreffend gemachte Erhaltungsaufwendungen unterhaltsrechtlich im Rahmen der steuerlichen Gewinne / Verluste anerkannt und die vorgenommenen Abschreibungen auf die Gebäude den steuerlichen Gewinnen / Verlusten hinzugerechnet. Dies entspricht der Rechtsprechung des BGH, der bei Gebäuden keinen Wertverlust im Rahmen der Abschreibung anerkennt.
211(1)
212Der vom Antragsteller in diesem Zusammenhang geäußerten Ansicht, da die Objekte in Ostdeutschland wegen diverser Mängel sich als Verlustbringer darstellten, liege ein Sonderfall vor, an den Gebäuden sei ein konkreter Wertverlust eingetreten, weshalb die Abschreibungen zu berücksichtigen seien, folgt der Senat nicht.
213Nach zutreffender Ansicht des BGH (FamRZ 2005, 1159), der der Senat folgt, berühren Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden das unterhaltsrechtlich maßgebende Einkommen nicht, da – anders als bei kurzlebigen Wirtschaftsgütern – die Abschreibungssätze regelmäßig über die tatsächliche Wertminderung hinausgehen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass etwaige Wertminderungen durch eine günstige Entwicklung des Immobilienmarkts ausgeglichen werden können (BGH, a.a.O.).
214Soweit Borth (in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 7. Aufl. 2013, Kap. IV Rz. 906) abweichend zum BGH einen Substanzverlust berücksichtigen will, setzt dies voraus, dass der Unterhaltsverpflichtete die Bildung von Rücklagen darlegt und gegebenenfalls beweist. Da der Antragsteller vorliegend weder behauptet, Rücklagen hinsichtlich der Objekte gebildet zu haben, noch dies sonst aus der Akte ersichtlich ist, kann der Senat den Meinungsstreit im Ergebnis dahinstehen lassen.
215Gegen die Argumentation des Antragstellers spricht zudem der Umstand, dass die angeblich bestehenden Herstellungsmängel der Objekte durch vertragliche Gewährleistungsansprüche kompensiert werden, entsprechende Verfahren sind nach Darstellung des Antragstellers auch anhängig. Letztlich besteht auch keine Relation zwischen den Baumängeln und der steuerlichen AfA (vgl. insoweit auch Gerhard/v. Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 9. Aufl. 2013, Kap. 6 Rz. 56).
216(2)
217Zutreffend weist der Antragsteller allerdings darauf hin, dass bei der vom Sachverständigen vorgenommenen Korrektur der Abschreibungen eine fiktive Steuerberechnung vorzunehmen ist.
218Im Rahmen der Nichtberücksichtigung der AfA bei Immobilieneigentum muss nämlich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Eigentümer zur Erlangung des steuerlichen Vorteils aus der Abschreibung konkrete Aufwendungen hat, weshalb ihm der sich aus dem Eigentum ergebende Steuervorteil verbleiben muss (vgl. nur BGH FamRZ 2005, 1159; OLG Hamm BeckRS 2010, 14649; Wendl/Dose/Gerhardt, a.a.O., § 1 Rz. 457, 1018; abweichend: OLG Brandenburg BeckRS 2007, 11192).
219Soweit sich die Antragsgegnerin für ihre gegenteilige Auffassung auf eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2003 (FamRZ 2003, 741, 743) beruft, folgt daraus nichts anderes. Denn dort ging es um die Problematik der Sonderabschreibung, die in eine lineare Abschreibung umgewandelt worden ist, weshalb eine andere Fallkonstellation vorliegt.
220In letzter Konsequenz kann der Senat die Frage allerdings im Ergebnis dahinstehen lassen, da die vom Sachverständigen ermittelten fiktiven Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zusammen mit den weiteren Einkommensarten des Antragstellers zu einem Einkommen führen, mit dem er im beantragten Umfange leistungsfähig ist, wie noch zu zeigen sein wird.
221ee)
222Die Einkünfte des Antragstellers aus dem Rentenbezug waren – wie bereits dargelegt – ebenso wie der sich steuerlich auswirkende Altersfreibetrag im Rahmen der Einkommensermittlung nicht zu berücksichtigen.
223ff)
224Soweit der Antragsteller seine Praxis zum 01.01.2012 auf seine Tochter schenkweise übertragen haben sollte, käme dem vom Sachverständigen ermittelten Wert der Praxis Einkommen ersetzende Bedeutung zu.
225Da der Senat das Einkommen des Antragstellers über den Zeitpunkt des angeblichen Ausscheidens im Hinblick auf die zu verwertende Altersvorsorge fortschreibt, hat der Praxiswert nachfolgend unberücksichtigt zu bleiben.
226Soweit die Antragsgegnerin der Berechnung des Sachverständigen zum Praxiswert entgegenhält, dass doppelter Unternehmerlohn berücksichtigt worden ist, obwohl der Antragsteller ausscheide, weist der Senat nur ergänzend auf folgendes hin: Da der Sachverständige den Zeitraum von 2008 bis 2011 seiner Berechnung zugrunde gelegt hat, in dem die Praxis von zwei Steuerberatern geführt worden ist, war auch doppelter Unternehmerlohn zu berücksichtigen. Hierfür spricht auch die Feststellung, dass ein Steuerberater die aufgrund der Größe der Praxis anfallende Arbeit allein nicht leisten kann, weshalb es bei dem vom Sachverständigen festgestellten Wert zu verbleiben hat.
227gg)
228Hinsichtlich der weiteren vom Sachverständigen im Rahmen der Einkommensermittlung berücksichtigten Positionen (z.B. Wohnwert) haben die Beteiligten letztlich keine Einwendung mehr erhoben, so dass es insoweit bei den vom Sachverständigen angenommenen Werten zu verbleiben hat.
229hh)
230Unter Berücksichtigung der vorstehenden Feststellungen und Wertungen des Senats, die auf den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen beruhen, ergibt sich nachfolgende Einkommensberechnung:
2312008 | 2009 | 2010 | 2011 | |
Grundlage: | Betriebsprüfung | Betriebsprüfung | Steuerbescheid | Steuererklärung |
Gewinn | 167.903,84 € | 166.110,18 € | 135.901,89 € | 22.846,00 € |
Privatanteil Telefon | 0,00 € | 0,00 € | 0,00 € | 0,00 € |
Abschreibungen auf AV | 2.021,08 € | 0,00 € | 806,58 € | 45,98 € |
Einkommen aus GbR | 169.924,92 € | 166.110,18 € | 136.708,47 € | 22.891,98 € |
Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Photovoltaik) | 673,00 € | -862,00 € | 660,00 € | 599,00 € |
Kapitaleinkünfte | 0,00 € | 0,00 € | 0,00 € | 0,00 € |
Einkünfte aus VuV | -13.626,00 € | 15.668,00 € | -21.474,00 € | 13.324,00 € |
zzgl. Abschreibung | 66.566,00 € | 61.805,00 € | 61.805,00 € | 61.661,00 € |
bereinigte Einkünfte aus VuV | 56.212,27 € | 80.745,27 € | 34.380,27 € | 67.507,27 € |
Rente | 0,00 € | 0,00 € | 0,00 € | 0,00 € |
Bruttoeinkommen: | 226.810,19 € | 245.993,45 € | 171.748,74 € | 90.998,25 € |
Einkommensbereinigungen: | ||||
Vorsorgeaufwendungen | ||||
Durchschnittl. AV (1%) | -1.368,24 € | -1.368,24 € | -1.368,24 € | -1.368,24 € |
KV, PV | -8.420,64 € | -8.922,00 € | -8.941,80 € | -8.941,44 € |
Gesamt: | -9.788,88 € | -10.290,24 € | -10.310,04 € | -10.309,68 € |
Steuern: | ||||
ESt.:StKl. 1; 0,0 | -77.212,00 € | -85.271,00 € | -50.723,00 € | -24.584,00 € |
KSt.: | 0,00 € | 0,00 € | 0,00 € | 0,00 € |
Soli. | -4.246,66 € | -4.689,95 € | -2.789,76 € | -1.352,12 € |
Arbeitsbedingter Aufwand | 0,00 € | 0,00 € | 0,00 € | 0,00 € |
Wohnvorteil | 12.000,00 € | 12.000,00 € | 12.000,00 € | 12.000,00 € |
Zinsaufwendungen SpK M nicht berücksichtigt, da bereits in Gewinnermittlung eingeflossen. | (-66.758,38 €) | (-70.285,75 €) | (-63.208,80 €) | (-51.992,12 €) |
Tilungsaufwendungen SpK M | ||||
als sekundäre AV bis 24% | -28.500,00 € | -28.500,00 € | -28.500,00 € | -28.500,00 € |
Bereinigtes Nettoeinkommen: | 119.062,65 € | 129.242,26 € | 91.425,94 € | 38.252,45 € |
5.
233Unter Berücksichtigung dieser Einkommenssituation steht der Antragsgegnerin der geltend gemachte Anspruch auf Altersunterhalt in Höhe von 2.000,00 € zu, wie nachfolgende Berechnung zeigt:
234ab 08./2011 | 2012 | 2013 | |
Einkommen ASt. | 2008-2010 | 2009-2011 | fortgeschr. |
Durchschnitt | 113.243,62 € | 86.306,88 € | 86.306,88 € |
Abzügl. Erwerbstätigenbonus | -16.177,66 € | -12.329,55 € | -12.329,55 € |
bereinigtes Jahresnetto | 97.065,96 € | 73.977,33 € | 73.977,33 € |
monatsanteilig: | 8.088,83 € | 6.164,78 € | 6.164,78 € |
Einkommen AGg.ín | |||
Rente DRV-Bund | 949,61 € | 949,61 € | 969,28 € |
kvw | 284,91 € | 284,91 € | 287,41 € |
Gesamt: | 1.234,52 € | 1.234,52 € | 1.256,69 € |
Addition beider Einkommen | 9.323,35 € | 7.399,30 € | 7.421,47 € |
Halbteilung | 4.661,67 € | 3.699,65 € | 3.710,73 € |
abzüglich Rente AGg.ín | -1.234,52 € | -1.234,52 € | -1.256,69 € |
Offener Bedarf der AGg.ín | 3.427,15 € | 2.465,13 € | 2.454,04 € |
III.
236Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist der ermittelte Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nicht durch den am 05.09.1990 abgeschlossenen notariellen Ehevertrag ausgeschlossen worden.
237Der Vertrag hält nämlich der nach der Rechtsprechung gebotenen Wirksamkeitskontrolle nicht stand und ist – entgegen der Auffassung des Familiengerichts - auch aus anderen Gründen nicht als wirksam anzusehen.
2381.
239Nach der Rechtsprechung des BGH sind Eheverträge sowohl einer Wirksamkeitskontrolle als auch einer Ausübungskontrolle zu unterziehen (BGH FamRZ 2004, 601, 604; NJW 2006, 2331; 2006, 3142; 2007, 907; 2008, 3426; 2009, 842; 2009, 2124; 2013, 380).
240a)
241Im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle ist dabei durch die Instanzgerichte zu prüfen, ob die Vereinbarung sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB ist.
242Hierfür ist eine Gesamtwürdigung erforderlich, die auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss abstellt, insbesondere auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, auf den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die absehbaren Auswirkungen auf die Ehegatten und die Kinder.
243Neben den objektiven Folgen der Vereinbarung sind auch die von den Vertragschließenden verfolgten subjektiven Zwecke und Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen (BGH FamRZ 2004, 601, 606; NJW 2013, 380 Rz. 17).
244Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung liegen aus Sicht des Senates sowohl die objektiven, als auch die subjektiven Merkmale für eine Sittenwidrigkeit des von den Beteiligten abgeschlossenen Ehevertrages vor.
245aa)
246Der Ehevertrag ist im Hinblick auf seine objektive Ausgestaltung sittenwidrig, was der Antragsteller verkennt.
247(1)
248Seinem Umfang nach schließt der Vertrag, da Kinder aus der Ehe nicht hervorgehen sollten, Krankenunterhalt und Unterhalt wegen Alters aus, Ansprüche also, die nach der Rechtsprechung des BGH zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts gehören.
249Darüber hinaus bedeutet die Vereinbarung der Gütertrennung, dass die Antragsgegnerin zwar dem Antragsteller den Rücken für seine Arbeit und damit seinen Vermögenserwerb freihalten sollte, da sie höchstens noch halbschichtig arbeitete durfte, im Falle der Scheidung an der Vermögensvermehrung aber nicht partizipieren sollte.
250Auch der Ausschluss des Versorgungsausgleichs war für die Antragsgegnerin nachteilig, weil ihre ehebedingten Nachteile durch die Einschränkung ihrer beruflichen Tätigkeit, die vom Antragsteller ausdrücklich gewünscht und im Vertrag vorgesehen war, durch den Versorgungsausgleich nicht mehr ausgeglichen werden konnten. Der diesbezügliche Hinweis des Antragstellers, die Regelung sei in der jetzigen Situation für die Antragsgegnerin günstig, da sie ansonsten ausgleichspflichtig wäre, verfängt nicht, da auf die Situation bei Vertragsschluss abzustellen ist.
251(2)
252Diese Nachteile werden nicht durch die Regelung aufgefangen, wonach der Antragsteller sich zum Ausgleich der ehebedingten Nachteile verpflichtet hat. Denn insoweit steht der Ausgleich nach der vertraglichen Regelung in seinem Belieben. Da insoweit keinerlei konkrete Festschreibungen im Vertrag erfolgt sind, ist eine Durchsetzung im Ergebnis nicht möglich und die Antragsgegnerin insoweit der Willkür des Antragstellers ausgesetzt.
253(3)
254Die vertragliche Regelung entspricht zudem in keiner Weise dem gesetzlichen Leitbild der Ehe. Vielmehr zielen praktisch alle Regelungen im Vertrag darauf ab, den Antragsteller von jedweden finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Antragsgegnerin im Falle der Scheidung der Ehe freizustellen. Diese uneingeschränkt einseitige Ausrichtung des Vertrages zeigt sich exemplarisch an der Regelung in Ziff. 7 des Vertrages, wonach angeschaffte Gegenstände, für die eine Rechnung nicht vorliegt, per se in das Eigentum des Antragstellers fallen.
255Überspitzt lässt sich die vertragliche Regelung dahin konkretisieren, dass die Antragsgegnerin als Gegenleistung für die Zurückführung ihrer beruflichen Tätigkeit zugunsten der häuslichen Versorgung des Antragstellers die Sicherheit erhält, bis zu einer etwaigen Scheidung in finanziell sehr guten Verhältnissen leben zu dürfen. Im Falle einer – aus welchem Grunde auch immer erfolgten - Scheidung hat sie dagegen den „goldenen Käfig“ ohne Hab und Gut als Bittstellerin zu verlassen.
256(4)
257Der Einschätzung des Senats, dass die gesamte ehevertragliche Regelung der Antragsgegnerin zum Nachteil gereicht, steht auch nicht die vom Antragsteller bemühte Entscheidung des 5. Familiensenats des OLG Hamm vom 08.06.2011 (FamFR 2011, 381) entgegen. Insbesondere rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin im Jahre 2007 rd. 46.000,00 € aus zwei zu ihren Gunsten vom Antragsteller abgeschlossenen Direktversicherungen erhalten hat, keine andere Beurteilung.
258Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Entscheidung des 5. Senats nämlich nicht übertragbar, da der Fall in gravierenden Punkten vom vorliegenden Fall abweicht.
259So war die dortige Ehefrau Finanzbeamtin und hat diesen Beruf nicht aufgegeben, sondern durchgängig, während der Ehe halbschichtig, ausgeübt, weshalb sie über eine ausreichende Altersversorgung verfügte. Zudem war die Frau auch deutlich jünger bei Eingehung der Ehe als die Antragsgegnerin. Entscheidend ist aber, dass zum Ausgleich der geringeren Pension der Ehemann sich im Vertrag verpflichtet hatte, 30.000,00 € zu zahlen und eine Lebensversicherung zugunsten der Ehefrau zu bedienen.
260Im vorliegenden Fall ist der Ausgleich demgegenüber ausdrücklich ins Belieben des Antragstellers gestellt worden und der Abschluss der Direktversicherungen war gerade nicht im Vertrag vorgesehen.
261(5)
262Auch der Einwand des Antragstellers, die vertragliche Regelung gebe die Intention der Antragsgegnerin wieder, im Falle der Scheidung so gestellt zu werden, wie sie ohne Eingehung der Ehe gestanden hätte, führt zu keiner anderen Bewertung, im Gegenteil.
263Unabhängig davon, ob die Antragsgegnerin eine solche Erklärung abgegeben und dabei auch die Tragweite erkannt hat, ist hier festzuhalten, dass gerade nicht sichergestellt ist, dass die ehebedingten Nachteile, die insoweit unstreitig sind, ausgeglichen werden. Denn dies steht nach dem Vertrag ausdrücklich im Belieben des Antragstellers.
264Hinzu kommt, was nachfolgend noch zu zeigen sein wird, dass die ehebedingten Nachteile der Antragsgegnerin gerade nicht allein in geringeren Rentenansprüchen, worauf aber der Antragsteller allein abstellt, bestehen. Vielmehr ist ihr auch die Möglichkeit einer Vermögensbildung genommen worden.
265bb)
266Auch die subjektiven Merkmale der Sittenwidrigkeit sind zur Überzeugung des Senats vorliegend gegeben.
267Mit dem BGH (zuletzt NJW 2013, 380) geht der Senat davon aus, dass aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn sich darin eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Der objektiv unausgewogene Vertragsinhalt muss also den Schluss auf ungleiche Verhandlungspositionen aufgrund einseitiger Dominanz zulassen. Dabei begründet aber die Einseitigkeit der Lastenverteilung noch keine tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit (BGH NJW 2009, 842; 2013, 380 Rz. 24), da das Gesetz einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zu Gunsten des berechtigten Ehegatten nicht kennt (BGH NJW 2004, 930; 2007, 2851; 2013, 380 Rz. 24). Dementsprechend müssen außerhalb der Vertragsurkunde verstärkende Umstände zu erkennen sein, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten (BGH NJW 2013, 380 Rz. 24; Palandt/Brudermüller, BGB, 71. Aufl., § 1408 Rz. 10).
268Eine solche subjektive Imparität sieht der Senat vorliegend als gegeben an.
269Zum einen stellt die Einseitigkeit der Regelung hierfür bereits ein Indiz dar. Zum anderen hat der Antragsgegner mit der vertraglichen Regelung den Ehewunsch der Antragsgegnerin für sich einseitig ausgenutzt, um ihr die Reduzierung ihrer Tätigkeit, verbunden mit einer Gehaltsrückstufung, aufzubürden, ohne ihr dafür einen angemessenen Ausgleich vertraglich zuzusichern. Dies zeigt sich daran, dass es für die völlige Einseitigkeit der Regelungen keinen nachvollziehbaren Grund auf Seiten des Antragstellers gab. Insbesondere lässt sich die Vereinbarung, die mit dem Leitbild der Ehe - wie bereits dargelegt - nichts mehr zu tun hat, nicht mit irgendwelchen Erfahrungen aus der früheren gescheiterten Ehe des Antragstellers erklären. Zur Stärkung seiner Position hat der Antragsteller zudem den Notar beauftragt, mit dem er unstreitig immer zusammenarbeitet, so dass aus Sicht der Antragsgegnerin eine neutrale Beratung von vornherein ausgeschlossen war. In dieser ehevertraglichen Knebelung der Antragsgegnerin kommt zugleich deren soziale und wirtschaftliche Abhängigkeit, der Antragsteller hatte schon vor der Ehe die Darlehensraten für das Haus H-Straße zugunsten der Antragsgegnerin übernommen, sowie ihre intellektuelle Unterlegenheit zum Ausdruck.
270Daran ändert auch der Einwand des Antragstellers nichts, der Ehevertrag gebe die Intention der Antragsgegnerin wieder, im Falle der Scheidung so gestellt werden zu wollen, wie sie ohne Eingehung der Ehe gestanden hätte. Denn gerade diese angebliche Intention ist in der konkreten Vertragsgestaltung – wie dargelegt – vom Antragsteller gerade nicht umgesetzt worden.
2712.
272Entgegen der Auffassung des Familiengerichts kommt eine Bestätigung des nichtigen Vertrages nach § 141 BGB durch die Antragsgegnerin nicht in Betracht.
273a)
274In der Geltendmachung des Zahlungsanspruchs betreffend den Veräußerungserlös für das ehemals im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Haus ist schon keine Bestätigung gem. § 141 BGB zu sehen.
275Denn weder kann der Geltendmachung des Auszahlungsanspruchs entnommen werden, dass die Antragsgegnerin die ursprüngliche Vereinbarung ausdrücklich bestätigen wollte, noch hatten sich zu diesem Zeitpunkt die Umstände, die bei Vertragsabschluss zu der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung geführt haben, geändert, weshalb das Zahlungsverlangen nicht als eine Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts verstanden werden kann (vgl. BGH NJW 1973, 465; BGH NJW 1988, 1781 BGB, Staudinger/Roth, BGB, Neubearbeitung 2010, § 141 Rz. 17 m.w.N.).
276b)
277Unabhängig davon liegen auch die Voraussetzungen für eine Bestätigung nicht vor.
278Zum einen müsste die Bestätigung die für das Rechtsgeschäft vorgeschriebene Form wahren. Da hier nicht nur der Unterhaltsanspruch ausgeschlossen worden ist, sondern auch der Versorgungsausgleich und der Zugewinn, bestand jedenfalls aufgrund dessen Formzwang.
279Soweit das Familiengericht auf § 1585c BGB a.F. abstellt, übersieht es, dass diese Regelung gerade nicht für die sonstigen Scheidungsfolgen, sondern allein für den nachehelichen Unterhalt galt (MünchKomm-Maurer, BGB, 4. Aufl. 2000, § 1585c Rz. 3 m.W.N.).
280c)
281Die Verpflichtung aus Nr. 9 des Ehevertrages hat zudem nichts mit den Eingriffen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zu tun.
282Die Antragsgegnerin hat lediglich ihr den im Zeitpunkt der Veräußerung des Hauses zustehenden Kaufpreis - nach Abzug der vom Antragsteller auf die Darlehen unstreitig gezahlten 300.000,00 DM – geltend gemacht. Ab dem Zeitpunkt der Veräußerung war der Antragsteller im Ergebnis verpflichtet, ihr als Eigentümerin des Hauses den erzielten Mehrerlös zu überlassen, weshalb allenfalls eine äußerliche Verbindung des Auszahlungsanspruchs mit den ehevertraglichen Regelungen aufgrund der Aufnahme in die gleiche Urkunde gegeben ist.
283d)
284Entgegen der Auffassung des Familiengerichts ist in der Geltendmachung des Auszahlungsanspruchs auch kein widersprüchliches Verhalten i.S.v. § 242 BGB zu sehen. Vielmehr hat die Antragsgegnerin einen ihr schon lange zustehenden Anspruch geltend gemacht, der weder etwas mit der Scheidung noch mit dem Ehevertrag zu tun hatte. Die Trennung war allenfalls Anlass dafür, vom Antragsteller die Herausgabe des ihr seit rd. 15 Jahren zustehenden Mehrerlöses aus dem Hausverkauf zu verlangen.
285IV.
286Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist der Unterhaltsanspruch auch nicht gem. § 1578b BGB zu begrenzen oder zu befristen.
2871.
288Nach der seit 1. März 2013 geltenden Fassung des § 1578 b Abs. 1 BGB ist der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, oder eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre.
289Ehebedingte Nachteile in diesem Sinne können sich dabei vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben.
290Dabei geht der BGH in seiner aktuellen Rechtsprechung davon aus, dass eine Arbeitsplatzaufgabe oder ein Arbeitsplatzwechsel keinen ehebedingten Nachteil begründen, wenn sie geraume Zeit vor der Eheschließung erfolgt sind (vgl. BGH FamRZ 2012, 776 Rn. 19; NJW 2013, 1444; 2013, 1447, Rn. 20). Allerdings kann sich ein solcher Nachteil auch aus der Fortsetzung der Rollenverteilung in der Ehe und dem damit verbundenen Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit ergeben (vgl. BGH a.a.O.).
291Die Tatsachen, die für eine Begrenzung oder Befristung des Unterhaltsanspruchs sprechen, sind dabei vom Unterhaltspflichtigen darzulegen und zu beweisen. Nach den Regeln zum Beweis negativer Tatsachen trifft den Unterhaltsberechtigten allerdings eine sogenannte sekundäre Darlegungslast. Er muss die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert bestreiten und seinerseits darlegen, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden (BGH FamRZ 2010, 875 Rn. 18 ff.; 2010, 2059 Rn. 24; 2012, 93 Rn. 22 ff.; 2012, 1483 Rn. 40; NJW 2013, 1778).
2922.
293Wie bereits dargelegt ergeben sich ehebedingte Nachteile der Antragsgegnerin in Form von Renteneinbußen daraus, dass sie ihre Arbeitsstelle zunächst reduziert und dann, nach einer längerfristigen Beurlaubung, ganz aufgegeben hat.
294Daneben ist ein ehebedingter Nachteil darin zu sehen, dass sie sich mit Abschluss des Ehevertrages auch ihrer Chance begeben hat, aufgrund eigener Erwerbstätigkeit Vermögen zu bilden. Ohne Eheschließung hätte die Antragsgegnerin durchgängig als Verwaltungsangestellte gearbeitet und ausweislich der Auskunft des Pes vom 15.03.2013 ein entsprechendes Einkommen erzielt. Dass von einem solchen Einkommen in der Regel auch Vermögen gebildet wird, insbesondere im Hinblick auf die seit Jahrzehnten öffentlich geführte Diskussion um die Sicherheit der Renten und die Einführung z.B. der Riester-Rente mit dem Altersvermögensgesetz im Jahre 2002, zu dieser Zeit war die Antragstellerin erst 55 Jahre alt, ist dem Senat aus einer Vielzahl von Unterhaltsverfahren bekannt.
295a)
296Entgegen der Ansicht des Antragstellers führt seine Darstellung, die Antragsgegnerin habe ihre Anstellung allein wegen der Pflege ihrer Mutter auf eine halbschichtige Tätigkeit reduziert und die Aufgabe der Stelle beim P sei ohne Rücksprache mit ihm bzw. sogar gegen seinen erklärten Willen erfolgt, nicht zum Wegfall eines ehebedingen Nachteils auf Seiten der Antragsgegnerin.
297Denn die Vereinbarung der Antragsgegnerin mit ihrem Dienstherrn hinsichtlich der Rückstufung erfolgte vor Abschluss des Ehevertrages, der die Reduzierung ausdrücklich vorsieht. Zudem hat der Antragsteller selbst von Anbeginn des Verfahrens an darauf hingewiesen, dass die Reduzierung der Stelle in seinem Interesse erfolgte und von ihm so auch verlangt worden war.
298Daran ändert auch die spätere Beurlaubung und letztlich Aufgabe der Stelle durch die Antragsgegnerin nichts. Denn dieser Ablauf entsprach der von den Beteiligten gelebten Ehe, ohne dass der Antragsteller Konsequenzen daraus gezogen hätte, dass die Antragsgegnerin die Stelle auch gegen seinen Willen aufgab. Letzteres hätte nach seiner Darstellung aber gerade nahegelegen, da er sich bereits seit 2001 von der Ehe verabschiedet haben will.
299b)
300Ob der Antragsgegnerin aus der Ehe ein Rentennachteil von rd. 420,00 €, wie ursprünglich behauptet, oder i.H.v. rd. 220,00 € - wie nunmehr vom Antragsteller behauptet wird - entstanden ist, kann der Senat dahinstehen lassen, da unstreitig insoweit ein ehebedingter Nachteil auf Seiten der Antragsgegnerin vorliegt.
301c)
302Ein solcher ehebedingter Nachteil ergibt sich ferner daraus, dass die Antragsgegnerin unstreitig nach der Reduzierung ihrer Stelle die Darlehensraten für das Haus H-Straße nicht mehr leisten konnte und dieses dann später veräußert worden ist. Ansonsten hätte sie nämlich Vermögen in Form von Wohneigentum bilden können.
303Hiervon muss der Senat im Hinblick auf die den Antragsteller treffende Darlegungs- und Beweislast ausgehen.
304Die Antragsgegnerin trifft zwar eine sekundäre Darlegungslast, dieser ist sie aber mit ihrer Darstellung, ihre Mutter habe in das Haus H-Straße einziehen und einen Teil der Darlehenskosten tragen sollen, und der Vorlage der Auskunft des Pes zu ihrer Einkommensentwicklung nachgekommen.
305Der hiergegen erhobene Einwand des Antragstellers, die Antragsgegnerin hätte das Objekt aufgrund ihres Einkommens auf Dauer – also ohne Ehe – nicht halten können, ist unsubstantiiert und zudem nicht unter Beweis gestellt.
306Denn die insoweit vom Antragsteller vorgelegte Berechnung zur fehlenden Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin geht im Hinblick auf die vom P bestätigte fiktive Einkommensentwicklung der Antragsgegnerin von einem deutlich zu niedrigen Bruttogehalt aus und lässt eventuelle Steuervorteile unberücksichtigt. Letztlich fehlt aber auch ein konkreter Beweisantritt des Antragstellers für das Nichtvorliegen eines diesbezüglichen ehebedingten Nachteils.
307Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang die Nachvollziehbarkeit der Bescheinigung des Pes bezweifelt, ist zu berücksichtigen, dass es den BAT nicht mehr gibt und der Märkische Kreis dementsprechend seine Auskunft angepasst hat. Dass diese Angaben falsch sind, hätte der Antragsteller darlegen und beweisen müssen, was aber nicht geschehen ist.
308d)
309Selbst wenn die Darlehensraten irgendwann nicht mehr hätten bedient werden können, hätte die Antragsgegnerin das Haus veräußern und mit dem Erlös und im Hinblick auf ihr Einkommen Vermögensbildung betreiben können. Auch diese Möglichkeit ist ihr im Ergebnis durch die Ehe genommen worden.
3103.
311Weiterhin steht der Gedanke der nachehelichen Solidarität vorliegend einer Begrenzung und Befristung des Unterhaltsanspruchs entgegen.
312a)
313In seiner Entscheidung vom 20.03.2013 (NJW 2013, 1530) hat der BGH nunmehr im Hinblick auf die Änderung des § 1578b BGB ausgeführt, dass es sich nur um eine Klarstellung seitens des Gesetzgebers handelt.
314Im Ergebnis kann damit einer Befristung des Anspruchs – unabhängig von ehebedingten Nachteilen – der Gesichtspunkt nachehelicher Solidarität entgegen stehen, wenn es z.B. wegen langer Ehedauer zu einer damit einhergehenden engen wirtschaftlichen Verflechtung gekommen ist. Eine solche enge wirtschaftliche Verflechtung ist anzunehmen, wenn die Bedürftigkeit auf einer gewachsenen wirtschaftlichen Abhängigkeit (mit der Ehedauer als Indiz) und auf ehebedingten Umständen beruht (Born NJW 2013, 193). Dabei soll die Ehedauer für sich allein nicht zwangsläufig zu einer Einschränkung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit führen, ihren Stellenwert aber in der Wechselwirkung mit der Aufgabenverteilung in der Ehe erlangen (Born, a.a.O.).
315b)
316Dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer engen wirtschaftlichen Verflechtung der Beteiligten gegeben sind, steht für den Senat außer Frage.
317Die Antragsgegnerin hat sich im Zuge des Ehevertrages und dann im Rahmen der rd. 17 Jahre gelebten Ehe ganz in die finanzielle Abhängigkeit zum Antragsteller begeben. Ihr wesentlicher Vermögenswert, das Haus H-Straße, ist vom Antragsteller veräußert und der Veräußerungserlös von ihm erst rd. 15 Jahre später und ohne Zinsen an die Antragsgegnerin ausgezahlt worden. Aufgrund der im Trennungsjahr erfolgten Verrentung der Antragsgegnerin wegen Schwerbehinderung ist es ihr auch nicht mehr möglich, die finanzielle Abhängigkeit zum Antragsteller zu vermindern oder gar zu beseitigen.
318V.
319Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 150 Abs. 1, 113 Abs. 1, 112 Ziff. 1, 231 Abs. 1 Ziff. 2 FamFG, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
320Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 51 FamGKG.
321Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Rechtsbeschwerde war – entgegen der Ansicht des Antragstellers – nicht gem. § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG zuzulassen. Der Rechtssache kommt nämlich weder eine grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
322Hinsichtlich der Berechnung der Höhe der zusätzlichen Altersvorsorge folgt der Senat der Rechtsprechung des BGH und ein Widerspruch zu der zitierten Entscheidung des 2. Familiensenats des OLG Hamm liegt, wie dargelegt, nicht vor.
323Die Frage der Wirksamkeit des Ehevertrages beurteilt der Senat uneingeschränkt auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH. Darüber hinaus stellt die Bewertung der vertraglichen Regelung durch den Senat aufgrund der dargestellten Einseitigkeit des Ehevertrages eine Einzelfallentscheidung dar, weshalb eine grundsätzliche Bedeutung nicht gegeben ist.
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Referenzen
- BGB § 1585c Vereinbarungen über den Unterhalt 2x
- BGB § 1408 Ehevertrag, Vertragsfreiheit 1x
- BGB § 1573 Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und Aufstockungsunterhalt 1x
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 2x
- ZPO § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung 1x
- BGB § 141 Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts 4x
- BGB § 1578b Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit 3x
- BGB § 1571 Unterhalt wegen Alters 1x
- FamFG § 70 Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde 1x
- BGB § 1410 Form 1x
- BGB § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher 1x
- FamGKG § 51 Unterhaltssachen und sonstige den Unterhalt betreffende Familiensachen 1x
- 5 F 142/08 1x (nicht zugeordnet)