Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 2 U 163/14
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 02.10.2014 verkündete Urteil der IV. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten beider Instanzen hat der Kläger zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger macht als Leasingnehmer Rückabwicklung eines PKW-Kaufvertrages geltend. Dazu hat er im Wesentlichen zu hohen Kraftstoffverbrauch behauptet. Daneben hat er weitere Mängel, insbesondere im Bereich Schiebedach/Dachhimmel geltend gemacht. Das Landgericht hat seiner Klage überwiegend statt gegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Rücktritt des Klägers sei gerechtfertigt, weil die im Prospekt angegebenen Verbrauchswerte beim Fahrzeug des Klägers unter Testbedingungen nicht reproduzierbar seien. Die für den Kraftstoffmehrverbrauch entstandenen Kosten schulde die Beklagte als Schadenersatz. Erstattung von Fahrtkosten zur Wahrnehmung von Werkstattterminen könne der Kläger verlangen, weil Anlass dafür Mängel des Schiebedachs und des Dachhimmels gewesen seien. Wegen der dem zu Grunde liegenden Feststellungen, der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Landgerichts und wegen der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen.
4Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie macht im Wesentlichen geltend:
5Was den Verbrauch angehe, habe das Landgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass der Hersteller für seine Verbrauchsangabe ein zugelassenes Verfahren (Einstellen des Prüfstandes nach Tabellenwerten statt nach dem tatsächlichen Rollwiderstand des Fahrzeuges) angewandt habe. Zudem sei das Erstgutachten des Sachverständigen, in dem er einen zu hohen Verbrauch gefunden hat, wegen Verletzung der Parteiöffentlichkeit und Verstößen gegen andere Grundsätze (eigenverantwortliche Erstellung) nicht verwertbar. Was die vom Landgericht zugesprochenen Kosten für Fahrten zur Werkstatt wegen der Behebung von Mängeln am Schiebedach angehe, fehle es an einer Grundlage dafür, weil damit kein zur Zeit des Gefahrübergangs vorhandener Mangel betroffen sei.
6Die Beklagte beantragt,
7abändernd die Klage abzuweisen.
8Der Kläger beantragt,
9die Berufung zurück zu weisen.
10Er rügt zunächst, die Beklagte existiere unter der mit der Berufungsschrift mitgeteilten Firma nicht. Es sei auch nicht ersichtlich, in welcher Form der als vertretungsberechtigt angegebene H W die Beklagte vertrete. Zudem rügt er Vollmacht der Prozessbevollmächtigten der Beklagten.
11In der Sache verteidigt er die angefochtene Entscheidung mit näheren Ausführungen. Daneben rügt er Verletzung von Art. 19 IV GG und Art. 6 I EMRK und regt Vorlage der Sache an den Europäischen Gerichtshof an.
12Für die Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen zu Protokoll im Senatstermin verwiesen.
13II.
14Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
151.
16Die Passivlegitimation der Berufungsklägerin und Vollmacht derer Prozessvertreter stehen außer Frage.
17a.
18Nach der von der Beklagen überreichten Wiedergabe des aktuellen Registerinhaltes des Handelsregisters, Abteilung B, vom 21.05.14 [GA288f] ist die ursprüngliche Leasinggeberin, die D und K Vertriebsgesellschaft mbH auf die G2 Automobil-Vertriebs-GmbH verschmolzen worden. Das entspricht dem im Termin überreichten Ausdruck des Handelsregisters vom 19.03.15 [lose in der Akte], dessen Inhalt der Kläger nicht bestritten hat. Aus diesem Ausdruck des Handelsregisters ergibt sich weiter, dass die G2 Automobil-Vertriebs-GmbH in G GmbH umfirmiert hat. Die Berufungsklägerin ist deshalb mit der ursprünglich unter D und K Vertriebsgesellschaft mbH firmierenden Leasinggeberin des Klägers identisch.
19b.
20Die Vollmacht der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zweifelt der Kläger zu unrecht an. Abgesehen davon, dass von vorne herein nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund die Prozessbevollmächtigten der Beklagten einen Prozess aus eigenem Antrieb führen sollten, hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Senatstermin eine Termins-Vollmacht [GA355] vorgelegt. Soweit der Kläger bestreitet, dass die linke Unterschrift auf der Vollmacht vom Geschäftsführer der Beklagten herrühre, ist das Bestreiten ins Blaue. Unabhängig davon ist der Senat davon überzeugt, dass die Unterschrift echt ist. Es besteht kein Anlass, der Angabe des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, die Unterschrift stamme vom Geschäftsführer der Beklagten, zu misstrauen.
212.
22Zum Rücktritt berechtigende Mängel, §§ 323, 437 Nr. 2, 434, 433 BGB, lassen sich nicht feststellen.
23(a.)
24Zu hoher Verbrauch
25Eine Mangel ist dann gegeben, wenn der Verbrauch des Fahrzeuges des Klägers von der Prospektangabe abweicht, § 434 I 2 Nr. 2 i.V.m. Satz 3 der Regelung. Da der Angabe des Verbrauchs im Prospekt entsprechend der Fußnote zur Verbrauchsangabe eine Verbrauchsermittlung nach der „Richtlinie 80/1268/EWG in der gegenwärtig geltenden Fassung“ zu Grunde lag, kommt es darauf an, ob richtlinienkonform ermittelter Verbrauch des Fahrzeugs des Klägers von der Prospektangabe abweicht. Das ist - im Ergebnis - in nur unerheblichem Umfang der Fall.
26Dabei teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, bei richtlinienkonformer Verbrauchsermittlung sei bei der Einstellung des Prüfstandes auf die Rollwiderstandswerte des konkreten Fahrzeuges zurückzugreifen, nicht.
27Denn die Richtlinie erlaubt es sowohl, den konkreten Fahrwiderstand des geprüften Fahrzeuges, wie auch Tabellenwerte bei der Einstellung des Prüfstandes zu Grunde zu legen: Nach der Richtlinie 80/1268/EG werden die Last und Fahrwiderstandseinstellungen des Prüfstandes nach Anhang III der Richtlinie 70/220/EWG, letzte Fassung, bestimmt, Anhang I Ziff. 6.3.1 der Richtlinie 80/1268/EG. Nach Anhang III Anlage 2 Ziff. 3.2.1 der Richtlinie 70/220/EWG besteht die Möglichkeit die Bremse des Prüfstandes - mit Zustimmung des Herstellers - nach den Werten der dort wiedergegebenen Tabelle einzustellen. Dabei handelt es sich nicht - zu dieser Bemerkung gibt der erstinstanzliche Vortrag Anlass - um vom Hersteller gefundene Werte, sondern um Vorgaben der Tabelle der Richtlinie. Da beide Methoden nach der Richtlinie möglich sind und die Richtlinie weder der einen noch der anderen Methode den Vorzug gibt, geht die objektive Käufererwartung dahin, dass die im Prospekt angegebenen Werte entweder nach der einen oder nach der anderen Methode ermittelt sind und dass sich die Werte bei der Ermittlung des Verbrauchs des von ihm gekauften Fahrzeugs unter Zugrundelegung der Methode, die bei der Ermittlung der im Prospekt angebenden Verbrauchswerte angewandt wurde, reproduzieren lassen.
28Gegen diese Bestimmung der zu erwartenden Beschaffenheit, § 434 I 2 Nr. 2 BGB, spricht nicht, wie es das Landgericht gemeint hat, dass der Rückgriff auf Tabellenwerte zu einem theoretischen Ergebnis ohne hinreichenden Bezug zum konkreten Fahrzeug führe, oder, wie es die Berufungserwiderung meint, dass die Werte absichtlich so unrealistisch niedrig gesetzt worden seien, dass im Prospekt ein werbewirksamer, jedoch falscher Wert ausgeworfen werde. Dass richtlinienkonform ermittelte Verbrauchswerte dem tatsächlichen Verbrauch im Straßenverkehr nicht entsprechen, ist allgemein bekannt. Das gilt für beide Methoden. Dass der Hersteller im Homologationsverfahren die für den zur Prüfung stehenden Fahrzeugtyp günstigere Methode anwenden lassen wird, ist zu erwarten. Auch das gilt für beide Methoden gleichermaßen.
29Gegen diese Bestimmung der zu erwartenden Beschaffenheit spräche es allerdings, wenn die Erwartung des Verkehrs dahin ginge, den Verbrauchsangaben im Prospekt läge die Ermittlung aufgrund Einstellung des Prüfstandes nach konkreten Fahrwiderständen, nicht aber nach Einstellung des Prüfstandes nach Tabellenwerten zu Grunde. Für eine derartige Erwartung des Verkehrs gibt es keine Grundlage.
30Warum bei dieser Bewertung ein Verstoß gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 IV GG oder ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. I EMRK gegeben sein sollte, erschließt sich nicht.
31Maßgeblich dafür, ob der Verbrauch des Fahrzeuges des Klägers von der Prospektangabe abweicht, ist deshalb das Ergebnis des Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen vom 26.03.2014 [lose in der Akte], bei dem der Verbrauch des Fahrzeuges des Klägers unter Einstellung der Bremse des Prüfstandes nach Tabellenwerten ermittelt worden ist (so dass es auf die von der Beklagten in Frage gestellte Verwertbarkeit des Erstgutachtens vom 15.06.12 [lose in der Akte] nicht ankommt). Danach ergibt sich:
32Prospekt |
Messung |
Abweichung |
|
innerorts |
11,7 |
12,7 |
8,54% |
außerorts |
7,5 |
8,1 |
8,0 % |
kombiniert |
9,0 |
9,7 |
7,78% |
Durchschnitt |
8,11 % |
Das Ergebnis des Ergänzungsgutachtens wird von den Parteien nicht in Frage gestellt. Auch der Senat hat keine Bedenken, davon auszugehen.
34(b.)
35Geräusche am Vorderradantrieb
36sind nicht erwiesen. Gegen die entsprechenden Feststellungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 15.06.12 hat der Kläger nichts erinnert und ist auch nichts zu erinnern.
37(c.)
38Schiebedach
39(1.)
40Mangel bei Gefahrübergang
41Die vom Sachverständigen gefundenen Defizite (Schiebedach schließt an den hinteren Außenecken nicht bündig mit der Dachhaut ab; Dachhimmel ist nicht richtig eingepasst - er ist lose und hängt herab, Sachverständigengutachten vom 15.06.12, Seite 11) lagen bei Gefahrübergang unstreitig nicht vor. Vielmehr soll nach Klägervortrag das Schiebedach undicht gewesen sein (und sich die vom Sachverständigen gefundenen Defizite als Folge einer unzureichenden Nachbesserung darstellen). Frage ist mithin zunächst, ob sich Undichtigkeit des Schiebedachs bei Gefahrübergang feststellen lässt. Das erscheint nicht zweifelsfrei, kann indessen dahinstehen.
42Denn
43(2.)
44jedenfalls ist - Undichtigkeit des Schiebedachs bei Gefahrübergang an dieser Stelle unterstellt - fehlerhafte Nacherfüllung bei einem Handelskauf erneut zu rügen, Baumbach/Hopt, § 377 HGB Rz. 42 m.w.Nw. An rechtzeitiger Rüge fehlt es. Damit ist dem Kläger eine Berufung auf Mängel, die sich aus unzureichender Nachbesserung des Schiebedachs ergeben könnten, verwehrt, § 377 III HGB,
45(2.1)
46Der Kauf ist für beide Parteien bereits ursprünglich Handelkauf gewesen. Der Eintritt der Leasinggeberin ändert daran nichts, sondern führt erst Recht zu der Bewertung, dass es sich um einen Handelskauf handelt und dem Kläger aufgrund der Abtretung von Forderungen / der Ermächtigung zur Geltendmachung von Gestaltungsrechten nur die Rechte zustehen können, die der Leasinggeberin aus dem Kaufvertrag erwachsen.
47(2.2)
48Die vom Sachverständigen festgestellten Defizite (Dachhimmel löst sich und hängt herunter, Schiebedach ist an den hinteren Außenecken nicht bündig = Defizite der Nacherfüllung) sind nach dem Vortrag des Klägers Folge mangelhafter Nacherfüllung. Das hat der Kläger nach seinem Vortrag in der Klageschrift bereits im Mai 2011 festgestellt. Gerügt hat er das feststellbar erstmals durch Beanstandung vom 27.07.11 [GA61]. Dass eine etwa zwei Monate nach Feststellung des Mangels erfolgte Rüge nicht unverzüglich ist, bedarf keiner Erörterung. Soweit er sich auf Emails seiner Ehefrau berufen hat, hat der Kläger trotz des Hinweises in der Terminsverfügung des Senats, dass Bedenken bestehen können, ob sein Vortrag ausreicht, um die Einhaltung der Rügeobliegenheiten des § 377 HGB festzustellen, nicht näher vorgetragen, was wann damit beanstandet wurde. Auch anläßlich der diesbezüglichen Ausführungen seitens des Senats im Termin hat der Kläger dazu nicht mehr vorgetragen.
49(2.3)
50Arglistiges Verschweigen von Reparaturdefiziten, welches die Genehmigungsfiktion des § 377 HGB nach dessen Absatz V hinderte, wird vom Kläger nicht behauptet und ist auch ansonsten nicht erkennbar.
51(2.4)
52Das Versäumnis rechtzeitiger Rüge wäre mithin nur dann unschädlich, wenn die Beklagte darauf verzichtet hätte. Das lässt sich nicht feststellen. Der Umstand, dass die Beklagte auf die Anzeige vom 27.07.11 am 12.09.11 rein tatsächlich nachzuarbeiten versucht hat, reicht für die Annahme eines Rügeverzichts nicht aus.
53(d.)
54Als relevanter und feststellbarer Mangel verbleibt, dass der Verbrauch des klägerischen Fahrzeuges die nach der Prospektangabe zu erwartende Beschaffenheit, was den Verbrauch angeht, um 8,11 % übersteigt. Das ist ein unerheblicher Mangel, der einen Rücktritt nicht rechtfertigt, § 323 V 2 BGB.
55(e.)
56Ergänzend sei bemerkt:
57Was Schiebedach und Dachhimmel angeht, hat der Sachverständige Reparaturkosten von knapp 1.500,00 € ausgeworfen.
58Die Kalkulation des Sachverständen ist indes insoweit nicht nachvollziehbar, als er darin die Scheibe Sonnendach mit immerhin knapp 800,00 € (netto) wegen Verkratzung einstellt. Verkratzung der Scheibe des Dachs ist nie Gegenstand von Beanstandungen des Klägers gewesen.
59Hält man dafür, dass rund 400,00 € (netto) an übrigen Mangelbeseitigungskosten anfallen, ist auch bei kumulierter Betrachtung mit dem Mehrverbrauch von 8,11% die Erheblichkeitsschwelle für einen Rücktritt nicht überschritten.
602.
61Dass die vom Landgericht zugesprochenen Ansprüche auf Ersatz von Fahrtkosten nicht bestehen, ergibt sich aus dem Gesagten. Ein Anspruch auf Ersatz von Kosten des Mehrverbrauchs ist ebenfalls nicht gegeben. Das dafür erforderliche Verschulden der Beklagten lässt sich nicht feststellen, da sie unstreitig als Vertriebsgesellschaft lediglich Händlerin ist.
623.
63Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO. Eine Zulassung der Revision, § 543 ZPO, ist nicht veranlasst. Ebenso wenig besteht Veranlassung zur Vorlage der Sache an den Europäischen Gerichtshof.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- ZPO § 543 Zulassungsrevision 1x
- HGB § 377 4x
- BGB § 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung 2x
- BGB § 437 Rechte des Käufers bei Mängeln 1x
- BGB § 433 Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag 1x
- BGB § 434 Sachmangel 2x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x