Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 1 UF 120/15
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Essen-Borbeck vom 17.06.2015 (Az.: 21 F 33/15) wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3000,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die miteinander verheirateten, seit November 2014 getrenntlebenden Eltern des Kindes X, geboren am 11.10.2009.
4Nach verfahrenseinleitender Gefährdungsmitteilung des Jugendamtes gemäß § 8 a SGB VIII hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 17.06.2015 das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und das Recht für die gemeinsame Tochter, Hilfen zur Erziehung zu beantragen, antragsgemäß dem Kindesvater übertragen.
5Gegen diesen ihr ausweislich der vorliegenden Postzustellungsurkunde am 20.06.2015 zugestellten Beschluss hat die Kindesmutter mit am 23.07.2015 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt und zugleich mit am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
6Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie unter Vorlage anwaltlicher Versicherung ihres Verfahrensbevollmächtigten und einer eidesstattlichen Versicherung seiner Bürovorsteherin ausgeführt, dass sie sich nach Zustellung des Beschlusses und einer zweiwöchigen Erkrankung entschlossen habe, den Beschluss anzufechten. Sie habe deshalb am 15.07.2015 - unangekündigt und ohne Termin -das Büro ihres Verfahrensbevollmächtigten aufgesucht. Der ihr die Tür öffnenden Auszubildenden P habe sie erklärt, sich hinsichtlich eines negativen Beschlusses des Amtsgerichts Essen-Borbeck beraten und vertreten lassen zu wollen und ihr sowohl das Sitzungsprotokoll vom 17.06.2015 als auch den Beschluss vom selben Tage vorgelegt. Frau P habe Kopien der Schriftstücke gefertigt und ihr mitgeteilt, dass man sich bei ihr unter der von ihr hinterlassenen Handynummer melden werde und sie sich keine Sorgen zu machen brauche. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen habe Frau P die gefertigten Kopien aber entgegen eindeutiger Büroanweisung nicht in die zentrale Fristenkontrolle weitergeleitet, mit der Folge, dass ihr Verfahrensbevollmächtigter diese erst am 21.07.2015 in einem Stapel Akten vorgefunden habe. Das Verschulden der Mitarbeiterin könne weder ihrem Verfahrensbevollmächtigten noch ihr selbst zugerechnet werden.
7II.
81.
9Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist unzulässig und deshalb gemäß § 68 Abs. 2 S. 2 FamFG zu verwerfen. Sie ist entgegen §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 S. 1 FamFG nicht innerhalb der Einlegungsfrist von einem Monat bei dem hierfür zuständigen Amtsgericht Essen-Borbeck eingelegt worden. Die angefochtene Entscheidung wurde der Antragsgegnerin am 20.06.2015 zugestellt. Innerhalb der bis zum 20.07.2015 laufenden Frist wurde Beschwerde nicht eingelegt.
102.
11Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde kann der Antragsgegnerin nicht bewilligt werden, weil sie nicht ohne ihr Verschulden daran gehindert war, die Frist zur Einlegung der Beschwerde einzuhalten (§ 17 FamFG). Zur Begründung hat der Senat in seinem Beschluss vom 10.09.2015, in dem er die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung geprüft und verneint hat, ausgeführt:
12“ a)
13Dabei kann dahinstehen, ob dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin das Versehen seiner Auszubildenden überhaupt als Eigenverschulden zuzurechnen wäre, weil der Antragsgegnerin ein etwa gegebenes Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten an der Versäumung der Beschwerdefrist schon aus anderen Gründen nicht nach §§ 11 S. 5 FamFG, 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen wäre. Es fehlt bereits an einem wirksamen Mandatsverhältnis, das die Zurechnung anwaltlichen Verschuldens rechtfertigen könnte. Ein wirksames Mandatsverhältnis entsteht nicht schon dadurch, dass einer Büroangestellten Unterlagen mit dem Bemerken übergeben werden, sich beraten und vertreten lassen zu wollen, sondern erst mit der Annahme des Mandats; ein vor der Annahme liegendes Verschulden des Rechtsanwalts ist der Partei auch dann nicht zuzurechnen, wenn das Mandatsverhältnis später zustande kommt (vgl. Musielak/Weth, ZPO, 12. Aufl., § 85 Rdn. 15; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 85 ZPO Rn. 12, 22 m.w.N.). Wie sich aus dem von der Antragsgegnerin dargestellten Geschehensablauf ergibt, ist jedenfalls vor Ablauf der Beschwerdefrist am 20.07.2015 kein Mandatsverhältnis zwischen der Antragsgegnerin und ihrem Verfahrensbevollmächtigten zustande gekommen. Der Verfahrensbevollmächtigte, dem die Entscheidung über die Annahme des Mandates oblag, hat erst am 21.07.2015 und damit nach Ablauf der Beschwerdefrist von der entsprechenden Absicht erfahren.
14b)
15Die Antragsgegnerin hat allerdings selbst die Sorgfalt verletzt, die einer ordentlichen Prozesspartei obliegt.
16Der der Antragsgegnerin am 20.06.2015 zugestellte Beschluss enthielt die erforderliche Rechtsmittelbelehrung. Dieser konnte sie entnehmen, dass sie, wenn sie die Entscheidung des Amtsgerichts nicht akzeptieren wollte, spätestens innerhalb eines Monats, also bis zum 20.07.2015, beim Amtsgericht schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle Beschwerde gegen den Beschluss einlegen musste. Als sie sich nach ihrer zwei Wochen andauernden Erkrankung entschlossen hatte, den Beschluss anzufechten, musste ihr bewusst sein, dass die Beschwerdefrist schon überwiegend abgelaufen war. Wenn die Antragstellerin daher noch einen Anwalt mit ihrer Vertretung im Beschwerdeverfahren beauftragen wollte, musste es sich ihr daher aufdrängen, dass sie sich alsbald und unter Hinweis auf die Dringlichkeit um einen Besprechungstermin mit dem von ihr gewählten Anwalt bemühen musste. Einer ordentlichen Prozesspartei wäre klar gewesen, dass es nicht reicht, fünf Tage vor Ablauf der Beschwerdefrist ohne Hinweis auf den nahen Fristablauf lediglich den für sie nachteiligen Beschluss einschließlich des Terminsprotokolls einer Büroangestellten mit dem Bemerken zu übergeben, sich insoweit beraten und vertreten lassen zu wollen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Angestellte, die Auszubildende P, der Antragsgegnerin gegenüber erklärt hat, man werde sich melden, sie brauche sich keine Sorgen zu machen. Abgesehen davon, dass dies bislang nicht glaubhaft gemacht ist, würde eine solche Erklärung die Antragsgegnerin auch nicht entlasten. Da die Angestellte um die Dringlichkeit nicht wusste und nicht wissen konnte, durfte sich die Antragsgegnerin keinesfalls darauf verlassen, dass sich der Anwalt umgehend bei ihr melden würde, damit die Angelegenheit noch besprochen und ggf. noch rechtzeitig Beschwerde eingelegt werden kann. Da eine entsprechende Meldung tatsächlich weder am Donnerstag (16.07.2015) noch am Freitag (17.07.2015) erfolgte, hatte sie vielmehr jede Veranlassung, spätestens am Montag (20.07.2015), dem Tag des Fristablaufs, dort nachzufragen und sich mit Nachdruck um einen Besprechungstermin zu bemühen. Notfalls hätte sie selbst noch schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Beschwerde beim Amtsgericht einlegen können und müssen.
17Im Ergebnis sind damit keine Gründe vorgetragen, die für ein fehlendes Verschulden der Antragsgegnerin an der verspäteten Einlegung der Beschwerde sprechen könnten."
18Eine abweichende Beurteilung ist nicht veranlasst. Die Antragsgegnerin hat sich zu den vorstehenden Ausführungen nicht mehr geäußert.
19III.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG, die Wertfestsetzung beruht auf § 45 Abs. 1 FamGKG.
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Referenzen
- FamFG § 17 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 1x
- FamFG § 68 Gang des Beschwerdeverfahrens 1x
- ZPO § 85 Wirkung der Prozessvollmacht 2x
- FamFG § 64 Einlegung der Beschwerde 1x
- FamFG § 63 Beschwerdefrist 1x
- FamFG § 84 Rechtsmittelkosten 1x
- FamGKG § 45 Bestimmte Kindschaftssachen 1x
- 21 F 33/15 1x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 11 Verfahrensvollmacht 1x
- § 8 a SGB VIII 1x (nicht zugeordnet)