Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 11 U 10/18
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 23.11.2017 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger, der im Jahr 2013 in X wohnte und auch arbeitete, nimmt den Beklagten, der schon zu diesem Zeitpunkt in X die kommunale Abwasserkläranlage betrieb, in die neben kommunale Abwässern über einen eigenen Kanal auch Abwässer der X- Brauerei eingeleitet wurden, mit dem Vorwurf, dass er durch in der Kläranlage vorhandenes und von dieser in den Fluss Z eingeleitetes mit Legionellen belastetes Wasser im September 2013 an der sog. Legionärskrankheit erkrankt sei, auf Zahlung eines angemessenen, seiner Vorstellung nach sich zumindest auf 15.000,- € belaufenden Schmerzensgeldes in Anspruch. Weiter begehrt er die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle weiteren ihm noch durch die Erkrankung entstehenden, derzeit nicht vorhersehbaren Schäden.
4Dabei haben die Parteien in erster Instanz unter anderen darüber gestritten, ob die Erkrankung des Klägers durch über der Kläranlage oder den Fluss Z aufsteigende legionellenbelastete Aerosole verursacht wurde oder für die Erkrankung auch andere Ursachen in Betracht kommen wie durch Verdunstungskühlanlagen der X- Brauerei oder der Y über das Stadtgebiet hinweg verteilte legionellenbelastete Aerosole. Weiter hat man darüber gestritten, ob der Beklagte amtspflichtwidrig Vorkehrungen zum Schutz vor einer Legiollenbelastung des in der Kläranlage behandelten Wassers unterlassen hat, insbesondere Gebote aus dem Wasserhaushaltsgesetz, dem Bundesimmissionsschutzgesetz und dem Infektionsschutzgesetz nicht beachtet hat. Auch stand zwischen den Parteien im Streit, ob die Voraussetzungen für eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des Beklagten nach § 89 Abs. 1 WHG gegeben sind.
5Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, für einen Amtshaftungsanspruch des Klägers aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG fehle es an einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des Beklagten. Ein Verstoß gegen die die Bearbeitung und Beseitigung von Abwasser regelnden Vorschriften der §§ 55 Abs. 1, 60 WHG, 5 Abs. 1, 22 BImSchG und 41 IfSG liege ungeachtet der Frage ihres Drittschutzes nicht vor, weil keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Kläranlage nicht dem „Stand der Technik“, den „allgemeinen Regeln der Technik“ oder den sonstigen rechtlichen bzw. technischen Anforderungen entsprochen habe. Der Beklagte hätte konkrete Maßnahmen zum Schutz vor dem Auftreten und Verbreiten von Legionellen nur dann treffen müssen, wenn es hierauf bezogene rechtliche oder technische Bestimmungen gegeben hätte und/oder er zumindest aufgrund von Erfahrungswerten mit einer entsprechenden Gefährdung hätte rechnen müssen, was beides nicht der Fall gewesen sei. Spezifische rechtliche oder technische Vorgaben für die Behandlung von Abwasser zur Minimierung des Risikos einer Legionelleninfektion hätten im Jahr 2013 nicht existiert. Der Beklagte habe damals auch nicht auf Erfahrungswerte aus früheren Ausbrüchen zurückgreifen und seine Anlage darauf einrichten können. Kommunale Kläranlagen bzw. Belebungsbecken seien vor den Ereignissen in X im Jahr 2013 in Fachkreisen nicht als relevante Emittenten von Legionellen eingestuft worden, weil dort nur geringe Konzentrationen aufgetreten seien. Die in 2005 und 2008 in T/Norwegen aufgetretenen Legionellenausbrüche seien mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil es dort nicht um kommunale Abwässer, sondern um ein Belebungsbecken einer biologischen Kläranlage eines Industriebetriebes und einen in unmittelbarer Nähe davon befindlichen Luftwäscher gegangen sei. Dass der Beklagte später zahlreiche Gegenmaßnahmen ergriffen habe, reiche für die Annahme einer Pflichtverletzung nicht aus. Da es hiernach bereits an einer Amtspflichtverletzung des Beklagten fehle, könne dahinstehen, ob der Amtshaftungsanspruch auch wegen Bestehens einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen sei. Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB scheiterten bereits daran, dass die Haftung des Staates aus unerlaubter Handlung in § 839 BGB abschließend geregelt sei und die Vorschriften des § 823 Abs. 1 und 2 BGB daneben nicht anwendbar seien. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch aus § 89 WHG zu. Die vom Kläger behauptete Infektion durch das Einatmen von von der Kläranlage ausgehenden, legionellenbelasteten Aerosolen könne eine Haftung nach § 89 WHG nicht begründen, weil in Kläranlagen befindliches Wasser nicht vom Gewässerbegriff des WHG umfasst sei. Soweit sich der Kläger erst durch den Kontakt mit dem aus der Kläranlage in den Fluss Z eingeleiteten Abwasser infiziert haben sollte, scheitere eine Haftung des Beklagten jedenfalls an der vom BGH mit Urteil vom 07.11.2002 (III ZR 147/02) vertretenen haftungsbegrenzenden Auslegung des § 89 WHG. Denn es sei weder vom Kläger konkret dargelegt worden, noch nach den von der Expertenkommission vorgenommenen Messungen plausibel, dass die Kläranlage das ihr von der X- Brauerei bereits kontaminiert zugeleitete Abwasser über das bisherige Maß hinaus weiter kontaminiert habe.
6Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts einschließlich der erstinstanzlichen Anträge sowie der weitergehenden Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf das angefochtene Urteil erster Instanz Bezug genommen.
7Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Schmerzensgeld- und Feststellungsantrag weiter. Er meint, dass das Landgericht zu Unrecht eine Haftung des Beklagten aus § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG verneint hat. Dass die Kläranlage mit dem Stand der Technik betrieben worden sei, habe er mit Nichtwissen bestritten gehabt, so dass das Landgericht hierzu eigene Feststellungen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte treffen müssen. Außerdem würden weder die §§ 5 Abs. 1 und 22 BImSchG, noch § 41 IfSG einen Verstoß gegen anerkannte Regeln der Technik voraussetzen. Vielmehr seien danach Pflichtverletzungen bereits dann gegeben, wenn Abwasser nicht so beseitigt werde, dass keine Gesundheitsgefahren durch Krankheitserreger entstehen. Der Beklagte habe bei der Planung des Klärwerks weder die Besonderheit berücksichtigt, dass das ihm zugeführte Brauereiabwasser eine erheblich höhere Temperatur aufgewiesen habe als dies bei anderen Kläranlagen der Fall sei, noch dass sich in den Belebungsbecken der Kläranlage Legionellen durch die Zuführung von Sauerstoff erheblich vermehren und durch Verwirbelung in Form von Aerosolen in die Luft gelangen können. Ferner habe er bereits erstinstanzlich unter Bezugnahme auf den als Anlage B1 überreichten Bericht der Expertenkommission Legionellen sowie die als Anlage B2 vorgelegten Dokumentation „Ausbruchmanagement des Legionellenausbruchs in X 2013“ vorgetragen, dass wegen der vorausgegangenen internationalen Schadensfälle durchaus bereits im Jahr 2013 bekannt gewesen sei, dass Klärbecken einen Legionellenausbruch verursachen können. Dabei sei insbesondere die Temperatur des zugeführten Wassers von entscheidender Bedeutung gewesen. Aufgrund der Vielzahl der Vorschadensfälle sei von ihm vorgetragen worden, dass es nicht dem Stand der Technik entsprochen habe, die Kläranlage nicht auf einen Legionellenbefall vorzubereiten. Seine, des Klägers, Erkrankung sei auch durch das Verhalten des Beklagten verursacht worden. Die seinerzeit in der Kläranlage genommenen Proben hätten Legionellenkonzentrationen weit außerhalb jeglicher zulässiger Grenzwerte gezeigt. Die seinerzeit von Prof. Dr. F durchgeführten Luftmessungen hätten ergeben, dass die Belastung der Luft mit legionellenhaltigen Aerosolen über der Kläranlage deutlich höher gewesen sei als im sonstigen Stadtgebiet. Da diese Aerosole über mehrere hundert Meter bis zu einigen Kilometern hin luftgängig seien und sich das Firmengelände seines Arbeitgebers in unmittelbarer Nähe zur Kläranlage befinde, spreche danach alles dafür, dass er sich durch von der Kläranlage ausgehende legionellenhaltige Aerosole infiziert habe. Zudem sei davon auszugehen, dass auch die Luft über dem Fluss Z kontaminiert gewesen sei und er diese Aerosole auf dem Gelände seines Arbeitgebers eingeatmet habe. Vier seiner Arbeitskollegen seien damals ebenfalls an Legionellen erkrankt. Dass ihm ein Ersatzanspruch gegen Dritte zustehe, habe der Beklagte weder vorgetragen noch bewiesen. Im Übrigen lasse schon die räumliche Entfernung zwischen der X- Brauerei und seinem Arbeitsplatz eine Haftung der X- Brauerei eher unwahrscheinlich erscheinen, zumal damals von Prof. Dr. F im Stadtgebiet eine eher geringe Konzentration an Legionellen in der Luft gemessen worden sei. Weiter meint der Kläger, dass das Landgericht auch eine Haftung des Beklagten aus § 89 Abs. 1 WHG zu Unrecht verneint habe. Das in der Kläranlage befindliche Wasser sei Teil des Wasserkreislaufes und damit vom WHG umfasst. Entgegen dem Landgericht scheitere eine Haftung des Beklagten aus § 89 WHG auch nicht daran, dass die Kläranlage das ihr von der X- Brauerei zugeleitete Abwasser nicht in noch höherem Maße mit Legionellen belastet habe. Zum einen habe er dies mit Nichtwissen bestritten. Zum anderen werde die Vorschrift des § 89 WHG auch zum Schutz des Wassers und seiner Umwelt gerade nicht restriktiv ausgelegt. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1971, 617) hafte eine Gemeinde auch dann nach § 89 WHG, wenn die Schäden durch Bestandteile des Abwassers verursacht worden seien, die ein Kanalbesitzer entgegen der Ortssatzung oder entgegen den Bedingungen einer ihm erteilten Genehmigung in die gemeindliche Abwasseranlage eingeleitet habe. Eine Einwirkung auf das Gewässer liege nur dann nicht vor, wenn die Kläranlage weder bestimmt noch geeignet gewesen wäre, die Legionellenbelastung auszuschließen oder zumindest zu verringern. Dies werde aber, so meint der Kläger, noch nicht einmal vom Beklagten behauptet. Soweit der Beklagte behauptet habe, die Kläranlage habe die Legionellenkonzentration jedenfalls senken können, habe er, der Kläger, dies mit Nichtwissen bestritten. Der gesamte technische Aufbau der Anlage mit Verwirbelungsbecken, Sprinkleranlagen, etc. spreche vielmehr dafür, dass im Rahmen der biologischen Reinigung die Legionellenbelastung noch wesentlich erhöht worden sei.
8Der Kläger beantragt,
9unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Arnsberg vom 23.11.2017, Az.: I-4 O 440/16,
101. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2016 zu zahlen,
112. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm alle weiteren derzeit noch nicht vorhersehbaren Schäden zu ersetzen, die ihm aufgrund seiner Erkrankung aus dem Legionellenausbruch in X im August 2013 entstanden sind und noch entstehen werden.
12Der Beklagte beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Er verteidigt mit näheren Ausführungen die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts als richtig.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
16II.
17Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.
18Dem Kläger stehen wegen der von ihm im August 2013 erlittenen Erkrankung an der sogenannten Legionärskrankheit keine Schmerzensgeld- oder Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu. Ein Amtshaftungsanspruch des Klägers aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG scheitert nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts bereits daran, dass sich schon eine dem Beklagten bei dem damaligen Betrieb der Klaranläge anzulastende Amtspflichtverletzung nicht feststellen lässt (1.b). Doch selbst wenn man eine solche unterstellen wolle, ließe sich auch nicht mit dem Beweismaß des § 286 ZPO feststellen, dass der Kläger gerade infolge des amtspflichtwidrigen Betriebs der Kläranlage an der Legionärskrankheit erkrankt ist (1.c). Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche des Klägers aus § 89 Abs. 1 S. 1 WHG, als der einzigen hier noch neben dem Amtshaftungsanspruch in Betracht kommende Anspruchsgrundlage, scheitern, daran, dass das in der Kläranlage selbst befindliche Wasser nicht unter den Gewässerbegriff des § 89 WHG fällt (2.a) und es hinsichtlich des vom Beklagten in den Fluss Z eingeleiteten Abwassers nach der vom BGH vertretenen restriktiven Auslegung der Vorschrift bereits an einem „Einleiten von Schadstoffen“ im Sinne des § 89 WHG fehlt (2.b). Unabhängig davon kann der Kläger aber auch nicht den ihm obliegenden Beweis dafür erbringen, dass seine Erkrankung gerade durch die mit dem Einleiten des legionellenbelasteten Abwassers eingetretene Veränderung des Flusswassers verursacht wurde (2c).
191. Kein Anspruch aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG
20a)
21Als Anspruchsgrundlage für einen etwaigen verschuldensabhängigen deliktischen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten kommt allein § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht. Denn bei dem beklagten Ruhrverband handelt es sich um ein Wasserwirtschaftsunternehmen in der Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Gegenstand seines nicht auf Gewinnerzielung ausgerichteten Betriebes ist unter anderem die Abwasserreinigung für einen Teil der zu seinen Mitgliederkreis gehörenden Städte. Auf der Grundlage von § 54 LWG und § 2 Abs. 1 Nr. 6 RuhrVG plant, baut und betreibt der Beklagte für die zu seinem Mitgliederkreis gehörenden Gemeinden, so auch für die Stadt X, die kommunalen Kläranlagen. Dabei nimmt er die kommunale Pflichtaufgabe der Abwasserbeseitigung wahr und handelt damit hoheitlich.
22Hierauf beschränkte sich aber auch die Tätigkeit des Beklagten. Soweit der Kläger erstmals mit der Berufung vorträgt, dass der Beklagte auch das gesamte kommunale Wasserversorgungs-, Kanal- und Abwassersystem der Stadt X betreibe, handelt es sich hierbei um eine erkennbar in Blaue hinein aufgestellte und zudem in der Sache unzutreffende Behauptung. Denn auf den Hinweis des Senats hin, dass nach dem ihm bekannten Internetauftritt der Stadt X (https://########.html) die im Jahr 2003 gegründeten Stadtwerke X die kommunale Schmutz- und Abwasserkanäle betreiben, hat der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung am 14.12.2018 einräumen müssen, diesbezüglich über keine anderweitigen Erkenntnisse zu verfügen. Unabhängig davon wäre der Kläger mit dem vorgenannten und vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 14.12.2018 bestrittenen Sachvortrag auch gemäß § 531 Abs. 2 ZPO für die Berufungsinstanz ausgeschlossen. Denn es ist weder vom Kläger vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich, weshalb er diesen Sachvortrag nicht schon in erster Instanz hätte halten können.
23Da der Beklagte mit dem Betrieb der kommunalen Kläranlage eine hoheitliche Aufgabe wahrgenommen hat, haftet er dem Kläger nur unter den Voraussetzungen des § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Ansprüche aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Verletzung eines Schutzgesetzes kommen daneben nicht in Betracht. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 ist insoweit lex specialis, neben der für die Anwendung der allgemeinen Haftungstatsbestände der §§ 823 ff. BGB kein Raum ist (Wöstmann in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2013, § 839 Rn. 34).
24b)
25Für einen Amtshaftungsanspruch des Klägers fehlt es bereits an einer dem Beklagten anzulastenden schuldhaften Amtspflichtverletzung.
26Als solche käme vorliegend allein die jedem Amtsträger obliegende Pflicht zu gesetzmäßigem Handeln in Betracht. Diese wäre dann verletzt, wenn der Beklagte die Kläranlage im Jahr 2013 in Bezug auf die Behandlung und Beseitigung von Legionellen nicht vorschriftsmäßig betrieben hätte, mithin gegen gesetzliche Vorschriften oder sonstige von ihm bei der Abwasserbehandlung und -beseitigung zu beachtende Regelungen verstoßen hätte, die zumindest auch dem Schutz des Bürgers vor einer Erkrankung mit Legionellen zu dienen bestimmt sind. Daran fehlt es.
27(1)
28Es kann zunächst nicht festgestellt werden, dass der Beklagte mit dem Betrieb der Kläranlage gegen die Vorschrift § 60 Abs. 1 S. 1 WHG verstoßen hätte. Nach dieser Vorschrift sind direkt einleitende Abwasseranlagen, zu denen auch die vom Beklagten betriebene X- Kläranlage gehört, so zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten, dass die „Anforderungen an die Abwasserbeseitigung“ eingehalten werden. Allein aus dem Umstand, dass über die vom Beklagten betriebene Kläranlage Legionellen in den Fluss Z gelangt sind, folgt mithin noch keine Verletzung des § 60 WHG, sondern eine solche läge nur dann vor, wenn die völlige oder zumindest unter einem bestimmten Richtwert liegende Beseitigung von Legionellen zu den „Anforderungen an die Abwasserbeseitigung“ gehören würde.
29Welche Anforderungen von Abwasserbeseitigungsanlagen zu erfüllen sind, wird durch die Vorschriften des § 57 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WHG sowie die auf der Grundlage von §§ 23, 57 Abs. 3 WHG erlassene Abwasserverordnung näher konkretisiert. Emissionsbezogen müssen die Anlagen einem einheitlich geltenden Reinigungsstandard genügen, der gewährleistet, dass die im Abwasser befindliche Schadstofffracht in einem dem Stand der Technik i.S.d. § 3 Nr. 11 WHG entsprechenden Verfahren reduziert oder begrenzt wird. Daneben können sich weitere Anforderungen aus den Inhalts- und Nebenbestimmungen des wasserbehördlichen Erlaubnisbescheides ergeben, die über den von § 57 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 WHG geforderten Stand der Technik hinausgehen können.
30Anhaltspunkte dafür, dass in dem wasserbehördlichen Erlaubnisbescheid für die X- Kläranlage Inhalts- oder Nebenbestimmungen enthalten sind, nach denen der Beklagte im Jahr 2013 das zu behandelnde Abwasser auf Legionellen hin hätte überprüfen und diese bis auf einen bestimmten Grenz- oder Richtwert hätte reduzieren müssen, sind weder vom Kläger vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Auch in dem vom Beklagten als Anlage B 8 vorgelegten Protokoll der Kläranlagenüberwachung vom 19.03.2013 sind bei den Überwachungswerten Legionellen nicht genannt.
31Welche Anforderungen nach § 57 Abs. 1 und 2 WHG an eine kommunale Kläranlage zu stellen sind, ist von dem Beklagten auf den Seiten 47 bis 52 der Klageerwiderung vom 03.04.2018 zutreffend dargestellt worden, so dass der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholung auf diese Ausführungen Bezug nimmt. Maßgeblich ist danach insbesondere der „Stand der Technik“, der durch § 3 Nr. 11 WHG und die Anlage 1 zum WHG sowie die Abwasserverordnung (AbwV) näher konkretisiert wird. Die Abwasserverordnung bestimmt die Mindestanforderungen für das Einleiten von Abwasser in Gewässer aus den in den Anhängen bestimmten Herkunftsbereichen. Sie enthält weder im Anhang 1 (häusliche und kommunale Abwässer) noch im Anhang 11 (Brauereien) Bestimmungen für die Überprüfung und Behandlung des Abwassers auf Legionellen. Auch die in Nr. 13 der Anlage 1 zum WHG genannten BTV-Merkblätter enthielten nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag des Beklagten bis zum Jahr 2013 und selbst bis heute keine Regelungen betreffend die Behandlung und Reduzierung von Legionellen in Abwasserbeseitigungsanlagen. Auch sonstige technische Vorschriften, Empfehlungen oder VDI-Richtlinien gab und gibt es bis heute hierzu nicht. Gegenteiliges wird vom Kläger auch mit der Berufung nicht substantiiert dargetan. Allein sein bloßer Berufungsvortrag, dass er unter Hinweis auf die internationalen Vorschadensfälle mit Nichtwissen bestritten habe, dass die Anlage dem Stand der Technik entsprechend betrieben worden sei, reicht zur Erfüllung seiner Darlegungslast nicht aus. Zum einen vermag der Senat bereits dem erstinstanzlichen Sachvortrag des Klägers ein entsprechendes Bestreiten nicht zu entnehmen. Zum anderen müsste der Kläger auch selbst konkret dazu vortragen, welche Regelwerke bereits im Jahr 2013 Anforderungen an Kläranlagenbetreiber betreffend die Erfassung und Behandlung von Legionellen gestellt haben sollen. Denn falls es tatsächlich solche Regelwerke geben haben sollte, müssten diese auch veröffentlich worden sein, so dass dem anwaltlich vertretenen Kläger näherer Sachvortrag hierzu möglich und zumutbar wäre.
32(2)
33Ein Verstoß des Beklagten gegen das in § 55 Abs. 1 S. 1 WHG normierte Gebot, Abwasser so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird, liegt ebenfalls nicht vor. § 55 Abs. 1 S. 1 WHG normiert für den Abwasserbeseitigungspflichtigen keine über die §§ 60, 57 WHG hinausgehenden Pflichten. § 55 Abs. 1 WHG regelt einen Grundsatz- und Auffangtatbestand für die Fälle, in denen relevante Bereiche der Abwasserbeseitigung nicht bereits durch spezifische Anforderungen z. B. an die Zuweisung der Abwasserbeseitigungspflicht, an Direkt- oder Indirekteinleitungen oder an den Bau und Betrieb von Abwasserbehandlungsanlagen ausgestaltet sind. Entsprechend indiziert die Einhaltung dieser spezifischen Anforderungen zugleich die Einhaltung des Wohls der Allgemeinheit (Nisipeanu in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl. 2017, § 55 Rn. 6). Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Vorschrift des § 55 WHG drittschützende Wirkung hat, kommt es damit für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.
34(3)
35Auch ein Verstoß des Beklagten gegen § 5 Abs. 1 BImSchG kommt nicht in Betracht.
36Die Vorschrift gilt nur für genehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne des § 4 Abs. 1 BImSchG, zu denen die streitgegenständliche Kläranlage nicht gehört. Da die X- Kläranlage nicht gewerblichen Zwecken dient und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmung Anwendung findet, bedürfte sie nach § 4 Abs. 1 S. 2 BImSchG nur dann einer Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, wenn sie „in besonderem Maße geeignet“ wäre, „schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche hervorzurufen“. Bei welchen Anlagen dies der Fall ist, wird in der auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 S. 3 BImSchG erlassenen 4. BImSchV und der dortigen Anlage 1 geregelt. Diese erwähnt aber Kläranlagen als solche nicht. Deshalb könnten allenfalls einzelne Anlagenteile der X- Kläranlage unter die in Ziffer 8 der Anlage 1 der 4. BImSchV genannten Abfallentsorgungsanlagen fallen, nämlich die in Ziffer 3.3.4 des Protokolls der Kläranlageüberwachung vom 19.03.2013 (Anlage B 8 der Klageerwiderung) genannten Anlagenteile „BHKW“ (Blockheizkraftwerk), „Gasbehälter“ und „Gasfackel“. Allerdings ergibt sich für den Senat – wie auch die Vertreter der Beklagten im Senatstermin am 14.12.2018 bestätigt haben – aus den unter 3.3.4. des vorgenannten Protokolls gemachten weiteren Angaben, dass auch diese Anlagenteile nicht nach dem BImSchG genehmigungsbedürftig sind, weil sie nicht über die nach der 4. BImSchV erforderlichen Kapazitäten verfügen und die Gasfackel nur als Notfallfackel betrieben wird. Gegenteiliges hat auch der Kläger nicht dargetan. Mangels Anwendbarkeit der Vorschrift des § 5 BImSchG kommt es damit auf die Frage, inwieweit der Vorschrift eine drittschützende Wirkung zukommt, für den vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr an.
37(4)
38Aber auch ein Verstoß des Beklagten gegen die für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen geltenden Vorschriften des § 22 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG lässt sich nicht feststellen.
39(a)
40Nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Dabei können nach § 3 Absätze 1, 3 und 4 BImSchG zu den schädlichen Umwelteinwirkungen zwar auch auf Menschen einwirkende Luftverunreinigungen in Form von luftgetragenen Mikroorganismen wie Keime und Bakterien gehören (Jarass, BImSchG 12. Auflage 2017, § 3 Rn. 4 f.). Allerdings müssen derartige schädliche Umwelteinwirkungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG nicht strikt vermieden werden, sondern nur soweit dies durch den Einsatz von Maßnahmen möglich ist, die dem „Stand der Technik“ entsprechen, und soweit dies zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen notwendig ist. Damit kommt es für die Frage, welche Anlagen und Einrichtungen dem Stand der Technik entsprechen, nicht nur darauf an, ob es entsprechende technischen Einrichtungen gibt, sondern auch auf deren generelle wirtschaftliche Eignung. Nach dem Einleitungssatz der Anlage zu § 3 Absatz 6 BImSchG sind bei der Bestimmung des Standes der Technik die „Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen möglicher Maßnahmen zu berücksichtigen (Jarass, a.a.O., § 3 Rn. 127) wobei es dabei nicht auf den einzelnen Betreiber, sondern einen durchschnittlichen Betreiber von Anlagen der fraglichen Art ankommt, so dass Besonderheiten im Umfeld der konkreten Anlage außer Betracht zu bleiben haben (Jarass, a.a.O. § 3 Rn. 128 und § 22 Rn. 35a).
41Ausgehend von diesem Maßstab kann vorliegend eine Verletzung von § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG durch den Beklagten nicht festgestellt werden. Denn unter Berücksichtigung des vorgenannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre der Beklagte zur Durchführung der von ihm nach dem Legionellenausbruch vorgenommenen Nachrüstungen der Kläranlage in der Zeit schon vor dem Legionellenausbruch allenfalls dann verpflichtet gewesen, wenn schon vor August 2013 zumindest in Fachkreisen bekannt gewesen wäre, dass von kommunalen Kläranlagen generell eine erhebliche Gefahr der Bildung von legionellenhaltigen Aerosolen in einer die Gesundheit des Menschen gefährdenden Konzentration ausgehen können. Das hat aber weder der Kläger dargetan, noch ist dies sonst ersichtlich. Insbesondere musste der Beklagte – was entgegen dem Landgericht zwar nicht für sich allein gesehen, wohl aber über § 22 Abs. 1 BImSchG eine Handlungspflicht des Beklagten hätte begründen können – nicht schon aufgrund von Erfahrungswerten aus früheren Legionellenausbrüchen mit einer solchen generell von Kläranlagen ausgehenden Gesundheitsgefahr durch Legionellen rechnen. Wie nämlich die Expertenkommission Legionellen unter Leitung von Prof. Dr. F auf Seite 5 ihres Berichts mit dem Stand 22.05.2015 (Anlage B 1 der Klageerwiderung) ausführt, waren bis zu dem Legionellenausbruch in X in Fachkreisen kommunale Kläranlagen bzw. Belebungsbecken nicht als relevante Emittenten von Legionellen eingestuft gewesen. Gegenteilige Erkenntnisse ergaben sich für die einschlägigen Fachkreise auch nicht aus den beiden in den Jahren 2005 und 2008 in T/Norwegen stattgefundenen Legionellenausbrüchen, da sich diese ausweislich des von Prof. Dr. F verfassten Berichts „Ausbruchmanagement des Legionellenausbruches in X 2013“ bei dem Betrieb eines Belebungsbeckens einer biologischen Kläranlage eines Industriebetriebes ereigneten, in dessen unmittelbarer Nähe sich zudem ein Luftwäscher befand (Seiten 106 und 135 der Anlage B2). Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass die beiden Legionellenausbrüche in Norwegen die Erkenntnis erbrachten, dass es in Belebungsbecken von biologischen Kläranlagen zum Auftreten und einer enormen Vermehrung von Legionellen kommen kann und sich über derart belastete Belebungsbecken legionellenhaltige Aerosole bilden können, die sich bis zu 200 Meter weit verbreiten können (Seiten 108 und 109 Anlage B2). Allerdings sind, wie Prof. Dr. F in seinem vorgenannten Bericht weiter ausführt, nach den beiden Legionellenausbrüchen in T im Jahr 2010 in Norwegen weitere Untersuchungen durchgeführt worden, bei denen in Kläranlagen der Papierindustrie in bis zu 50 % der Fälle Legionella pneumophilia nachgewiesen werden konnten, in anderen untersuchten Kläranlagen hingegen lediglich in bis zu 5 % der Fälle (Bl. 109 Anlage B2), was von den einschlägigen Fachkreisen aber gerade dahin gewertet werden konnte, dass Belebungsbecken kommunaler Kläranlagen im Gegensatz zu solchen industrieller Kläranlagen keine relevante Emittenten von Legionellen darstellen. Die Erkenntnis, dass auch bzw. nur bestimmte kommunale Kläranlagen, nämlich solche, die Abwassertemperaturen von ≥ 23° C und im Zulauf Substrate für eine Begünstigung des Legionellenwachstums, u.a. hohe Proteingehalte aufweisen, ein relevantes Legionellenpotential besitzen, womit auch Abwässer und Abwasserinhaltsstoffe aus Brauereien in Verbindung gebracht werden, ist dagegen erst nach den Ereignissen in X als Ergebnis der im August 2014 veranlassten zweiten landesweiten Sonderprüfung kommunaler Kläranlagen und Anlagen kommunaler Direkt- und Indirekteinleiter gewonnen worden (vgl. Seiten 28 bis 32 des Berichts der Expertenkommission Legionellen = Anlage B1 der Klageerwiderung). Dass es schon im Jahr 2013 entsprechende Erkenntnisse in Fachkreisen gab und diese auch veröffentlicht wurden, hat der Kläger – auch mit der Berufung – nicht dargelegt.
42(b)
43Aus den gleichen Erwägungen kommt auch ein Verstoß des Beklagten gegen die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, nach der nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden, nicht in Betracht. Denn nach den obigen Ausführungen war der Beklagte schon deshalb nicht vor dem Auftreten des Legionellenausbruchs in X zum Ergreifen von Maßnahmen i.S.d. § 22 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG verpflichtet, weil es bis zu diesem Zeitpunkt kommunale Kläranlagen in Fachkreisen nicht als relevante Emittenten von Legionellen galten und die Erkenntnis, dass Brauereiabwässer aufnehmende kommunale Kläranlagen durchaus ein relevantes Legionellenpotential besitzen können, erst mit der im August 2014 veranlassten zweiten landesweiten Sonderprüfung gewonnen wurde.
44(4)
45Auch ein Verstoß des Beklagten gegen § 41 IfSG kommt schließlich nicht in Betracht.
46Absatz 1 der Vorschrift normiert für den Abwasserbeseitigungspflichtigen lediglich die Pflicht darauf „hinzuwirken“, Abwasser so zu beseitigen, dass Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Krankheitserreger nicht entstehen. Hieraus lässt sich keine über den Stand der Technik hinausgehende Verpflichtung des Abwasserbeseitigungspflichtigen zur Beseitigung und Minimierung von jeglichen Krankheitskeimen ableiten. Von der den Landesregierungen mit § 41 Abs. 2 IfSG erteilten Ermächtigung, bezüglich des Abwassers durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Verhütung übertragbarer Krankheiten zu erlassen oder diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen zu übertragen, hat das Land Nordrhein-Westfalen keinen Gebrauch gemacht.
47Nach alledem fehlt es für einen Amtshaftungsanspruch des Klägers aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG bereits an einer haftungsbegründenden Amtspflichtverletzung des Beklagten
48c)
49Unabhängig davon würde eine Haftung des Beklagten aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG aber auch am fehlenden Nachweis der Kausalität der Amtspflichtverletzung für den mit der Klage geltend gemachten Schaden scheitern. Denn selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellen wollte, dass der Beklagte die Kläranlage in Bezug auf die Kontrolle und Behandlung des Abwassers auf Legionellen amtspflichtwidrig betrieben und unterhalten hätte, könnte der Kläger vorliegend nicht den ihm obliegenden Beweis dafür erbringen, dass er gerade infolge des amtspflichtwidrigen Betriebes der Kläranlage an der Legionärskrankheit erkrankt ist.
50Erforderlich ist ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung und dem Schaden. Insoweit ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei amtspflichtgemäßem Verhalten des Amtsträgers genommen hätten. Besteht die Amtspflichtverletzung – wie hier vom Kläger dem Beklagten vorgeworfen – in einem Unterlassen, so kann der erforderliche Ursachenzusammenhang nur dann bejaht werden, wenn der Schadenseintritt bei pflichtgemäßem Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre; eine bloße Möglichkeit, ebenso eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügt hierfür nicht (Wöstmann in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2013, § 839 Rn. 223, 224 mit weiteren Nachweisen).
51Danach müsste der Kläger den Beweis erbringen, dass er sich seine Legionelleninfektion mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch das Einatmen von mit dem Krankheitserregerstamm Knoxville verseuchten Aerosolen – das Trinken von Wasser soll nach seinen Angaben gegenüber dem Landgericht nicht für seine Erkrankung ursächlich gewesen sein (Blatt 139 d.A.) – zugezogen hat, die gerade infolge des amtspflichtwidrigen Betriebes der Kläranlage durch den Beklagten in die Luft gelangt sind. Diesen Beweis kann der Kläger aber schon deshalb nicht erbringen, weil nach den von Prof. Dr. F im Bericht „Ausbruchmanagement des Legionellenausbruches in X 2013“ gemachten Ausführungen geschichtlich belegt gerade Verdunstungskühlanlagen, Luftwäscher und Klimaanlagen als relevante Emittenten für legionellenhaltige Aerosole in Betracht kommen und sich bei den nach Einrichtung des Krisenstabes in X durchgeführten Untersuchungen der Epidemiestamm nicht nur in der Kläranlage des Beklagten, in der nachgelagerten Z sowie im Pumpenschacht und den Verdunstungsanlage der F-Werke finden ließ, sondern auch in den Abwasservorbehandlungsanlagen und einer der Verdunstungskühlanlagen der vor der Kläranlage des Beklagten gelegenen X- Brauerei festgestellt wurde (Seiten 176 und 139 der Anlage B2). Mit den von der X- Brauerei bereits am 20.08.2013 gezogenen Proben konnte später nachgewiesen werden, dass eine der Verdunstungskühlanlagen der Brauerei den Epedimiestamm aufwies. Die dort gemessenen Werte waren mit 100 Legionellen der Serogruppe 1/100 ml zwar im Gegensatz zu den bei den Y festgestellten Werten relativ gering. Allerdings waren die Verdunstungskühlanlagen der X- Brauerei im Gegensatz zu der bei den Y schon vor dem Ausbruch – wenn auch unzureichend – desinfiziert worden (vgl. Seite 131 der Anlage B2). Die bei der X- Brauerei gemessene Legionellenkonzentration kann auch nicht als so gering eingestuft werden, dass nicht auch sie für eine Ansteckung des Klägers ursächlich gewesen sein kann. Denn nach den Ausführungen von Prof. Dr. F auf Seite 10 des Berichts der Expertenkommission Legionellen (Anlage B1) kann eine Aussage zur Korrelation zwischen der Anzahl der Legionellen in der Luft und dem Infektionsrisiko nicht gegeben werden. Danach kommt es vielmehr auf die Infektiösität des einzelnen Erregerstammes an. Auch sind Verdunstungskühlanlagen nach den Ausführungen von Prof. Dr. F – was auch zwischen den Parteien unstreitig ist – in der Lage, legionellenhaltige Aerosole über bis zu 10 km hinweg in der Luft zu transportieren, so dass bis zum 21.08.2013 aus der Verdunstungskühlanlage der X- Brauerei emittierende Legionellen des Erregerstammes ohne weiteres bis zum nur ca. 3,5 km entfernten Arbeitsplatz des Klägers bei der Firma K und dem nur ca. 7 km entfernten Wohnhaus des Klägers in der H-Straße in X gelangen konnten, zumal nach Auskunft des Deutschen Wetterdienstes in dem fraglichen Zeitraum zu 75 % die vorherrschende Windrichtung von Süden nach Norden war (Seite 169 Anlage B2). Entsprechend führt auch Prof. Dr. F auf Seite 169 seines als Anlage B2 überreichten Berichtes aus, dass die Verdunstungskühlanlage der Firma 1 (= Y) als wichtige potentielle Infektionsquelle anzusehen ist, als potentielle Infektionsquellen aber auch Verdunstungskühlanlagen nicht ausgeschlossen werden können, die – wie die der X- Brauerei – zum Zeitpunkt der Untersuchungen (nur) mit geringen Mengen an Legionellen kontaminiert waren und in denen der Epidemiestamm nachgewiesen werden konnte. Auf Seite 200 des Berichts weist er darüber hinaus darauf hin, dass sich der jeweilige Anteil der einzelnen Emittenten und Kontaminationsquellen retrospektiv nicht eindeutig beantworten lässt, und bezeichnet auf S. 201 des Berichts sowohl die Verdunstungskühlwerke der Y als auch die zumindest eine von Legionellen befallene Verdunstungskühlanlage der X- Brauerei als primäre Emittenten für den Epidemiestamm.
52Danach kann aber vom Senat gerade nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Kläger sich die Legionelleninfektion bei pflichtgemäßem Betrieb der Kläranlage nicht zugezogen hätte. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellen wollte, dass es bei pflichtgemäßem Betrieb der kommunalen Kläranlage zu keinen legionellenhaltigen Aerosolen über dem Belebungsbecken der Kläranlage und dem Fluss Z gekommen wäre, kann nach den vorstehenden Ausführungen nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger gleichwohl erkrankt wäre, weil er sich durch von der Verdunstungskühlanlage der X- Brauerei weiträumig verteilte legionellenhaltige Aerosole mit der Krankheit infiziert haben kann. Daran vermag auch das vom Kläger wiederholt angeführte Argument, dass auch weitere Arbeitskollegen von ihm erkrankt seien, nichts zu ändern. Denn auch diese können sich aus den vorgenannten Gründen durch die von der Verdunstungskühlanlage der X- Brauerei weiträumig verbreiteten legionellenbelasteten Aerosole infiziert haben.
532. Kein Anspruch aus § 89 Abs. 1 S. 1 WHG
54Den Kläger stehen auch keine Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten aus § 89 WHG zu.
55Die Vorschrift normiert einen Gefährdungshaftungstatbestand, der neben die Amtshaftung nach § 839 BGB/Art. 34 GG tritt. Dabei begründet § 89 Abs. 1 S. 1 WHG eine Haftung für ein bestimmtes Verhalten. Danach ist derjenige, der in ein Gewässer Stoffe einbringt oder einleitet oder in anderer Weise auf ein Gewässer einwirkt und dadurch die Wasserbeschaffenheit nachteilig verändert, zum Ersatz des daraus einem anderen entstehenden Schadens verpflichtet. Demgegenüber regelt die Vorschrift des § 89 Abs. 2 S. 1 WHG eine Haftung für Anlagen. Nach ihr ist der Betreiber einer Anlage, die zur Herstellung, Verarbeitung, Lagerung, Ablagerung, Beförderung oder dem Wegleiten von Stoffen bestimmt ist, für den Fall, dass derartige Stoffe aus der Anlage in ein Gewässer gelangen, ohne in dieses zielgerichtet eingebracht oder eingeleitet zu sein, und dadurch die Wasserbeschaffenheit nachteilig verändert wird, zum Ersatz des einem anderen daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
56Da der Beklagte die Abwässer hier zielgerichtet aus der Kläranlage in den Fluss Z eingeleitet hat und beim Einleiten von Abwasser dieses als Ganzes und nicht etwa die darin gelösten oder suspendierten Bestandteile der Stoff ist, der eingeleitet wird (Czychowski/Rein-hardt, a.a.O. § 89 Rn. 21), kommt vorliegend allenfalls eine Haftung des Beklagten nach § 89 Abs. 1 S. 1 WHG in Betracht.
57a)
58Soweit der Kläger geltend macht, durch legionellenhaltige Aerosole infiziert worden zu sein, die über dem Belebungsbecken der Kläranlage in die Luft aufgestiegen sind, scheitert eine Haftung des Beklagten allerdings bereits daran, dass nach dem Wortlaut des § 89 Abs. 1 S. 1 WHG der Handelnde nur zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der einem anderen aus der nachteiligen Veränderung der Wasserbeschaffenheit des Gewässers entsteht, in das die Stoffe eingeleitet bzw. eingebracht wurden. Hierzu gehört das in der Kläranlage selbst befindliche Wasser aber nicht. Denn wie bereits das Landgericht in seinem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, gilt nach allgemeiner Meinung nur solches Wasser als Gewässer im Sinne der Vorschrift, das in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden ist, bei dem also ein natürlicher Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt besteht. Kein Gewässer ist danach Wasser, das sich in Wasserversorgungsanlagen, etwa Leitungen, Schwimmbecken oder sonstigen Behältnissen befindet. Gleiches gilt für Wasser in der Abwasserkanalisation (Reif in: Berendes/Frenz/Müggen-borg, WHG 2. Auflage 2017, § 89 Rn. 8) oder in Kläranlagen (Czychowski/Reinhardt a.a.O. Rn. 7 mit weiteren Nachweisen). Letzteres gilt hier umso mehr, als das in der X- Kläranlage befindliche kontaminierte Abwasser nicht aus dem natürlichen Wasserkreislauf, sondern der städtischen Kanalisation und dem Brauereikanal stammte und auch nicht vom Beklagten sondern von der Stadt X und der X- Brauerei in die Klaran-lage eingeleitet wurde.
59b)
60Aber auch wegen des von ihm aus der Kläranlage in den Fluss Z eingeleiteten legionellenbelasteten Abwassers kommt eine Haftung des Beklagten nach § 89 Abs. 1 S. 1 WHG nicht in Betracht.
61Zwar hat der Beklagte mit dem Ableiten des legionellenbelasteten Abwassers in den Fluss Z Stoffe in ein Gewässer des natürlichen Wasserkreislaufs eingeleitet. Auch wurde hierdurch die Beschaffenheit des Flusswassers nachteilig verändert, weil zu den nachteiligen Veränderungen der Wasserbeschaffenheit im Sinne des § 89 WHG auch die Veränderung dessen biologischer Beschaffenheit, insbesondere die Einleitung bakterienverseuchten Abwassers gehört (Czychowski/Reinhardt a.a.O. 3 89 WHG Rn. 32) und die Z nach den seinerzeit vom Krisenstab genommenen Wasserprobeentnahmen vor der Einleitung des Abwassers aus der Kläranlage keine nennenswerte Belastung mit Legionellen aufwies, während unterhalb der Kläranlage zum Teil sehr hohe Konzentrationen von bis zu 79.000 /100 ml Legionellen einschließlich der Serogruppe 1 nachgewiesen wurden (Seiten 149/150 der Anlage B2). Auch führt der Kläger mit der Berufung zutreffend aus, dass eine Gemeinde, die Abwasser aus ihrer Kanalisation in ein Gewässer einleitet, für den dadurch verursachten Schaden auch dann regelmäßig nach § 89 WHG schadensersatzpflichtig ist, wenn es außergewöhnliche Beimischungen enthält und die den Schaden verursachenden Stoffe mit oder gegen den Willen der Gemeinde in das Abwasser eingebracht wurden (Czychowski/Reinhardt a.a.O. § 89 Rn. 22 mit weiteren Nachweisen; BGH, NJW 1971, 617 zur annähernd inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 22 WHG.). Vorliegend wurde jedoch – wie oben unter lit. 1.a) ausgeführt – die städtische Kanalisation nicht vom Beklagten, sondern der Stadt X betrieben. Vom Beklagten wurde allein die kommunale Kläranlage betrieben. Gerade in Bezug auf Kläranlagen hat aber der BGH in ständiger Rechtsprechung für die annähernd wortgleiche Vorgängervorschrift des § 89 WHG, nämlich § 22 WHG die Ausfassung vertreten, dass für diese eine restriktive Auslegung des Begriffs des „Einleiten“ bzw. „Hineingelangen“ vorzunehmen ist. Danach rechtfertigt es der Zweck § 22 WHG, denjenigen, der eine schadenstiftende Wasserverschlechterung verursacht, zur Haftung für den entstandenen Schaden heranzuziehen, nicht, den Inhaber einer Einrichtung, die dazu bestimmt ist, den Wasserzustand zu verbessern, auch dann haften zu lassen, wenn die Einrichtung ordnungsgemäß arbeitet und lediglich die ihr zugeführten Abwässer weiterleitet. Das Einleiten oder Hineingelangen von der Kläranlage zugeleiteten und darin in gewissem Umfang gereinigten, ansonsten aber unverändert weitergegeben Wassers falle bei einer am Gesetzeszweck ausgerichteten, wertenden Betrachtung nicht unter § 22 WHG. Kläranlagen sollten Schadstoffe ausfällen und die Abwässerbelastung der Gewässer verringern. Sie erfüllten damit im praktisch-technischen Bereich eine Aufgabe, die das Wasserhaushaltsgesetz in § 22 WHG mit haftungsrechtlichen Sanktionen zu verwirklichen suche. Soweit das Weiterleiten von (geklärten) Abwässern bei solchen Anlagen eine notwendige und auch gewollte Folge der Arbeitsweise der Kläranlage sei, trete dieser rein äußere Vorgang hinter die für die Gesetzesanwendung entscheidende Funktion der Anlage zurück. Ein haftungsbegründendes "Einleiten" oder "Hineingelangen" aus einer Anlage liege in solchen Fällen jedenfalls dann nicht vor, wenn die Kläranlage die ihr zugewiesene Aufgabe erfüllt und dem Gewässer nicht neuerdings Schadstoffe zuführt (BGH, Urteil vom 30.05.1974, III ZR 190/71 – Rrn. 23 f. zitiert nach Juris).
62An dieser Rechtsprechung hat der BGH auch in der Folgezeit mit seiner Entscheidung vom 07.11.2002, III ZR 147/02 (NVwZ, 2003, 376 f.) ausdrücklich festgehalten und lediglich einschränkend ausgeführt, dass die Haftungsbegrenzung dann nicht greift, wenn das Klärwerk zwar in bestimmter Hinsicht seinen Zweck erfüllt und insoweit die Wasserqualität verbessert, es das Wasser aber zugleich in anderer Beziehung verschlechtert.
63Die vorstehenden, die restriktive Auslegung der Begriffe des „Einleitens“ und „Hineingelangens“ tragenden Überlegungen gelten in gleicher Weise auch für die Vorschriften des § 89 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 WHG. Danach fehlt es vorliegend aber bereits an einem haftungsbegründende Einleiten von Schadstoffen in die Z durch den Beklagten. Denn die vom BGH aufgestellten Voraussetzungen für eine Haftungsfreistellung des Kläranlagenbetreibens sind auch im vorliegenden Fall erfüllt. Dabei kann letztlich dahin stehen, ob das Belebungsbecken der X- Kläranlage Bedingungen bot, die für eine Vermehrung von Legionellen förderlich waren. Unter dem Strich hat der Betrieb der Kläranlage jedenfalls zu keiner weiteren Verschlechterung der Wasserqualität durch Legionellen, sondern zu einer Verminderung der Legionellenbelastung geführt. Denn nach den vom Landgericht auf Seite 13 des angefochtenen Urteils getroffenen Feststellungen wurden im Zulauf des Abwasserkanals der X-Brauerei Legionellenkonzentrationen von 2,5 Mio. bis zu 1 Mio. bzw. sogar von bis zu 20 Mio. und mehr gefunden, wobei sich auch der Epidemiestamm der Serogruppe 1 nachweisen ließ, wohingegen Untersuchungen des Abwassers im Ablauf der Kläranlage am 02.09.2013 nur noch Werte von 125.000 KbE Legionellen auf 100 ml ergaben, die danach noch weiter absanken. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Denn Anhaltspunkte dafür, dass diese unrichtig sein könnten, sind weder vom Kläger mit der Berufung dargelegt worden, noch sonst ersichtlich. Allein das mit der Berufung erfolgte Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen, dass sich die Legionellenkonzentration durch die Kläranlage gesenkt hat, stellt insoweit keinen ausreichenden Berufungsangriff dar. Zudem sind die vom Landgericht genannten Legionellenkonzentrationen in dem von Prof. Dr. F verfassten Bericht „Ausbruchmanagement des Legionellenausbruchs in X 2013“ als Ergebnis der Probeentnahmen angeführt (vgl. Seite 138, 153, 158, 160 der Anlage B2). Die Absenkung der Keimzahlen ist auch nicht erst durch die vom Beklagten nach dem Legionellenausbruch durchgeführten Sofortmaßnahmen erreicht worden. Denn nach den vom Landgericht auf Seite 3 des angefochtenen Urteils mit Bindungswirkung für den Senat getroffenen Feststellungen wurden diese Sofortmaßnahmen erst ab dem 04.09.2013 durchgeführt. Schon am 02.09.2013 konnte aber im Ablauf der Kläranlage nur eine Konzentration von 125.000 Legionellen/100 ml festgestellt werden (Seite 153 Anlage B2), obgleich am 06.09.2013 noch bis zu 2,5 Million Legionellen pneumohila Serogruppe 1 je100 ml im Ablaufkanal der Brauerei vorhanden waren (Seite 138 Anlage B2). Es besteht schließlich auf kein Anhalt dafür, dass die X- Kläranlage zu der fraglichen Zeit nicht bestimmungsgemäß gearbeitet hat. Allein der Umstand, dass die Anlage nicht dazu in der Lage war, sämtliche Legionellen aus dem Brauereiabwasser zu beseitigen, rechtfertigt diese Annahme nicht. Denn wie vorstehend ausgeführt gab es im Jahr 2013 keine gesetzlichen Vorgaben für Kläranlage, nach denen diese technisch zu einer vollständigen Beseitigung von Legionellen – zumal wenn sie ihr in derart hohen Konzentrationen zugeführt werden wie vorliegend mit dem Brauereiabwasser geschehen - hätten in der Lage sein müssen. Dass die Kläranlage dem Abwasser neue Schadstoffe hinzugefügt hat, behauptet selbst der Kläger nicht.
64c)
65Unabhängig davon könnte der Kläger aber auch nicht den ihm obliegenden Beweis dafür erbringen, dass er gerade infolge der mit dem Einleiten des legionellenhaltigen Abwassers eingetretenen nachteiligen Veränderung der Wasserbeschaffenheit der Z an der Legionärskrankheit erkrankt ist. Zwar bietet § 89 Abs. 1 S. 2 WHG dem Anspruchsteller für den Fall, dass mehrere auf ein Gewässer eingewirkt haben, Beweiserleichterungen. Nach der wohl überwiegenden Literaturmeinung begründet § 89 Abs. 1 S. 2 WHG zu Gunsten des Geschädigten eine vom Schädiger zu widerlegende Vermutung dafür, dass ein Gefährdungsbeitrag, der den Schaden bewirkt haben könnte, ihn auch tatsächlich herbeigeführt hat (Reiff in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG 2. Auflage 2017, § 89 a.a.O. Rn. 56). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BGH zu dem inhaltsgleichen § 22 Abs. 1 S. 2 WHG a.F. (BGH, Urteil vom 22.11.1971, III ZR 112/69 – Rn. 24 zitiert nach Juris). Allerdings findet die sich aus § 89 Abs. 1 S. 2 WHG ergebende Beweiserleichterung dort ihre Grenze, wo als eine von mehreren Schadensursachen auch ein Umstand in Betracht kommt, für den eine Haftung nach § 89 WHG – wenn er ursächlich wäre – nicht bestünde (Lülling in: Landsberg, Kommentar zum Umwelthaftungsrecht, § 89 Rn. 41). Denn in diesen Fällen trägt das vom BGH zur Rechtfertigung der Beweiserleichterung angeführte Argument, dass in das Wasser gelangende Schmutzstoffe sich darin in der Regel sogleich mit anderen bereits im Wasser befindlichen schädlichen Stoffen vermischen und sich alsdann nicht mehr von anderen Schadensbeiträgen unterscheiden lassen (BGH, a.a.O. – Rn. 24), gerade nicht. Kommen daher auch andere, nicht eine Haftung nach § 89 WHG begründende Umstände als Schadens-ursache in Betracht, so müssen diese zunächst vom Anspruchsteller als Schadens-ursache ausgeschlossen werden, ehe für ihn die Beweiserleichterung des § 89 Abs. 1 S. 2 HG eingreifen kann.
66So verhält es sich auch vorliegend. Denn wie bereits vorstehend unter lit. 1 c) ausgeführt, besteht die Möglichkeit, dass sich der Kläger auch durch von der Verdunstungskühlanlage der X- Brauerei verbreitete legionellenhaltige Aerosole infiziert hat. Da er diese Möglichkeit aus den ebenfalls bereits unter lit. 1 c) dargelegten Gründen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen kann, kommt ihm vorliegend die Beweiserleichterung des § 89 Abs. 1 S. 2 WHG nicht zu Gute und scheitert damit ein etwaiger Anspruch aus § 89 Abs. 1 S. 1 WHG auch am fehlenden Nachweis der Kausalität.
67III.
68Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 S. 1 und S. 2 ZPO.
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