Urteil vom Hanseatisches Oberlandesgericht (6. Zivilsenat) - 6 U 56/14

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 19 für Handelssachen, vom 10. März 2014, Az.: 419 HKO 64/12, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin aus übergegangenem Recht unter einer bei den Beklagten bestehenden Kaskoversicherung Deckungsansprüche gegen die Beklagten zustehen im Zusammenhang mit zunächst von der Klägerin getragenen Kosten der Beseitigung von Ladung und Bunker aus dem gesunkenen Tankschiff „…“ (nachfolgend: „…“).

2

Die Klägerin ist P&I-Versicherer, die Beklagten sind Kaskoversicherer des Motorschiffes „….“ (nachfolgend: „….“). Versicherungsnehmerin im Hinblick auf die Kaskoversicherung ist die… Ob der Reeder der „…“, die DS Rendite Fonds Nr 46 Cape Spencer GmbH & Co Containerschiff KG, Mitversicherter ist, ist zwischen den Parteien streitig. Der Kaskoversicherungsvertrag bei den Beklagten bestand auf Grundlage der Allgemeinen Deutschen Seeversicherungsbedingungen sowie der DTV-Kaskoklauseln 1978 in der Fassung von 1992 (Anlage B 8).

3

Die „…“ kollidierte am 10. Oktober 2005 in taiwanesischen Hoheitsgewässern mit dem koreanischen Tanker „…“, der mit 3.162 m3 Benzol, einem giftigen und krebserregenden Stoff, und 45 t Schweröl und 60 t Dieselöl beladen war. Infolge der Kollision versank die „…“ mit dem Achterschiff in der See, während das Vorschiff teilweise aus dem Wasser herausragend zu liegen kam.

4

Die Versicherungsnehmerin übersandte über ihren Versicherungsmakler, die …, ein mit „Schadensandienung“ überschriebenes Schreiben vom 11. Oktober 2005 und nahm Bezug auf die Versicherungsdaten (Police, Zeit, Führung, Risiko, Versicherungssumme, Taxe und Franchise) sowie das auslösende Ereignis vom 10. Oktober 2005 mit der Bemerkung „…“ (Anlage B 1).

5

Die zuständige taiwanesische Behörde (nachfolgend „EPA“) gab dem Reeder der „…“, der Firma …, Ltd., nach der Kollision auf, die Ladung und die Bunker zu entfernen, was sich indes aufgrund der Witterungsverhältnisse zunächst als unmöglich erwies. Auf Veranlassung der taiwanesischen Behörden wurde deshalb am 27. Oktober 2005 unter Einsatz von Hubschraubern versucht, Schiff und Ladung unter Beschuss in Brand zu setzen, was nicht gelang, wodurch aber in der Folge auch das Vorschiff durch Raketenabschuss versenkt wurde, so dass beide Teile in 70 m Wassertiefe zu liegen kamen. Die ursprüngliche Beseitigungsverfügung bestand fort.

6

Im Mai 2007 erhoben der Reeder der „…“ und mehrere Versicherungsgesellschaften Klage gegen den Reeder der „…“ vor einem Gericht in Taoyuan/Taiwan (Anlage K9) wegen der durch die Kollision entstandenen Schäden.

7

In der seitens der Klägerin eingereichten englischen Übersetzung der Klageschrift heißt es unter Ziffer 4 zu der Verschuldensquote:

8

„Upon investigation, the relevant facts (...) have been reviewed and inspected by the Tachung Port Authority and Ministry of Communications (...) it was also confirmed that for the above accident, eighty-five percent of the fault liability belongs to „T.S. ...“, the plaintiff must for all suffered losses from the present case, as shown in Attachment 1, in accordance with the provisions of the Maritime Law Article 97, sue the defendants for damages (...) “

9

Im Hinblick auf etwaige Kosten im Zusammenhang mit der Verhinderung oder Beseitigung einer Gewässerverunreinigung aufgrund der Kollision finden sich in den Gründen der Klageschrift unter Ziffer 6. folgende Ausführungen:

10

„(...) regarding the processing of marine pollution arising as a result of the above accident, it is still under the treatment of the relevant organizations and supervision organs, thus, the plaintiff’s total damages suffered as a result of the above accident are not yet fully determined. However, subtracting payments already made by the plaintiff, and determining the interest for the remaining losses, the plaintiff raises all losses and fees listed in Appendix 1 as first prosecution, and reserves the portions which cannot yet be determined for the above losses, which will subsequently increase the requested compensation (...)“

11

Zur Beendigung sämtlicher Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Kollision - mit Ausnahme von Ansprüchen Dritter - schlossen der Reeder der „…“ u. a. mit dem Reeder der „…“ am 14. März 2008 mit Zustimmung der Beklagten ein „Settlement Agreement“ (Anlage K6).

12

Dort heißt es in den Vorbemerkungen:

13

„(...) D. The parties wish to settle all intership claims and disputes (other than Third Party Claims defined in clause 4) relating to the Collision that arise in the Collision Proceedings on the following terms and conditions.“

14

Unter Ziffer 1, 2 und 4 heißt es:

15

„1. For the purpose of assessing and settling the Parties’ claims arising out of the Collision, the Parties have agreed a division of the collision liablity at 17,5 % / 82,5 % in favour of „SB“ (Anmerkung: meint die „…“). Such agreement shall bind the Parties, their successors, assignees and/or liability insurers in relation to all those claims mentioned below which remain outstanding and are not settled by the Parties under this Agreement.

16

2. DSR (Anmerkung: meint den Reeder der …) shall pay to … Interests (Anmerkung: meint den Reeder der „…“ u. a.) the sum of United States Dollars Twelve Million Only (US$12,000,000.00) („Settlement Amount“) (...)

17

4. (...) other than third party claims for and in respect of (...)

18

(...) (d) costs and incidental expenses for removing and/or disposing of the wreck of „SB“ and/or the Cargo remaining on board;

19

(e) third party claims for any loss and/or damage caused as a result of removal and disposal operations for the wreck of „SB“ and/or the Cargo remaining on board. (...)

20

Die sich aus Ziff. 2 des Vergleichs ergebende Zahlungsverpflichtung des Reeders der „…“ wurde durch die Beklagten entsprechend der Vereinbarung reguliert.

21

Etwa 2 ¼ Jahre nach der Kollision erweiterte die EPA die Beseitigungsverfügung und ergänzte neben dem Reeder der „…“ den Reeder der „…“ als Adressaten der Verfügung. Die Reeder beider Schiffe beauftragten zunächst die Firma … (Anlage K1) mit der Bergung von Ladung und Bunker, deren Konzept jedoch nicht umgesetzt werden konnte. Deshalb beauftragten die Reeder die Firma … (Anlage K2), welche die Bergung schließlich auch durchführte. Die Kosten wurden seitens der Klägerin als P&I Versicherer der „…“ zu 82,5 % und seitens des P&I Versicherers der „…“ zu 17,5 % getragen.

22

Die Klägerin hat vor dem Landgericht Ansprüche auf die verbleibende Versicherungssumme der gegenüber den Beklagten bestehenden Kaskoversicherung in Höhe von insgesamt EUR 4.895.950,00 geltend gemacht.

23

Sie hat im erstinstanzlichen Verfahren behauptet, alle Ansprüche des mitversicherten Reeders der „...“ aus der Kaskoversicherung hinsichtlich der Kollision seien mit Zustimmung der Versicherungsnehmerin an sie abgetreten worden. Nach dem maßgeblichen taiwanesischen Haftungsrecht sei der Reeder der „…“ dem Reeder der „…“ gegenüber auch wegen der durch Vollziehung der von der EPA gegenüber dem Reeder der „…“ erlassenen Verfügung entstandenen Bergungskosten zum Schadensersatz verpflichtet. Damit handele es sich bei 82,5 % der durch die Bergung entstandenen Kosten um eine Ersatzpflicht des Reeders der „…“ gegenüber dem Reeder der „…“ als einem Dritten. Daran ändere auch die Erweiterung der Verfügung auf den Reeder der „Hongkong“ durch die EPA nichts. Die entstandenen Kosten seien zumindest zur Hälfte von der Beklagten unter der Kaskoversicherung zu tragen. Es handele sich insgesamt um Kosten in Höhe von USD 26.613.816,00, die sie - die Klägerin - direkt gegenüber den Vertragspartnern der Reeder beider Schiffe beglichen habe. Da die Versicherungssumme bei den Beklagten für die „…“ bereits durch vorherige Leistungen der Beklagten reduziert sei, beschränke sich die Klagforderung auf die verbleibende Summe in Höhe von EUR 4.895.950,00.

24

Die Beklagten haben vor dem Landgericht geltend gemacht, die Abtretung des Kaskoversicherungsanspruchs an die Klägerin sei mangels schriftlicher Zustimmung der Versicherungsnehmerin unwirksam, weshalb keine Aktivlegitimation der Klägerin vorläge. Die seitens der Klägerin geltend gemachten Kosten stellten zudem keine Ersatzpflicht gegenüber einem Dritten wegen der Beschädigung einer Sache dar, sondern einen eigenen (reinen) Vermögensschaden des Reeders der „…“, der auf der Erweiterung der Verfügung der EPA beruhe. Außerdem sei durch den Abschuss und die Versenkung der „…“ durch das taiwanesische Militär der Kausalzusammenhang zwischen der Kollision und den Bergungskosten unterbrochen worden. Darüber hinaus sei die im Rahmen des „Settlement Agreements“ vereinbarte Verschuldensquote für sie nicht bindend. Jedenfalls aber sei die Haftung ausgeschlossen, weil eine Haftung für Umweltschäden nicht von der Kaskoversicherung umfasst sei, weshalb auch nicht Aufwendungen zur Verhinderung derartiger Schäden eine Ersatzpflicht der Kaskoversicherer auslösen könnten, und schließlich sei ohnehin mangels ordnungsgemäßer Andienung Leistungsfreiheit eingetreten.

25

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der in der ersten Instanz gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

26

Mit Urteil vom 10. März 2014 hat das Landgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, es habe kein Anspruch des Reeders der „…“ gegen die Beklagten bestanden, der an die Klägerin hätte abgetreten werden oder auf sie hätte übergehen können. Bei der streitgegenständlichen Versicherung handele es sich um eine Sachhaftpflichtdeckung für die der allgemeine Grundsatz gelte, dass ein Rechtsschutzanspruch des Versicherungsnehmers gegen seinen Versicherer erst entstehe, wenn er selbst von einem Dritten ernstlich in Anspruch genommen werde. Eine Inanspruchnahme des Reeders der „…“ durch den Reeder der „…“ wegen der Bergungskosten sei indes nicht nachgewiesen. Eine solche liege nicht in der Klagerhebung vor dem Gericht Taoyuan/Taiwan (Anlage K 9), da die spätere Geltendmachung diesbezüglicher Ansprüche insofern lediglich vorbehalten worden sei, worin gleichzeitig die Erklärung liege, dass die Ansprüche derzeit nicht geltend gemacht werden sollen. Auch aus dem „Settlement Agreement“ (Anlage K 6) ergebe sich nicht die Geltendmachung von Ansprüchen durch den Reeder der „…“ in Bezug auf die Bergungskosten. Denn auch insofern liege noch keine direkte Inanspruchnahme vor.

27

Wegen der Einzelheiten der Begründung der Entscheidung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

28

Gegen das ihr am 12. März 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit ihrem am 14. April 2014 (Montag) eingegangenen Schriftsatz vom 11. April 2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27. Juni 2014 mit ihrem Schriftsatz vom 26. Juni 2014, der am selben Tag eingegangen ist, begründet.

29

Die Klägerin trägt zunächst zu den nicht im Urteil angesprochenen Aspekten vor, der Anspruch des Reeders der „…“ gegen den Reeder der „…“ wegen 82,5 % der Beseitigungskosten aufgrund der Verfügung der EPA sei als Folgeschaden eines Sachschadens von der Deckung gemäß Ziff. 34.1 DTV Kaskoklauseln 1978/1992 umfasst. Der Anspruch des Reeders der „…“ gegen den Reeder der „…“ ergebe sich aus taiwanesischem Haftungsrecht und die Ursächlichkeit der Kollision für die Entstehung der Bergungskosten sei nach taiwanesischem Recht auch nicht durch den Beschuss durch das taiwanesische Militär unterbrochen worden, da die Kollision insofern die wirksamste Ursache für die Entstehung der Kosten und der Beschuss als hoheitliche Maßnahme eine nicht ungewöhnliche Folge der Kollision sei. Die Deckung sei auch nicht nach Ziff. 34.4 DTV Kaskoklauseln 1978/1992 ausgeschlossen, da lediglich die Haftung für bereits eingetretene Umweltschäden, nicht jedoch die Haftung für Aufwendungen zur Verhinderung von Umweltschäden ausgeschlossen sei. Im Hinblick auf die seitens des Landgerichts angenommene fehlende Voraussetzung der ernstlichen Geltendmachung des Anspruchs durch den Reeder der „…“ gegenüber dem Reeder der „…“ habe das Landgericht ihren auf die Geltendmachung durch den Reeder der „…“ bezogenen Beweisantrag übergangen und dadurch den Grundsatz auf rechtliches Gehör verletzt. Die Voraussetzungen für die Deckungshaftung der Beklagten ergäben sich jedoch bereits aus dem Inhalt der Gerichtsakte. Das Landgericht habe insofern einen falschen Maßstab hinsichtlich der Anspruchsgeltendmachung zugrunde gelegt. Selbst wenn eine ernstliche oder ernsthafte Geltendmachung zu fordern wäre, hätte das Landgericht die Anforderungen, die Rechtsprechung und Literatur daran stellen, verkannt. Diese Anforderungen seien entgegen der Auffassung des Landgerichts sowohl aufgrund der Klage (Anlage K9) und der darin enthaltenen Geltendmachung des Ersatzes der Bergungskosten dem Grunde nach als auch aufgrund des „Settlement Agreement“, das ebenfalls eine Einigung dem Grunde nach vorsehe, erfüllt.

30

Die Klägerin beantragt,

31

die Beklagten als Teilschuldner zu verurteilen, an die Klägerin insgesamt € 4.895.950,00 zu zahlen, und zwar:

32

1. die Beklagte zu 1) einen Betrag von € 734.392,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2012,
2. die Beklagte zu 2) einen Betrag von € 538.554,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2012,
3. die Beklagte zu 3) einen Betrag von € 146.878,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2012,
4. die Beklagte zu 4) einen Betrag von € 48.959,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2012,
5. die Beklagte zu 5) einen Betrag von € 48.959,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2012,
6. die Beklagte zu 6) einen Betrag von € 97.919,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2012,
7. die Beklagte zu 7) einen Betrag von € 48.959,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2012,
8. die Beklagte zu 8) einen Betrag von € 48.959,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2012,
9. die Beklagte zu 9) einen Betrag von € 734.392,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2012,
10. die Beklagte zu 10) einen Betrag von € 2.447.975,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2012.

33

Die Beklagten beantragen,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und vertiefen - wie im Übrigen auch die Klägerin - ihren Vortrag erster Instanz. Hinsichtlich der Aktivlegitimation tragen die Beklagten vor, die Abtretungserklärung des Reeders der „…“ sei nach § 53 Abs. 2 ADS, §§ 182 Abs. 3, 111 S. 2 BGB mangels schriftlicher Zustimmung der Versicherungsnehmerin nicht wirksam. Ergänzend haben die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2015 darauf hingewiesen, dass ihr Vortrag dahin verstanden werden solle, dass sie bestreiten, dass die Reederei, die den Anspruch abgetreten haben soll, überhaupt Mitversicherter ist. Die Beklagten sind im Übrigen der Auffassung, dass die Klägerin mit weiterem Vortrag zur Anspruchshöhe in der Berufungsinstanz präkludiert sei, da sie es versäumt habe, in erster Instanz auf ihr Bestreiten -des der Beklagten- hin weiter substantiiert zur Anspruchshöhe vorzutragen. Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung und tragen dazu vor, da die Klägerin von dem behaupteten Gesamtaufwand für die Bergung in Höhe von USD 28.187.723,90 nur einen in Euro umgerechneten Teilbetrag in Höhe von EUR 4.895.950,00 geltend gemacht habe und die Klage zur Hemmung der Verjährung erhoben worden sei, ohne dass näher bezeichnete Ansprüche, sondern eine nicht individualisierbare Summe geltend gemacht worden sei, hemme eine derartige Klage die Verjährung nicht, da unklar sei, welche Einzelforderungen rechtshängig geworden seien.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

37

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

1.)

38

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der mitversicherte Reeder der „…“ hat seine Ansprüche aus dem Kaskoversicherungsvertrag mit den Beklagten wirksam nach § 398 S.1 BGB an die Klägerin abgetreten.

39

Die Klägerin hat mit dem „Nachtrag zur DECKUNGSNOTE … vom 30. Juni 2005“ belegt, dass der Reeder der „…“, DS Rendite Fonds Nr. 46 MS „CAPE SPENCER“ GmbH & Co Containerschiff KG unter der Kaskoversicherung mitversichert ist.

40

Unstreitig lag der Klägerin eine Abtretungserklärung des Reeders der „…“ vor, der die Versicherungsnehmerin zugestimmt hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Abtretung nicht nach § 53 Abs. 2 ADS, §§ 182 Abs. 3, 111 S. 2 BGB mangels schriftlicher Zustimmung der Versicherungsnehmerin unwirksam. Denn eine schriftliche Zustimmung ist vorliegend nicht erforderlich.

41

Nach § 53 Abs. 2 ADS kann der Versicherte ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers über seine Rechte nur verfügen, wenn er im Besitz einer Police ist. Nach §§ 182 Abs. 3, 111 S. 2 BGB ist für einseitige Rechtsgeschäft, dessen Wirksamkeit von der Zustimmung eines Dritten abhängt, eine schriftliche Einwilligung erforderlich. §§ 182 Abs. 3, 111 S. 2 BGB finden jedoch vorliegend keine Anwendung, denn bei der Abtretung handelt es sich nicht um ein einseitiges Rechtsgeschäft, sondern um einen Vertrag. Auch aus § 53 Abs. 2 ADS ergibt sich bereits nach dem klaren Wortlaut kein Schriftformerfordernis für die Zustimmung.

2.)

42

Der geltend gemachte Anspruch ist nicht verjährt.

43

Der Senat folgt der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass bereits die Erhebung einer Teilklage, mit der mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, deren Summe den geltend gemachten Teil übersteigt, die Verjährung aller Teilansprüche hemmt und die Bestimmung, bis zu welcher Höhe bzw. in welcher Reihenfolge die einzelnen Teilansprüche verfolgt werden, nachgeholt werden kann, also „zurückwirkt“ (BGH, Urteil vom 06. Mai 2014 - II ZR 217/13 -, Rz. 16, juris, vgl. auch Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearb. 2014, § 204 Rz 16; Henrich in Bamberger/Roth, BGB, 2.Aufl., § 204 Rz. 18; aA Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 204 Rz. 16; MünchKommBGB/Grothe, 7. Aufl., § 204 Rz. 23; ). Vortrag dazu, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge sie zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen, hat die Klägerin mit Schriftsätzen vom 22. April 2015 (Bl. 369 ff d.A.) und vom 18. Juni 2015 (Bl. 396 ff d.A.) nachgeholt.

3.)

44

Entgegen der Auffassung des Landgerichts scheitert der geltend gemachte Anspruch nicht bereits an einer fehlenden ernstlichen Inanspruchnahme der Versicherungsnehmerin der Klägerin durch einen Dritten.

45

a.) Dem Landgericht ist zwar darin zu folgen, dass zum Zeitpunkt der Klagerhebung in Taiwan im Jahr 2007 (Anlage K 9) eine ernstliche Inanspruchnahme der Versicherungsnehmerin der Klägerin durch einen Dritten noch nicht vorlag. Denn zum Zeitpunkt der Klagerhebung stand noch nicht fest, ob und ggf. welche Maßnahmen zur Beseitigung der Ladung auf öffentlich-rechtlicher Grundlage ergriffen würden. Entsprechend heißt es in der Klage, dass die dortige Klägerin für solche Ansprüche, die noch nicht feststellbar sind, die geltend gemachten Ansprüche nachträglich erhöhen werde. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, beinhaltet jedoch der Vorbehalt, Ansprüche wegen (drohender) Umweltschäden und/oder Bergungskosten infolge der Kollision später erheben zu wollen, zugleich die Erklärung, dass sie zumindest derzeit nicht geltend gemacht werden.

46

b.) Was allerdings das „Settlement Agreement“ (Anlage K 6) betrifft, vermag die Argumentation des Landgerichts nicht zu überzeugen, dass das „Settlement Agreement“ der „...“ zwar das Recht gewähre, bezüglich bestimmter „Third Party Claims“ -u.a. bezüglich der Bergung von Schiff und Ladung- Ansprüche geltend zu machen, dass dieses selbst aber noch keine Inanspruchnahme der „…“ wegen der Bergungskosten darstelle. Denn wenn die damaligen Parteien keine Einigung zum Anspruchsgrund getroffen hätten, wäre kein Grund dafür ersichtlich, warum in Ziffer 1 des „Settlement Agreement“ festgeschrieben wurde, dass „…“ von den Beseitigungskosten 82,5 % zu tragen habe. Zwar ist von Beseitigungskosten in Ziffer 1 ausdrücklich nicht die Rede, vielmehr sind „Third Party Claims“ von der Vereinbarungswirkung des Settlement Agreements ausdrücklich ausgeschlossen (Anlage K 6, S.3). Dass sich die Bindungswirkung der Verschuldensquote von 82,5 % zu Lasten des Reeders der „…“ auch auf die Ansprüche erstreckt, die durch den Vergleich nicht endgültig geregelt sind und anhängig bleiben, ergibt sich indes aus dem eindeutigen Wortlaut von Ziffer 1 (Anlage K 6 S.2 ( (...) in relation to all those claims mentioned below which remain outstanding and are not settled by the parties under this Agreement.), wobei unter Ziffer 4 explizit auch die Bergungskosten genannt werden ( (...) 4. (d) costs and incidental expenses for removing and/or disposing of the wreck of „SB“ and/or the Cargo remaining on board (...) ). An einer ernsthaften Geltendmachung bestehen daher keine Zweifel.

4.)

47

Der seitens der Beklagten dem Reeder der „…“ zu gewährende Versicherungsschutz ist jedoch gemäß Ziff. 34.4.1 DTV-KK ausgeschlossen.

48

Diese Klausel lautet:

49

„34.4 Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf
34.4.1 Haftpflichtansprüche wegen

50

- Tod oder Verletzung von Personen,
- Schäden, die durch Freiwerden von flüssigen oder gasförmigen Stoffen sowie Chemikalien verursacht worden sind, es sei denn, sie sind als nächste Folge eines Zusammenstoßes des versicherten Schiffes mit einem anderen Schiff an diesem oder den darauf befindlichen Sachen eingetreten,
- Verlust oder Beschädigung von Sachen, die sich an Bord des versicherten Schiffes befinden.“

51

(Anlage B 8).

52

Zwar sind vorliegend keine Schäden durch Freiwerden von flüssigen oder gasförmigen Stoffen entstanden. Zur Überzeugung des Senats bezieht sich der Ausschluss gemäß Ziff. 34.4.1 DTV-KK indes nicht nur auf die Haftung für tatsächlich eingetretene Schäden, sondern auch auf den Aufwand, den ein geschädigter Dritter zur Vermeidung eines Umweltschadens durch Freiwerden von flüssigen oder gasförmigen Stoffen sowie Chemikalien eingeht (a.A.: Thume/de la Motte/Ehlers/Schwampe, Transportversicherungsrecht, 2.Aufl. 2011, Kap 6 Rz 311; Enge/Schwampe, Transportversicherung, 4.Aufl. 2012, S.267 f; Bruck/Möller/Eichhorn, Versicherungsvertragsgesetz, Bd.6/2: Transportversicherung, 9.Aufl. 2015, Ziff.65 DTV-Kaskoklauseln, Rz 33).

53

a.) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (BGH-Urteile vom 17. Februar 2016 - IV ZR 353/14, VersR 2016, 720 Rn. 15; vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 unter III 1 b; st. Rspr.).

54

Bei Risikoausschlüssen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nach ständiger BGH-Rechtsprechung nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (BGH-Urteile vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 269/14, VersR 2016, 41 Rn. 38 und vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, VersR 2013, 853 Rn. 41; Senatsbeschluss vom 11. September 2013 - IV ZR 259/12, VersR 2013, 1395 Rn. 12; jeweils m.w.N.).

55

Ausgangspunkt für die Auslegung ist der Klauselwortlaut (BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 226/01, BGHZ 153, 182, 185 f; vom 19. Juni 2013 - IV ZR 228/12, VersR 2013, 1039 Rn. 18; BGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 - IX ZR 214/15 -, Rn. 15, juris). Der mit der Klausel verfolgte Zweck und der erkennbare Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10 -, BGHZ 194, 208-238, juris Rz 21).

56

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird der streitgegenständlichen Klausel zunächst entnehmen, dass für eingetretene Schäden, die durch Freiwerden von flüssigen oder gasförmigen Stoffen sowie Chemikalien verursacht worden sind, kein Versicherungsschutz besteht. Diese Ausschlussklausel verfolgt den - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren - Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren Umweltschäden von der Versicherung auszunehmen. Von dem Aufwand, den ein geschädigter Dritter zur Vermeidung eines Umweltschadens durch Freiwerden von flüssigen oder gasförmigen Stoffen sowie Chemikalien eingeht, ist nach dem Wortlaut der Klausel zwar nicht die Rede. Auch unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der Risikoausschlussklauseln eng und nicht weiter auszulegen sind, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (BGH Urteil vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999, 748 unter 2 a Urteil vom 17. Dezember 2008 - IV ZR 9/08 -, juris Rn. 17), kann nicht zweifelhaft sein, dass auch solche Aufwendungen Dritter zur Vermeidung von Umweltschäden, die durch Freiwerden von flüssigen oder gasförmigen Stoffen sowie Chemikalien verursacht werden, vom Versicherungsausschluss umfasst sind. Denn dem verständigen Versicherungsnehmer wird nicht einleuchten, warum der Kaskoversicherer, dessen Leistungspflicht für eingetretene Umweltschäden ausgeschlossen ist, für den Abwendungsaufwand des geschädigten Dritten hinsichtlich derartiger Schäden einstandspflichtig sein soll. Die Klägerin macht ohne Erfolg geltend, die Unterschiede zwischen der Deckung der Haftung des Versicherungsnehmers für eingetretene Umweltschäden und der Deckung der Haftung des Versicherungsnehmers für Schadensabwendungsaufwendungen würden belegen, dass der Zweck der Klausel einer Ausdehnung des Versicherungsausschlusses auf Abwendungsaufwendungen entgegen stehe. Dieser Argumentation ist vielmehr zu entgegnen, dass sich bei einem eingetretenen Umweltschaden der Versicherer zwar einer Vielzahl von dritten Geschädigten gegenüber sehen mag, während er es im Fall der Vermeidung von Umweltschäden nur mit dem Kollisionsgegner zu tun hat. Warum ihn dieses bewegen sollte, für die Kosten der Vermeidung eines Nichtversicherungsfalles einzustehen, ist indes nicht ersichtlich. Auch die Argumentation der Klägerin, eingetretene Schäden durch Freiwerden von flüssigen oder gasförmigen Stoffen sowie Chemikalien würden regelmäßig gewaltige Schäden verursachen, vermag nicht zu überzeugen. Denn während einerseits nicht jedes Freiwerden von flüssigen oder gasförmigen Stoffen etc. zu einer Umweltkatastrophe mit entsprechendem immensen Beseitigungsaufwand führen muss, kann allein die Vermeidung von Freiwerdungsschäden mit einem Aufwand in Höhe vieler Millionen Euro verbunden sein, wie nicht zuletzt auch der vorliegende Fall zeigt. Jedenfalls wird der verständige Versicherungsnehmer derartige Überlegungen nicht anstellen, weil sich allgemeine Feststellungen zu dem Unterschied der Kosten für die Beseitigung von Umweltschäden und denen zu ihrer Vermeidung nicht treffen lassen.

57

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird auch erkennen, dass gegen eine unterschiedliche Behandlung von Haftpflichtansprüchen, die sich auf bereits eingetretene Umweltschäden beziehen, und solchen, die der Vermeidung derartiger Schäden dienen, das Problem der Abgrenzbarkeit spricht. Denn wenn beispielsweise aus dem Tank des kollidierten Schiffes bereits Öl ausgetreten ist und auf der Wasseroberfläche schwimmt, wird mit dem Absaugen des ausgetretenen Öls einerseits ein bereits eingetretener Schaden beseitigt, nämlich die Verunreinigung des Gewässers, andererseits werden aber auch weitere Schäden -Verschmutzung der Uferböschung, Verenden von Seevögeln und Fischen- verhindert.

58

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird auch eine Art „Erst-Recht-Schluss“ vornehmen, indem er erwägt, dass dann, wenn bereits Haftpflichtansprüche wegen der Beseitigung von Umweltschäden vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind, dieses erst recht gelten muss für Haftpflichtansprüche wegen Aufwendungen, die derartige Schäden erst verhindern sollen, weil diese in einer weniger engen Beziehung zum eigentlichen Schadenereignis stehen als die Ansprüche wegen Beseitigung bereits eingetretener Schäden.

59

Die DTV-Kaskoklauseln 1978 enthalten auch in anderem Zusammenhang keine Regelung, aus der der Versicherungsnehmer schließen könnte, dass in den Fällen, in denen die Leistungspflicht für eingetretene Schäden ausgeschlossen ist, der Versicherer dennoch für den Abwendungsaufwand des geschädigten Dritten hinsichtlich derartiger Schäden einstandspflichtig ist.

60

b.) Schließlich kommt entgegen der Auffassung der Klägerinnen die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB nicht zur Anwendung. Zwar handelt es sich bei den streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen um AGB. Aus den dargelegten Gründen ist Ziffer 34.4.1 DTV-Kaskoklausel für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs jedoch verständlich und nicht mehrdeutig. Da bei der Auslegung keine Zweifel bleiben, können diese auch nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Insofern unterscheidet sich dieser Fall von der „Ilse-Entscheidung“ des Senats (VersR 2000, 1142).

5.)

61

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

62

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.

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