Urteil vom Hanseatisches Oberlandesgericht (2. Strafsenat) - 2 Rev 40/17

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg, Abteilung 233, vom 16. November 2016 hinsichtlich der Fälle 1 bis 3 im Schuldspruch sowie der Gesamtstrafe jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Wirtschaftsstrafabteilung des Amtsgerichts Hamburg zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 16. November 2016 ist der Angeklagte „wegen Steuerhinterziehung in 3 Fällen, davon in einem Fall versucht, sowie wegen Urkundenfälschung“ zu einer Gesamtgeldstrafe von 270 Tagessätzen zu je 30,00 Euro verurteilt worden.

2

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft mit am 18. November 2016 beim Amtsgericht eingegangenem Faxschreiben „Rechtsmittel“ eingelegt. Das schriftliche Urteil des Amtsgerichts ist der Staatsanwaltschaft nach Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls auf Grund richterlicher Anordnung am 28. Dezember 2016 zugestellt worden.

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Mit am 26. Januar 2017 beim Amtsgericht eingegangener Revisionsbegründung hat die Staatsanwaltschaft das von ihr eingelegte Rechtsmittel als Sprungrevision bezeichnet und auf den „Strafausspruch beschränkt“. Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung materiellen Rechts, namentlich die Bestimmung der Hinterziehungsbeträge in den Fällen 1 bis 3, die rechtsfehlerhaft zu niedrig festgestellt worden seien.

4

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, auf die Revision der Staatsanwaltschaft Termin zur Hauptverhandlung anzuberaumen. In der Hauptverhandlung hat sie beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 16. November 2016 hinsichtlich der Einzelstrafen in den Fällen 1 bis 3 und der Gesamtstrafe aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafabteilung des Amtsgerichts Hamburg zurückzuverweisen.

II.

5

Die gemäß §§ 333, 341, 344, 345 StPO zulässige, nach Auslegung unbeschränkt eingelegte Revision hat in der Sache vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in den angegriffenen Fällen insgesamt, weil die knappen und lückenhaften, dadurch unklaren und zudem widersprüchlichen Urteilsgründe keine hinreichende Grundlage für die Prüfung eines Rechtsfolgenausspruchs bieten. Angesichts solcher Feststellungen ist auch in materieller Hinsicht die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2012, Az.: 1 StR 103/12, Rn. 19, juris). Hiervon ausgenommen ist der von der Revision nicht angegriffene Schuldspruch mitsamt Rechtsfolgenentscheidung zu Fall 4 (sog. vertikale Teilrechtskraft, vgl. hierzu LR-Gössel § 318 Rn. 27).

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1. Die Revision führt nach Auslegung der Revisionsbegründung entgegen dem gestellten Revisionsantrag zur unbeschränkten Überprüfung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Fälle 1 bis 3.

7

a) Die Beschränkung der Revision ist sowohl bei Einlegung als auch bei der Begründung des Rechtsmittels zulässig (HK-Temming § 344 Rn. 4 m.w.N.). Der Wille des Beschwerdeführers, das Urteil nicht vollständig, sondern nur zum Teil anzufechten, ist durch Auslegung zu ermitteln, etwa wenn der Antrag in der Revisionsbegründung auf eine beschränkte Anfechtung gerichtet ist, die Ausführungen in der Revisionsbegründung im Widerspruch hierzu aber eine umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils begehren (BGH NStZ 1985, 17; Temming a.a.O.). Dabei ist nicht am Wortlaut der Erklärung zu haften, sondern auch deren Sinn zu erforschen, was grundsätzlich auch für von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel gilt, wenngleich dann ein strengerer Maßstab anzulegen ist, als bei einem rechtsunkundigen Angeklagten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 318 Rn. 2 m.w.N.). Maßgebend ist nicht der Wortlaut der Revisionsbegründung, sondern Sinn und Zielrichtung des Revisionsvorbringens (Temming a.a.O. Rn. 6). Sind schließlich Zweifel an einer Revisionsbeschränkung anhand des Wortlauts der Begründung nicht zu beheben, ist im Allgemeinen eine unbeschränkte Revision anzunehmen (Senatsbeschluss vom 19. Mai 2016 – Az.: 2 Rev 1/16; BGH NStZ-RR 1997, 35; KK-StPO-Gericke, § 344 Rn. 3).

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b) Hieran gemessen ist die Revision uneingeschränkt eingelegt.

9

Zwar heißt es in der Revisionsbegründung zunächst, dass die Revision „auf den Strafausspruch beschränkt“ wird. Diese Formulierung scheint zunächst keinen Zweifel am Willen der Staatsanwaltschaft, lediglich den Rechtsfolgenausspruch anzugreifen, aufkommen zu lassen. Allerdings wird bereits im nächsten Absatz ohne ausdrückliche Einschränkung „die Verletzung materiellen Rechts“ gerügt, was wiederum nahe legt, dass eine uneingeschränkte Überprüfung des Urteils begehrt wird. Dem entspricht es, dass die Staatsanwaltschaft in den sich anschließenden Ausführungen eine fehlerhafte Rechtsanwendung des Amtsgerichts dahingehend beanstandet, dass es im Hinblick auf die tatsächlich geleisteten „Schwarzlohnzahlungen“ nicht von einem unrichtig erklärten Sachverhalt, mithin nicht von unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ausgegangen sei. Das Amtsgericht halte „die Angaben des Angeklagten in den Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen 2008 – 2010, sofern sie betragsmäßig die Aufwendungen für die Schwarzlöhne nicht überschreiten, nicht für unrichtig und damit nicht für tatbestandsmäßig im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO“, denn es stelle „ausschließlich auf den ‚Gewinn‘ als solchen, also einen zahlenmäßig richtigen Saldo ab“. Die in dieser Einordnung nach Auffassung der Staatsanwaltschaft begründeten „durchgreifenden rechtlichen Bedenken“ betreffen indes bereits die vor der Rechtsfolgenentscheidung auf Tatbestandsebene zu prüfende Frage, ob überhaupt unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht worden sind. Da nach dem Sinn der Revisionsbegründung eine Überprüfung der Rechtsanwendung im Hinblick auf das Vorliegen von Tatbestandsmerkmalen begehrt wird, ist von einem unbeschränkten Rechtsmittel auszugehen.

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2. Überdies erweist sich die Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch angesichts der knappen und lückenhaften, dadurch unklaren und zudem widersprüchlichen Urteilsgründe auch in materiell-rechtlicher Hinsicht als unwirksam.

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a) Die sachlich-rechtliche Prüfung der rechtlichen Würdigung durch das Revisionsgericht setzt bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung voraus, dass die steuerlich erheblichen Tatsachen festgestellt sind. Dazu gehören insbesondere die Besteuerungsgrundlagen, also diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind. Bei einer Steuerhinterziehung – wie vorliegend – durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen muss die Sachdarstellung im Urteil grundsätzlich folgende Anforderungen erfüllen (hierzu ausführlich BGH, Urteil vom 12. Mai 2009, Az.: 1 StR 718/08, Rn. 10ff, juris; Jäger, StraFo 2006, 477ff.):

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aa) Die Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist einerseits Erklärungsdelikt. Deswegen ist festzustellen, wann der Angeklagte welche Steuererklärungen mit welchem Inhalt abgegeben hat.

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bb) Zudem ist die Steuerhinterziehung Erfolgsdelikt, weil sie voraussetzt, dass durch die unrichtigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt worden sind. Nach § 370 Abs. 4 S. 1 AO sind Steuern dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Insoweit bedarf es einerseits der Feststellung, welche Steuern seitens der Finanzbehörden zu welchem Zeitpunkt festgesetzt wurden (sog. Ist-Steuer). Weiter ist erforderlich, dass zum einen der tatsächliche Sachverhalt festgestellt wird, aus dem die von Gesetzes wegen geschuldete Steuer folgt (sog. Soll-Steuer). Daneben ist die Soll-Steuer als solche festzustellen. Aus der Gegenüberstellung von Soll- und Ist-Steuer ergibt sich dann die verkürzte Steuer (BGH a.a.O., Rn. 16).

14

Anhand der getroffenen Feststellungen muss nachvollziehbar sein, wie das Tatgericht zu dem jeweiligen Verkürzungsbetrag gekommen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 1997, Az.: 5 StR 45/97, Rn. 4 juris). Hierfür ist erforderlich, dass für jede Steuerart und jeden Besteuerungszeitraum so klare Feststellungen getroffen werden, dass die Besteuerungsgrundlagen und die Berechnung der verkürzten Steuern erkennbar werden (St. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009, Az.: 1 StR 718/08, Rn. 11ff.; Jäger, StraFo 2006, 477, 479 m.w.N.).

15

b) Diesen Darstellungsanforderungen werden die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil nicht gerecht.

16

aa) Im Fall 1 sind die getroffenen Feststellungen lückenhaft, weil der Inhalt der von dem Angeklagten für das Jahr 2008 abgegebenen Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen nicht mitgeteilt wird, sondern lediglich pauschal das Ergebnis einer Berechnung, wonach der Angeklagte seine Betriebsausgaben „im Saldo somit um 20.422 EUR zu hoch [erklärte]“ und infolgedessen „das Finanzamt mit Bescheid vom 04.03.2010 Einkommensteuer um 2.251 EUR und Gewerbesteuer um 3.355,80 EUR zu niedrig [festsetzte]“ (UA S. 5).

17

Zwar findet sich im die Beweiswürdigung betreffenden Abschnitt III. des angefochtenen Urteils eine tabellarische Darstellung der „Berechnung der verkürzten Einkommensteuer“ sowie eine „Berechnung der verkürzten Gewerbesteuer“ (UA S. 9). Für die Einkommensteuer wird dort mitgeteilt, dass sich die „Einkünfte (vor Prüfung)“ im Jahr 2008 auf 26.916,-- EUR beliefen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass mit der Bezeichnung „Einkünfte (vor Prüfung) gemeint sein sollte, dass der Angeklagte die genannten Beträge jeweils in seiner Steuererklärung für das entsprechende Kalenderjahr angab, kann die Berechnung des Amtsgerichts nicht anhand des für den jeweiligen Veranlagungszeitraum maßgeblichen Einkommensteuertarifs gemäß § 32a EStG nachvollzogen werden, da hierfür nach § 2 Abs. 5 S. 1 EStG nicht die „Einkünfte“, sondern das zu versteuernde Einkommen, also das um die Freibeträge und um die sonstigen vom Einkommen abzuziehende Beträge verminderte Einkommen, Bemessungsgrundlage ist. Entsprechendes gilt für die Berechnung der festzusetzenden Steuer anhand der um die fingierten Betriebsausgaben bereinigten Einkünfte.

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Den Urteilsgründen lässt sich zudem nicht entnehmen, ob bei der festzusetzenden Jahressteuer noch von der tariflichen Einkommensteuer abzuziehende Steuerermäßigungen, namentlich gemäß § 35 EStG bei Einkünften aus Gewerbebetrieb, berücksichtigt wurden. Auch insoweit sind die Feststellungen unklar und lückenhaft.

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bb) Im Fall 2 erweisen sich die Feststellungen aus denselben Gründen als lückenhaft. Auch hier wird in dem Urteil lediglich pauschal das Ergebnis einer Berechnung mitgeteilt, wonach infolge der „um 97.218 EUR zu hoch erklärten Betriebsausgaben … das Finanzamt mit Bescheid vom 29.09.2011 Einkommensteuer um 19.504 EUR und Gewerbesteuer um 15.989,40 zu niedrig [festsetzte].

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Hinreichend klare ergänzende Feststellungen lassen sich – wie bereits zu Fall 1 – ausgeführt, der tabellarischen Berechnungsdarstellung (UA S. 9), wonach sich in 2009 die „Einkünfte (vor Prüfung)“ auf 26.562,-- EUR belaufen, nicht entnehmen.

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cc) Schließlich lässt sich im Hinblick auf den vom Amtsgericht als versuchte Steuerhinterziehung gemäß §§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AO, 22, 23 Abs. 1 StGB gewerteten Fall 3 getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht entnehmen, welchen Inhalt die von dem Angeklagten abgegebenen Steuererklärungen hatten. Es wird abermals lediglich pauschal mitgeteilt, dass „aufgrund der im Saldo somit um 23.218 zu hoch erklärten Betriebsausgaben … das Finanzamt Einkommensteuer um 4.941 EUR und Gewerbesteuer um 3.816,40 EUR zu niedrig [hätte] festsetzen sollen, wozu es jedoch nicht mehr kam, da die Unrichtigkeit der Angaben rechtzeitig erkannt wurde“ (UA S.6f).

22

Der tabellarischen Berechnungsdarstellung (UA S. 9) lassen sich ebenfalls keine zureichenden ergänzenden Feststellungen entnehmen. Aus den dort gemachten Angaben ergibt sich vielmehr ein Widerspruch zu den o.g. Feststellungen. Denn in der tabellarischen Berechnungsdarstellung der verkürzten Einkommen-/Gewerbesteuer, die sich wie ausgeführt im die Beweiswürdigung betreffenden Abschnitt III. der Gründe befindet, wird in der Zeile „Bekanntgabe Steuerbescheid“ für das Jahr 2010 das Datum „15.07.2013“ genannt. Dies lässt annehmen, dass es entgegen der genannten, im Abschnitt II. der Gründe getroffenen Feststellungen doch zu einer Festsetzung von verkürzten Steuern für das Kalenderjahr 2010 gekommen ist, zumal in der folgenden Zeile „Einleitung Strafverfahren“ das Datum „01.09.2014“ genannt wird. Aus der aus der tabellarischen Berechnungsdarstellung ersichtlichen zeitlichen Reihenfolge erschließt sich nicht, inwiefern es nicht mehr zu einer verkürzten Festsetzung gekommen sein soll, weil „die Unrichtigkeit der Angaben rechtzeitig erkannt wurde“.

23

3. Die aufgezeigten Mängel, die einer Wirksamkeit der Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch entgegenstehen, führen zur Aufhebung des gesamten Urteils mit Ausnahme der nicht von der Revision angegriffenen Feststellungen zu Fall 4 und des insoweit ergangenen Schuldspruchs.

III.

24

Der Senat merkt ergänzend und im Hinblick auf die erneute Durchführung der Hauptverhandlung und Entscheidung folgendes an:

25

1. Die im Urteil vorgenommene Beweiswürdigung ist in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft:

26

a) Die Voraussetzungen für die Schätzung der von dem Angeklagten tatsächlich aufgewendeten „Schwarzlöhne“, die das Amtsgericht seiner Ermittlung der „tatsächlich angefallenen“ Betriebsausgaben (UA S. 8) zu Grunde gelegt hat, sind vorliegend nicht dargetan.

27

aa) Zwar ist anerkannt, dass tatgerichtliche Feststellungen auf tragfähige Schätzgrundlagen gestützt werden dürfen, sofern für eine annähernd genaue Berechnung aussagekräftige Beweismittel – insbesondere Belege und Aufzeichnungen – fehlen, die Schätzung anhand tragfähiger Parameter erfolgt und deren Grundlagen im tatrichterlichen Urteil für das Revisionsgericht nachvollziehbar dargestellt werden, wobei im Rahmen der Gesamtwürdigung des Schätzergebnisses der Zweifelssatz zu beachten ist (BGH, Beschluss vom 10. November 2009, Az.: 1 StR 283/09, Rn. 12, juris). Liegen keine hinreichend verlässlichen Anknüpfungstatsachen für die nähere Bestimmung der Bemessungsgrundlagen vor, kann eine durchschnittliche, an Wahrscheinlichkeitskriterien ausgerichtete Schätzung erfolgen (BGH a.a.O., Rn. 19). Namentlich ist die Schätzung der Lohnsumme unter Anwendung eines Prozentsatzes bezogen auf den Nettoumsatz eines Unternehmens dann zulässig, wenn keine anderweitig verlässlichen Beweismittel zur Verfügung stehen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand und ohne nennenswertem zusätzlichem Erkenntnisgewinn zu beschaffen sind (Joecks/Jäger/Randt § 370 Rn. 81 m.w.N.). Auch wenn der BGH im Einzelfall bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen zur Berechnung hinterzogener Lohnsteuer und vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge im Bereich des Baugewerbes „eine Schätzung des Tatgerichts, das die Nettolohnsumme bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen mit zwei Dritteln des Nettoumsatzes bemisst, für wirtschaftlich vernünftig und möglich“ hält, so betont er zugleich, dass „bei der Ermittlung der Schwarzlohnsumme […] nicht vorschnell auf eine Schätzung der Lohnquote in Form eines Anteils an der Nettolohnsumme ausgewichen werden (darf), wenn eine tatsachenfundierte Berechnung anhand der bereits vorliegenden und der erhebbaren Beweismittel möglich erscheint“ (BGH a.a.O., Rn. 24, 27).

28

bb) Das Amtsgericht hat die Einlassung des Angeklagten, „seine Aufwendungen für Löhne – einschließlich der Schwarzlöhne – hätten geschätzt bei 2/3 seiner Nettoumsätze gelegen“ (UA S. 7) für glaubhaft gehalten. Zur Begründung hat es lediglich ausgeführt, dass die Schätzung des Angeklagten als „realistisch (erscheint)“. Anhaltspunkte dafür, warum dies so sei, führt das Amtsgericht nicht an. Stattdessen begnügt es sich mit einer bloßen Plausibilitätsbehauptung. Namentlich lässt das Urteil eine Auseinandersetzung mit der Relation zwischen dem von dem Amtsgericht angenommenen zu versteuernden Einkünften bzw. Gewinn und dem – nicht festgestellten – Aufwand für die Lebensführung des Angeklagten in den fraglichen Veranlagungszeiträumen und weiteren, für die Schätzung geeigneten Anhaltspunkten vermissen. Bereits aus dem Aufwand für die Lebensführung kann im Vergleich zu den erklärten Einkünften häufig auf einen Mindestbetrag geschlossen werden, den der Angeklagte der Besteuerung hinterzogen haben muss (vgl. hierzu Joecks/Jäger/Randt a.a.O., Rn. 83).S

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b) Schließlich ist die Beweiswürdigung lückenhaft, weil lediglich pauschal festgestellt wird, dass die „Einzelheiten der Feststellungen zu den Steuererklärungen des Angeklagten […] sich aus den entsprechenden Urkunden ergeben“. Nicht dargelegt ist indes, welche Schriftstücke im Einzelnen verlesen worden sind, so dass eine ausreichende Überprüfung des gefundenen Ergebnisses durch das Revisionsgericht nicht ermöglicht wird (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Mai 2017, Az.: 2 Rev 23/17; MüKoStPO/Wenske § 267 Rn. 264 m.w.N.). Der Umstand, dass der Angeklagte „die Taten – wie festgestellt – vollumfänglich und glaubhaft eingeräumt“ hat (UA S. 7), lässt schon deswegen keine andere Bewertung zu, da die – von dem Angeklagten wohl kaum zuverlässig erinnerten – steuerrechtlich relevanten Einzelheiten offenkundig nicht Teil seiner Einlassung waren.

30

2. Nach der Rechtsprechung des BGH wirken sich als Betriebsausgaben nicht berücksichtigungsfähige Schwarzlohnzahlungen, die durch Vorlage von Scheinrechnungen verschleiert werden, wegen des Kompensationsverbotes gemäß § 370 Abs. 4 S. 3 AO nicht auf den Schuldumfang aus. Soweit aber durch die Scheinrechnungen tatsächlich entstandene Betriebsausgaben abgedeckt werden, ist dies als mildernder Umstand auf der Strafzumessungsebene berücksichtigungsfähig (BGH, Beschluss vom 12. September 1990, Az.: 3 StR 188/90, Leitsatz; Urteil vom 17. März 2005, Az.: 5 StR 461/04, Rn. 11, juris; vgl. Kohlmann/Ransiek § 370 Rn. 525). Letzteres gilt vorliegend jedoch nicht für die Zahlungen, die der Angeklagte an eine bislang nicht identifizierte Person für die Scheinrechnungen sowie Quittungen über die angebliche Barzahlung der Rechnungen geleistet haben will. Es handelt sich nicht um Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG. Weder hängen diese Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammen noch sind sie subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt (vgl. BFH, Beschluss vom 21. November 1983, Az.: GrS 2/82, NJW 1984, 1054). Die genannten unechten Urkunden kaufte der Angeklagte an, um damit das Finanzamt bei der Festsetzung des zu versteuernden Einkommens täuschen zu können. Die darin liegende Straftat unterbricht den betrieblichen Zusammenhang, da die dadurch verursachten Kosten nicht mehr im Rahmen betriebstypischer Tätigkeiten angefallen sind (vgl. Bode in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, § 4 EStG Rn. 5).

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