Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 5 U 37/10
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.03.2010 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 9 O 250/08 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000,00 € zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, welche aus der fehlerhaften Behandlung im Februar 2004 resultieren und soweit der Kläger sie nicht mit den Anträgen zu 1) a) und b) gesondert geltend macht, zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind bzw. übergehen werden.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Der 1954 geborene Kläger nimmt die Beklagte, die als Fachärztin für Orthopädie niedergelassen ist, auf Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch wegen angeblich fehlerhafter und mangels ausreichender Aufklärung rechtswidriger ärztlicher Behandlung im Februar 2004.
4Der Kläger litt seit Jahren an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit tiefen Rückenschmerzen, die von der Beklagten konservativ behandelt wurden. Ende 2003 hatte der Kläger ein akutes Ereignis, nach dem er erstmalig neben Rückenschmerzen auch Schmerzen im linken Bein hatte. Die radiologische Diagnostik zeigt Protusionen der Bandscheiben L3/4 sowie L5/S1 und einen Bandscheibenvorfall L4/5. Nachdem eine konservative Akuttherapie durch die Beklagte ohne durchgreifenden Erfolg blieb, führte die Beklagte beim Kläger am 17.02.2004 in der radiologischen Praxis des Streithelfers mit dessen Beistand eine CT-gesteuerte periradikuläre Lumbalinfiltration im Segment S1 durch. In der Praxis des Streithelfers erhielt der Kläger vor der Behandlung einen von dem Streithelfer entwickelten und von ihm unterschriebenen Aufklärungsbogen, mit dem der Kläger über den Eingriff und dessen Risiken aufgeklärt wurde. Wegen der darin enthaltenen Angaben im Einzelnen wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 27 GA) Bezug genommen. Unmittelbar nach der Injektion trat ein inkomplettes Querschnittssyndrom mit hochgradiger Caudalähmung, Paraplegie der Beine und Verlust der Blasen- und Mastdarmfunktion ein. Nach Erstversorgung im Malteser-Krankenhaus in C. wurde der Kläger noch am 17.02.2004 in die Neurochirurgie der Universitätsklinik C. verlegt. Bei Aufnahme fand sich eine schlaffe Parese beider Beine mit schwachen Hüftbeugern und Kniestreckern. Für Fußheber bzw. -senker fand sich ein vollständiger Kraftverlust. Unterhalb von L3 bestand eine ausgeprägte Hypästhesie, die ab S1 in einen vollständigen Sensibilitätsverlust überging. Der Analsphinkter-Tonus war schwach, die Blasenkontrolle vollständig aufgehoben. Die zunächst bestehende Harninkontinenz änderte sich im Verlauf zu einem Harnverhalt, weshalb der Kläger sich nun in intermittierenden Abständen einmalkatheterisieren muss. Eine Stuhlinkontinenz wurde im November 2007 durch einen doppelläufigen Anus praeter sigmoidalis behandelt. Die Ursache für die Lähmung ist ungeklärt. Nach mehreren stationären Rehabilitationsaufenthalten und ambulanter Krankengymnastik verbesserte sich der Zustand des Klägers, so dass er ab April 2006 wieder in seinen zuvor ausgeübten Beruf als Bankkaufmann und Filialleiter zurückkehren konnte. Der Kläger ist nur für wenige Schritte am Rollator gehfähig und ansonsten auf einen Rollstuhl angewiesen. Aufgrund seines ganztätigen Sitzens im Rollstuhl leidet der Kläger an Schmerzen im lumbosakralen Übergang. Der Kläger ist mit den Merkzeichen G, aG und B zu 100 % schwerbehindert. Die Voraussetzungen für den Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente liegen vor. Sie wird vom Kläger jedoch nicht beansprucht.
5Der Kläger hat der Beklagten Behandlungsfehler und – gestützt auf Gutachten und Bescheide der Gutachterkommission – insbesondere Aufklärungsmängel vorgeworfen, weil er bei der seiner Meinung nach im Übrigen zu späten Aufklärung - unstreitig – über das Risiko einer Querschnittslähmung nicht aufgeklärt worden sei. Infolge der durch die CT-gesteuerte Lumbalinfiltration entstandene Querschnittslähmung sei er in seiner privaten und beruflichen Tätigkeit ganz erheblich eingeschränkt. Er ist der Auffassung gewesen, die Beklagte schulde ihm ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 150.000,00 € und in jeweils näher bezifferter Höhe - für die Zukunft als vierteljährlich zu zahlende Rente - Ersatz von Verdienstausfall und des Haushaltsführungsschadens seines Einpersonenhaushalts, Ersatz des Mehraufwands für Pflege, Ersatz von Fahrtkosten, eine Schadensersatzpauschale und Ersatz näher bezeichneter weiterer materieller Schäden sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Zudem sei die Beklagte zum Ersatz sämtlicher künftiger materieller und immaterieller Schäden verpflichtet, die ihm aus der fehlerhaften und rechtswidrigen Behandlung entstanden seien und entstehen würden, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen seien oder übergehen würden.
6Die Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers dem Grunde und der Höhe nach entgegengetreten und hat Klageabweisung beantragt. Sie hat sich insbesondere darauf berufen, dass ihr nicht bekannt gewesen sei und auch nicht hätte bekannt sein müssen, dass bei der durchgeführten Behandlung das Risiko einer Querschnittslähmung bestehe. Außerdem hat sie darauf verwiesen, dass absprachegemäß der Streithelfer die Aufklärung durchgeführt habe.
7Wegen der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 277 - 283 GA) Bezug genommen, wegen der Einzelheiten der vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche ergänzend auf die Ausführungen in der Klageschrift vom 07.07.2008 (Bl. 1 ff., 14 ff. GA) und im Schriftsatz vom19.08.2010 (Bl. 424 ff. GA).
8Nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen fachorthopädischen Gutachtens der Sachverständigen Prof. Dr. L./Dr. T. vom 15.04.2009 (Bl. 195 ff. GA) und Anhörung des Sachverständigen Dr. T. im Termin vom 03.02.2010 (Bl. 247 ff. GA) hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Behandlungsfehler seien nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erwiesen. Über das Risiko einer möglichen Querschnittslähmung habe nicht aufgeklärt werden müssen, da es sich nach den Feststellungen der Sachverständigen nicht um ein spezifisches Risiko des Eingriffs handele. Jedenfalls habe die Beklagte nicht schuldhaft etwaige Aufklärungspflichten verletzt, weil das Risiko einer Querschnittslähmung nach der Beurteilung des Sachverständigen Dr. T. zum damaligen Zeitpunkt der Beklagten nicht hätte bekannt sein müssen. Die erst am Tag des Eingriffs erfolgte Aufklärung führe ebenfalls nicht zu einer Haftung der Beklagten, weil der Kläger schon nicht dargelegt habe, dass er in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre, wenn ihm die Risiken, so wie im Aufklärungsbogen dargestellt, rechtzeitig verdeutlicht worden wären.
9Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen die Entscheidung des Landgerichts, soweit es eine Haftung wegen Aufklärungsmängel verneint hat. Die Feststellungen des Landgerichts zur Nichterweislichkeit eines Behandlungsfehlers greift er nicht an.
10Er meint, das Landgericht habe sich nicht in ausreichendem Maße mit den Beurteilungen von Prof. Dr. M. gemäß seinem für die Gutachterkommission erstatteten Gutachten vom 09.06.2005 (Bl. 38 ff. GA) und vom 24.01.2007 (Bl. 342 ff. GA) und der Gutachterkommission gemäß ihren Bescheiden vom 27.06.2007 (Bl. 32 ff. GA) und vom 19.06.2006 (Bl. 84 ff. GA) auseinandergesetzt, die im Gegensatz zu dem gerichtlichen Gutachter einen Aufklärungsmangel bejaht hätten. Die Begründung zum fehlenden Fahrlässigkeitsvorwurf habe das Landgericht ebenfalls fehlerhaft auf die gutachterlichen Ausführungen des Dr. T. gestützt. Der Sachverständige habe nämlich gerade nicht angegeben, dass das Komplikationsrisiko im Behandlungszeitraum weder publiziert noch diskutiert worden sei. Vielmehr habe der Sachverständige insoweit weiteren Aufklärungsbedarf gesehen, weil er nochmals in die Literaturdatenbank hätte sehen müssen, wann und wo die von ihm aufgeführten Einzelfälle beschrieben worden seien. Da der Sachverständige zudem ausgeführt habe, dass seit fünf oder zehn Jahren zunehmend vergleichbare Fälle veröffentlicht würden, sei die Feststellung des Landgerichts, das Komplikationsrisiko sei in Fachkreisen nicht bekannt gewesen, nicht korrekt. Er meint ferner, das Landgericht habe bei seiner Entscheidung die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Darlegung eines Entscheidungskonflikts außer Acht gelassen, insbesondere, dass es bei einem nicht rechtzeitig geführten Aufklärungsgespräch seitens des Patienten wegen der hier greifenden Lebenserfahrung keines näheren Vortrags dazu bedarf, dass er in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre. Gleichermaßen habe das Landgericht die Grundsätze über den Umfang der Aufklärungspflicht nicht beachtet. So sei nicht berücksichtigt, dass der Eingriff nicht notwendig gewesen sei und das hier realisierte Risiko nicht ganz unwahrscheinlich und zudem durch den Wortlaut des Aufklärungsbogens, der nur kurzfristige Taubheitsgefühle oder Schwäche erwähne, verharmlost worden sei. Nach den Erläuterungen des Sachverständigen könne auch keine Rede von "Einzelfällen" sein, wenn derartige "Einzelfälle" seit fünf oder zehn Jahren zunehmend beschrieben würden. Die Antwort auf eine Quantifizierung und dem erstmaligen Auftreten solcher Fälle sei der Sachverständige indes schuldig geblieben. Außerdem sei bereits bei einer nur ganz geringen Komplikationsdichte von z.B. 0,02 % über das Risiko aufzuklären. Nicht erforderlich sei ferner, dass die Ursachen für die Querschnittsymptomatik bekannt seien; dies führe vielmehr dazu, dass über dieses Risiko zwingend aufgeklärt werden müsse. Schließlich sei das Gutachten ungenügend i.S.d. § 412 ZPO, weil der Sachverständige zur Beurteilung nur neuere Literatur ab dem Jahr 2008 herangezogen habe, obwohl bekannt gewesen sei, dass sich der Vorfall im Jahre 2004 zugetragen habe.
11Nachdem der Senat durch Beschluss vom 09.06.2010 (Bl. 348 ff. GA) darauf hingewiesen hat, dass er beabsichtige, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO aus den im wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen, hat der Kläger ein weiteres Gutachten von Prof. Dr. M. vom 22.06.2010 (Bl. 361 ff. GA) vorgelegt, in dem dieser im Ergebnis festhielt, dass das im vorliegenden Fall eingetretene Risiko einer dauerhaften Lähmung zum Zeitpunkt des Eingriffs aufklärungspflichtig gewesen sei, da dies bereits Eingang in die medizinische Literatur gefunden habe. Dazu verwies Prof. Dr. M. darauf, dass bereits im Jahre 2002 Autoren in der amerikanischen Zeitschrift U. K. über das sehr seltene Risiko einer vaskulär bedingten Paraplegie nach lumbosakraler Nervenwurzelblockade hingewiesen und 3 Fälle beschrieben hätten. Ferner hat der Kläger zwei Aufklärungsbögen der Fa. E. über "Injektionen zur Schmerzbehandlung – in die Nervenwurzeln (periradikuläre Therapie, PRT) – in die Wirbelgelenke (Facettenblockade, FB) unter bildgebenden Verfahren" aus den Jahren 2002 und 2004 vorgelegt, in denen es jeweils in dem Abschnitt: "Mögliche Komplikationen und Nebenwirkungen" u.a. mit Fettdruck heißt: "Bleibende Lähmungen (im äußersten Fall Querschnittslähmung) als Folge von Blutergüssen, Entzündungen oder Nervverletzungen sind extrem selten." Gestützt darauf meint der Kläger, dass das Lähmungsrisiko im Jahre 2004 bekannt und aufklärungspflichtig gewesen sei.
12Der Kläger beantragt,
13das Urteil des Landgerichts Bonn vom 10.03.2010 - 9 O 250/08 – abzuändern und
141. die Beklagte zu verurteilen, an ihn zu zahlen
15a) 134.172,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.07.2008,
16b) 4.797,57 € vierteljährlich im Voraus, beginnend ab dem 01.06.2008, zahlbar jeweils bis zum 5. Werktag eines jeden Kalendervierteljahres,
17c) ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, mindestens jedoch 150.000,00 €;
182. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm alle weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, welche aus der fehlerhaften Behandlung im Februar 2004 resultieren, zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind bzw. übergehen werden;
193. die Beklagte zu verurteilen, ihn freizustellen von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte R. & Partner, N-Str. XX, YYYYY Z., aus der Kostennote vom 04.07.2008 in Höhe von 6.311,76 € nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 30.07.2008.
20Die Beklagte und der Streithelfer beantragen,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Die Beklagte und der Streithelfer, der im Berufungsverfahren dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten ist, verteidigen das angefochtene Urteil und treten den Ausführungen des Klägers entgegen.
23Sie meinen insbesondere, dass auch unter Berücksichtigung der Ausführungen von Prof. Dr. M. das mögliche Auftreten eines (hier) inkompletten Querschnittssyndroms als nicht spezifisches und typisches Risiko des Eingriffs schon nicht aufklärungsbedürftig gewesen sei, sondern lediglich ein theoretisches Risiko darstelle, das für die Entscheidungsfindung des Klägers ebenso wenig von Bedeutung gewesen sei, wie allgemeine Überlegungen dazu, dass der Eintritt bislang unbekannter Komplikationen in der Medizin nie ganz auszuschließen sei. Der Beklagten als niedergelassener Fachärztin für Orthopädie könne im Übrigen ein Aufklärungsversäumnis nicht vorgeworfen werden, da das hier verwirklichte Risiko nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, aber auch nach Prof. Dr. M. weder in einschlägigen Lehrbüchern erwähnt noch auf Fachtagungen oder Fachkongressen diskutiert worden sei. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, allein im amerikanischen Raum veröffentlichte Publikationen zur Kenntnis zu nehmen. Die vom Kläger vorgelegten Aufklärungsbögen seien ohne Bedeutung, da es sich nicht um fachmedizinische Äußerungen handele und es sich ersichtlichermaßen um überobligationsmäßige Anforderungen an die Aufklärungspflicht handele, die nicht dem fachmedizinischen Standard entsprächen. Schließlich wiederholen und vertiefen sie den Einwand der hypothetischen Einwilligung.
24Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
25II.
26Die zulässige Berufung des Klägers hat insoweit Erfolg, als sie zu einer Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach sowie zur Zahlung eines Schmerzensgeldes und zur Feststellung ihrer Ersatzpflicht für weitere, noch nicht im Wege der Leistungsklage geltend gemachte materielle und immaterielle Schäden führt. Wegen der streitgegenständlichen sonstigen materiellen Ansprüche ist der Rechtsstreit noch nicht endentscheidungsreif.
27Der Beklagte haftet dem Kläger jedenfalls gemäß §§ 280 Abs. 1, 278, 253 Abs. 2 BGB wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken der am 17.02.2004 durchgeführten CT-gesteuerten periradikulären Lumbalinfiltration unter dem Gesichtspunkt der eigenmächtigen Behandlung, die dann anzunehmen ist, wenn die Einwilligung des Patienten in die Behandlungsmaßnahmen nicht von einer ordnungsgemäßen Risikoaufklärung getragen ist. Das war hier der Fall, weil der Kläger vor der am 17.02.2004 durchgeführten CT-gesteuerten periradikulären Lumbalinfiltration über das Risiko einer Querschnittslähmung unstreitig nicht aufgeklärt worden ist. Damit war seine Einwilligung in den Eingriff unwirksam, so dass die Beklagte der Vorwurf einer rechtwidrigen und schuldhaften Pflichtverletzung im Rahmen des Behandlungsvertrages trifft.
28Ärztliche Heileingriffe bedürfen grundsätzlich der Einwilligung des Patienten, um rechtmäßig zu sein. Nur so wird sein Selbstbestimmungsrecht und sein Recht auf körperliche Unversehrtheit gewahrt. Diese Einwilligung kann wirksam nur erteilt werden, wenn der Patient "im Großen und Ganzen" weiß, worin er einwilligt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und dessen nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dem Patienten muss eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern (vgl. BGHZ 90, 103 ff.; BGHZ 144, 1 ff.; BGH VersR 2010, 1220 f.; BGH, Urteil vom 19.10.2010 – VI ZR 241/09 -). Die Notwendigkeit zur Aufklärung hängt bei einem spezifisch mit der Therapie verbundenen Risiko nicht davon ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben kann. Bei einer möglichen besonders schweren Belastung für seine Lebensführung ist deshalb die Information über ein Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht (vgl. BGH a.a.O.). Die Haftung aus verletzter Aufklärungspflicht setzt weiter voraus, dass das Risiko nach damaliger medizinischer Erfahrung bekannt war bzw. den behandelnden Ärzten hätte bekannt sein müssen. Ist ein Risiko im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannt, besteht keine Aufklärungspflicht. Ist es dem behandelnden Arzt nicht bekannt und muss es ihm auch nicht bekannt sein, etwa weil es nur in anderen Spezialgebieten der medizinischen Wissenschaft diskutiert wird, entfällt eine Haftung des Arztes ebenfalls mangels Verschuldens (vgl. BGH VersR 1990, 522 f.; BGH VersR 1996, 233; BGH VersR 2010, 1220 f.; BGH, Urteil vom 19.10.2010 – VI ZR 241/09 -; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Auflage, C Rn. 46; Laufs/Katzenmeier/Lipp-Katzenmeier, Arztrecht, 6. Auflage, V B Rn. 24). Zudem sind in aller Regel rein theoretisch bleibende Erörterungen über Risiken, die bei anderer Behandlungsstrategie bekannt sind, für die Entscheidungsfindung des Patienten ebenso wenig von Bedeutung wie allgemeine Überlegungen dazu, dass der Eintritt bislang unbekannter Komplikationen in der Medizin wohl nicht ganz auszuschließen ist (vgl. BGH VersR 2010, 1220 f.; BGH, Urteil vom 19.10.2010 – VI ZR 241/09 – m.w.N.).
29Gemessen daran kann zwar dahinstehen, ob über das Risiko einer nicht nur kurzfristigen, sondern dauerhaften Lähmung, wie sie hier eingetreten ist, als spezifisches (vgl. BGHZ 166, 336 ff. m.w.N.) Risiko der hier erfolgten CT-gesteuerten periradikulären Lumbalinfiltration grundsätzlich hätte aufgeklärt werden müssen. Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 09.06.2010 (Bl. 348 ff. GA) ausgeführt, war nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts das Risiko einer solchen dauerhaften Lähmung nämlich nicht bekannt und musste der Beklagten auch nicht bekannt sein. Der Sachverständige Dr. T. hat bei seiner Anhörung im Termin vom 03.02.2010 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass das Risiko der Entstehung einer Querschnittssymptomatik bei Behandlungen der hier in Rede stehenden Art in fachärztlichen Kreisen nicht, jedenfalls nicht als spezifisches Risiko bekannt war. Dazu hat er ausgeführt, dass nach seiner Internetrecherche seit fünf oder zehn Jahren in der veröffentlichten Literatur zwar zunehmend über Fälle berichtet worden sei, in denen es nach Infiltrationen am Rücken zu einer nachfolgenden Querschnittssymptomatik gekommen sei. Allerdings habe in Facharztkreisen, auch an dem Universitätsklinikum in F., an dem der Sachverständige tätig ist, ein entsprechendes Risikobewusstsein nicht bestanden, die Problematik sei auch nicht Thema etwa auf Fachkongressen gewesen und bei der Erörterung dieses Falles im Kollegenkreise überrascht zur Kenntnis genommen worden. Dazu passt, dass nach den weiteren Erläuterungen des Sachverständigen bei seiner Anhörung und auch im schriftlichen Gutachten die Ursachen der Entstehung der Querschnittssymptomatik und der Pathomechanismus bei – wie hier - korrekter Lage der Nadel nur spekulativ und medizinisch wissenschaftlich nicht erklärbar sind. Demzufolge musste auch die Beklagte nicht davon ausgehen, dass es sich bei der Entstehung einer dauerhaften Querschnittssymptomatik nach einer CT-gesteuerten Lumbalinfiltration, wie sie hier ohne erkennbare Ursache eingetreten ist, um ein aufklärungspflichtiges spezifisches Risiko der Behandlung handelte.
30Das führt indes nicht zu einem Wegfall der Haftung der Beklagten.
31Unter Schutzzweckgesichtspunkten kann es zwar in den Fällen, in denen sich nur ein nicht aufklärungspflichtiges Risiko verwirklicht hat, gelegentlich zu einem Wegfall der Haftung des Arztes kommen. In Betracht kommen aber lediglich solche Fälle, in denen der innere Zusammenhang zwischen dem Schaden und der Zielrichtung der verletzten Aufklärungspflicht fehlt, die Entscheidungsfreiheit des Patienten über seine körperliche Integrität zu schützen. Ein Haftungswegfall kommt aber nie in Betracht, wenn der Patient nicht wenigstens eine Grundaufklärung über Art und Schwere des Eingriffs erhalten hat. Eine ausreichende Grundaufklärung ist in aller Regel aber nur dann erfolgt, wenn der Patient auch einen Hinweis auf das schwerste, möglicherweise in Betracht kommende Risiko erhalten hat. Fehlt es daran, ist das Selbstbestimmungsrecht des Patienten genauso tangiert, als wenn der Arzt den Eingriff vorgenommen hätte, ohne den Patienten um seine Zustimmung zu fragen (vgl. BGH VersR 1991, 777 ff.). Der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Körper- und Gesundheitsschaden des Patienten und dem Aufklärungsmangel entfällt bei wertender Betrachtung der Umstände des Einzelfalles damit nur dann, wenn das nicht aufklärungspflichtige Risiko nach Bedeutung und Auswirkung für den Patienten nur den mitzuteilenden Risiken nicht vergleichbar ist und wenn der Patient wenigstens über den allgemeinen Schweregrad des Eingriffs informiert war; es beeinträchtigt auch nicht den Zurechnungszusammenhang, wenn sich das aufklärungspflichtige, aber verschwiegene Risiko in einer Form verwirklicht hat, mit der nicht zu rechnen und die dem Patienten deshalb so nicht darzustellen war (vgl. BGHZ 106, 391 ff.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 11. Auflage, Rn. 534 ff.). Das gilt nach Ansicht des Senats auch in den Fällen wie hier, in denen die unterbliebene Aufklärung mangels Kenntnis des spezifischen Risikos nicht zurechenbar ist; die Interessenlage und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist in beiden Fällen gleichermaßen tangiert.
32An der erforderlichen Grundaufklärung fehlt es hier. Denn ausweislich der vom Kläger vorgelegten E.-Aufklärungsbögen bestand auch bei der hier durchgeführten Behandlung bekanntermaßen und von der Beklagten unbestritten das spezifische Risiko einer dauerhaften Lähmung als Folge von Blutergüssen, Entzündungen oder Nervverletzungen, wie es allgemein und nicht nur theoretisch nach wirbelsäulennahen Injektionen nicht auszuschließen ist, auch wenn der Mechanismus unterschiedliche Ursachen haben kann (vgl. dazu auch die Ausführungen des BGH in seiner Entscheidung vom 06.07.2010 - VI ZR 198/09 – zu Rn. 15 f., VersR 2010, 1220 f.). Dementsprechend hat der Sachverständige Dr. T. in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht plausibel erläutert, dass grundsätzlich alle Strukturen der Wirbelsäule äußerst sensibel seien, auch bei Infiltrationsbehandlungen. Es könne dort also immer "etwas Schlimmeres" passieren. Man habe zwar erwartet, dass mit der Einführung der so genannten CT-gesteuerten Infiltration eine erhöhte Sicherheit verbunden sei, weil unter den Einzelbildaufnahmen das Setzen der Nadel dreidimensional zu sehen sei. Andererseits blieben jedoch immer noch die Fragen, ob die Nadel richtig gesetzt sei oder was im Rahmen der Applikation des Medikaments geschehe. Die in den E.-Aufklärungsbögen als mögliche Komplikation und Nebenwirkung angeführte bleibende Lähmung (im äußersten Fall Querschnittslähmung) als Folge von Blutergüssen, schweren Infektionen im Bereich des Stichkanals oder Nervverletzungen sind daher durchaus nachvollziehbar. Auch ist dem in Spezialzuständigkeit ständig mit Arzthaftungssachen befassten Senat bekannt, dass etwa kleinere Gefäße auch unter CT-Bildgebung nicht (immer) zu sehen sind, so dass Verletzungen solcher Gefäße mit der Folge von Blutungen und Hämatomen auch bei CT-gesteuerten Lumbalinfiltrationen durchaus und nicht nur theoretisch im Bereich des Möglichen liegen. Aufgrund allgemeiner anatomischer Kenntnisse und Erwägungen hätte dies auch der Beklagten klar sein müssen. Ohne überzogene Anforderungen an die Aufklärungspflicht zu stellen, wäre der Kläger deshalb im Rahmen der Grundaufklärung über das Risiko des zwar äußerst seltenen, aber eingriffstypischen und, wenn es eintritt, den Patienten sehr belastenden Risikos einer dauerhaften Lähmung infolge der bekannten Ursachen wie Blutergüsse, schwere Infektionen im Bereich des Stichkanals oder Nervverletzungen aufzuklären gewesen. Zumindest war der Kläger darauf hinzuweisen, dass es unter Umständen zu schwerwiegenden dauerhaften Lähmungen infolge des Eingriffs kommen könne. Es war deshalb unzureichend, wenn die Beklagte bzw. der Streithelfer den Kläger vor dem Eingriff anhand des überreichten Aufklärungsbogens nur auf die Möglichkeit von "kurzfristig(em) Taubheitsgefühl" oder "Schwäche im Bein" sowie "Veränderungen, die als Folge einer Infektion bei Punktion auftreten können" (vgl. den Aufklärungsbogen, Bl. 27 GA), hingewiesen hatte (vgl. BGH VersR 1991, 777 ff.; BGHZ 106, 391 ff.). Unter diesen Umständen spielt es auch keine Rolle, dass sich hier nicht das aufklärungspflichtige Risiko infolge der bekannten und vorstehend genannten Ursachen verwirklicht hat, sondern ein unbekanntes Risiko, das aber für den Patienten ganz ähnliche Folgen hatte.
33Die Ansicht der Beklagten, da der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 06.07.2010 – VI ZR 198/09 – (VersR VersR 2010, 1220 f.) und vom 19.10.2010 – VI ZR 241/09 – die Überlegungen bzw. in früheren Entscheidungen postulierten Grundsätze zur Grundaufklärung nicht aufgegriffen habe, bestehe Anlass zu der Annahme, der Bundesgerichtshof wolle diese Grundsätze nicht mehr aufrechterhalten, vermag der Senat nicht zu teilen. Im Gegenteil ist der Bundesgerichtshof in beiden Entscheidungen gleichermaßen im Ansatz und gestützt auf seine ständige einschlägige Rechtsprechung von den Grundsätzen zum Umfang der Aufklärungspflicht ausgegangen, auch von denen zur Grundaufklärung (Aufklärung "im Großen und Ganzen"). Darüber hinaus ist der Entscheidung vom 19.10.2010 nicht zu entnehmen, ob in diesem Fall überhaupt Mängel der Grundaufklärung vorgelegen haben. Soweit der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 06.07.2010 in der Subsumtion nicht zwischen der Grundaufklärung und der Aufklärung über (sonstige) spezifische Risiken des Eingriffs differenziert, kann daraus nicht abgeleitet werden, der Bundesgerichtshof wolle von seiner bisherigen Rechtsprechung zur Grundaufklärung und den damit zusammenhängenden – hier entscheidenden – Fragen zum Zurechnungszusammenhang Abstand nehmen. Der Senat verkennt ferner nicht, dass Ziel der Aufklärung nicht die Darstellung aller nur denkbaren Komplikationen ist. Aufzuklären ist aber – wie die Beklagte selbst einräumt – über solche Risiken, die zum Zeitpunkt der Aufklärung realistisch eintreten können. Das ist freilich bei dem Risiko einer dauerhaften Lähmung infolge von Blutergüssen, schweren Infektionen im Bereich des Stichkanals oder Nervverletzungen aus den zuvor dargelegten Gründen der Fall. Insoweit sieht der Senat auch keinen weiteren Aufklärungsbedarf.
34Für die unzureichende (Grund-)Aufklärung haftet die Beklagte, auch wenn der Streithelfer nach Absprache die Aufklärung gegenüber den Patienten und hier auch dem Kläger übernommen hatte bzw. die Beklagte davon ausgegangen sein sollte. Denn aufkärungspflichtig ist jeder Arzt für die Behandlungsaufgabe, die er durchführt. Zwar kann die Aufklärung einem anderen Arzt übertragen werden, den dann die Haftung für Aufklärungsversäumnisse in erster Linie trifft (vgl. Steffen/Pauge, a.a.O., Rn. 505 m.w.N.). Das entlastet den Behandler jedoch nicht von der vertraglichen Haftung (§ 278 BGB) und deliktisch auch nur, wenn klare, stichprobenweise kontrollierte Organisationsanweisungen bestehen und auch kein konkreter Anlass zu Zweifeln an der Eignung und Zuverlässigkeit des eingeschalteten Arztes bestehen (vgl. Steffen/Pauge, a.a.O., Rn. 506 m.w.N.). Auch wenn letzteres im Verhältnis der Beklagten und des Streithelfers gegeben sein mag, bleibt es dennoch bei einer vertraglichen Haftung der Beklagten.
35Der Eingriff ist schließlich nicht nach den Grundsätzen über eine hypothetische Einwilligung gedeckt. Die Beklagte ist für diesen Einwand beweisbelastet, weil der Kläger zur Überzeugung des Senats plausibel gemacht hat, dass er, wären ihm rechtzeitig die schweren Risiken der Behandlung verdeutlicht worden, jedenfalls vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte. An die Substantiierungspflicht zur Darlegung eines solchen Konflikts dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Bei dem Einwand muss nämlich beachtet werden, dass einerseits das Aufklärungsrecht des Patienten nicht unterlaufen wird und dass andererseits die Darlegung eines echten Entscheidungskonflikts durch den Patienten gefordert wird, um einem Missbrauch des Aufklärungsrechts allein für Haftungszwecke vorzubeugen (vgl. BGH NJW 2007, 2771 ff.). Ist daher nicht auszuschließen, dass sich der Patient unter Berücksichtigung des zu behandelnden Leidens und der Risiken, über die aufzuklären war, aus vielleicht nicht gerade "vernünftigen", aber durchaus nachvollziehbaren Gründen für eine Ablehnung der Behandlung entschieden haben könnte, kommt ein echter Entscheidungskonflikt in Betracht. Der Würdigung im Einzelfall ist eine vollständige Aufklärung des Klägers, wie sie nach den vorstehenden Ausführungen erforderlich war, zugrunde zu legen. Zu beachten ist dabei auch, dass der Eingriff nicht zwingend indiziert war, sondern zur Besserung seiner Beschwerden erfolgen sollte und dass deshalb dem Nutzen einer Leidenslinderung die, wenn auch äußerst seltenen, so doch aber ganz erheblichen Gefahren des Eingriffs hätten gegenüber gestellt werden müssen. Entscheidend ist, dass eine Konfliktlage zwischen dem Wunsch, die gegenwärtigen Beschwerden zu lindern, und der Gefahr, deshalb später erhebliche Gesundheitsschäden hinnehmen zu müssen, besteht und der Patient sich in diesem Konflikt eigenverantwortlich entscheiden muss. Es kommt also darauf an, ob der Kläger im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung ernsthaft vor etwa den Fragen gestanden hätte, sich der konkreten Behandlung bei der Beklagten zu unterziehen oder von einem Eingriff gänzlich oder in dieser Form Abstand zu nehmen. Davon geht der Senat nach Anhörung des Klägers aus. Der Kläger hat klar angegeben, dass er bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Behandlung nicht hätte durchführen lassen, dies auch in Kenntnis der Situation einer Rollstuhlfahrerin in seinem Bekanntenkreis. So verzweifelt sei seine Lage seinerzeit nicht gewesen. Ein Entscheidungskonflikt ist danach durchaus plausibel. Dafür, dass die Beklagte demgegenüber den ihr insoweit obliegenden Beweis einer hypothetischen Einwilligung durch vorhandene Beweismittel führen könnte, ist nichts ersichtlich.
36Dem Kläger steht für die Schäden und Beeinträchtigungen, die durch die am 17.02.2004 rechtswidrige CT-gesteuerte periradikuläre Lumbalinfiltration entstanden sind, ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000,00 € zu.
37Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu beachten. Insoweit kommt es entscheidend auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychische Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere von Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlungen, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden. Dabei muss die Entschädigung zu Art und Dauer der erlittenen Schäden in eine angemessene Beziehung gesetzt werden.
38Bei der Bemessung des Schmerzensgelds war danach insbesondere die schwer wiegende Behinderung zu berücksichtigen, die der Kläger, der wegen seiner Behinderungen in die Pflegestufe I eingestuft ist, nunmehr zeitlebens hinnehmen muss. Er leidet insoweit auch unter Schmerzen. Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung im Termin vom 03.02.2010 vor dem Landgericht angegeben, dass die Wahrscheinlichkeit einer Besserung mit zunehmendem Zeitablauf immer geringer werde, so dass inzwischen von einer Dauerschädigung auszugehen ist. Der Kläger war mehr als zwei Jahre arbeitsunfähig und musste sich zahlreichen Rehabilitationsmaßnahmen und regelmäßiger ambulanter Krankengymnastik unterziehen. Auch heute noch muss er regelmäßig in ambulante, einmal jährlich auch in stationäre Behandlung zu umfangreichen Kontrollen. Durch die Behinderung ist der Kläger auf Dauer rollstuhlpflichtig und benötigt für zahlreiche alltägliche Verrichtungen Hilfe. Das wiegt im Privatleben besonders schwer, weil der Kläger alleinstehend ist. In seinem gesamten Alltag muss er sich auf die Behinderung einstellen, wozu ein Umzug in eine behindertengerechte Wohnung zählt und insbesondere auch die ständige Katheterisierung und die Notwendigkeit der Darmentleerung sowie die tägliche Einnahme zahlreicher Medikamente. Des Weiteren ist zu erwarten, dass es wegen der mangelnden Mobilität zu weiteren ärztlichen Behandlungen, eventuell auch operativen Eingriffen kommen wird. Er ist nicht mehr in der Lage vollschichtig zu arbeiten. Seine Position als Filialleiter ist im Innenverhältnis auf einen jüngeren Kollegen übertragen. In Anbetracht der Schwere der durch die Behandlung entstandenen Beeinträchtigungen fällt hingegen die Vorschädigung der Wirbelsäule zugunsten der Beklagten nicht ins Gewicht, ebenso wenig wie zugunsten des Klägers in Anbetracht der nicht unkomplizierten Sach- und Rechtslage das Regulierungsverhalten der Beklagten schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen wäre. Nach einer zusammenfassenden Gesamtschau ist deshalb der Senat der Überzeugung, dass ein Schmerzensgeldbetrag von 200.000,00 € für die bisher eingetretenen und für die Zukunft bereits vorhersehbaren immateriellen Schäden des Klägers angemessen ist.
39Über die Leistungsklage hinaus ist im Rahmen des zulässigen Feststellungsbegehrens festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger auch zum Ersatz solcher immaterieller Schäden verpflichtet ist, die über das hinausgehen, was zum derzeitigen Zeitpunkt an Schadensfolgen für den Kläger bereits absehbar ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem Kläger künftig ersatzfähige Nachteile aus der Behandlung entstehen, für die die Beklagte einzustehen hat. Neben dem immateriellen Schaden schuldet die Beklagte ferner Ersatz der künftig noch entstehenden materiellen Schäden, soweit der Kläger sie nicht mit den Anträgen zu 1) a) und b) gesondert geltend gemacht hat, sie aber noch nicht entscheidungsreif sind. Wegen dieser nicht im Wege der Leistungsanträge geltend gemachten möglichen weiteren materiellen Schäden ist die Ersatzpflicht auf den Feststellungsantrag hin festzustellen.
40Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen des zuerkannten Schmerzensgeldbetrages ergibt sich aus §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.
41Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die entscheidungserheblichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Senat zugrunde gelegt hat, geklärt oder solche des Einzelfalls.
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