Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 11 U 86/21
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 12.04.2021 (32 O 304/20) abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Berufungsstreitwert wird auf 5.582,11 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin begehrt im Zuge des Diesel-Abgasskandals Schadenersatz von der Beklagten als Herstellerin des Motors ihres von privat im August 2015 gekauften Gebrauchtfahrzeugs. Die Klägerin hatte im Dezember 2018 ihre Ansprüche zur Musterfeststellungsklage gegen die Beklagte (4 MK 1/18) angemeldet und dabei in der Rubrik „Gegenstand und Grund“ zur Begründung ihres Anspruches in die elektronische Eingabemaske eingetragen:
4„Ich habe einen Diesel-Pkw (Euro 5) erworben, dessen Emmissionswerte nicht den vom Hersteller angegebenen entsprechen. Dadurch unterliegt mein PKW einem Wertverlust, weswegen ich gegen die [Beklagte] Klage einreiche.“
5Das Musterfeststellungsklageverfahren endete im Mai 2020. Die Klägerin hat mit am 04.11.2020 eingereichter Klage die Zahlung von Schadensersatz Zug-um-Zug gegen Übereignung des Wagens und Feststellung des Annahmeverzuges beantragt. Die Beklagte hat sich unter anderem mit der Einrede der Verjährung verteidigt.
6Das Landgericht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 7 ff. eAkte) im Wesentlichen antragsgemäß mit Abzügen nur im Hinblick auf anzurechnende Nutzungsentschädigung verurteilt, wogegen sich die Beklagte mit ihrer Berufung mit dem Ziel vollständiger Klageabweisung wendet.
7II.
8Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte setzt der Klage erfolgreich die Einrede der Verjährung entgegen, § 214 Abs. 1 BGB. Die Ansprüche der Klägerin sind unabhängig davon, ob sie in der Sache begründet waren oder nicht, gemäß §§ 195,199 BGB verjährt.
9Im Streitfall kam ausschließlich eine deliktische Haftung der Beklagten gem. §§ 826, 31 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB in Betracht, weil und soweit die Beklagte das streitgegenständliche Fahrzeug als Gebrauchtwagen im Jahre 2015 von einem privaten Verkäufer erworben hat, so dass kaufrechtliche Gewährleistung ausscheidet. Als schadensstiftendes Ereignis im Sinne von §§ 823 ff. BGB war nur der Erwerb des Fahrzeuges im August 2015 vor dem Hintergrund der von der Klägerin behaupteten vorsätzlichen sittenwidrigen Täuschung des Rechtsverkehrs durch Entwicklung und Inverkehrbringen eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs in Betracht zu ziehen. Wird der Geschädigte in solch einem Fall aufgrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zum Abschluss eines Vertrages gebracht, den er ohne die Handlung des Schädigers nicht abgeschlossen hätte, und war die Leistung für die Zwecke des Geschädigten nicht voll brauchbar, entsteht der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.
10Entsprechende deliktische Ansprüche unterliegen allerdings der Regelverjährung. Die Verjährungsfrist beginnt insoweit gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Nr. 1) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (Nr. 2). Die Entstehung des Anspruches ist dabei grundsätzlich mit der Fälligkeit des Anspruches gegeben, die wiederum für Schadensersatzansprüche nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Zwecke des Verjährungsrechts anhand des Grundsatzes der Schadenseinheit bestimmt wird. Danach gilt der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruht, bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten, sofern mit den einzelnen Schadensfolgen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 08. November 2016 – VI ZR 200/15 –, juris).
11Fällig wurde der Anspruch der Klägerin daher bereits im Jahre 2015. Ob sie auch bereits im Jahre 2015 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt hat, kann indessen dahinstehen. Denn spätestens im Jahr 2016 hat die Klägerin unstreitig positive Kenntnis von der Betroffenheit ihres eigenen Fahrzeuges dadurch erlangt, dass sie das entsprechende Informationsschreiben erhalten hat, das die Beklagte an alle Fahrzeughalter gerichtet hat (GA Bl. 58 bzw. Bl. 152, eAkte Bl. 94). Mithin war sie spätestens im Jahre 2016 in der Lage, ihre Ansprüche gegen den Schädiger geltend zu machen. Von daher begann die Verjährung spätestens mit dem Schluss des Jahres 2016 und lief daher mit dem Schluss des Jahres 2019 ab, § 195 BGB.
12Klage erhoben hat die Klägerin allerdings erst nach Ablauf der Regelverjährung unter dem 03.11.2020. Insoweit beruft sie sich ohne Erfolg darauf, dass die Verjährung infolge der Anmeldung zur Musterfeststellungsklage vor dem Oberlandesgericht Braunschweig (4 MK 1/18) zeitweilig gehemmt gewesen sei.
13Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB, in Kraft getreten am 1. November 2018 (Art. 6, Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vom 12. Juli 2018, BGBl. I 1151), hemmt zwar grundsätzlich die Erhebung einer Musterfeststellungsklage (§§ 606 ff. ZPO) die Verjährung für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage. Auch hat die Klägerin ihre Ansprüche im Streitfall am 06.12.2018 angemeldet (GA Bl. 164, Anlage K 13) und hierüber eine Bestätigung des Bundesamtes für Justiz vom 26.11.2019 erhalten.
14Die Anmeldung war im Streitfall allerdings aus formellen Gründen unwirksam. Die Anmeldung zur Eintragung in das Klageregister einer Musterfeststellungsklage ist nämlich nur wirksam, wenn i.S.v. § 608 Abs. 2 Nr. 4 ZPO auch Gegenstand und Grund des Anspruchs angegeben werden. Die Anforderungen an die Benennung des angemeldeten Verbrauchers, des Beklagten sowie des geltend gemachten Anspruchs bzw. des betroffenen Rechtsverhältnisses entsprechen denjenigen an eine Klageschrift gemäß § 253 Absatz 2 ZPO (vgl. BT-Drs. 19/2439 S. 25 bzw. BT-Drs. 19/2502 S. 24; vgl. im Übrigen Lutz in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, 43. Edition, Stand: 01.12.2021, § 608 ZPO Rn. 21). Nach allgemeinen Grundsätzen ist daher der Sachverhalt so konkret darzulegen, dass er den Anspruch individualisiert, das heißt von anderen Ansprüchen abgrenzt (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 253 ZPO Rdn. 11). Es muss immerhin so viel vorgetragen werden, dass der Klageanspruch eindeutig identifizierbar ist (BGH v. 18.7.2000 - X ZR 62/98, NJW 2000, 3492, 3493; BGH v. 11.2.2004 - VIII ZR 127/03, MDR 2004, 824). Der Anspruch ist jedenfalls so genau zu individualisieren, dass der Schuldner ihn zuordnen kann (BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, 43. Edition, Stand: 01.12.2021, § 608 ZPO Rn. 11).
15Erforderlich ist insoweit insbesondere in den sog. Diesel-Fällen nach einer Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Individualisierung des Lebenssachverhalts eine Darlegung der Einzelheiten zum Kauf, zum Fahrzeug, zu dem eingebauten Motor und der Angabe der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN), um eine eindeutige Zuordnung zu ermöglichen (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 11.01.2022 – 7 U 130/21, juris Rdn. 70 f.). Ob dieser Auffassung in jeglicher Hinsicht zu folgen ist oder ob zugunsten eines Verbrauchers zumindest die konkrete Angabe auch der Fahrzeugidentifikationsnummer für die Individualisierung des Streitgegenstandes nicht zwingend zu fordern ist – so eine andere Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Köln, Urteil vom 12. August 2021 – I-15 U 36/21 –, juris, Rdn. 22) – kann im Streitfall dahinstehen. Denn angesichts der im Streitfall überaus kursorischen Darstellung in der Forderungsanmeldung der Klägerin fehlt es selbst dann an einer hinreichenden Individualisierung, wenn nicht allein auf das Fehlen der Angabe der FIN abgestellt wird. So hat die Klägerin, wie aus der Bestätigung des Bundesamtes hervorgeht, „einen Diesel Pkw (Euro 5) erworben, dessen Immissionswerte nicht den vom Hersteller angegebenen entsprechen.“ Damit ist eine Individualisierung des Sachverhaltes entsprechend den Angaben aus einer Klageschrift nicht erreicht. Die verjährungshemmende Wirkung tritt nicht ein, wenn sich aus den Angaben bei der Anmeldung aus der objektivierten Sicht des Schuldners keine eindeutige Zuordnung vornehmen lässt. Weder wird im Streitfall ausdrücklich erklärt, dass es sich um ein von der Beklagten hergestelltes oder mit einem von ihr entwickelten Motor versehenes Fahrzeug handelt (was sich ohne Weiteres auch nicht aus der Bezugnahme auf eine Klage gegen die Beklagte schließen lässt), noch wird eine FIN oder ein amtliches Kennzeichen genannt, ebenso wenig das Kaufdatum oder der Fahrzeugtyp oder der Fahrzeugmotor, noch sonst irgend ein Umstand, der der Konkretisierung des Sachverhalts und der Zuordnung zu einer Verantwortlichkeit gerade der Beklagten dienen könnte. Den Angaben lässt sich mangels jeglicher Angaben zum betroffenen PKW noch nicht einmal entnehmen, dass er über den Motor EA189, der allein Gegenstand der Musterfeststellungsklage war, verfügt. Der Hinweis auf einen Dieselmotor der Euro5 Norm trifft auf uferlos viele Fahrzeuge verschiedenster Hersteller zu und kann theoretisch in verschiedenster Hinsicht zur Grundlage einer Haftung gemacht werden. Konkretisierende Angaben sind von daher unerlässlich, denn es muss anhand der Angaben der Anmeldung geprüft werden können, ob der Anspruch oder das Rechtsverhältnis von den Feststellungszielen der Musterklage abhängt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2021 – VI ZR 189/20 –, juris Rdn. 16; Stadler in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Auflage 2021, § 608 ZPO, Rn. 5).
16Das hier zugrunde gelegte Verständnis der Anforderungen an die Darstellung des Anspruchsgrundes auch gegenüber einem Verbraucher lässt sich im Übrigen auch aus der Entstehungsgeschichte von § 608 Abs. 2 Nr. 4 ZPO eindeutig ableiten. Denn der Gesetzgeber hat die Anforderungen an die zur Individualisierung des Anspruches erforderlichen Mindestangaben an § 253 ZPO orientiert, obwohl im Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit erwogen wurde, dass unter Umständen nicht rechtlich beratene Verbraucher Gefahr laufen, durch unzureichende Angaben eine unwirksame Anmeldung vorzunehmen. Bereits der § 608 ZPO zugrunde liegende Gesetzesentwurf war von der Erwägung getragen, dass die genaue Bezeichnung des potentiellen Streitgegenstandes den Parteien und Gerichten in einem nachfolgenden Rechtsstreit die Prüfung ermöglichen soll, ob die Verjährung gemäß § 204 Absatz 1a BGB-E gehemmt wurde (BT-Drs. 19/2439 S. 25 bzw. BT-Drs. 19/2502 S. 24). Der Bundesrat hat demgegenüber gerade im Hinblick auf möglicherweise zu hohe Hürden bei der Anmeldung angesichts fehlenden Anwaltszwangs Bedenken erhoben, wenn man auf die vergleichbaren Anforderungen des § 253 ZPO abstelle (BT-Drs. 19/2701 S. 5). Diese Bedenken hat die Bundesregierung ausdrücklich zurückgewiesen und eine etwaige Berücksichtigung allenfalls für die Rechtsverordnung zum Klageregister in Aussicht gestellt (BT-Drs. 19/2701 S. 9). Auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren sahen die Empfehlungen des federführenden Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (BT-Drs. 19/2741 S. 25) abgesehen von der Streichung des Erfordernisses der Angabe eines konkreten Forderungsbetrages keine Absenkung der Anforderungen vor und legten eine unveränderte Annahme der Entwurfsfassung von § 608 Abs. 2 Nr. 4 ZPO zur Abstimmung vor, obwohl das Problem wie gezeigt im Gesetzgebungsverfahren gesehen und erörtert worden ist. Der Bundestag hat sodann den Gesetzentwurf zu BT-Drs. 19/2507 in der Fassung der Ausschussempfehlung BT-Drs. 19/2741 – unverändert – angenommen (Plenarprotokoll 19/39 vom 14.06.2018, S. 3753). Der Senat geht daher davon aus, dass der Gesetzgeber auch und gerade vor dem Hintergrund, dass Verbraucher die Forderungsanmeldung selbst vornehmen können, sich bewusst und gewollt dafür entschieden hat, die Wirksamkeit der Anmeldung an die Wahrung der Erfordernisse entsprechend § 253 ZPO zu knüpfen.
17Diese Entscheidung des Gesetzgebers hat das Gericht zu beachten. Die Voraussetzungen für eine den Zwecken der Feststellungszielabhängigkeit sowie der Prüfung der Verjährung im Einzelfall dienenden Mindestangaben sind im Streitfall insoweit deswegen nicht erfüllt, weil noch nicht einmal klar ist, ob die Beklagte als Motorenentwicklerin oder Fahrzeugherstellerin oder schlicht als Konzernmutter für das Fahrzeug einer Konzerntochter in Anspruch genommen werden soll. So ließe sich die Angabe der Anmeldung im Streitfall beliebigen Fahrzeugen zuordnen, die anhand der Angaben nicht individualisierbar sind.
18Auch die Bestätigung der Anmeldung zur Musterfeststellungsklage durch das Bundesamt führt im Streitfall nicht zur Annahme der Wirksamkeit der Anmeldung im Sinne von § 608 ZPO und § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB, was sich schon daraus ergibt, dass nach dem ausdrücklichen Gesetzestext die Angaben der Anmeldung ohne inhaltliche Prüfung in das Klageregister eingetragen werden, § 608 Abs. 2 S. 3 ZPO.
19Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin im Berufungsverfahren darauf, sie habe zwar seinerzeit versucht, alles in die Maske einzugeben, was dort einzugeben war bei der Online-Anmeldung zur Musterfeststellungsklage. Dort sei zum Beispiel nach Fahrgestellnummer und Kaufdatum gefragt worden, aber bei ihr habe die Maske ihre Angaben nicht angenommen und auch nach dem Anruf bei einer Service-Hotline sei ihr bestätigt worden, dass ihre Angaben nicht angenommen würden.
20Diese Angaben der Klägerin können als wahr unterstellt werden, führen indessen nicht zu einer ihr günstigeren Bewertung der Sach- und Rechtslage. Ob für gerade die Frage nach insbesondere der Fahrzeugidentifikationsnummer ein eigenes Datenfeld für die Eingabe in die Maske des Bundesamtes für Justiz zur Verfügung stand und ob dieses im Einzelfall technisch funktioniert hat, ist unerheblich. Zum einen ist nicht erkennbar, dass jedenfalls das weitere Datenfeld „Gegenstand und Grund“ für die Anspruchsbeschreibung von der Klägerin nicht hätte ausgefüllt werden können, weil und soweit die von ihr getätigten Angaben offenkundig gespeichert und bei der Anmeldung zugrunde gelegt worden sind. Insoweit wäre es ohne weiteres möglich gewesen, in zumindest dieses freie Eingabefeld Angaben zur Individualisierung des Sachverhaltes einzugeben, wobei der Senat bereits ausgeführt hat, dass die Angaben der Klägerin selbst bei Zugrundelegung geringer Anforderungen nicht ausreichen. Insbesondere hätten dort Angaben zum PKW oder Kaufdatum eingegeben werden können. Zum anderen würde es sich in dem Falle, dass die Angaben der Klägerin zutreffen und die elektronische Eingabemaske des Bundesamtes für Justiz eine technische Störung dergestalt aufwies, dass die entsprechend abgefragte FIN von ihr nicht eingetragen werden konnte, um ein technisches Problem der Justiz handeln, das der Beklagten nicht erkennbar und auch nicht zuzurechnen wäre, so dass die Anmeldung mit einer den Inhalten von § 608 Nr. 4 ZPO nicht entsprechenden Angabe zum Schutz des Anspruchsgegners die Verjährung nicht hemmen könnte. Den verjährungshemmenden Tatbeständen des § 204 BGB liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass der Gläubiger durch aktives Betreiben seines Anspruchs seinen Rechtsverfolgungswillen so deutlich macht, dass der Schuldner gewarnt wird und sich auf eine Inanspruchnahme noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist einstellen muss (BGH, Urteil vom 03. Mai 2016 – II ZR 311/14 –, juris Rdn. 35; s.a. zu § 209 BGB aF: BGH, Urteil vom 20. November 1997 - IX ZR 136/97, BGHZ 137, 193, 198 mwN). Diese Warnfunktion wird indes verfehlt, wenn aufgrund einer technisch bedingt unzureichend bedateten Anmeldung zur Musterfeststellungsklage der Anspruchsgegner keinerlei belastbare, sondern lediglich völlig austauschbare und nicht individualisierende Angaben zum Sachverhalt erhält und ihm so die Möglichkeit der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und der Zugehörigkeit des Anmeldenden zur Musterfeststellungsklage verwehrt ist. Ob unzureichende Angaben dann auf einem technischen Versagen staatlicher Infrastruktur einer Justizbehörde beruhen, ist insoweit nicht entscheidend, da dem Anspruchsgegner solche technische Störungen in keiner Weise erkennbar werden.
212.
22Ein Anspruch der Klägerin gemäß § 852 BGB war im Streitfall im Übrigen schon deshalb ausgeschlossen, weil nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes jedenfalls bei Erwerb eines Gebrauchtwagens von einem Dritten nach Eintritt der Verjährung des gegen den Hersteller gerichteten Schadensersatzanspruchs des Erwerbers aus § 826 BGB kein Anspruch des Erwerbers gegen den Hersteller gemäß § 852 Satz 1 BGB besteht (vgl. BGH, Urteile vom 10. Februar 2022 – VII ZR 365/21, VII ZR 396/21, VII ZR 679/21, VII ZR 692/21 und VII ZR 717/21).
23III.
24Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
25Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat den Fall auf der Grundlage der allgemeinen und besonderen Vorschriften über die Verjährung eines Schadensersatzanspruches des Käufers eines Dieselfahrzeugs gegen den Hersteller des Fahrzeugs oder des Motors nach den tatsächlichen Besonderheiten des vorliegenden Sachverhaltes entschieden und ist dabei ausdrücklich nicht von anderweitig ergangener obergerichtlicher Rechtsprechung abgewichen. Der Streitfall löst auch nicht das Bedürfnis einer höchstrichterlichen Klärung der Anforderungen an die Forderungsanmeldung im Musterfeststellungsklageverfahren im Einzelnen aus. Der Fall liegt nämlich in tatsächlicher Hinsicht eindeutig im Bereich unwirksamer Anmeldungen und nicht im Grenzbereich einer erst höchstrichterlich noch zu klärenden Konturierung der Voraussetzungen von § 608 Nr. 4 ZPO.
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