Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 15 U 162/22
Tenor
1. Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 11.03.2022 – 17 O 15/21 – unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages vom 25.07.2022 als unzulässig zu verwerfen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
1
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten vorliegend über Unterlassungsansprüche und Abmahnkosten wegen einer Äußerung in einem sog. Netzwerk. Das Landgericht Dortmund hat mit Urteil vom 11. März 2022 die Klage abgewiesen. Gegen das dem Klägervertreter am 06. April 2022 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die er an das Oberlandesgericht Hamm gerichtet und dort am 27. April 2022 per beA eingereicht hat. Am 29. April 2022 hat der Vorsitzende des dortigen Zivilsenats dessen Zuständigkeit geprüft, ausweislich eines „Zuständigkeitsformulars“ auf Bl. 15 d. Senatshefts bejaht und die Senatsbesetzung niedergelegt. Die Berufungsschrift ist sodann mit Verfügung vom gleichen Tag der Beklagten zugestellt worden. Auf Fristverlängerungsantrag des Klägervertreters vom 30. Mai 2022 ist die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß bis zum 04. Juli 2022 verlängert worden. Am 04. Juli 2022 hat der Kläger die Berufungsbegründung eingereicht, auf die wegen der weiteren Einzelheiten und der Berufungsanträge Bezug genommen wird (Bl. 82 ff. d. Senatshefts). Mit Verfügung vom 12. Juli 2022 (Bl. 95 ff. d. Senatshefts), dem Klägervertreter zugestellt am 14. Juli 2022, hat der Berichterstatter – dem die Sache erstmals vorgelegt worden war – sodann unter Verweis auf eine entsprechende Beratung im Senat darauf hingewiesen, dass das Oberlandesgericht Hamm mit Blick auf die Konzentrationsverordnung über Ansprüche aus Veröffentlichungen (GV.NRW.2021 S. 1156) nicht zuständig sei und man eine Verwerfung der Berufung beabsichtige. Zu Ansprüchen aus Veröffentlichungen i.S. des § 119a Abs. 1 Nr. 5 GVG gehörten - wozu Fundstellen angegeben wurden - auch die hier in Rede stehenden Veröffentlichungen in einer öffentlich zugänglichen A-Gruppe im Internet. Da die Berufungsfrist bereits am 06. Mai 2022 abgelaufen sei, werde die Frist nicht durch Rechtsmitteleinlegung beim zuständigen Oberlandesgericht Köln gewahrt werden können. Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2022 (Bl. 103 ff. d. Senatshefts) hat der Klägervertreter dahingehend argumentiert, dass es hier nicht nur um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung infolge der „Veröffentlichung“ gehe, sondern auch um gerade durch die im Stadtgebiet nach der Veröffentlichung des Artikels entstandene Diskussion. Zudem sei für den Begriff der Anhängigkeit i.S.d. Übergangregelung in § 2 der Konzentrationsverordnung auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung in erster Instanz abzustellen; dort sei das OLG Hamm aber noch zuständiges Berufungsgericht gewesen. Jedenfalls habe der Senat auch seine Fürsorgepflichten verletzt, weil bei einem gebotenen Hinweis direkt bei Eingang der Berufung eine Verweisung nach Köln bzw. eine Berufungseinlegung dort noch problemlos in der noch laufenden Berufungsfrist möglich gewesen sei. Auf weitere Nachfrage des Senats vom 22. Juli 2022 (Bl. 109 f. d. Senatshefts), ob mit den Ausführungen „hilfsweise ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Berufungsfrist beantragt und insoweit (ebenfalls hilfsweise) Verweisung an das OLG Köln beantragt werden soll“ hat der Kläger unter dem 25. Juli 2022 (Bl. 117 ff. d. Senatshefts) entsprechende Anträge gestellt. Zu Internetveröffentlichungen verhalte sich die Gesetzbegründung (BT-Drs 19/13828, 22) nicht eindeutig und die Frage sei jedenfalls nicht höchstrichterlich geklärt (vgl. BGH v. 12.04.2010 – V ZB 224/09, juris Rn.12). Jedenfalls würde sich ein etwaiges Verschulden aufgrund der fehlerhaften Vorgehensweise des Senats nicht auswirken, da der Senat durch den verspäteten gerichtlichen Hinweis gegen seine Fürsorgepflicht verstoßen habe. Der Senat sei zwar nicht verpflichtet, bei Einlegung der Berufungsschrift eine vollständige Prüfung der Zuständigkeit vorzunehmen, da kein Fall der „offensichtlichen“ Unzuständigkeit vorgelegen habe, aber man habe frühzeitig erkannte bzw. erkennbare Bedenken dennoch mitzuteilen, die sich hier aus dem der Berufungsschrift beigefügten erstinstanzlichen Urteil ergeben hätten. Mit Beschluss vom 12. August 2022 (Bl. 127 ff. d. Senatshefts) hat sich das Oberlandesgericht Hamm für unzuständig erklärt und die Sache auf den Hilfsantrag dann entsprechend § 281 ZPO an das Oberlandesgericht Köln verwiesen, welches über den hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden habe. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Beschlusses wird auf Bl. 127 ff. d. Senatshefts Bezug genommen. Die Akte ist daraufhin am 22. August 2022 beim Oberlandesgericht Köln eingegangen (Bl. 135/198 d. Senatshefts).
4II.
5Die Berufung ist unzulässig, da sie entgegen § 517 und § 519 Abs. 1 ZPO nicht innerhalb eines Monats seit Zustellung des angefochtenen Urteils beim Berufungsgericht eingelegt worden ist.
61. Zuständiges Berufungsgericht ist – wie das Oberlandesgericht Hamm im Verweisungsbeschluss von 12. August 2022 (Bl. 127 ff. d. Senatshefts) und in dem vorausgegangenen Hinweis vom 12. Juli 2022 (Bl. 93 ff. d.A.) zutreffend ausgeführt hat, worauf hier Bezug genommen wird - nach § 1 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über Berufungen und Beschwerden in Streitigkeiten über Ansprüche aus Veröffentlichungen durch Druckerzeugnisse, Bild- und Tonträger jeder Art, insbesondere in Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen vom 1. Oktober 2021 (GV.NRW.2021 S. 1156) das Oberlandesgericht Köln.
7a) Ein Ausnahmefall, in dem die Berufungsfrist wegen Unklarheiten bei den maßgeblichen Begrifflichkeiten schon aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes und des Gebots der Klarheit des Rechtsmittelzuges auch durch Anrufung eines unzuständigen Berufungsgerichts gewahrt werden kann (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2020 - V ZB 45/20, NJW-RR 2021, 140 Rn. 5), liegt hier nicht vor. Denn durch die Konzentrations-Verordnung über Ansprüche aus Veröffentlichungen, deren § 1 dieselben Streitigkeiten erfasst wie § 119a Abs. 1 Nr. 5 GVG, § 72a Abs. 1 Nr. 5 GVG und § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a ZPO ist die Zuständigkeitsfrage eindeutig und sicher geklärt (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 21. Juli 2022 - 15 U 99/22, n.v.). Dies gilt auch in Bezug auf – wie hier - Veröffentlichungen im Internet und/oder sozialen Netzwerken (vgl. dazu etwa nur OLG Nürnberg, Beschluss vom 11. März 2021 - 1 AR 631/21, NJW-RR 2021, 571 Rn. 11 ff.; BeckOK-GVG/Feldmann, Ed. 15, § 72a Rn. 16a zu § 72a Abs. 1 Nr. 5 GVG sowie OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Juli 2016 – 18 WF 183/15, NJW-RR 2016, 1158 Rn. 15; Musielak/Voit/Wittschier, ZPO, 19. Aufl. 2021, § 348 Rn. 7 zu § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a ZPO; siehe allgemein auch Fölsch, NJW 2020, 801, 802; Jürgens, NJW 2020, 1846, 1847 und speziell zur Landesverordnung OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09. Juni 2022 - 16 W 15/22, openJur 2022, 14813). Soweit der Kläger auf die Gesetzesbegründung bei BT-Drs 19/13828, S. 22 Bezug nimmt, sind auch dort schon „andere – auch digitale – Medien“ angesprochen. Dass die Rechtslage insofern sicher und eindeutig ist, hat der Senat zuletzt auch in seinen Hinweisen vom 25. August 2022 - 15 U 159/22 – und vom 05. August 2022 - 15 U 33/22 ebenso bereits betont.
8Aus diesem Grund kann die in der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme etwa für sog. Kartellsachen (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2018 - EnZB 53/17, BeckRS 2017, 150663 Rn. 18 ff.) bzw. Urhebersachen (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019 – I ZB 30/18, GRUR-RR 2020, 95 Rn. 16), bei denen schon die fristgerechte Anrufung des nach § 119 GVG allgemein zuständigen Berufungsgerichts ausreichen soll, welches analog § 281 ZPO an das zuständige Berufungsgericht zu verweisen hat, nicht auf den vorliegenden Bereich übertragen werden. Wenn - wie hier der Fall - die gesetzliche Regelung zur Zuständigkeit für das Rechtsmittelverfahren eindeutig ist, kann die Berufung auch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes fristwahrend eben nur bei dem nach der Zuständigkeitskonzentration zuständigen Gericht eingereicht werden (vgl. etwa nur BGH, Beschluss vom 17. Juli 2018 - EnZB 53/17, BeckRS 2017, 150663 Rn. 21 unter Berufung auf BGH, Urteil vom 9. Dezember 1999 - III ZR 73/99, NJW 2000, 1574, 1576 zu der nordrheinwestfälischen Regelung, mit der die Berufungszuständigkeit in Baulandsachen beim Oberlandesgericht Hamm konzentriert worden ist, wobei dort in erster Instanz eine Kammer für Baulandsachen des örtlich zuständigen Landgerichts entschieden hatte). Vorliegend waren erstinstanzlich zudem eindeutig sowohl beim zunächst angerufenen Landgericht Köln (28. Zivilkammer) als – nach der Verweisung - auch beim Landgericht Dortmund (17. Zivilkammer) jeweils die nach den Geschäftsverteilungsplänen für sog. Veröffentlichungsstreitigkeiten zuständigen Zivilkammern befasst, so dass auch insofern die Sachlage nicht missverständlich war.
9b) Die Konzentrations-Verordnung ist auch intertemporär eindeutig anwendbar. Denn zwar verbleibt es nach § 2 der Verordnung für Verfahren, die vor ihrem Inkrafttreten anhängig geworden sind, bei der bisherigen Zuständigkeit. Da die Konzentrations-Verordnung schon nach ihrer Überschrift und auch nach ihrem § 1 ausschließlich die Zuständigkeit für Berufungs- und Beschwerdeverfahren regelt, kann der Begriff „Verfahren“ in § 2 aber aus systematischen Gründen nur so verstanden werden, dass er vor dem Inkrafttreten anhängig gewordene Rechtsmittelverfahren meint. Dafür sprechen auch Sinn- und Zweck der Vorschrift. Ebenso wie durch § 40a Abs. 2 EGGVG sollte lediglich eine gerichtsinterne Umverteilung bereits anhängiger Verfahren vermieden werden (vgl. BT-Drs. 18/11437, S. 46; Mayer, in: Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 72a Rn. 12, § 119a Rn. 2). Daher kann es allein auf den Eingang beim Berufungsgericht ankommen (vgl. auch bereits Hinweisverfügung des Senats vom 05. August 2022 – 15 U 33/22).
10c) Aus dem Verweisungsbeschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. August 2022 ergibt sich nichts anderes. Mit diesem Beschluss ist nicht entschieden, dass die Berufungsfrist bereits durch Anrufung des unzuständigen Oberlandesgerichts Hamm gewahrt werden konnte (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14. August 2015 - 32 SA 37/15, NJW 2016, 172 Rn. 28 f.; zum Verhältnis Abgabe und Verweisung auch BGH Beschluss vom 26. November 2020 – V ZB 151/19, juris), zumal in dem Beschluss auch klar und eindeutig auf die nunmehr vom hiesigen Senat zu entscheidende Wiedereinsetzungsfrage verwiesen wird.
112. Der mit der Aktenweiterleitung hier am 22. August 2022 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag ist ohne Aussicht auf Erfolg.
12a) Die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist aus § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO ist abgelaufen. Sie beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Wegfall des Hindernisses, hier also schon am 14. Juli 2022 mit Zugang des Hinweises des Oberlandesgerichts Hamm auf die Zuständigkeitsproblematik. Ein sorgfältiger Anwalt hätte hier entweder unverzüglich Berufung beim zuständigen Oberlandesgericht Köln unter Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages eingereicht oder zumindest mit Einreichung eines Wiedereinsetzungs- und Verweisungsantrages dafür gesorgt, dass das Oberlandesgericht Hamm die Akte innerhalb dieser Frist an das Oberlandesgericht Köln weiterleitet.
13b) Doch selbst wenn man dies hier außer Acht lässt oder wegen des weniger klaren Hinweises des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. Juli 2022 (noch innerhalb der laufenden Fristen) und der dann recht langen Verzögerungen bei der Verweisungsentscheidung und der Aktenweiterleitung nach Köln über eine etwaige Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist nachdenken würde, hat der Antrag jedenfalls in der Sache keinen Erfolg:
14aa) Denn die ursprüngliche Anrufung des unzuständigen Oberlandesgerichts Hamms ist schuldhaft erfolgt (§ 85 Abs. 2 ZPO). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass ein Rechtsanwalt in denjenigen Bereichen, in denen er etwa wegen § 13a GVG mit landesrechtlichen Zuständigkeitsverordnungen rechnen muss, das Rechtsmittelgericht sorgfältig – etwa in Vorschriftendatenbanken - ermitteln muss und hier auch strenge Anforderungen gelten; ein Rechtsirrtum ist regelmäßig nicht unverschuldet (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2014 – V ZB 172/13, juris Rn. 9 ff.; BGH, Beschluss vom 12. April 2010 – V ZB 224/09, juris Rn. 9, 12 ff.; Schultzky, MDR 2020,1, 2; Zöller/Lückemann, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 13a GVG Rn. 3). Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist der Gesetzgeber hierbei – insbesondere im Anwaltsprozess - nicht gehalten, Rechtsmittelbelehrungen in allen Fällen zwingend vorzugeben (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1995 – 1 BvR 166/93, juris Rn. 29 ff.). Die in NRW vorgenommenen (zahlreichen) Zuständigkeitskonzentrationen waren zudem teils selbst der Tagespresse zu entnehmen; sie finden sich zudem veröffentlicht bei https://www.justiz.nrw.de/BS/recht_a_z/Z/Zust_ndigkeitskonzentrationen/index.php mit pdf-listen für die jeweiligen Instanzen unter Angabe der Fundstellen für die Einzelregelungen, die dann wiederum allesamt im Internet abrufbar sind. Dass (und wie?) der Klägervertreter sich vor der Rechtsmitteleinlegung überhaupt (welche?) Gedanken über die Möglichkeit einer entsprechenden Konzentrationsverordnung gemacht haben will, ist jedoch im Wiedereinsetzungsantrag nicht einmal angedeutet, geschweige denn glaubhaft gemacht.
15bb) Die Klägerseite kann sich dann nicht darauf stützen, dass sich das Verschulden des Anwalts hier nicht mehr ausgewirkt habe, weil das Oberlandesgericht richterliche Fürsorgepflichten versäumt hat und so die - hier recht frühzeitig eingelegte - Berufung noch fristgerecht an das zuständige Oberlandesgericht Köln hätte weiterleiten können und müssen bzw. mit einem frühzeitigen Hinweis die Klägerseite selbst zu einer – zeitlich u.U. noch rechtzeitig möglichen – Berufungseinlegung in Köln hätte anhalten können.
16Grundsätzlich sind solche Fälle zwar denkbar. Indes beschränkt sich die Verpflichtung der unzuständigen Gerichte zum eiligen „Gegensteuern“ auf Fälle, in denen entweder das Gericht seine Unzuständigkeit selbst bereits positiv erkannt hat oder zumindest greifbare Zweifel hatte und diese aktenkundig gemacht hat (wie im Fall BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – VIII ZB 20/09, NJW 2011, 683 Rn. 22 ff.) oder aber die Unzuständigkeit des angerufenen Rechtsmittelgerichts – bei Verneinung einer grundsätzlichen Prüfungspflicht der Gerichte – sogar „ohne Weiteres“ bzw. „leicht und einwandfrei“ bei der Bearbeitung im ordentlichen Geschäftsgang zu erkennen war (BGH a.a.O., Rn. 20; BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2015 – V ZB 103/14, juris Rz.10) und auch innerhalb dieser Zeit dann noch mit einer Weiterleitung zu rechnen war (allg. dazu BGH, Beschluss vom 27. Juli 2000 – III ZB 28/00, juris). Dass hier eine „Offensichtlichkeit“ gegeben sein soll, stellt der Klägervertreter im Schriftsatz vom 25. Juli 2022 sogar selbst in Abrede (Bl. 118 d. Senatshefts). Der Senat teilt diese Einschätzung. Dass der Vorsitzende des Zivilsenats bei seiner formularmäßigen Vorprüfung am 29. April 2021 (Bl. 15 d. Senatshefts) offenbar nur die gerichtsinterne Zuständigkeit des Senats und die senatsinterne Besetzung geprüft hat und dabei die Konzentrationsverordnung nicht bedacht zu haben scheint, ändert nichts an der Verfristung des Rechtsmittels und den fehlenden Aussichten des Wiedereinsetzungsantrages. Denn die Anforderungen an die gerichtliche Prüfungs- und Fürsorgepflicht dürfen nicht überspannt werden, weil man sonst die Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten ihrer eigenen Verantwortung für die Einhaltung der Rechtsmittelfristen entheben und die Anforderungen an die Grundsätze des fairen Verfahrens einseitig zu deren Gunsten verschieben würde (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – VIII ZB 20/09, NJW 2011, 683 Rn. 18). Hätte der Senatsvorsitzende zu diesem frühen Zeitpunkt die Akte aber im normalen Geschäftsgang eigentlich gar nicht näher prüfen müssen, können etwaige Ungenauigkeiten bei der - erkennbar nur vorläufigen - Bejahung der Senatszuständigkeit in einer ersten „Sichtprüfung“ allein noch nicht zur Anwendung der hier diskutierten Ausnahmefallgruppen führen. Es geht gerade nicht um einen eindeutigen Fall einer Fehladressierung an ein sachlich bereits vorbefasstes Gericht (dazu etwa BGH, Beschluss vom 15. Juni 2004 – VI ZB 75/03, juris Rn. 9; BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1995 – 1 BvR 166/93, juris Rn. 46) oder eine Adressierung an eine unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zuständige Stelle (BVerfG, Beschluss vom 2. September 2002 – 1 BvR 476/01, BStBl. II 2002, 835), zumal das Oberlandesgericht Hamm in anderen Fragen eben durchaus zuständiges Berufungsgericht für das Landgericht Dortmund ist.
17III.
18Der Kläger erhält Gelegenheit, zu den vorstehend erteilten Hinweisen innerhalb der im Tenor bestimmten Frist Stellung zu nehmen bzw. Sachvortrag nach § 236 Abs. 2 S. 1 a,E, glaubhaft zu machen. Die eingeräumte Frist kann nur unter den Voraussetzungen des § 224 Abs. 2 ZPO oder mit Zustimmung des Gegners verlängert werden. Auf die Möglichkeit einer kostensparenden Rücknahme der Berufung (Nr. 1220, 1222 KV GKG) wird ausdrücklich hingewiesen.
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