Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 1 (8) Ss 14/13; 1 (8) Ss 14/13 - AK 14/13

Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 08. Oktober 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe zurückverwiesen.

Gründe

 
I.
Das Amtsgericht Karlsruhe verurteilte die Angeklagte am 20.12.2011 wegen gemeinschaftlicher versuchter Nötigung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu der Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je ... Euro. Auf die Berufung der Angeklagten änderte das Landgericht Karlsruhe dieses Urteil am 08.10.2012 ab und verurteilte die Angeklagte unter Verwerfung ihrer Berufung im Übrigen wegen Sachbeschädigung zu der Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je ... EUR. Die ebenfalls eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft verwarf das Landgericht als unbegründet.
Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen fand in der Nacht vom 15.02.2011 auf den 16.02.2011 durch Bahnverkehr ein Transport von fünf Spezialbehältern mit in sog. „High Active Waste (HAW) - Glaskokillen“ befindlichem radioaktivem Material - sog. Castoren - vom Gelände des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), ehemals Forschungszentrum Karlsruhe, in Eggenstein-Leopoldshafen in das atomare Zwischenlager Nord bei Lubmin statt. Ungeachtet eines von der zuständigen Behörde für die Zeit vom 15.02.2011, 00.00 Uhr, bis 16.02.2011, 24.00 Uhr, ausgesprochenen, für die Bahngleise sowie den Bereich von 50 m beidseitig der Gleisanlage der Transportstrecke im Stadt- und Landkreis Karlsruhe geltenden Versammlungsverbots begab sich die Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 15.02.2011 mit weiteren Aktivisten auf das Gelände des KIT, um durch Teilnahme an einer ...-Aktion den Transport der Castoren möglichst öffentlichkeits- und medienwirksam zu verzögern. In Verfolgung dieses Zieles kettete sie sich mit weiteren neun Personen in dem auf dem Gelände des KIT liegenden Gleisbereich an die Schienen, über welche der Castor-Transport mittels eines Zuges geführt werden sollte, und zwar unter Einhaltung eines Abstandes von jeweils fünf bis zehn Metern zu den anderen Personen. Hierzu benutzten sie und die anderen Aktivisten jeweils vorgefertigte, rechtwinklig V-förmig zusammengeschweißte Rohre mit einer Schenkellänge von etwa 30 Zentimetern, welche nach entsprechend zuvor vorgenommener Unterhöhlung zunächst unter dem Gleisbett hindurchgeführt wurden. Danach führte die Angeklagte - ebenso wie auch die anderen Demonstranten - ihre Hände und Unterarme in die beiden jeweiligen Rohröffnungen ein und sicherte diese mit einer von außen nicht lösbaren Seilschlaufe, indem sie diese im Innern des Rohres festhielt. Aufgrund dieser besonderen Konstruktion wäre es ihr jedoch jederzeit möglich gewesen, sich im Notfall durch Loslassen der Seilschlaufe selbst zu befreien. Um den Weg für den Schienenverkehr wieder frei zu machen und das Losfahren des Zuges mit den Castoren vom Gelände des KIT zu ermöglichen, war es zunächst notwendig, die Schienen in dem Bereich, in dem sich die Angeklagte und die weiteren Personen angekettet hatten, von den Schwellen zu lösen, den Schienenstrang durchzutrennen und die Angeklagte und die anderen Aktivisten „auszufädeln“. Erst nach Wiedereinfügen der jeweiligen Teilstücke der Schienen und deren zunächst behelfsmäßiger Befestigung war dem Castor-Transport ein Losfahren vom Gelände des KIT möglich. Aufgrund der Blockadeaktion entstand ein Reparaturschaden von insgesamt ca. 5.700 Euro.
Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass das Landgericht die Angeklagte nicht auch wegen tateinheitlich begangener versuchter Nötigung verurteilt hat.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat - vorläufigen - Erfolg und führt - auch bezüglich der Verurteilung wegen Sachbeschädigung - zur vollständigen Aufhebung des Urteils.
1. Im Ergebnis zu Recht weist die Revision darauf hin, dass die vom Landgericht getroffenen Feststellungen trotz ihrer im folgenden noch darzustellenden Lücken und Unklarheiten grundsätzlich geeignet sein können, eine Verurteilung wegen versuchter Nötigung nach §§ 240 Abs.1, Abs.3, 22, 23 StGB sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zu tragen.
a. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe in ihrer Antragsschrift allerdings davon ausgeht, die Angeklagte habe schon dadurch Gewalt im Sinne des § 240 StGB ausgeübt, dass sie nach Unterhöhlen des Gleiskörpers zunächst eine Rohrkonstruktion unter dem Gleisbett hindurchgeführt und danach ihre Hände und Unterarme in die beiden Rohröffnungen eingeführt habe, vermag der Senat diese Bewertung nicht zu teilen. Gewalt im Sinne des § 240 StGB übt nämlich grundsätzlich nur derjenige aus, der durch eine körperliche Kraftentfaltung einen körperlich wirkenden Zwang auf sein Opfer ausübt (zum sog. körperlichen Gewaltbegriff vgl. u.a. Eser/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, Vorbem. §§ 234 ff. Rn. 6 ff ). Allein das oben bezeichnete Verhalten der Angeklagten stellt - wovon das Landgericht im Ansatz zutreffend ausgegangen ist - keine Ausübung von Gewalt in diesem Sinne dar.
Nachdem die Entwicklung des strafrechtlichen Gewaltbegriffs in der obergerichtlichen Rechtsprechung insbesondere bei der Bewertung von sog. „Blockadefällen“ durch einen abnehmenden Einfluss des Merkmals der eigenen körperlichen Kraftentfaltung des Täters und eine zunehmende Bedeutung von nur psychischer Zwangswirkung auf das Opfer gekennzeichnet war (BGHSt 23, 46: Laepple-Urteil; vgl. auch hierzu Eser/Eisele a.a.O.; ferner Fischer, StGB, 61. Aufl. 2014, § 240 Rn. 11 ff.), ist das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 10.01.1995 - 1 BvR 718-723/89 - BVerfGE 92,1 - dieser den Gewaltbegriff vergeistigenden bzw. entmaterialisierenden Auslegungstendenz unter Hinweis auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) entgegengetreten. Es hat insoweit ausgesprochen, dass es für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Gewalt nicht ausreicht, dass sich jemand an einer Stelle aufhält und sich ein Dritter an der Durchsetzung seines Willens, diese Stelle einzunehmen oder zu passieren, durch dessen bloße Anwesenheit psychisch gehemmt sieht. Für die Annahme des Merkmals der Gewalt ist daher neben einer - vom Täter selbst getätigten oder diesem jedenfalls objektiv zurechenbaren - körperlichen Kraftentfaltung grundsätzlich notwendig, dass der hiervon ausgehende Zwang auf das Opfer von diesem nicht lediglich psychisch, sondern - zumindest auch - körperlich empfunden wird. Dem folgend hat der Bundesgerichtshof das Merkmal der Gewalt in einem Fall angenommen, in welchem die Blockierer in der Absicht der Unterbindung des Schienenwegs auf den Zuggleisen ein mit den Schienen fest verbundenes Hindernis angebracht haben (BGHSt 44, 34). Auch hat das Bundesverfassungsgericht in seiner weiteren Rechtsprechung zu Blockade-Fällen (vgl. hierzu die Nachweise bei Eser/Eisele a.a.O. und Fischer a.a.O.) das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG bei der strafrechtlichen Ahndung von Blockadeaktionen dann als nicht verletzt angesehen, wenn die Teilnehmer über die durch ihre bloße körperliche Anwesenheit verursachte psychische Einwirkung hinaus eine physisch wirkende Barriere errichtet (Beschluss v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - BVerfGE 104, 92), etwa sich mittels eines stabilen Eisenrohrs, Gliederketten sowie eines Vorhängeschlosses an den Schienenstrang angekettet haben (BVerfG, Beschluss vom 07.02.2002 - 2 BvR 1262/01 - bei juris). Nach dieser Rechtsprechung kommt eine Strafbarkeit der Teilnehmer von Blockadeaktionen wegen - ggf. versuchter - Nötigung dann in Betracht, wenn eine eigene Kraftentfaltung seitens der Demonstranten erfolgt und ein physisch spürbares Hindernis gebildet wird, dass schon aufgrund seiner Körperlichkeit geeignet ist, den Willen eines anderen zu beeinflussen.Ausgehend hiervon hat das OLG Celle das Merkmal der Gewalt in einem Fall bejaht, in welchem die Demonstranten sich durch Einführung ihrer Hände in ein Eisenrohr unter Verwendung eines eingerasteten Vorhängeschlosses fest und für sie selbst nicht lösbar an das Gleisbett angekettet hatten, nachdem sie zuvor das Rohr in einen in das Gleisbett eingebrachten und bei flüchtiger Betrachtung nicht erkennbaren Betonblock einbetoniert hatten (OLG Celle, Beschluss vom 12.08.2003 - 22 Ss 86/03 - bei juris, dort Rn. 66).
b. Zwar wird man vorliegend davon ausgehen können, dass die Angeklagte jedenfalls durch das Unterhöhlen des Gleisbettes und die Anbringung der Rohrkonstruktion im oben genannten Sinne eine nicht ganz unerhebliche Kraftentfaltung vorgenommen hat (so auch OLG Celle a.a.O.), hierdurch allein hätte nach Sachlage jedoch keine körperliche Zwangswirkung auf den Zugführer entfaltet werden können. Insoweit besteht vorliegend nämlich die Besonderheit, dass sich die Angeklagte mit den Schienen nicht - wie dies etwa bei Anbringung eines eingerasteten Vorhängeschlosses der Fall wäre - fest und für sie selbst unlösbar verbunden hatte, sondern ihr die von ihr gewählte Rohrkonstruktion jederzeit die Möglichkeit beließ, sich durch bloßes Loslassen der Seilschlaufe selbst zu befreien. Insoweit bestand gerade keine hinreichend feste und von ihrem Willen unabhängige Verbindung zwischen ihrem Körper und den Schienen. Hinzu kommt, dass auch die Rohrkonstruktion selbst nicht mit den Gleisen oder anderen Befestigungsmitteln, wie etwa einem Betonblock, fest verbunden war und deshalb aus objektiver Hinsicht keine weitere zusätzliche körperliche Barriere bestand. Mangels einer solchen festen Verbindung der Angeklagten mit dem Gleiskörper und wegen des Fehlens eines zusätzlichen physischen Hindernisses ist die vorliegende Fallgestaltung nach Ansicht des Senats den Fällen angenähert, in welchen sich - wie etwa bei einer Sitzblockade - das Blockadeverhalten des Täters in dessen bloßer körperlichen Anwesenheit erschöpft und damit gerade kein nicht nur psychisch empfundenes Hindernis für den Führer des zu blockierenden Fahrzeugs bzw. Zuges besteht. Da somit allein durch das bloße Verharren der - über die Möglichkeit der jederzeitigen Beendigung ihrer Blockade verfügenden - Angeklagten auf dem Gleiskörper lediglich eine psychische Zwangswirkung auf den Führer des möglicherweise herannahenden Castor-Zuges hätte ausgeübt werden können, kann bei wertender Betrachtung insoweit nicht vom Vorliegen des Merkmals der Gewalt ausgegangen werden. Der Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht nicht ausschließbar eine andere Bewertung nicht als verfassungswidrig beanstanden würde, steht dieser Auffassung nicht entgegen, denn das Bundesverfassungsgericht hat die speziell für die Beurteilung von Blockadefällen mögliche und notwendige Eingrenzung des strafrechtlichen Gewaltbegriffes ausdrücklich den Fachgerichten überlassen (BVerfGE 92, 1 - bei juris Rn. 65).
c. Gleichwohl könnte sich die Angeklagte wegen versuchter Nötigung deshalb strafbar gemacht haben, weil der Führer des Castor-Zuges die beabsichtigte Fahrt wegen der aufgrund der Blockadeaktion der Angeklagten und ihrer Mitdemonstranten notwendigen zeitweisen Entfernung des Gleiskörpers möglicherweise nicht plangerecht bzw. nur mit Verzögerung hätte antreten können. Nach den getroffenen Feststellungen war es, um den durch die Anwesenheit der Angeklagten und ihrer neun Tatgenossen auf den Gleisen blockierten Weg für den Schienenverkehr wieder freizumachen, nämlich erforderlich, die Schienen in dem Bereich, in dem sich die Angeklagte und ihre Mittäter befanden, von den Schwellen zu lösen, den Schienenstrang zu durchtrennen, die blockierenden Personen „auszufädeln“ und danach das jeweilige Teilstück des Gleises wieder einzufügen und behelfsmäßig so zu befestigen, dass die Schienen wieder befahrbar waren. Durch diese auch aufgrund des Blockadeverhaltens der Angeklagten notwendigen Maßnahmen wurde für den Führer des Castor-Zuges eine unmittelbar physisch wirkende, sich als Ausübung von Gewalt im Sinne des § 240 StGB darstellende bahntechnische Barriere geschaffen, welche ihm einen Fahrtantritt zumindest zeitweise objektiv unmöglich gemacht hätte.
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Allerdings hat die Angeklagte dieses objektiv für den Zugführer nicht überwindbare körperliche Hindernis nicht selbst geschaffen, sondern die Loslösung und Durchtrennung der Schienen erfolgte durch dritte Personen, nach Sachlage - das Urteil verhält sich zu den näheren Umständen nicht - wohl naheliegend durch Mitarbeiter der Albtalverkehrs GmbH (AVG) als verantwortlicher Betreibergesellschaft oder durch Ordnungs- bzw. Polizeikräfte. Insoweit wird in der neuen Hauptverhandlung zu klären sein, ob der Angeklagten das eigenverantwortliche Handeln dieser - selbst nicht tatbestandsmäßig und rechtswidrig handelnden - Personen objektiv und subjektiv im Sinn einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach § 240 StGB zugerechnet werden kann. Dabei wird die Strafkammer zu bedenken haben, dass zwar durch das an das Verhalten des Täters anknüpfende vorsätzliche Handeln eines Dritten der objektive Kausalzusammenhang regelmäßig nicht unterbrochen wird, es jedoch in einem solchen Fall grundsätzlich der wertenden Betrachtung bedarf, ob und inwieweit zwischen dem ursprünglichen Verhalten des Täters und der - versuchten -Tatbestandsverwirklichung ein objektiver und subjektiver Zurechnungszusammenhang besteht (vgl. hierzu Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, a.a.O., Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 77, 101 ff.; einen Zurechnungszusammenhang bejahend OLG Celle a.a.O. Rn. 68). Hierfür könnte vorliegend sprechen, dass die Angeklagte und ihre Mittäter durch ihr schon aufgrund des für den maßgeblichen Gleisbereich bestehenden Versammlungsverbots rechtswidriges Blockadeverhalten eine rechtlich missbilligte Gefahr im Hinblick auf das möglicherweise verletzte Rechtsgut - die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung des Lokführers - geschaffen haben, dass die die Durchtrennung der Schienen ausführenden Mitarbeiter der AVG bzw. Ordnungs- und Polizeikräfte nach Sachlage zu ihrem Tun verpflichtet waren und dass ein unmittelbarer zeitlicher, örtlicher und situativer Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Angeklagten und dem Entfernen des Gleiskörpers bestand. Auch wäre zu prüfen und zu bedenken, ob die Angeklagte - wofür nach Sachlage einiges spricht - das im Sinne des § 240 StGB tatbestandsmäßige Geschehen - die Schaffung eines physisch wirkenden Hindernisses durch zeitweise Entfernung des Gleiskörpers - im Sinne - nötigender - Tatherrschaft objektiv lenkend „in der Hand hielt“ und dieses Geschehen jedenfalls ihre Person betreffend jederzeit dadurch steuern konnte, dass sie sich durch Loslassen der Seilschlaufe oder durch andere Umstände selbst hätte befreien können. Auch wird es bei der Frage der objektiven Zurechnung darauf ankommen, ob das die körperliche Zwangswirkung für den Zugführer begründende Handeln der Mitarbeiter der AVG bzw. der Ordnungs- und Polizeikräfte - die Durchtrennung des Schienenstrangs - auch objektiv geboten und voraussehbar war. Dies kann etwa davon abhängen, ob es objektiv möglich war und seitens der Polizei oder sonstiger Ordnungskräfte überhaupt der Versuch unternommen wurde, die sich lediglich an der Seilschlaufe festhaltende, mit der Rohrkonstruktion und dem Gleiskörper nicht fest verbundene Angeklagte durch bloßes Anheben und Wegtragen ihres Körpers von den Schienen zu entfernen, sowie ob und ggf. in welcher Weise das schließlich erfolgte Durchtrennen und Entfernen des Gleiskörpers der Angeklagten zuvor auch angedroht worden war. Auch werden in der Hauptverhandlung diesbezügliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite - insbesondere im Hinblick auf die Vorsatzlage bzw. das Vorstellungsbild der Angeklagten in Bezug auf das Durchtrennen des Gleiskörpers durch Mitarbeiter der AVG bzw. Polizei- und Ordnungskräfte - zu treffen sein.
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Bei dieser Ausgangslage geht der Senat davon aus, dass das Verhalten der Angeklagten bei in einer neuen Hauptverhandlung möglichen entsprechenden Feststellungen - vorbehaltlich der von dem neuen Tatrichter in eigener Verantwortung vorzunehmenden Verwerflichkeitsprüfung nach § 240 Abs. 2 StGB (vgl. auch hierzu BVerfGE 92, 1; 104, 92; Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - in juris; Eser/Eisele in Schönke/Schröder a.a.O. § 240 Rn. 26) - in rechtlicher Hinsicht grundsätzlich als nach §§ 240 Abs.1, Abs.3, 22, 23 StGB strafbare versuchte Nötigung angesehen werden könnte, so dass der Revision der Staatsanwaltschaft ein - jedenfalls vorläufiger - Erfolg nicht versagt werden kann.
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Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat allerdings darauf hin, dass sich die Strafkammer im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand der versuchten Nötigung - die „Vorstellung von der Tat“ (§ 22 StGB) - auch mit dem konkreten Tatplan bzw. dem konkreten Vorstellungsbild der Angeklagten zu Beginn, Ablauf und Beendigung der Blockadeaktion zu befassen haben wird (vgl. insoweit speziell zu Blockademaßnahmen Senat, Beschl. v. 01.06.2004 - 1 Ss 80/03 - in juris, dort insbes. Rn. 1, 5; BayObLG NJW 1992, 521 - in juris, dort insbes. Rn. 29 ff., 31). Insoweit ist die im landgerichtlichen Urteil pauschal getroffene und beweiswürdigend nicht untermauerte Feststellung, die Angeklagte habe „in Verfolgung ihres Tatplanes“ gehandelt, „den Castor-Transport möglichst öffentlichkeits- und medienwirksam zu verzögern“, nicht ausreichend. Vorliegend besteht nämlich die - auch bezüglich der gleichfalls zu prüfenden Frage des Beginns des Versuchsstadiums (vgl. auch insoweit BayObLG a.a.O.) maßgebliche - Besonderheit, dass die Angeklagte und ihre Mitdemonstranten bereits in den frühen Morgenstunden des 15.02.2011 ihre Blockadeaktion begannen, die Durchführung des Castor-Transports jedoch erst in der folgenden Nacht vom 15. auf den 16.02.2011 erfolgte. Angesichts dieser nach Sachlage offensichtlich erheblichen zeitlichen Distanz - die Dauer und der Zeitpunkt der Beendigung der Blockadeaktion sind ebenso wenig festgestellt wie der genaue Zeitpunkt der geplanten und der tatsächlich erfolgten Abfahrt des Zuges - käme auch in Betracht, dass die Angeklagte und ihre Mitstreiter mit der Aktion nach ihrem Vorstellungsbild andere Ziele als die Verzögerung des Castor-Transports - so etwa die Erregung öffentlicher und medialer Aufmerksamkeit im Vorfeld dieses erst viele Stunden später erfolgenden Transports - verfolgt und somit bezüglich der Behinderung und Verzögerung des Transports selbst im Hinblick auf den Tatbestand der Nötigung kein - auch kein bedingter -Tatvollendungsvorsatz bestanden haben könnte (so Senat a.a.O.; BayObLG a.a.O.). Um dies zu klären wird die Strafkammer zunächst hinreichend klare Feststellungen sowohl zum Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung sowie zum genauen Ablauf der Aktion und der dadurch bewirkten Behinderung des Schienenverkehrs als auch zum Zeitpunkt der von der befassten Transportfirma bzw. den Polizeikräften geplanten und sodann tatsächlich erfolgten Abfahrt des Zuges zu treffen haben. Auf der Grundlage dieser zum objektiven Tatgeschehen zu treffenden Feststellungen wird sodann zu klären sein, welche konkreten Vorstellungen und Pläne die Angeklagte bezüglich des Ablaufs und der Dauer sowie der Art und des Zeitpunktes der Beendigung der Blockadeaktion hatte. Auch wird zu prüfen und festzustellen sein, welche konkreten Kenntnisse oder Vorstellungen die Angeklagte bezüglich der tatsächlichen Gegebenheiten des anstehenden Castor-Transports und hierbei insbesondere bezüglich des Zeitpunkts der geplanten Abfahrt des Zuges hatte. Sollte sich in der neuen Hauptverhandlung nicht ausschließbar ergeben, dass die Angeklagte nach ihrem - insoweit allein maßgeblichen - Vorstellungsbild davon ausging, dass die Blockade der Gleise zu dem ihr bekannten oder von ihr erwarteten Zeitpunkt der Abfahrt des Zuges beendet sein, die Blockadeaktion also kein taugliches Mittel zur Verzögerung des Castor-Transports sein werde, kommt die Annahme eines - auch bedingten - Tatvollendungsvorsatzes und damit eine Strafbarkeit nach § 240 Abs.1, Abs.3, 22, 23 StGB nicht in Betracht.
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2. Wegen der oben dargestellten Feststellungs- und Beweiswürdigungslücken kann auch die Verurteilung der Angeklagten wegen Sachbeschädigung, deren Überprüfung dem Senat auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin obliegt (§ 301 StPO), keinen Bestand haben. Insoweit bleibt zunächst unklar, aus welchem tatsächlichen Verhalten die Strafkammer eine der Angeklagten zurechenbare Sachbeschädigung entnehmen will. Ohne weitere Feststellungen erschiene es insoweit bedenklich, allein in dem bloßen Unterhöhlen der Gleise und/oder der zusätzlichen Durchführung der Rohrkonstruktion unter dem Gleiskörper eine im Sinne des § 303 StGB relevante Substanzverletzung anzunehmen. Dass durch das Verhalten der Angeklagten die bestimmungsgemäße technische Brauchbarkeit des Gleiskörpers nachhaltig beeinträchtigt worden wäre, ist ebenfalls nicht festgestellt, zumal vorliegend der Gleiskörper nicht mit einer zusätzlichen Sicherung etwa eines Metallkastens oder eines Betonblocks (vgl. hierzu BGHSt 44, 34; Otto NStZ 1998, 513; Dietmeier JR 1998, 470; Fischer a.a.O. § 303 Rn. 6,12) fest und untrennbar verbunden war und die Schienen im Falle der - nach den Feststellungen jederzeit möglichen - Selbstbefreiung der Angeklagten trotz der Unterhöhlung nach Sachlage weiterhin befahren hätten werden können. Allein der Umstand, dass sich die Angeklagte und ihre Mitdemonstranten auf dem Gleiskörper aufhielten und deshalb der Zugverkehr zeitweise nicht möglich war, reicht für die Annahme einer im Sinne des § 303 StGB relevanten Einschränkung der Brauchbarkeit des Gleiskörpers ebenfalls nicht aus (vgl. hierzu OLG Celle NStZ 2005, 217; Wolff in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2008, § 303 Rn. 13). Eine der Angeklagten zurechenbare, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 303 StGB erfüllende Substanzverletzung könnte sich jedoch daraus ergeben, dass der Gleiskörper durch Mitarbeiter der AVG bzw. Polizei- oder Ordnungskräfte durchtrennt und zeitweise entfernt werden musste (vgl. auch hierzu BGHSt 44, 34 - bei juris Rn. 20). Insoweit wird die Strafkammer neben den oben unter Ziff. 1 c) im einzelnen angesprochenen Fragen zur objektiven Zurechnung vor allem auch zu klären haben, ob und inwieweit der - ggf. auch bedingte - Vorsatz der Angeklagten zu Beginn und während der Blockaderaktion diese weitere Entwicklung des Geschehens umfasst hat.
III.
14 
Das Urteil war danach mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe - auch zur Entscheidung über die Kosten der Revision - zurückzuverweisen (§§ 349 Abs.5, 354 Abs.2 Satz 1 StPO).

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