Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 3 Ws 17/14

Tenor

Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor ist vom Gericht nicht mitgeteilt worden.

Gründe

 
I.
Der Ermittlungsrichter ordnete am 7.8.2013 auf der Grundlage eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Gebührenüberhebung den dinglichen Arrest über EUR ... in das Vermögen des Angeschuldigten (Angesch.) an und pfändete mit Beschlüssen vom selben Tag in Vollziehung des dinglichen Arrestes bis zu dessen Höhe die Forderungen des Angesch. aus dessen Geschäftsverbindungen bei insgesamt drei Bankinstituten. Auf die nach Anklageerhebung am 7.10.2013 in einen Antrag auf Aufhebung der dinglichen Arrestanordnung umzudeutende Beschwerde des Angesch. vom 19.8.2013 gegen den Arrestbeschluss hat das seit Anklageerhebung in der Hauptsache zuständige LG die Arrest- und Pfändungsbeschlüsse am 10.12.2013 mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass der zu sichernde Betrag jeweils auf EUR XZ herabgesetzt wurde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angesch. Das LG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 27.12.2013 nicht abgeholfen. Die GenStA beantragt mit Schrift vom 8.1.2014, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Die StA hat zudem bereits mit Anklageschrift vom 2.10.2013 die Verlängerung der Arrestanordnung „über sechs bzw. zwölf Monate hinaus“ beantragt.
II.
Die zulässige (§ 304 Abs. 1 StPO) Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Es liegen dringende Gründe für die Annahme vor, dass die Voraussetzungen für den Verfall von Wertersatz in der gesicherten Höhe vorliegen bzw. nur deshalb nicht vorliegen, weil vorrangige Ansprüche der Geschädigten bestehen (§§ 111b Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5, 111c Abs. 3, 111d StPO, §§ 73, 73a StGB).
1. Der Arrestanspruch der Rückgewinnungshilfe (§ 111b Abs. 5 StPO) ist gegeben. Der Beschwerdeführer ist der Gebührenüberhebung in … Fällen mit einem Gesamtschaden von EUR XZ dringend verdächtig.
a. Der Angesch. ist dringend verdächtig, im Zeitraum 16.4.2010 bis 15.5.2013 in … Fällen im Rahmen der Beurkundung von Grundstückskaufverträgen die Nebengeschäfte der Kaufpreisüberwachung gemäß § 147 Abs. 2 KostO (in der bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung, so auch im Folgenden) aus einem überhöhten Gegenstandswert abgerechnet zu haben, indem er diesen mit dem Kaufpreis gleichsetzte.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass für die mit der Überwachung der Fälligkeit des Kaufpreises und der Überwachung der Kaufpreiszahlung verbundenen Tätigkeiten des Notars zwar jeweils eine Betreuungsgebühr nach § 147 Abs. 2 KostO neben der Beurkundungsgebühr anfällt, dass bei der Bemessung dieser Gebühr jedoch dem im Einzelfall geringen Umfang der entfalteten Tätigkeit in der Weise Rechnung zu tragen ist, dass nicht der volle Geschäftswert, sondern nur ein dem geringen Umfang der Tätigkeit entsprechender Bruchteil angesetzt wird (BGHZ 163, 77). Die Bestimmung dieses Bruchteils liegt nach § 30 Abs. 1 KostO im Ermessen des Notars, wobei der Kaufpreis die Bezugsgröße (den Beziehungswert) bildet und regelmäßig ein Geschäftswert von 20 % bis 30 % des Kaufpreises angemessen sein wird (OLG Düsseldorf, JurBüro 1996, 101; OLG Köln, RNotZ 2001, 237; OLG Karlsruhe, Justiz 2006, 182; Rohs/Wedewer-Waldner, KostO, Losebl., Lfg. Dez. 2012, Rdn. 13aa zu § 147; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann-Bengel/Tiedtke, KostO, 18. Aufl., Rdn. 3c zu § 147: „Ein Überschreiten eines Prozentsatzes von 30 % erscheint … im Hinblick auf die Rspr. im Regelfall nicht mehr vertretbar“; s. ergänzend die gegen den Angesch. ergangenen Beschlüsse des LG, SB „Beschlüsse LG gem. § 156 KostO). Nach strengerer Auffassung ist schon die pauschale Bemessung des Geschäftswerts mit 30 % rechtsfehlerhaft (OLG Hamm, RNotZ 2012, 523), nach großzügigerer Auffassung ein Rahmen von 20 % bis 50 % des Beziehungswertes angemessen, wobei die Annahme eines oberen Teilwertes in diesem Bereich bei besonders umfangreichen Überprüfungspflichten des Notars gerechtfertigt sein soll (Notarkasse München [Hg.], Streifzug durch die Kostenordnung, 8. Aufl., Rdn. 1720, 1723). Lediglich unter besonderen Umständen, etwa bei einer ungewöhnlich langen Vollzugssperre, die durch eine Kaufpreisstaffelung über mehrere Jahre erforderlich wird, kann der Geschäftswert im Einzelfall einmal 100 % des Kaufpreises erreichen (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann-Reimann, a.a.O., Rdn. 50 zu § 30).
Soweit der Angesch. sich zur Begründung seiner gegenteiligen Rechtsauffassung - zwingende Gleichsetzung des Geschäftswerts mit dem Kaufpreis (§ 20 KostO) - auf ältere Rechtsprechung und Literatur beruft (vgl. zuletzt Privatgutachten Rechtsanwalt H. vom 27.1.2014, Anlage zum Verteidigerschreiben vom 31.1.2014), ist diese zumindest überholt, sie wurde - soweit ersichtlich - zuletzt im Jahr 1987 vertreten (Klein, JurBüro 1987, 1746 [1748 f.]; zuvor Menzel, DNotZ 1981, 168). Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die vom Angesch. wiederholt (nachweislos) zum Beleg seiner Rechtsauffassung angeführte Literaturstimme von Lappe gerade nicht die Ansicht vertritt, der Geschäftswert sei stets mit dem Kaufpreis gleichzusetzen. Namentlich Lappe hat vielmehr in Erwiderung zu Menzel (a.a.O.) schon im Jahr 1981 die Heranziehung des § 30 KostO nicht nur für zulässig, sondern im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung - Differenzierungsgebot - sogar für notwendig erachtet (DNotZ 1981, 411 [412]).
Hinsichtlich des vom Angesch. im Rahmen seines Beschwerdevorbringens (hilfsweise) beanspruchten Ermessensspielraums ergibt sich der dringende Tatverdacht eines objektiven Ermessensausfalls und damit durchgreifenden Ermessensfehlers schon aus seinem eigenen Vortrag. Wenn nämlich der Angesch. davon ausgeht, den Geschäftswert im Regelfall zu 100 % mit dem Kaufpreis gleichsetzen zu können (und nach § 20 Abs. 1 KostO sogar zu müssen), nimmt er die ihm obliegende Aufgabe der Bestimmung des im Einzelfall angemessenen Bruchteils gerade nicht hinreichend wahr. Auch bei Wahrunterstellung seines Vortrags, bei Grundstückskaufverträgen unter Angehörigen einen geringeren Geschäftswert angesetzt zu haben, und unter Berücksichtigung des von der StA mit Schreiben vom 5.2.2014 nachträglich zu den Akten gegebenen Auswertungsergebnisses der Bezirksrevisorin, nach dem der Angesch. den Geschäftswert in einer Reihe von Fällen mit einem Bruchteil des Kaufpreises angesetzt hat, hat er die Notwendigkeit einer Ermessensausübung im Einzelfall jedenfalls für alle anderen, darunter die anklagegegenständlichen, Einzeltaten von vornherein verkannt oder jedenfalls die von der Rechtsprechung bei im Regelfall maximal 50 % des Kaufpreises gezogenen Grenzen seines Ermessensspielraums überschritten.
b. Die kostenrechtlich zu beanstandende Gebührenüberhebung unterfällt dem Tatbestand des § 352 StGB. Tathandlung des § 352 StGB ist das Erheben einer Gebühr, von welcher der Täter weiß, dass der Zahlende sie - kostenrechtlich - überhaupt nicht oder nur in geringerem Betrage schuldet. Die Gebühr muss dabei dem Grunde und dem Betrag nach gesetzlich festgelegt sein, der Amtsträger muss sie nach der Gebührenordnung selbst zu berechnen haben (BGHSt 4, 233 [235]; Fischer, StGB, 61. Aufl., Rdn. 6 zu § 352). Die Strafandrohung will sicherstellen, dass sich der Amtsträger bei der ihm überlassenen Berechnung seines Anspruchs in den Schranken hält, die ihm die Gebührenordnungen auferlegen. Der Schutzzweck des § 352 StGB besteht danach nicht nur darin, das Publikum vor überhöhten Gebührenforderungen zu bewahren, sondern es vor allem vor dem Missbrauch der Befugnis zu schützen, gesetzliche Gebühren erheben zu dürfen. Das spezifische Unrecht der Gebührenüberhöhung liegt gerade darin, dass der Täter für seine Forderungen zu Unrecht die Autorität einer gesetzlichen Gebührenregelung in Anspruch nimmt (BGH, NJW 2006, 3219 [3220]).
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Hierunter fallen nach zutreffender Auffassung auch solche Gebühren, die nur dem Rahmen nach durch Gesetz oder Verordnung festgelegt sind (LK-Vormbaum, StGB, 12. Aufl., Rdn. 10 zu § 352; MK-Voßen, StGB, 2. Aufl., Rdn. 11 zu § 352; NK-Kuhlen, StGB, 4. Aufl., Rdn. 9 zu § 352; a.A. wohl SK-Hoyer, StGB, 8. Aufl., Rdn. 3 zu § 352 [unter insoweit unzutreffender Bezugnahme auf LK-Vormbaum, a.a.O.]). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch dann, wenn - wie hier - die Gebühr zwar nach dem Gesetzeswortlaut (§ 30 Abs. 1 KostO) nach freiem Ermessen zu bestimmen ist, der Rahmen des Ermessens jedoch durch ständige höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung fest abgesteckt, nämlich im Regelfall auf höchstens 20 % bis 30 % des Kaufpreises als Beziehungswert zu bemessen ist (zur Möglichkeit der Präzisierung von Strafbarkeitsgrenzen durch gefestigte Rechtsprechung vgl. BVerfGE 126, 170 ff.). Denn auch bei Überschreiten eines solchen Rahmens ist die Gebühr, deren Berechnung sich auf die Autorität einer gesetzlichen Gebührenregelung (hier: § 147 Abs. 2 KostO) stützt, in dieser Höhe nicht geschuldet und hält gerichtlicher Überprüfung nicht stand. Den materiellen Grenzen des Ermessens korrespondiert insoweit die verfahrensrechtliche Durchbrechung der sachlichen Unabhängigkeit des Notars, den die Dienstaufsicht gem. § 156 Abs. 7 KostO anweisen kann, wegen seiner Kostenrechnung die Entscheidung des LG herbeizuführen (Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 6. Aufl., Rdn. 51 zu § 93). Da die nach Maßgabe der Anklageschrift modifizierten Sicherungsmaßnahmen lediglich solche Gebühren erfassen, denen ein Geschäftswert von über 50 % des Kaufpreises zugrunde liegt, ist der strafrechtlich nicht erfasste Spielraum des Gebührengläubigers in sämtlichen verfahrensgegenständlichen Fällen überschritten.
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c. Der Angesch. ist auch in subjektiver Hinsicht dringend tatverdächtig, weil er nach Aktenlage von vornherein Kenntnis davon hatte, dass die von ihm gestellten Gebührenforderungen überhöht und damit vom Gebührenschuldner nur in geringerem Betrag geschuldet waren.
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Der dringende Tatverdacht stützt sich insoweit zum einen auf die Prüfberichte der Ländernotarkasse L. als der für seinen damaligen Amtssitz zuständigen Aufsichtsbehörde vom 27.4.2001 und 12.12.2005 (wird ausgeführt).
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In Anlage 3 wurde sodann ein konkreter Fall der Zuvielberechnung nach § 147 Abs. 2 KostO beanstandet, diese Beanstandung wurde durch den Angesch. durch Nachberechnung erledigt. In seiner Stellungnahme zum Prüfbericht vom 3.7.2006 teilt der Angesch. folgendes mit:
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„Soweit ich erinnere, ist § 147 II bei jeder Kostenprüfung diskutiert worden. Die zitierte Entscheidung des BGH ist mir nicht bekannt. Das Ergebnis (Teilwert) muß, da BGH, akzeptiert werden, egal ob man diese Entscheidung für richtig hält oder nicht.“
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Diese das jedenfalls in der Folge sichere Wissen des Angesch. von der Unrechtmäßigkeit seiner Berechnungsmethode dringend belegenden Anhaltspunkte sind entgegen der Auffassung der Beschwerde auch für das Strafverfahren verwertbar. Aus § 93 Abs. 4 BNotO folgt kein strafrechtliches Verwendungsverbot. Abgesehen davon, dass dem Angesch. keine Vorgänge zur Last gelegt werden, die Gegenstand der damaligen notariellen Geschäftsprüfungen waren, betreffen gesetzliche Aufzeichnungs- und Vorlagepflichten den Kern der grundgesetzlich geschützten Selbstbelastungsfreiheit auch dann nicht, wenn die zu erstellenden oder vorzulegenden Unterlagen auch zur Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten verwendet werden dürfen. Vielmehr können solche Mitwirkungspflichten nach der Rechtsprechung des BVerfG namentlich zum Schutz von Gemeinwohlbelangen gerechtfertigt sein (BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, wistra 2010, 341). Die - verfassungsrechtlich unbedenkliche (BVerfGE 131, 130) - Mitwirkungspflicht des § 93 Abs. 4 BNotO ist daher entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht mit § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO, sondern allenfalls mit der allgemeinen Mitwirkungspflicht des § 97 Abs. 2 InsO vergleichbar, auf die sich das Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO gerade nicht bezieht (vgl. OLG Celle, wistra 2013, 247; OLG Thüringen, wistra 2010, 495).
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Das Wissen um die Unrechtmäßigkeit seiner Gebührenerhebungen und damit der geforderte direkte Vorsatz des Angesch. wird zusätzlich indiziert durch das von ihm praktizierte Forderungsmanagement, ausstehende Forderungen nach § 147 Abs. 2 KostO nicht anzumahnen oder gar einzutreiben, sondern ausbuchen zu lassen. Diese Vorgehensweise legt ebenso wie die Reduzierung der Gebührenforderung gegenüber einer Gebührenschuldnerin, die als Notariatsmitarbeiterin selbst sachkundig war, den dringenden Verdacht nahe, dass der Angesch. eine gerichtliche Überprüfung seiner Geschäfte in diesem Punkt vermeiden wollte.
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Für die nach der ersten Geschäftsprüfung durch den Präsidenten des LG als der nunmehr zuständigen Aufsichtsbehörde am 22./23.5.2012, bei der die Festsetzung der Betreuungsgebühren bei der Beurkundung von Grundstückskaufverträgen erneut ausdrücklich beanstandet wurde, liegenden Taten bedarf der dringende Tatverdacht hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes keiner weiteren Erörterung. Dies gilt erst recht für die nach den Entscheidungen des LG gem. § 156 KostO liegenden Einzeltaten ab März 2013.
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d. Der Angesch. wird sich nach Aktenlage auch nicht auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen können. „Ein Notar, der eine Kostenrechnung erteilt, von der er genau weiß, dass sie einer Nachprüfung durch die zuständigen Gerichte nicht standhält, handelt zumindest dann unlauter, wenn er den Kostenschuldner darüber nicht aufklärt, sondern - in der praktischen Konsequenz - darauf spekuliert, dass der Kostenschuldner die Rechnung in Unkenntnis der Sach- und Rechtslage in voller Höhe begleicht und eine gerichtliche Nachprüfung nicht stattfindet“ (OLG Köln, RNotZ 2001, 237 [238 f.]).
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e. Schließlich ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die gesicherten Ansprüche auch der Höhe nach bestehen. Der der Anklageschrift der StA zugrundeliegenden Schadensberechnung liegt eine Berücksichtigung nur derjenigen Gebührenforderungen zugrunde, die von einem Geschäftswert von mehr als 50 % des Kaufpreises ausgehen und bei denen hierdurch gegenüber einem Geschäftswert von 50 % des Kaufpreises ein Gebührensprung verursacht wurde. Damit sind solche Einzelfälle bereits von vornherein nicht mit erfasst, bei denen im Einzelfall ein Geschäftswert von bis zu 50 % des Kaufpreises angemessen gewesen sein mag oder bei denen sich die überhöhte Festsetzung des Geschäftswertes im Ergebnis nicht ausgewirkt hat.
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2. Auch ein Arrestgrund ist gegeben. Ein Arrestgrund liegt vor, wenn zu besorgen ist, dass ohne den Arrest die künftige Vollstreckung und damit die Erfüllung des gesicherten Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde (§ 111d Abs. 2 StPO i.V.m. § 917 Abs. 1 ZPO). Dies ist der Fall, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei dem Betroffenen mit einer Verringerung des zugriffsfähigen Vermögens und folglich einer Verschlechterung der Vollstreckungsmöglichkeiten zu rechnen ist. Eine bewusste Vereitelungshandlung oder auch nur eine vom Betroffenen zu vertretende Gefährdungslage sind hierfür nicht erforderlich. Für das zu fällende Wahrscheinlichkeitsurteil kommt es vielmehr auf eine Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls an; in Betracht zu ziehen sind die Person und die Lebensverhältnisse des Betroffenen, sein Verhalten vor und nach Einleitung des Verfahrens sowie die Art und die Umstände der ihm zur Last liegenden Straftaten (SK-Rogall, StPO, 4. Aufl., Rdn. 12 f. zu § 111d).
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Nach dieser Maßgabe ist die Besorgnis einer wesentlichen Erschwerung künftiger Vollstreckungsmaßnahmen berechtigt. Der Beschwerdeführer bietet trotz seines an sich auskömmlichen Berufs als niedergelassener freier Notar keine Gewähr dafür, im Falle einer Verurteilung sicher zahlen zu können und zahlen zu werden. Seine derzeitigen Vermögensverhältnisse sind ausweislich der angestellten Finanzermittlungen nicht gesichert. Bestehendes Grundeigentum ist mit hohen Grundschulden belastet, einzelnen Kontoguthaben in sechsstelliger Höhe stehen Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von knapp zwei Millionen Euro gegenüber. Mit Urteilen des LG vom 29.4.2013 und 19.8.2013 wurde der Beschwerdeführer zudem zur Zahlung von insgesamt EUR XY aus einem Vergleich verurteilt, der auf ein früheres Investment des Beschwerdeführers in einem Immobilienfonds zurückgeht. Zwar sind bereits bestehende schlechte Vermögensverhältnisse allein ebenso wenig ein Arrestgrund wie die drohende Konkurrenz anderer Gläubiger (OLG Frankfurt, StV 1994, 234; KK-Spillecke, StPO, 7. Aufl., Rdn. 6 zu § 111d; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., Rdn. 8 zu § 111d). Die durch die Rückgewinnungshilfe gesicherten Geschädigten sollen durch die Sicherungsmaßnahmen nicht besser gestellt werden als bei einer sofortigen Vollstreckung (LR-Johann, StPO, 26. Aufl., Rdn. 21 zu § 111d). Doch lassen gerade die Urteile des LG vom 29.4.2013 und 19.8.2013 befürchten, dass sich die Vermögenslage des Beschwerdeführers und - spiegelbildlich - die Vollstreckungsaussichten der Geschädigten im Laufe des vorliegenden Verfahrens weiter verschlechtern.
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Hinzu tritt ein Weiteres: Im Falle seiner Verurteilung hat der Beschwerdeführer die Möglichkeit der Aberkennung seiner Amtsfähigkeit und damit den Verlust seines geregelten Einkommens aus Erwerbstätigkeit zu gewärtigen (§ 358 StGB). Der Verlust der Amtsfähigkeit kann auch dann angeordnet werden, wenn wegen mehrerer Einzeltaten nach § 352 StGB auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten erkannt wird (BGH, NJW 2008, 929). Die StA hat bereits mit Anklageschrift vom 2.10.2013 nachvollziehbar deutlich gemacht, dass für sie die Verhängung einer solchen Nebenfolge vorliegend in Betracht kommt.
23 
Nach all dem bedarf es vorliegend letztlich keiner Entscheidung, ob allein die dem Angesch. zur Last liegenden, gegen fremdes Vermögen gerichteten strafbaren Handlungen die einen Arrestgrund begründende Besorgnis der wesentlichen Vollstreckungserschwerung rechtfertigen (vgl. hierzu zuletzt OLG Nürnberg, OLGSt StPO § 111d Nr. 4; OLG Köln, NStZ 2011, 174; LR-Johann, a.a.O., Rdn. 20 zu § 111d; MK-Drescher, ZPO, 4. Aufl., Rdn. 10 zu § 917; jeweils m.w.N.). Der Senat neigt jedoch dazu, dies jedenfalls unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles anzunehmen, insbesondere mit Blick auf das Einlassungsverhalten des Angesch. sowie auf die fortgesetzte Tatbegehung über die aufsichtsrechtliche Beanstandung des Präsidenten des LG und die Entscheidungen des LG gem. § 156 KostO hinaus. Die Aufdeckung der unlauteren Abrechnungsweise bewirkte bei dem Angesch. nämlich gerade keine Zäsur zu einem lauteren Verhalten (vgl. LR-Johann, a.a.O.), wenngleich die Taten weniger wurden.
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3. Die angeordneten Sicherungsmaßnahmen sind verhältnismäßig. Mildere Maßnahmen gleicher Eignung sind nicht ersichtlich. Die Maßnahmen sind dem Angesch. in Ansehung ihres Gesamtumfangs, seiner Vermögensverhältnisse im Übrigen, der ihm zur Last liegenden Vorwürfe sowie des bisherigen Verfahrensablaufs auch zumutbar.

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