Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 5 UF 222/14

Tenor

Der Verfahrenswertbeschluss vom 13.04.2015 wird auf Anregung des Bevollmächtigten der Antragstellerin dahingehend abgeändert, dass der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren auf 30.135 EUR festgesetzt wird.

Gründe

 
I.
Zur Überprüfung steht die Festsetzung des Verfahrenswertes für eine Beschwerde wegen Trennungsunterhalts.
Der Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 22.12.2008, eingegangen beim Amtsgericht Lörrach am gleichen Tag, Verfahrenskostenhilfe für einen Stufenantrag zur Geltendmachung von Trennungsunterhalt. Nach Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Erledigung der Auskunftsstufe machte sie für den Zeitraum bis November 2011 einen rückständigen Trennungsunterhalt in Höhe von 52.833,98 EUR, von dem ein Betrag in Höhe von 2.852,13 EUR auf den Zeitraum bis Dezember 2008 entfiel, sowie einen laufenden Trennungsunterhalt in Höhe von 3.146 EUR ab Dezember 2011 geltend.
Mit Beschluss vom 12.08.2014 wurde der Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin ab März 2012 einen monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 2.236 EUR sowie einen rückständigen Trennungsunterhalt für den Zeitraum bis Februar 2012 in Höhe von 48.355 EUR zu leisten, von dem ein Betrag in Höhe von 3.303 EUR für die Monate bis Dezember 2008 festgesetzt wurde. Diese Entscheidung hat der Antragsgegner mit seiner Beschwerde vom 17.09.2014 vollumfänglich angefochten.
Nach Abschluss des Verfahrens wurde der Wert für das Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 13.04.2015 auf 15.903 EUR festgesetzt. Dabei wurde der in erster Instanz titulierte Betrag für die Monate bis Dezember 2008 als Rückstand und der für die Monate Januar 2009 bis Dezember 2009 als laufender Unterhalt zugrunde gelegt.
Gegen diese Berechnung wendet sich der Antragstellervertreter mit seiner Beschwerde vom 28.04.2015, eingegangen beim Oberlandesgericht am 30.04.2015. Er meint, dass sich der Wert für den laufenden Unterhalt aus dem für die Zukunft titulierten Betrag in Höhe von 2.236 EUR errechne.
Die Antragsgegnerin und ihre Bevollmächtigte traten der Beschwerde nicht entgegen.
Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die - nach §§ 32 Abs. 2 RVG, 59 Abs. 1 Satz 1 und 5, 57 Abs. 7 FamGKG unzulässige - Beschwerde des Antragstellervertreters wird zum Anlass genommen, den Verfahrenswertbeschluss vom 13.04.2015 nach § 55 Abs. 3 Nr. 1 FamGKG dahingehend abzuändern, dass der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren entsprechend seinem Begehren auf 30.135 EUR festgesetzt wird.
1. Nach Art. 111 Abs. 3 FGG-RG (vgl. hierzu Prütting/Helms/Klüsener, FamFG, 3. Auflage 2014, § 63 Rn. 1) findet das FamGKG auf den vorliegenden Fall Anwendung, da das Verfahren aufgrund Beschlusses vom 24.06.2010 und damit nach dem 01.09.2009 geruht hatte.
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2. Die Entscheidung kann nach § 55 Abs. 3 Nr. 1 FamGKG abgeändert werden, da das Verfahren vor weniger als sechs Monaten, nämlich mit Vergleich vom 13.04.2015, erledigt wurde.
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3. Nach §§ 40, 34, 51 Abs. 1 und 2 FamGKG wird der Verfahrenswert abweichend von der bisherigen Entscheidung auf 30.135 EUR festgesetzt.
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a) Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG bestimmt sich der Verfahrenswert im Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Die Bewertung der Rechtsmittelanträge bemisst sich wiederum nach denselben Vorschriften wie in erster Instanz (Oestreich/Hellstab, GKG - FamGKG, Stand April 2015, § 40 Rn. 5). Danach gilt in Unterhaltssachen § 51 FamGKG, wonach für den laufenden Unterhalt der für die ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrags geforderte Betrag maßgeblich ist und diesem Wert für den Unterhaltsrückstand die bei Einreichung des Antrags fälligen Beträge hinzugerechnet werden.
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b) Ausgehend von diesen Erwägungen wurde der Verfahrenswert mit Beschluss vom 15.04.2015 auf 15.903 EUR festgesetzt. Dabei wurde darauf abgestellt, dass der Verfahrenskostenhilfeantrag für den Stufenantrag im Dezember 2008 bei Gericht eingegangen ist und bis Dezember 2008 ein Unterhalt in Höhe von 3.303 EUR und für die zwölf Monate ab Januar 2009 in Höhe von 12.600 EUR tituliert wurde.
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c) Dieser Ansatz steht - soweit ersichtlich - im Einklang mit der bislang veröffentlichen Rechtsprechung.
15 
Das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG Nürnberg vom 20.09.2001 - 7 UF 495/01, FamRZ 2002, 684 Rn. 15 f., 18) und das Oberlandesgericht Celle (OLG Celle vom 08.07.2008 - 15 UF 2/08, FamRZ 2009, 74, juris Rn. 2 ff.) stellten für die Bemessung des Berufungswerts auf die Einreichung der Klage ab.
16 
Der Bundesgerichtshof hat sich 2003 ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt und gelangt zu einer differenzierteren Ansicht. Er vertritt die Auffassung, dass es für den Wert des laufenden Unterhalts auf die ersten zwölf Monate des noch streitigen Zeitraums ankommt (BGH vom 04.06.2003 - XII ZB 24/02, FamRZ 2003, 1274, juris Rn. 8), dieser Wert aber auf den Wert des erstinstanzlichen Verfahrens zu begrenzen sei (sofern der Antrag nicht erweitert werde; BGH, a.a.O., juris Rn. 10). Mit diesem Ansatz geht der Bundesgerichtshof also auch davon aus, dass der Zeitraum für die Bemessung des Werts für den laufenden Unterhalt durchaus vor Einlegung bzw. Eingang des Rechtsmittels liegen kann.
17 
Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs haben sich das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart vom 17.12.2007 - 16 UF 124/07, FamRZ 2008, 1205, juris Rn. 2) und das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG Oldenburg vom 23.09.2008 - 13 UF 44/08, FamRZ 2009, 73, juris Rn. 2 f.) ausdrücklich angeschlossen.
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d) Demgegenüber wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass der Wert für den laufenden Unterhalt den zwölf Monaten nach Rechtsmitteleinlegung (nicht nach Eingang des Rechtsmittelantrages) zu entnehmen sei. Sollte dieser Betrag höher als der ursprünglich mit dem Klagantrag geltend gemachte sein, sei der Wert gemäß § 40 Abs. 2 FamGKG auf den Wert des erstinstanzlichen Verfahrens zu begrenzen (Schneider, AnwBl 2009, 777, 780; Schneider u.a./Schneider, FamGKG, 2. Auflage 2014, § 40 Rn. 2 ff., 21, 41 f.; Oestreich/Trenkle, a.a.O., Kapitel 10 Stichwort „Rechtsmittelverfahren“ Rn. 2, 7.). Der Unterhaltsrückstand richte sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der Klagantrag in erster Instanz eingegangen sei, was aus der Begrenzungsvorschrift des § 40 Abs. 2 FamGKG folge (Oestreich/Trenkle, a.a.O, Kapitel 10 Stichwort „Rechtsmittelverfahren“ Rn. 7; Kapitel 10 Stichwort „Rückstände“ Rn. 3; Kapitel 10 Stichwort „Unterhalt“ Rn. 13).
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e) Nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage auf den Einwand des Antragstellervertreters hin wird der Verfahrenswert nunmehr abweichend von der bisherigen - im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung stehenden - Ansicht entsprechend der Literaturmeinung festgesetzt, da diese das Gesamtsystem des FamGKG zutreffend erfasst.
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aa) Aus einer isolierten Betrachtung des § 40 FamGKG lassen sich keine überzeugenden Argumente für die eine oder andere Ansicht herleiten. Einerseits stellt die Vorschrift auf den Rechtsmittelantrag ab, andererseits lässt sie aber auch Raum für die Annahme, dass sich der Beschwerdewert danach richtet, welche Beträge der Rechtsmittelantrag aus dem Zeitraum vor und nach Eingang des Klagantrages erfasst.
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bb) In diesem Zusammenhang ist zu sehen, dass § 40 FamGKG allein die Höhe des Wertes bestimmt. Der Zeitpunkt für die Wertberechnung, der vorliegend entscheidend ist, ist dagegen § 34 FamGKG zu entnehmen. § 34 FamGKG wiederum stellt ausdrücklich auf die Antragstellung in dem jeweiligen Rechtszug ab. Eine Gesamtschau aus dem allgemeinen § 34 FamGKG und dem speziellen § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG spricht danach dafür, für den Zeitpunkt der Wertberechnung auf den Eingang des Rechtsmittels abzustellen.
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cc) Ferner ist die Regelung des § 51 Abs. 2 Satz 2 FamGKG, wonach bei der Wertberechnung die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe der Einreichung des Antrages auch bei einer alsbald eingelegten Beschwerde gleichgestellt wird, nur mit der Literaturmeinung in Einklang zu bringen.
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dd) Hinzu kommt, dass die Literaturmeinung unbillige Ergebnisse vermeidet für den Fall, dass ein Teil des titulierten Unterhalts - wie vorliegend - mit Erfüllungsabsicht geleistet wird. In Fällen, in denen der Unterhaltsschuldner fast den vollständigen Unterhalt erfüllt hat und deswegen davon absieht, den darüber hinausgehenden, nur in minimaler Höhe zusätzlich titulierten Unterhalt anzufechten, würde die Rechtsprechungsansicht dazu führen, dass erheblich mehr Kosten anfallen können, wenn der Schuldner den Titel für den Zeitraum bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz akzeptiert als wenn er ihn vollumfänglich anficht.
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f) Nach der Literaturansicht, der sich das Beschwerdegericht nach dem Ausgeführten anschließt, errechnet sich der Verfahrenswert für Beschwerden in Unterhaltssachen wie folgt:
25 
- Der Stichtag für die Abgrenzung zwischen rückständigem und laufendem Unterhalt ist der Eingang der Beschwerde.
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- Der Rückstandswert wird grundsätzlich bis zu diesem Zeitpunkt berechnet. Der Zeitraum zwischen Eingang des Klagantrages und der Beschwerde bleibt aber wegen § 40 Abs. 2 FamGKG außer Betracht, so dass der Wert jedenfalls in Fällen, in denen der Antrag nicht zwischenzeitlich erweitert wurde, gar nicht erst errechnet werden muss.
27 
- Für den laufenden Unterhalt ist zunächst das Zwölffache des Unterhaltsbetrages zu errechnen, der für den Zeitraum ab Beschwerdeeinlegung beschwerdegegenständlich ist. Anschließend ist wegen § 40 Abs. 2 FamGKG das Zwölffache des Unterhaltsbetrages zu bestimmen, der für den Zeitraum ab Eingang des Klagantrages geltend gemacht wurde. Als Verfahrenswert ist dann der niedrigere der beiden festzusetzen.
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g) Nach diesen Maßstäben errechnet sich der Wert für das Beschwerdeverfahren vorliegend auf 3.303 EUR für die Rückstände und auf 12 x 2.236 EUR für den laufenden Unterhalt, insgesamt mithin auf 30.135 EUR. Dabei bestimmt sich der Unterhaltsrückstand wegen §§ 51 Abs. 2 Satz 2, 38 FamGKG unter Berücksichtigung des § 40 Abs. 2 Satz 1 FamGKG nach dem Betrag, der bei Eingang des Verfahrenskostenhilfeantrages für die Stufenklage bereits fällig war. In entsprechender Anwendung des § 40 Abs. 2 Satz 2 FamGKG wird nicht der von der Antragstellerin in erster Instanz geltend gemachte Rückstandsbetrag in Höhe von 2.852,13 EUR, sondern der in der angefochtenen Entscheidung entgegen § 308 ZPO tatsächlich zugesprochene Betrag in Höhe von 3.303 EUR angesetzt.

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