Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 2 WF 301/15

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Teil-Anerkenntnis- und Schlussbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Rastatt vom 22.04.2015 (Az.: 4 F 101/13) unter Ziffer 4 wie folgt abgeändert:

Der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 17.639,00 EUR festgesetzt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin gegen einen Beschluss des Amtsgericht, durch den der Verfahrenswert in erster Instanz auf insgesamt 26.347,00 EUR festgesetzt worden ist.
Die Antragsgegnerin und der Antragsteller sind vormalige Eheleute. Die Ehe wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 13.11.2013, rechtskräftig seit 24.12.2013, geschieden.
Der Antragsteller ist Alleineigentümer einer in ... G., R... ... befindlichen Immobilie. Nach der Trennung der Beteiligten im September 2012 wurde die Immobilie von der Antragsgegnerin zusammen mit dem noch minderjährigen Sohn M..., geboren am ..., und der bereits volljährigen Tochter M... bewohnt. Der Unterhalt für M... war in Höhe von 120 % des Mindestunterhalts tituliert. Im Oktober 2013 zog die Antragsgegnerin aus dem Anwesen aus.
Unter dem 11.03.2013 hat der Antragsteller die Antragsgegnerin auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung ab Dezember 2012 in Anspruch genommen und für die Zeit von Dezember 2012 bis einschließlich März 2013 eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 800,00 EUR sowie ab September 2013 in Höhe von 1.400,00 EUR gefordert.
Die Antragsgegnerin ist den Anträgen entgegengetreten. Sie hat vorgebracht, dass nicht sie eine Nutzungsentschädigung, sondern vielmehr der Antragsteller Trennungsunterhalt und einen höheren Kindesunterhalt für M. schulde. Unter dem 15.07.2013 hat sie Widerantrag gestellt und den Antragsteller auf Zahlung eines rückständigen Kindesunterhalts für April 2013 bis Juli 2013 in Höhe von 136,00 EUR und in Abänderung der Jugendamtsurkunde vom 05.12.2012, Urkunden-Nr. .../..., auf Zahlung eines laufenden Unterhalts in Höhe von 128 % des Mindestunterhalts ab 01.08.2013 in Anspruch genommen. Der Differenzbetrag zwischen dem titulierten und dem geforderten Kindesunterhalt belief sich auf 34,00 EUR monatlich.
Sie hat ferner einen rückständigen Trennungsunterhalt für die Monate Juni 2013 und Juli 2013 in Höhe von 310,00 EUR gefordert. Für die Zeit ab August 2013 hat sie einen laufenden Trennungsunterhalt von 155,00 EUR monatlich geltend gemacht.
Im laufenden Verfahren hat die Antragsgegnerin ihre Wideranträge wie folgt erweitert:
Mit Schriftsatz vom 09.04.2014 hat sie für den Zeitraum ab Oktober 2013 bis Dezember 2013 einen weiteren Kindesunterhalt von 16 % des jeweiligen Mindestunterhalts, ab Januar 2014 bis April 2014 von weiteren 24 % des jeweiligen Mindestunterhalts gefordert und als laufenden Unterhalt ab Mai 2014 hat sie weitere 24 % des jeweiligen Mindestunterhalts, insgesamt also 144 % des jeweiligen Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle, geltend gemacht. Weiter hat sie nach Rechtskraft der Scheidung ab Januar 2014 nachehelichen Unterhalt (Elementarunterhalt und Altersvorsorgeunterhalt) gefordert und zwar ab Mai 2014 in Höhe von monatlich 546,00 EUR. Den rückständigen nachehelichen Unterhalt hat sie für den Zeitraum von Januar 2014 bis einschließlich April 2014 auf 2.184,00 EUR beziffert; den Unterhaltsrückstand für den Trennungsunterhalt von Juni bis Dezember 2013 hat sie mit 2.135,00 EUR (4 x 155,00 EUR und 3 x 505,00 EUR) geltend gemacht. Hinsichtlich der Einzelheiten der gestellten Anträge wird auf den Schriftsatz vom 09.04.2014 (I, 1167 ff.) verwiesen.
Unter dem 31.03.2015 hat die Antragsgegnerin ihre Wideranträge aktualisiert und erneut erweitert. Anstatt des bislang geforderten Kindesunterhalts in Höhe von 144 % des Mindestunterhalts hat sie ab Dezember 2014 sowie laufend einen Kindesunterhalt in Höhe von 160 % des Mindestunterhalts gefordert. Sie hat damit über den titulierten Unterhalt hinaus einen um 136,00 EUR monatlich höheren Unterhalt für M... beansprucht. Hinsichtlich des Ehegattenunterhalts blieb es der Höhe nach bei den bisherigen Anträgen und einem geforderten laufenden Unterhalt von 546,00 EUR monatlich. Für die Zeit ab November 2014 hat die Antragsgegnerin ihren Antrag auf Zahlung von Ehegattenunterhalt für erledigt erklärt. Auf den Schriftsatz vom 31.03.2015 und die dort formulierten Anträge wird ergänzend Bezug genommen (I, 1695 ff.).
10 
Unter Ziffer 4 des Beschlusses vom 22.04.2015 hat das Amtsgericht den Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren auf 26.347,00 EUR festgesetzt. Das Amtsgericht ist hierbei - wie sich aus der Nichtabhilfeentscheidung vom 10.12.2015 ergibt - bezüglich der Nutzungsentschädigung von einem Verfahrenswert von 8.800,00 EUR ausgegangen. Den laufenden Ehegattenunterhalt hat es mit 6.552,00 EUR (12 x 546,00 EUR) veranschlagt. Im Übrigen hat es die mit dem erweiterten Widerantrag vom 31.03.2015 geltend gemachten Teilbeträge und Rückstände hinzugerechnet.
11 
Mit Schriftsatz vom 23.10.2015 hat die Antragsgegnerin Beschwerde gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass sich der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren insgesamt nur auf 17.713,00 EUR belaufe. Hinsichtlich des Verfahrens auf Zahlung der Nutzungsentschädigung sei § 48 FamGKG einschlägig, so dass der diesbezügliche Verfahrenswert nur 3.000,00 EUR betrage. Den Verfahrenswert für den Trennungsunterhalt hat die Antragsgegnerin mit insgesamt 10.871,00 EUR und den Verfahrenswert für den Kindesunterhalt mit insgesamt 3.842,00 EUR beziffert. Hierbei hat die Antragsgegnerin auch die durch die Widerantragserweiterungen geltend gemachten erhöhten Unterhaltsbeträge in Ansatz gebracht. Ihrer Berechnung des Verfahrenswerts für den Trennungsunterhalts liegt der Zeitraum ab Juni 2013 zugrunde, wobei hinsichtlich des laufenden Unterhalts von dem für die Monate Mai 2014 bis April 2015 geforderten Unterhalt ausgegangen worden ist. Beim laufenden Kindesunterhalt ist die Antragsgegnerin vom Zeitraum Mai 2015 bis April 2016 und einem zusätzlich geforderten Unterhalt von monatlich 136,00 EUR ausgegangen (12 x 136,00 EUR = 1.632,00 EUR). Hinsichtlich der Berechnung im Einzelnen wird ergänzend auf den Schriftsatz vom 25.01.2016 (I, 1871 ff.) verwiesen.
II.
12 
Auf die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist die Entscheidung über die Festsetzung des Verfahrenswerts für das Verfahren vor dem Amtsgericht wie aus dem Tenor ersichtlich abzuändern.
13 
Die Beschwerde ist gemäß §§ 59 Abs. 1, 55 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FamGKG zulässig, insbesondere übersteigt der Beschwerdewert 200,00 EUR. Bei einem Verfahrenswert von bis zu 30.000,00 EUR beläuft sich eine Rechtsanwaltsgebühr auf 863,00 EUR, während bei einem Verfahrenswert von bis zu 19.000,00 EUR eine Gebühr nur 696,00 EUR beträgt. In erster Instanz sind insgesamt 2,5 Anwaltsgebühren entstanden, so dass der Mindestbeschwerdewert deutlich überschritten wird.
14 
Die Beschwerde ist begründet. Der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren ist auf insgesamt 17.639,00 EUR festzusetzen.
15 
Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens sind sowohl Ansprüche auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung als auch Unterhaltsansprüche gewesen, die mit Wideranträgen geltend gemacht worden sind. Die Verfahrenswerte sind gemäß § 39 Abs. 1 FamGKG zu addieren.
16 
1. Nutzungsentschädigung:
17 
Den Verfahrenswert für das Verfahren auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung hat der Senat auf 5.000,00 EUR festgesetzt. Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 1361 b Abs. 3 S. 2 BGB. Auf die Höhe des geltend gemachten Zahlungsanspruchs für die Nutzungsentschädigung ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts insoweit nicht abzustellen. Mit der Einführung des FamGKG hat der Gesetzgeber für Ehewohnungs- und Haushaltssachen i.S.v. § 200 Abs. 1 und 2 FamFG Regelwerte für die Verfahren bestimmt, die nach § 48 Abs. 3 FamGKG „nach den besonderen Umständen des Einzelfalls“ erhöht oder verringert werden können. In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt, dass die erstmals eingeführten festen Werte auf der „Vergleichbarkeit der Fälle“ beruhen und „der Arbeitserleichterung für die Gerichte“ dienen sollen (BT-Drs. 16/6308 S. 307). Der Regelwert für Ehewohnungssachen nach §§ 1361 b BGB, 200 Abs. 1 FamFG beträgt 3.000,00 EUR. Hiervon werden auch Verfahren auf Nutzungsentschädigung erfasst (vgl. OLG Celle in FamRZ 2015, 1193 Rn. 43 m.w.N.; OLG Koblenz in FamRZ 2014, 692 Rn. 7; OLG Brandenburg, Bes. vom 12.01.2015 - 10 WF 158/14 - in juris; OLG Hamm in FamRZ 2013, 1421; a.A. OLG Hamm, Bes. vom 10.07.2014, 1 WF 104/14 - in juris).
18 
Der Senat hat von § 48 Abs. 3 FamGKG Gebrauch gemacht und den Verfahrenswert von 3.000,00 EUR angemessen auf 5.000,00 EUR erhöht. Hierbei sind insbesondere die lange Verfahrensdauer als auch die schwierige Sach- und Rechtslage und der Umfang des Verfahrens berücksichtigt worden. Bei der Frage, ob und in welcher Höhe eine Nutzungsentschädigung geschuldet wird, war insbesondere der Einfluss etwaiger Unterhaltsansprüche auf die Nutzungsentschädigung und deren Höhe zu berücksichtigen. Der Antragsteller hat ferner ab Dezember 2012 eine Nutzungsentschädigung gefordert und damit für einen zurückliegenden Zeitraum Ansprüche geltend gemacht. Es konnte schließlich nicht unbeachtet bleiben, dass sich der objektive Mietwert der Immobilie - wie mit Sachverständigengutachten vom 10.07.2014 (I, 1439 ff.) festgestellt - auf monatlich 1.380,00 EUR beläuft. Angesichts dieser Umstände erscheint für diesen Verfahrensgegenstand ein Verfahrenswert in Höhe von 5.000,00 EUR sach- und interessengerecht.
19 
2. Unterhaltsansprüche:
20 
Die Antragsgegnerin hat in erster Instanz sowohl Ansprüche auf Zahlung von Kindesunterhalt geltend gemacht als auch Trennungsunterhalt und ab Januar 2014 nachehelichen Unterhalt gefordert. Es handelt sich um verschiedene Verfahrensgegenstände, deren Werte gemäß § 39 Abs. 1 FamGKG zusammenzurechnen sind.
21 
a) Der Verfahrenswert in Unterhaltssachen bestimmt sich nach § 51 Abs. 1 und 2 FamGKG. Maßgeblich ist gemäß § 51 Abs. 1 FamGKG der für die ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrags geforderte Betrag, höchstens jedoch der Gesamtbetrag der geforderten Leistung. § 51 Abs. 2 FamGKG legt fest, dass die bei Einreichung des Antrags fälligen Beträge dem Wert hinzugerechnet werden.
22 
aa) Rückstände sind sämtliche bereits bei Einreichung des Antrags fälligen Beträge, wobei der Unterhalt für den Monat der Einreichung des Hauptsacheantrags bereits als Rückstand zählt, da Unterhalt monatlich im Voraus geschuldet wird. Unterhalt, der nach Einreichung des Hauptsacheantrags (hier: Widerantrag vom 15.07.2013) fällig wird, bleibt kostenrechtlich unberücksichtigt, auch wenn er nun Rückstand im materiell-rechtlichen Sinn ist und als solcher in der Beschlussformel ausgewiesen wird. Der Verfahrenswert erhöht sich insbesondere nicht dadurch, dass der Antragsteller im Laufe des Verfahrens seine Anträge aktualisiert und die zwischenzeitlich fällig gewordenen Unterhaltsbeträge nunmehr als Rückstände geltend macht und gesondert beziffert (Keske in Gerhardt/v. Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 10. Aufl., 17. Kap. Rn. 63; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe/Mayer, RVG, 20. Aufl., Anhang VI Rn. 506). Auch bei einer Antragserweiterung werden die Unterhaltsbeträge aus dem Zeitraum zwischen Einreichung des Antrags und der Erweiterung nicht zu verfahrenswertrelevanten Rückständen (Wendl/Dose/Schmitz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 10 Rn. 82 b; Zöller/Feskorn, ZPO, 31. Aufl., Anhang FamFG-Verfahrenswerte, Stichwort „Rückstände“; Senat in FuR 1999, 440). Eine Klage- oder Antragserweiterung stellt kein eigenständiges Verfahren dar, welches - isoliert für sich - den zeitlichen Umfang seiner Rückstände selbständig bestimmt (Senat, FuR 1999, 440 zu § 17 Abs. 4 GKG a.F.). Auch der Gesichtspunkt, dass Verfahrenswerte einfach und praktikabel zu berechnen sein sollen, spricht für eine derartige Handhabung. Es kann von dem Beteiligten erwartet werden, dass er Erweiterungsanträge zeitnah nach der Veränderung einreicht, so dass keine großen Rückstände im Sinne des § 51 FamGKG entstehen.
23 
Deshalb sind hier als Unterhaltsrückstände gemäß § 51 Abs. 2 FamGKG nur die Unterhaltsbeträge hinzuzurechnen, die bei Einreichung des Widerantrages vom 15.07.2013 bereits fällig waren.
24 
Dies hat das Amtsgericht nicht berücksichtigt. Bei der Bemessung des Verfahrenswerts ist das Amtsgericht von dem aktualisierten Widerantrag vom 31.03.2015 ausgegangen und hat die Unterhaltsansprüche, die in der Zeit nach Juli 2013 ( Antragseinreichung) entstanden sind, zu Unrecht als Rückstände gemäß § 51 Abs. 2 FamGKG hinzugerechnet. Hierdurch ist das Amtsgericht zu einem zu hohen Verfahrenswert gelangt.
25 
bb) Die Antragserweiterungen der Antragsgegnerin während des laufenden Verfahrens sind bei der Bemessung des Verfahrenswerts für den laufenden Unterhalt gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG werterhöhend zu berücksichtigen. Hiervon geht auch die Antragsgegnerin aus.
26 
In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings streitig, ob Antragserweiterungen, die erst nach 12 Monaten nach Antragseinreichung geltend gemacht werden, sich auf den Verfahrenswert auswirken können.
27 
(1) Insbesondere in der Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, dass Antragserweiterungen nach Ablauf der 12-Monats-Frist grundsätzlich bei der Bemessung des Verfahrenswerts außer Betracht zu bleiben haben und den Verfahrenswert nicht erhöhen (OLG Karlsruhe, 18. Zivilsenat, Bes. vom 25.09.2015, 18 WF 234/12 - juris; OLG Celle FamRZ 2014, 1810, 1811; OLG München FuR 2000, 298; Binz/Dörnhofer/Petzold/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Aufl., § 51 FamGKG Rn. 3; Oestereich/Müller/Hellstab/Trenkle, GKG, Stand Juni 2014, § 51 FamGKG Rn.6 ). Die Vertreter dieser Rechtsauffassung stellen in erster Linie auf den Wortlaut des § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ab, der klar für eine Beschränkung des Verfahrenswerts spreche. Es wird auch auf § 51 Abs. 1 Satz 2 FamGKG verwiesen; wenn beim Kindesunterhalt ein Vorrücken des Kindes in die nächsthöhere Altersgruppe für den Verfahrenswert unbeachtlich sei, müsse dies auch für sonstige Erweiterungen des Zahlungsantrags gelten. Der 18. Zivilsenat des Oberlandesgericht Karlsruhe weist darauf hin, dass Wortlaut und Systematik von § 51 Abs. 1 FamGKG keinen konkreten Anhalt dafür gäben, dass die von Satz 1 nahegelegte und mit Satz 2 noch verstärkte Vereinfachung des Berechnungsvorgangs für nach Verfahrenseinleitung erfolgende Antragserweiterungen wieder zu relativieren wäre (OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 20). Auch der soziale Zweck der Verfahrenswertbegrenzung durch § 51 Abs. 1 FamGKG wird zur Begründung angeführt.
28 
(2) Nach anderer Auffassung sind Antragserweiterungen auch dann werterhöhend zu berücksichtigen, wenn sie nach Ablauf von 12 Monaten nach Antragseinreichung erfolgen (Keske in Gerhardt/v. Heintschel-Heinegg/Klein, a.a.O. 17. Kap. Rn. 65; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe/Mayer, RVG, 20. Aufl., Anhang VI Rn. 504; Schneider/Herget/Thiel, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn. 8462; Wendl/Dose/Schmitz, a.a.O., § 10 Rn. 82 b; Ehinger/Grieche/Rasch, Handbuch Unterhaltsrecht, 5. Aufl., Kap. L Rn. 643; Heiß/Born, Unterhaltsrecht, Stand August 2015, Kap. 22 Rn. 209, Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 168; OLG Brandenburg FamRZ 2015, 431). Auch der Senat hat in einer früheren Entscheidung zu § 17 GKG a.F. Antragserweiterungen im laufenden Unterhaltsverfahren werterhöhend berücksichtigt (Senat FuR 1999, 440).
29 
(3) Auch nach erneuter Überprüfung wird an dieser Rechtsauffassung festgehalten. Die Antragserweiterungen, welche die Antragsgegnerin nach Erhebung des ersten Widerantrags auf Unterhaltszahlungen vorgenommen hat, erhöhen den Verfahrenswert.
30 
Der Wortlaut des § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG, wonach in Unterhaltssachen der für die ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrags geforderte Betrag maßgeblich ist, spricht jedenfalls nicht eindeutig dafür, dass Antragserweiterungen nach Ablauf von 12 Monaten nach Antragseinreichung für den Verfahrenswert unberücksichtigt bleiben sollen. Denn der Wortlaut stellt lediglich allgemein auf die Einreichung eines Antrages ab, nicht etwa einschränkend auf die Einreichung eines verfahrenseinleitenden Antrags. Auch ein erweiternder Antrag ist ein Antrag im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG. Der Bundesgerichtshof hat bereits in einer früheren Entscheidung zum insoweit wortgleichen § 17 Abs. 1 GKG a.F. ausgeführt, dass die gesetzliche Regelung wenig geglückt erscheint und insbesondere in der Rechtsmittelinstanz zahlreiche Fragen aufwirft. Eine uneingeschränkte Anwendung auch in der Rechtsmittelinstanz führe zu Konsequenzen, die das Gesetz nicht gewollt haben könne (BGH in FamRZ 2003, 1274 Rn. 5, 6). Bei wortgetreuer Anwendung könne sich ein Streitwert von Null ergeben. Der BGH ist deshalb auch davon ausgegangen, dass sich der Streitwert (begrenzt durch den Wert des Streitgegenstandes erster Instanz) erhöht, wenn der Verfahrensgegenstand in der Rechtsmittelinstanz erweitert wird.
31 
Aus § 51 Abs. 1 Satz 2 FamGKG lässt sich für eine den Verfahrenswert beschränkende Auslegung nichts herleiten. Die Vorschrift regelt einen Spezialfall, nämlich den Verfahrenswert beim Kindesunterhalt, wenn ein dynamischer Unterhalt gefordert wird. Hintergrund für die Einfügung dieser Vorschrift war, dass es bei der Bewertung der gestaffelten Unterhaltsbeträge zu unterschiedlichen Berechnungsmethoden der Gerichte gekommen war (vgl. Keske a.a.O. Rn. 65 mit Hinweis auf BT-Drucks. 13/7338 S. 47). § 51 Abs. 1 Satz 2 FamGKG regelt mithin einen Sonderfall. Das Aufrücken des Kindes in eine höhere Altersgruppe vollzieht sich automatisch und ist bereits bei Antragseinreichung absehbar. Um eine „echte“ Antragserweiterung, der geänderte Einkommensverhältnisse zugrunde liegen, handelt es sich nicht.
32 
Die Berechnung des Verfahrenswerts wird auch nicht dadurch komplizierter oder unpraktikabel, dass Antragserhöhungen werterhöhend berücksichtigt werden. Wird derselbe Erhöhungsbetrag ebenfalls für mindestens 12 Monate verlangt, kann gleich mit dem 12-fachen des erhöhten Monatsbetrags gerechnet werden. Bei mehreren Erweiterungen kann auf den Höchstbetrag abgestellt werden. Nur wenn unterschiedliche Beträge oder die Erhöhung für weniger als 12 Monate verlangt wird, ist eine Staffelung erforderlich (vgl. Berechnungsbeispiel bei Keske a.a.O. Rn. 65 und bei Schneider/Herget a.a.O. Rn. 8462).
33 
Dass die Berechnung keinesfalls komplizierter wird, zeigt auch der vorliegende Fall am Beispiel des Kindesunterhalts:
34 
Berücksichtigt man die Erhöhung durch die Antragserweiterungen, kann beim laufenden Kindesunterhalt von dem zuletzt geforderten Betrag von 136,00 EUR monatlich ausgegangen werden. Der 12-fache Betrag errechnet sich mit 1.632,00 EUR. Legt man hingegen nur die ersten 12 Monate nach Antragseinreichung (Juli 2013) zugrunde, wäre nach Maßgabe des Widerantrags vom 09.04.2014 (I, 1167 ff) wie folgt zu rechnen:
35 
August 2013 - September 2013 je 34,00 EUR =   
68,00 EUR
Oktober 2013 - Dezember 2013 je 68,00 EUR =
204,00 EUR
Januar 2014 - Juli 2014 je 102,00 EUR =
714,00 EUR
zusammen
986,00 EUR
36 
Auch sozialpolitische Erwägungen gebieten es nicht, den Verfahrenswert auf das Niveau der ersten 12 Monate nach Antragseinreichung einzufrieren. Zwar mag es ein gesetzgeberisches und durchaus berechtigtes Anliegen gewesen sein, den Verfahrenswert der existentiellen Unterhaltsverfahren nach oben zu begrenzen. Dem wird jedoch bereits dadurch Rechnung getragen, dass bei der Berechnung des Verfahrenswerts lediglich das 12-fache des geforderten Unterhaltsbetrags berücksichtigt wird - und zwar unabhängig von Umfang, Dauer und Schwierigkeit des Verfahrens und trotz einer jahrelangen Unterhaltsverpflichtung. Dieser Zeitraum von 12 Monaten gilt auch, wenn der Antrag im Laufe des Verfahrens erweitert wird; er verlängert sich nicht, auch verändert sich nicht der für die Berechnung der Rückstände maßgebliche Zeitpunkt. Zum Vergleich und zur Verdeutlichung der kostenrechtlichen Privilegierung: Bei den wiederkehrenden Leistungen des § 42 GKG ist der dreifache Jahresbetrag (= 36 Monate) der wiederkehrenden Leistung maßgebend. Der Verfahrenswert in der Rechtsmittelinstanz wird zusätzlich durch § 40 Abs. 2 FamGKG auf den Wert des Verfahrensgegenstands des ersten Rechtszugs nach oben begrenzt.
37 
Antragserweiterungen bei Unterhaltsforderungen beruhen in den überwiegenden Fällen auf einer Verbesserung der Einkommensverhältnisse. Erhöht sich das Einkommen und damit auch der Unterhaltsanspruch, ist es den Beteiligten zumutbar, auch höhere Gerichts- und Rechtsanwaltskosten zu tragen.
38 
Sprechen demnach weder der Wortlaut noch sonstige Gründe für eine Begrenzung des Verfahrenswerts auf den Jahresbetrag nach Einleitung des Unterhaltsverfahrens, so ist eine Erweiterung des Zahlungsantrags im laufenden Unterhaltsverfahren werterhöhend zu berücksichtigen und der Verfahrenswert nach Maßgabe des höheren Betrages festzusetzen. Denn eine Antragserweiterung erhöht nach völlig herrschender Meinung in allen anderen Familienstreitsachen und selbstverständlich auch in den allgemeinen Zivilsachen grundsätzlich den Verfahrens- bzw. Streitwert. Dies folgt aus der allgemeinen Wertvorschrift des § 34 Satz 1 FamGKG bzw. der parallelen Vorschrift in § 40 GKG. § 34 FamGKG geht nach Inhalt und Regelungsgegenstand eindeutig davon aus, dass Anträge nicht allein zu Beginn, sondern auch noch zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens wertrelevant sein können (Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG, 2. Aufl., § 51 Rn. 71). Soweit es keine besondere Wertvorschrift mit eindeutig abweichenden Regelungsinhalt gibt, sind die allgemeinen Wertvorschriften heranzuziehen.
39 
Eine Nichtberücksichtigung der Antragserweiterung bei der Bemessung des Verfahrenswertes wäre auch unbillig. Sie würde dazu führen, dass - ohne dass es hierfür einen sachlichen Grund gäbe - nicht nur die gebührenrechtlichen Ansprüche der Verfahrensbevollmächtigen, sondern auch die der Staatskasse beschnitten werden und dass Verfahrenswerte festgesetzt werden, die zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen können. Es macht im vorliegenden Fall einen erheblichen wirtschaftlichen Unterschied, ob monatlich 155,00 EUR oder wie zuletzt 546,00 EUR an Ehegattenunterhalt gefordert werden. Gerade bei schwierigen, umfangreichen und lange dauernden Verfahren kommt es oftmals zu Veränderungen der Einkommensverhältnisse, die eine Neuberechnung des Unterhalts und eine Erweiterung der Zahlungsanträge erforderlich machen. Der damit verbundene zusätzliche Arbeitsaufwand sowohl des Gerichts als auch der Verfahrensbevollmächtigten bliebe völlig unberücksichtigt, wenn der Verfahrenswert trotz erhöhter Zahlungsansprüche auf den erstmals gestellten Antrag beschränkt wäre.
40 
Insgesamt sprechen daher nach Ansicht des Senats die besseren Argumente dafür, eine Antragserweiterung bei der Bemessung des Verfahrenswertes in Unterhaltssachen gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG werterhöhend zu berücksichtigen.
41 
3. Berechnung des Verfahrenswerts:
42 
Daraus ergibt sich hier folgende Berechnung des Verfahrenswerts:
43 
Antrag:
        
        
Nutzungsentschädigung:
        
5.000,00 EUR
Wideranträge:
        
        
Kindesunterhalt:
        
        
Rückstände (Antragseinreichung Juli 2013):    
        
        
April - Juli 2013:
136,00 EUR
        
laufender Unterhalt ( geforderte Erhöhung):
        
        
12 x 136,00 EUR monatlich =
1.632,00 EUR
        
        
        
1.768,00 EUR
Trennungsunterhalt:
        
        
Rückstände:
        
        
Juni / Juli 2013
310,00 EUR
        
laufender Unterhalt:
        
        
August 2013 / September 2013
310,00 EUR
        
Okt. 2013 - Dez. 2013 je 505,00 EUR
1.515,00 EUR
        
        
        
2.135,00 EUR
Nachehelicher Unterhalt:
        
        
Rückstände (Einreichung April 2014)
2.184,00 EUR
        
laufender Unterhalt:
        
        
12 x 546,00 EUR =
6.552,00 EUR
        
        
        
8.736,00 EUR
Gesamtverfahrenswert:
        
  17.639,00 EUR
44 
Beim Trennungsunterhalt ist eine Staffelung vorgenommen worden, da er nur bis zur Rechtskraft der Scheidung (Dezember 2013) gefordert werden kann und dieser Zeitraum weniger als 12 Monate beträgt. Die Antragsgegnerin hat ihren Antrag auf Zahlung von Ehegattenunterhalt vom 09.04.2014 im Schriftsatz vom 31.03.2015 (I, 1695, 1703) ab November 2014 für erledigt erklärt, wobei die Gegenseite der Erledigung nicht zugestimmt hat (Schriftsatz vom 07.04.2015 I, 1795). Ob die einseitige Erledigung Auswirkungen auf den Verfahrenswert hat, braucht vorliegend nicht problematisiert zu werden, da bereits alle Gerichts- und Anwaltsgebühren aus dem bisherigen Verfahrenswert entstanden waren. Bei den Rückständen des nachehelichen Unterhalts ist nicht auf den Zeitpunkt der ersten Widerantragseinreichung (Juli 2013), sondern auf den Antrag vom 09.04.2014 abzustellen, da es sich beim nachehelichen Unterhalt um einen neuen Verfahrensgegenstand handelt.
III.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 59 Abs. 3 FamGKG. Die Beschwerdeentscheidung ist gemäß §§ 59, 57 Abs. 7 FamGKG unanfechtbar.

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