Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 12 W 17/16

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die Zulassung der Nebenintervention im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 21.07.2016 - 2 O 492/15 - wird verworfen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

 
I.
Das Beschwerdeverfahren betrifft die Zulassung einer Nebenintervention.
Im Hauptprozess hat die Klägerin die Beklagte wegen vertraglicher Pflichtverletzungen auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Beklagte hat der Nebenintervenientin (als ihrem Haftpflichtversicherer) den Streit verkündet. Die Nebenintervenientin hat den Beitritt auf Seiten der Klägerin erklärt und zur Begründung angeführt, der Beklagten falle vorsätzliches Handeln zur Last, so dass kein Versicherungsschutz bestehe. Die Beklagte hat daraufhin beantragt, die Nebenintervention zurückzuweisen. Mit Urteil vom 21.07.2016 hat das Landgericht der Klage in der Hauptsache stattgegeben und die Kosten - einschließlich der Kosten der Nebenintervention - der Beklagten auferlegt. In den Urteilsgründen ist ausgeführt, dass der Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention unbegründet sei.
Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention weiter. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 12.09.2016 nicht abgeholfen. Die Verurteilung in der Hauptsache ist mittlerweile rechtskräftig.
II.
Die sofortige Beschwerde ist unzulässig. Sie ist zwar nach § 71 Abs. 2 ZPO grundsätzlich statthaft (auch wenn, wie hier, die Entscheidung über die Zulassung der Nebenintervention im Rahmen des Endurteils erfolgt, vgl. BGH NJW 2002, 1872; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 71 Rn. 5 mwN.) und zudem form- und fristgerecht eingelegt worden. Jedoch ist das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Nachdem die Beklagte das Rechtsmittel trotz gerichtlichem Hinweis nicht für erledigt erklärt hat, war es als unzulässig zu verwerfen.
Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung über die Zulassung der Nebenintervention entfällt mit dem rechtskräftigen oder sonst endgültigen Abschluss der Hauptsache (allg. Meinung, etwa BGH NJW-RR 2015, 992 Rn. 6; OLG Nürnberg MDR 1994, 834; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 71 Rn. 6; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 71 Rn. 9; MünchKomm-ZPO/Schultes, 5. Aufl., § 71 Rn. 10; Wieczorek/Schütze/Mansel, ZPO, 3. Aufl., § 71 Rn. 31). Das gilt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur für eine Beschwerde des Nebenintervenienten im Fall der Zurückweisung (dazu OLG Nürnberg aaO.), sondern auch für die entgegengesetzte Beschwerde einer Hauptpartei im Fall der Zulassung der Nebenintervention (dazu BGH aaO.). In beiden Fällen erledigt sich der Zwischenstreit mit dem Abschluss der Hauptsache. Denn Zweck der Nebenintervention ist die Unterstützung der Hauptpartei (§ 66 Abs. 1 ZPO; vgl. auch MünchKomm-ZPO/Schultes aaO. § 66 Rn. 1). Dieser Zweck kann nicht mehr erreicht und - aus Sicht der gegnerischen Hauptpartei - auch nicht mehr verhindert werden, wenn die Hauptsache beendet ist (vgl. BGH NJW 1991, 229). Damit wird der Zwischenstreit gegenstandslos. Denn er dient allein der Klärung, ob die Unterstützung im laufenden Prozess ermöglicht oder verhindert werden soll.
Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aus der Interventionswirkung des § 68 ZPO nichts anderes. Diese ist von vornherein nicht einschlägig. Nach § 68 ZPO kann sich der Nebenintervenient im Verhältnis zu der Hauptpartei nicht darauf berufen, dass der Hauptprozess unrichtig entschieden worden sei. Die Vorschrift schafft damit eine rechtskraftähnliche Bindungswirkung für den Folgeprozess zwischen dem Nebenintervenienten und der von ihm im Erstprozess unterstützten Hauptpartei, und zwar einseitig zu Lasten des Nebenintervenienten (vgl. Zöller/Vollkommer aaO. § 68 Rn. 1, 6); sie kommt damit nur dann zum Tragen, wenn und soweit die unterstützte Hauptpartei (hier die Klägerin) im Erstprozess unterliegt. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Interventionswirkung bereits dann eintritt, wenn die Nebenintervention nicht wirksam zurückgewiesen worden ist; eine eigenständige Prüfung, ob die Voraussetzungen der Nebenintervention nach § 66 ZPO vorlagen, erfolgt im Folgeprozess nicht (Zöller/Vollkommer aaO. § 68 Rn. 3; vgl. auch BGH WM 1976, 56). Ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis für den Zwischenstreit lässt sich daraus aber nicht ableiten. Die Interventionswirkung des § 68 ist nicht Ziel und Zweck der Nebenintervention, sondern lediglich eine - für den Nebenintervenienten ungünstige - mittelbare Folge (vgl. Wieczorek/Schütze/Mansel aaO. § 68 Rn. 6). Dementsprechend kann sich das Interesse des Nebenintervenienten an der Zulassung des Beitritts niemals aus der Interventionswirkung des § 68 ZPO ableiten, weil diese ausschließlich zu seinen Lasten eingreift. Umgekehrt kann die gegnerische Hauptpartei (hier die Beklagte) kein eigenes Interesse an der Interventionswirkung oder deren Beseitigung haben, weil diese ausschließlich das Verhältnis der unterstützten Hauptpartei (hier der Klägerin) zum Nebenintervenienten betrifft. Dass hier zwischen Beklagter und Nebenintervenientin eine Interventionswirkung nach § 68 ZPO ausgeschlossen ist, hat auch die Beklagte im Rahmen der inhaltlichen Begründung ihrer Beschwerde zutreffend ausgeführt. Eine Bindungswirkung zwischen Nebenintervenient und gegnerischer Hauptpartei tritt grundsätzlich auch nicht aus sonstigen Gründen ein (vgl. BGH NJW 1993, 122 zu II.1.b.aa.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl., § 50 Rn. 47).
Eine Fortsetzung des Zwischenstreits ist schließlich auch nicht mit Blick auf die Kosten der Nebenintervention geboten. Die Kostenentscheidung im Zwischenstreit beschränkt sich auf die unmittelbaren Kosten des Zwischenstreits; über die - davon zu unterscheidenden - Kosten der Nebenintervention wird hingegen erst im Rahmen der Hauptsache nach § 101 ZPO entschieden (Zöller/Vollkommer aaO. § 71 Rn. 7 mwN.; vgl. auch OLG Koblenz AGS 2005, 130). Zwar kann sich die Entscheidung des Zwischenstreits (also die Zulassung oder Zurückweisung der Nebenintervention) mittelbar auf die Entscheidung über die Nebeninterventionskosten nach § 101 ZPO auswirken (vgl. BGH NJW-RR 2015, 992 Rn. 9). Das ändert aber nichts daran, dass sich der Zwischenstreit mit der Beendigung des Hauptprozesses erledigt. Über die Kosten der Nebenintervention ist dann ausschließlich im dafür einschlägigen Verfahren (hier: im Endurteil des Hauptprozesses) und ohne Weiterführung des Zwischenstreits zu entscheiden (BGH aaO. Rn. 6 a.E.; OLG Nürnberg MDR 1994, 834; RGZ 19, 413). Dabei kann dahinstehen, inwieweit die Entscheidung über die Nebeninterventionskosten, wenn sie wie hier in einem gemeinsamen Endurteil mit der Entscheidung über den Zwischenstreit ergeht, nur mit der Berufung oder alternativ auch mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann (offen lassend BGH NJW 1963, 2027; vgl. allgemein zur Wahlmöglichkeit im Fall von Unklarheiten: Zöller/Heßler aaO. vor § 511 Rn. 31); ebenso bedarf keiner Entscheidung, inwieweit dabei das Verbot der isolierten Kostenanfechtung nach § 99 ZPO gilt (vgl. dazu OLG Nürnberg aaO.) und inwieweit im Rahmen der Kostenanfechtung zu prüfen ist, ob die Nebenintervention nach § 71 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen gewesen wäre (bejahend wohl BGH NJW-RR 2015, 992 Rn. 9; vgl. aber auch Zöller/Herget aaO. § 101 Rn. 9; LG Itzehoe AnwBl 1985, 215). Diese Fragen spielen hier keine Rolle, weil sich das von der Beklagten erhobene Rechtsmittel ausdrücklich nur auf die (vom Landgericht nicht tenorierte) Entscheidung über den Zwischenstreit bezog, nicht hingegen auf die (tenorierte) Entscheidung über die Nebeninterventionskosten. Diese Kosten sind nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
Allerdings gibt die ungewöhnliche Ausgangskonstellation aus Sicht des Beschwerdegerichts Anlass zu der Klarstellung, dass einer Geltendmachung der Nebeninterventionskosten hier im Ergebnis materiell-rechtliche Einwände der Beklagten entgegenstehen dürften. Denn es liegt nahe, dass der Beklagten gegen die Nebenintervenientin ein vertraglicher Schadensersatzanspruch auf Freistellung von den Nebeninterventionskosten zusteht. Als Haftpflichtversicherer war die Nebenintervenientin aus dem Versicherungsverhältnis verpflichtet, im Haftpflichtprozess die Interessen der Beklagten zu wahren und dabei gegebenenfalls eigene Interessen hintanzustellen (vgl. BGH VersR 2007, 1116 und 1119; BGHZ 119, 276). Auch dann, wenn der Versicherer - wie hier - den Versicherungsschutz versagen will, darf er keine Prozesshandlungen vornehmen, die für den Versicherungsnehmer erkennbar nachteilig sind (BGH VersR 2001, 1150). Dass die Unterstützung der Gegenpartei im Wege des Streitbeitritts eine Verletzung dieser versicherungsvertraglichen Pflichten darstellt, kann keinem Zweifel unterliegen (OLG München VersR 2009, 822; Bruck/Möller/Koch, VVG, 9. Aufl., 5. AHB 2012 Rn. 12, 49).
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt § 97 Abs. 1 ZPO.

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