Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 2 Ws 79/18

Tenor

Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 01.03.2018 aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuter Befassung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht Konstanz zurückverwiesen.

Gründe

 
I.
Der Betroffene ist - nach vorausgegangener Untersuchungshaft und Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe - seit dem 11.05.2017 im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Z einstweilig untergebracht. Durch nicht rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Konstanz vom 27.01.2017 - 3 KLs 21 Js 2320/17 - wurde der Betroffene zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren - unter Einbeziehung einer vorangegangenen Verurteilung - und von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Am 12.01.2018 beantragte das ZfP Z die gerichtliche Zustimmung zur zwangsweisen Behandlung des Betroffenen mit einem antipsychotisch wirkenden Medikament. Nach der am 15.01.2018 ohne Anhörung des Betroffenen erfolgten Bestellung eines Verfahrenspflegers erfolgte am 18.01.2018 die mündliche Anhörung des Betroffenen im ZfP Z, an der neben dem Betroffenen der Verfahrenspfleger und der behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie teilnahmen. Mit einstweiligen Anordnungen vom 19.01.2018, 02.02.2018 und 15.02.2018 erteilte das Landgericht Konstanz jeweils unter Anordnung der sofortigen Wirksamkeit vorläufig die gerichtliche Zustimmung zur Behandlung des Betroffenen mit einem Antipsychotikum (und mit einem sedierenden Medikament).
Nachdem den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit gegeben worden war, zu dem vom Landgericht eingeholten und am 14.02.2018 vorgelegten Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. S schriftlich Stellung zu nehmen, erteilte das Landgericht Konstanz mit dem angefochtenen Beschluss vom 01.03.2018 die gerichtliche Zustimmung zur zwangsweisen Behandlung des Betroffenen oral oder intramuskulär mit bis zu 100 mg Zuclopenthixol täglich und mit bis zu 150 mg Promethazin zweimal täglich. Mit Schriftsatz seines damaligen Verfahrensbevollmächtigten, den der Senat auf die Beschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 16.03.2018 (2 Ws 58/18, juris) anstelle des bisherigen Verfahrenspflegers zum Verfahrenspfleger bestellt hat, legte der Betroffene hiergegen Beschwerde ein, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte (zur Anwendbarkeit der strafprozessualen Vorschriften vgl. Senat, Beschlüsse vom 05.04.2016 - 2 Ws 90/16 = Die Justiz 2017, 217 und vom 16.03.2018 - 2 Ws 58/18, juris) Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache wegen eines schwer wiegenden Verfahrensfehlers.
1. §§ 20 Abs. 5 Satz 4, 32 PsychKHG, 319 Abs. 1 FamFG schreiben in Verfahren über die gerichtliche Zustimmung zur Zwangsbehandlung die persönliche Anhörung des Betroffenen vor, der für das Verfahren zentrale Bedeutung zukommt. Sie sichert nicht nur den Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG. Durch sie soll auch sichergestellt werden, dass sich das Gericht vor der Entscheidung über den mit einer Unterbringung verbundenen erheblichen Grundrechtseingriff einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen verschafft, durch den es in die Lage versetzt wird, eingeholte Sachverständigengutachten (§ 321 FamFG), ärztliche Stellungnahmen oder sonstige Zeugenaussagen zu würdigen (BGH FamRZ 2011, 805 Rn. 11 m.w.N). Die persönliche Anhörung gehört zu den bedeutsamen Verfahrensgarantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert, zum Verfassungsgebot erhebt und so mit grundrechtlichem Schutz versieht, und ist Kernstück der Amtsermittlung (BVerfG NJW 1990, 2309, 2310 - zu §§ 6 Abs. 1, 12 Abs. 2 Satz 2 UBG BW; BVerfG, Beschluss vom 13.02.2013 - 2 BvR 1872/10 - juris - zu § 11 Abs. 2 FrhEntzG; BGH NJW-RR 2014, 642).
2. Damit ist es nicht vereinbar, dass das Landgericht eine Entscheidung getroffen hat, ohne den Betroffenen vorher zeitnah (erneut) persönlich anzuhören. Zwar hatte das Landgericht den Betroffenen am 18.01.2018 mündlich im ZfP Z angehört. Danach war aber aufgrund der einstweiligen Anordnungen mit der medikamentösen Behandlung des Betroffenen begonnen worden, von deren Auswirkungen sich das Gericht nur durch erneute persönliche Anhörung des Betroffenen ein unmittelbares Bild machen konnte.
3. Das Unterbleiben der deshalb jedenfalls unter Aufklärungsgesichtspunkten gebotenen (erneuten) mündlichen Anhörung des Betroffenen führt in Abweichung von § 309 Abs. 2 StPO - § 68 Abs. 3 FamFG findet wegen der beschränkten Verweisung in § 20 Abs. 5 Satz 4 PsychKHG keine Anwendung - dazu, dass die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an die Vorderinstanz zur Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung zurückzuverweisen ist (st. Rspr. des Senats, u.a. Beschluss vom 05.09.2017 - 2 Ws 251/17, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 309 Rn. 8 m.w.N.).
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Auch wenn das Gesetz eine mündliche Anhörung des psychiatrischen Sachverständigen nicht vorschreibt (§§ 20 Abs. 5 Satz 4, PsychKHG, 321 FamFG), wird sorgfältig zu prüfen sein, ob es nicht unter Aufklärungsgesichtspunkten geboten ist, den Sachverständigen in Gegenwart der Verfahrensbeteiligten persönlich anzuhören. Bei der Entscheidung darüber wird auch einzubeziehen sein, ob die Verfahrensbeteiligten eine persönliche Anhörung des Sachverständigen für erforderlich halten, weshalb ihnen dazu Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sein wird.
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2. Da das Gericht nach § 20 Abs. 5 Satz 1 PsychKHG nur die Zustimmung zu einer von der behandelnden Einrichtung beantragten Behandlung erteilt, ist es an den gestellten Antrag gebunden und darf darüber nicht hinausgehen.
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a) Insoweit ist vorliegend zu beachten, dass im Antrag des ZfP Z vom 12.10.2018 zwar die Behandlung mit dem sedierenden Medikament Atosil (Wirkstoff: Promethazin) Erwähnung findet, die gerichtliche Zustimmung aber nur zur Behandlung des Betroffenen mit dem antipsychotisch wirkenden Medikament Ciatyl-Z (Wirkstoff: Zuclopenthixol) beantragt wurde.
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b) Soweit die Verabreichung einer (oralen) Dosis von bis zu 100 Milligramm Ciatyl-Z täglich beantragt wurde, ergibt sich zudem aus dem Zusammenhang, dass von Behandlerseite zunächst eine Tagesdosis von 50 Milligramm für erforderlich gehalten wird und eine Dosiserhöhung ersichtlich nur im Fall nicht ausreichender Wirkung vorgenommen werden soll. Im Hinblick darauf, dass § 20 Abs. 3 Satz 3 PsychKHG eine Zwangsbehandlung nur im unbedingt erforderlichen Umfang zulässt, muss aber für eine Dosiserhöhung feststehen, dass die Verabreichung einer nach ärztlicher Beurteilung grundsätzlich ausreichenden Wirkstoffmenge keinen ausreichenden Erfolg hat. Diese Feststellung kann nach dem Regelungskonzept des § 20 PsychKHG aber nicht den behandelnden Ärzten überlassen werden, sondern muss in dem dazu vorgeschriebenen Zustimmungsverfahren von der Strafvollstreckungskammer auf der Grundlage der ärztlichen Beurteilungen selbst getroffen werden (Senat, Beschluss vom 11.09.2017 - 2 Ws 242/17, juris).
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c) Bedenken begegnet vorliegend auch, dass es nach der Fassung des angefochtenen Beschlusses in das Belieben der behandelnden Ärzte gestellt ist, ob das Medikament oral oder intramuskulär verabreicht wird. Abgesehen davon, dass sich dem Antrag vom 12.01.2018 nur das Begehren auf Zustimmung zur oralen Verabreichung entnehmen lässt, setzt dies im Hinblick auf § 20 Abs. 3 Satz 3 bis 5 PsychKHG voraus, dass die alternativen Verabreichungsformen hinsichtlich Nutzen und Belastungen gleichwertig sind, was entsprechende Feststellungen dazu erfordert. Vorliegend ist dies schon dadurch in Frage gestellt, dass sich dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S vom 08.02.2018 deutliche Unterschiede in der Art der Verabreichung, möglicherweise aber auch in der Wirkung entnehmen lassen. Beim Betroffenen kamen danach abwechselnd beide Verabreichungsformen zur Anwendung. Während bei oraler Gabe täglich 50 Milligramm Ciatyl-Z verabreicht wurden, wurden intramuskulär alle drei Tage 100 Milligramm des Präparats Ciatyl-Z Acuphase gespritzt, was von dem Betroffenen nach dem Bericht eines Stationsmitarbeiters schlechter als die orale Verabreichung vertragen wurde. Selbst wenn danach ein Stufenverhältnis zwischen den Verabreichungsformen bestehen sollte, ist es nach der Auffassung des Senats allerdings bei entsprechendem Antrag der behandelnden Einrichtung und Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nicht zu beanstanden, dass für den Fall der Verweigerung einer sonst nicht zu erzwingenden oralen Einnahme eine Verabreichungsform mit ungünstigerem Profil genehmigt wird, weil dann mit der Weigerung des Patienten feststeht, dass die mildere Form der Behandlung nicht durchgeführt werden kann.
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3. Bei der gerichtlichen Zustimmung zur Zwangsbehandlung muss deutlich sein, auf welche der drei - allerdings auch kumulativ anwendbaren - Eingangsvoraussetzungen des § 20 Abs. 3 Satz 1 PsychKHG die Entscheidung gestützt ist. Dies ist schon deshalb von Bedeutung, weil nur die Behandlung zur Abwendung einer erheblichen Eigengefährdung (§ 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 lit. a PsychKHG) und zur Wiederherstellung der tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung (§ 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 lit. b PsychKHG) eine krankheitsbedingte Aufhebung der Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit voraussetzen.
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a) Im Hinblick auf den dabei im Vordergrund stehenden Sicherungszweck wird die Behandlung zur Wiederherstellung der tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung während der einstweiligen Unterbringung nur ganz ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch die Verzögerung der Behandlung der Erfolg eines zu erwartenden nachfolgenden Maßregelvollzugs nachhaltig in Frage gestellt wäre (Senat, Beschluss vom 05.04.2016 - 2 Ws 90/16 = Die Justiz 2017, 217).
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b) Eigengefährdung vermag die Zwangsbehandlung nur zu rechtfertigen, wenn eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Gesundheit des Patienten besteht. Soweit dazu im Antrag des ZfP Z darauf verwiesen wird, dass der Betroffene größere Mengen seines eigenen Urins trinkt, erschließt sich nicht ohne Weiteres eine daraus ergebende gewichtige Gesundheitsgefährdung. Soweit im angefochtenen Beschluss in diesem Zusammenhang darauf abgestellt wird, dass der Betroffene bei von ihm herbeigeführten tätlichen Auseinandersetzungen durch die Gegenreaktionen selbst gefährdet sein könnte, fehlt es ungeachtet der Frage, ob dies für die Annahme einer gegenwärtigen Gefahr ausreicht, an tatsächlichen Feststellungen zu Wahrscheinlichkeit und Ausmaß sich daraus ergebender gesundheitlicher Folgen für den Betroffenen, ohne die eine Bewertung der Erheblichkeit nicht möglich ist.
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c) Soweit die Behandlung der Abwehr einer Gefährdung dritter Personen dienen soll (§ 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 PsychKHG), setzt auch dies entweder Lebensgefahr oder doch mindestens eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Gesundheit voraus.
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1) Mit dem Begriff der „Erheblichkeit“ wird dabei auch ein sonst im Maßregelrecht immer wieder verwendeter Terminus (§§ 63, 64 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 67d Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 6 Satz 2 StGB) aufgegriffen, weshalb zur Auslegung auf die dazu entwickelten Maßstäbe zurückgegriffen werden kann. Danach ist die Erheblichkeitsschwelle bei einfachen Körperverletzungen nur dann überschritten, wenn als ihre Folge Knochenbrüche, Gehirnerschütterungen oder mindestens großflächige Schürfwunden zu erwarten sind, oder es sich um wuchtige Faustschläge ins Gesicht oder kraftvolle Tritte oder Stöße gegen den Kopf oder wichtige Organe (Nieren, Milz) handelt (BT-Drs. 18/7244 S. 34 f. - Entwurf eines Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften).
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2) Dass vom Betroffenen entsprechende Gewalttaten mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, ist weder durch die dazu vom Landgericht Konstanz im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen noch durch den übrigen Akteninhalt bislang hinreichend belegt.
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Zwar wird dafür angeführt, dass der Betroffene im Verlauf der Unterbringung wiederholt durch fremdaggressive, vor allem bedrohliche Übergriffe in Erscheinung trat. Allerdings fehlt es dazu an tatsächlichen Feststellungen, die eine Überprüfung zulassen, ob die vom Behandler in der mündlichen Anhörung am 18.01.2018 vorgenommene Bewertung, es habe mit einem Umschlagen von verbaler Bedrohung in Tätlichkeiten gerechnet werden müssen, über eine subjektive Einschätzung hinaus tragfähig ist. Da Vorkommnisberichte oder Stellungnahmen der davon betroffenen Personen von der Strafvollstreckungskammer nicht erhoben wurden, kann sich der Senat dazu nur auf die Wiedergabe aus der elektronischen Patientenakte im Gutachten des Sachverständigen Dr. S vom 08.02.2018 stützen, die insgesamt vier aggressive Entäußerungen im Zeitraum zwischen dem 19.12.2017 und dem 22.1.2018 auflistet. Lediglich bei den Vorkommnissen am 19.12.2017 und am 22.01.2018 soll es dabei aber über verbale Drohungen hinaus zu gegen andere Personen gerichteten fremdaggressiven Verhaltensweisen gekommen sein. So soll der Betroffene am 19.12.2017 einen Mitpatienten mit einem Stift bedroht haben. Am 22.01.2018 habe der Betroffene mit Schwung ein Messer in einen Küchenwagen geworfen haben, den ein Mitpatient gerade abgeräumt habe, später habe er mit einer Gabel einen Stoß gegen den Oberkörper des Mitpatienten angedeutet. Diese Beschreibungen sind jedoch so knapp gehalten, dass sie eine zuverlässige Bewertung des damit verbundenen Gefahrenpotenzials für die Kontrahenten des Betroffenen nicht zulassen.
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Soweit das Landgericht für seine Bewertung eine Gesamtschau mit den zur einstweiligen Unterbringung und zur Verurteilung durch das Landgericht Konstanz führenden Straftaten vorgenommen hat, ist dies zwar im Grundsatz nicht zu beanstanden. Soweit dabei ohne Weiteres die vom Landgericht Konstanz in seinem - im angefochtenen Beschluss nur auszugsweise wiedergegebenen - Urteil vom 27.10.2017 getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt werden, trägt dies aber dem Umstand, dass das Urteil nicht rechtskräftig ist, sondern vielmehr vom Betroffenen mit der Revision angefochten wurde, nicht hinreichend Rechnung. Eine Übernahme der Feststellungen ohne eigene Prüfung wäre danach allenfalls dann zulässig, wenn der Betroffene ein Geständnis abgelegt hat und die Urteilsfeststellungen zum Tatgeschehen nicht Gegenstand von Revisionsangriffen sind.
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4. Die beantragte Zwangsbehandlung muss schließlich den gesetzlich normierten Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in § 20 Abs. 3 Satz 3 bis 5 PsychKHG genügen, indem sie zu Erreichung des Behandlungsziels geeignet ist, mildere Maßnahmen nicht zur Verfügung stehen und das Verhältnis zwischen damit verbundenen Belastungen und Nutzen gewahrt sein muss, wobei letzterer die möglichen Schäden einer Nichtbehandlung sogar deutlich überwiegen muss (zum Ganzen ausführlich BVerfGE 128, 282, bei juris Rn. 56 ff.).
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a) Bei der Prüfung, ob die zur Behandlung einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis grundsätzlich geeignete Gabe eines antipsychotisch wirkenden Medikaments das letzte Mittel zur Abwehr einer erheblichen Fremdgefährdung darstellt, wird die im Gutachten Dr. S referierte Äußerung des behandelnden Arztes zu berücksichtigen sein. Danach wird nurmehr die Gefahr einer Übergriffigkeit gegenüber Mitpatienten, nicht aber gegenüber dem Personal gesehen - unklar ist allerdings, ob diese gegenüber dem Antrag vom 12.01.2018 veränderte Einschätzung bereits der Einwirkung der Medikation geschuldet ist oder unabhängig davon gültig ist. Je nachdem stellt sich danach die Frage, ob der Schutzzweck auch allein durch Überwachungs- und Absonderungsmaßnahmen erreicht werden kann, wobei allerdings nach Auffassung des Senats die damit verbundenen Belastungen in die Bewertung einzustellen sind, ob es sich dabei um gegenüber einer zwangsweisen medikamentösen Behandlung geringere Belastungen handelt.
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b) Der Grundsatz, dass der Eingriff nicht über das erforderliche Maß hinausgehen darf, verlangt weiter, dass die Auswahl der konkret anzuwendenden Maßnahme nach Art und Dauer, bei einzusetzenden Medikamenten auch die Auswahl und Dosierung, sowie begleitende Kontrollen bestimmt und begründet werden (BVerfGE a.a.O., bei juris Rn. 60). Da es für diese Beurteilung medizinischen Sachverstands bedarf, sind dazu Erklärungen der behandelnden Einrichtung erforderlich, die mit Hilfe des gemäß §§ 20 Abs. 5 Satz 4 PsychKHG, 321 FamFG zu bestellenden Gutachters zu überprüfen sind. Insoweit erweisen sich allerdings sowohl die Stellungnahmen des ZfP Z als auch das Gutachten des Sachverständigen Dr. S als lückenhaft.
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1) Zur Auswahl des beantragten antipsychotischen Medikaments ist im Antrag des ZfP Z nur mitgeteilt, dass die Fortsetzung der - im Hinblick auf das eigentliche Behandlungsziel erfolgreichen - Behandlung mit einem anderen Präparat wegen damit verbundener Nebenwirkungen nicht in Betracht kommt. Weshalb aber die Wahl zwischen verbleibenden anderen zur Verfügung stehenden Medikamenten - dazu kann auf die ausführliche Darstellung im Gutachten Dr. S verwiesen werden - gerade auf Ciatyl-Z gefallen ist, ist jedoch - ebenso wie die Dosierung - nicht begründet worden. Dazu bestand umso mehr Anlass, als die zwischenzeitliche Behandlung mit einem weiteren Medikament (Perphenazin) nicht die gewünschte Wirkung zeigte, und deshalb Ausführungen zur erwartbaren Wirksamkeit von Zuclopenthixol geboten gewesen wären. Inzwischen werden dazu auch die Erfahrungen mit der seit Januar 2018 laufenden Behandlung zu berücksichtigen sein, wozu ein entsprechender Bericht der behandelnden Einrichtung einzuholen sein wird. Auch das Gutachten des Sachverständigen verhält sich zu den vorstehend aufgeworfenen Fragen nicht.
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2) Die mit der Behandlung verbundenen Belastungen, insbesondere mögliche Nebenwirkungen, werden im Antrag des ZfP Z überhaupt nicht und im Gutachten des Sachverständigen Dr. S nur knapp und in zusammengefasster Form spezifiziert. Die dabei zu beachtenden Darlegungsanforderungen werden durch das Gewicht möglicher Nebenwirkungen bestimmt, das sich aus dem Grad der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts, der Schwere der Auswirkungen und den Chancen der Vermeidung bzw. Behandlung durch begleitende Maßnahmen ergibt. In erster Linie geht es darum auszuschließen, dass ein nicht zu vernachlässigendes Risiko irreversibler Gesundheitsschäden besteht (BVerfG a.a.O., bei juris Rn. 61). Im Übrigen wird im Vordergrund stehen, ob erheblichen Nebenwirkungen mit anderen Maßnahmen effektiv begegnet werden kann, wobei die damit verbundenen Belastungen ebenfalls festzustellen und zu bewerten sind. Abschließend ist das Gewicht möglicher Nebenwirkungen in Bezug zu dem voraussichtlichen Nutzen der vorgeschlagenen Behandlung zu setzen (BVerfG a.a.O., bei juris Rn. 61; Senat FamRZ 2015, 2008; Die Justiz 2017, 217). Auch dabei sind die Erfahrungen aus der bisherigen Behandlung in die Bewertung mit einzubeziehen. Der von der Strafvollstreckungskammer gezogene Schluss, dass das bislang weitgehende Ausbleiben auch künftig das Auftreten relevanter Nebenwirkungen nicht erwarten lasse, ist dabei ohne nähere medizinische Expertise nicht tragfähig begründet.

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