Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 20 WF 37/19

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bruchsal vom 31.01.2019, Az. 1 F 323/16, abgeändert und anstelle der Ziffern 1. und 2. die Ziffer 1. wie folgt gefasst, wobei dadurch die nachfolgende Ziffer 3. zu Ziffer 2. wird:

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.287,47 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Das Amtsgericht hat, nachdem alle Beteiligten das Verfahren auf Regelung des Umgangs des Antragstellers mit der am … geborenen Tochter L. für erledigt erklärt hatten, die Kosten des Verfahrens der beteiligten Kindeseltern gegeneinander aufgehoben mit Ausnahme der Kosten für das eingeholte familienpsychologische Sachverständigengutachten in Höhe von 2.287,47 EUR. Letztere hat es auf der Grundlage von § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG allein der Antragsgegnerin und Kindesmutter auferlegt. Zur Begründung hat das Amtsgericht darauf verwiesen, dass nach seiner Überzeugung die Kindesmutter die Verantwortung für die verweigernde Umgangshaltung des Kindes L. trage, welches letztlich die Einholung des Gutachtens zur Frage des Umgangs mit dem Kindesvater – insbesondere, welche Umgangsregelung zur bestmöglichen Wahrung des Wohls des Kindes angezeigt sei und welches Elternverhalten ggf. zur Wiederanbahnung und Stabilisierung eines väterlichen Umgangs mit der Tochter geboten sei – notwendig gemacht habe. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass die Sachverständige Ende März 2018 den Gutachtenauftrag erhalten habe, die Mutter sodann aber auf zweimalige schriftliche Aufforderung der Sachverständigen zur Kontaktaufnahme zunächst gar nicht reagiert, auf eine weitere schriftliche Aufforderung Mitte Juli 2016 erst Mitte August reagiert und so einen nicht unerheblichen Beitrag zur Verzögerung des Gutachtens von gut drei Monaten geleistet habe. Eine solche durch die verfahrensbeteiligte Kindesmutter zu verantwortende Verzögerung sei gerade in einem beschleunigt zu führenden Umgangsverfahren nicht hinnehmbar.
Gegen die Auferlegung der Kosten des Sachverständigengutachtens wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer form- und fristgerecht erhobenen Beschwerde. Zur Begründung verweist sie darauf, dass ihr mit Beschluss des Amtsgerichts vom 16.08.2018 Verfahrenskostenhilfe bewilligt sowie nach Aufhebung der Bewilligung aufgrund der hiergegen eingelegten Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 21.11.2018 Verfahrenskostenhilfe mit Ratenzahlungsanordnung von 22,00 EUR monatlich bewilligt worden war. Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, die Kosten des Sachverständigengutachtens könnten ihr nicht neben der gewährten Verfahrenskostenhilfe auferlegt werden.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg. Der Senat vermag der Ermessensentscheidung des Amtsgerichts, nach Erledigung des Verfahrens auf Regelung des Umgangs die Kosten für das familienpsychologische Sachverständigengutachten allein der Antragsgegnerin aufzuerlegen, nicht zu folgen. Vielmehr entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens insgesamt gegeneinander aufzuheben.
1.
Allerdings stünde einer Entscheidung, ihr die Gutachtenkosten allein aufzuerlegen, nicht entgegen, dass der Antragsgegnerin – nach Maßgabe des hierzu zuletzt ergangenen Beschlusses vom 21.11.2018 - Verfahrenskostenhilfe mit der Anordnung der Zahlung von monatlichen Raten i.H.v. 22,00 EUR bewilligt worden ist. Zwar bewirkt die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 122 Abs. 1 Ziff. 1 a ZPO unter anderem, dass die Landeskasse die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Beteiligte geltend machen kann. Dementsprechend kann die Antragsgegnerin – vorbehaltlich einer Änderung oder Aufhebung der Bewilligung gemäß §§ 120a, 124 ZPO - nur zur Zahlung von höchstens 48 Monatsraten in Höhe von jeweils 22,00 EUR herangezogen werden, § 115 Abs. 2 S. 4 ZPO. Jedoch sind in diesem Rahmen gegebenenfalls auch Kosten, die ihr - insbesondere gemäß § 24 Ziffer 1. FamGKG als sogenannter Entscheidungsschuldner - nach dem Zeitpunkt erwachsen, ab dem die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe wirksam wird, als nachträglich „entstehende“ Gerichtskosten zu berücksichtigen. Hierzu gehören gegebenenfalls auch Kosten für die Entschädigung von Sachverständigen (vgl. Zöller/Geimer, Zivilprozessordnung, 32. Auflage, § 122 ZPO Rn. 3).
2.
Jedoch hält es der Senat nicht für gerechtfertigt, der Antragsgegnerin im Rahmen der gemäß §§ 83 Abs. 2 i.V.m. 81 Abs. 1 S. 1, 3 FamFG zu treffenden Ermessensentscheidung die Kosten für das vom Amtsgericht eingeholte familienpsychologische Sachverständigengutachten alleine aufzuerlegen.
Nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Die Vorschrift räumt dem Gericht bei der – in Familiensachen gemäß § 81 Abs. 1 Satz 3 FamFG obligatorischen - Kostenentscheidung einen weiten Gestaltungsspielraum dahingehend ein, welchem Beteiligten welche Kosten des Verfahrens auferlegt werden und erlaubt es dabei auch, nur bestimmte Kosten einem der Beteiligten aufzuerlegen (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 – XII ZB 15/13 –, FamRZ 2014, 744, Rn. 8, juris). Das können - entsprechend dem Rechtsgedanken des § 96 ZPO – im Einzelfall auch die Kosten einer Beweisaufnahme sein (Feskorn in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 81 FamFG, Rn. 6 m.w.N.; OLG Saarbrücken, FamRZ 2016, 1865). Die gerichtliche Kostenentscheidung ist in jedem konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblichen Umstände zu treffen (BGH aaO). Allerdings entspricht es in Sorge- und Umgangssachen, die regelmäßig im Interesse des Kindes geführt werden, nach nahezu einhelliger Ansicht grundsätzlich der Billigkeit, die Gerichtskosten zwischen den Eltern aufzuteilen und vom Ausspruch einer Erstattung außergerichtlicher Auslagen abzusehen, sofern keines der Regelbeispiele nach § 81 Abs. 2 FamFG erfüllt ist (vgl. etwa OLG Bremen NJW-RR 2013, 963; OLG Naumburg, FamRZ 2014, 687; Prütting/Helms/Feskorn/FamFG, 3. Aufl., § 81 Rz. 14a; BeckOK FamFG/Weber, 29. Ed. 1.1.2019, FamFG § 81 Rn. 10a, jeweils m.w.N.).
Nach Auffassung des Senats ist der vorliegende Fall nicht derart ungewöhnlich, dass eine Abweichung von diesem anerkannten Grundsatz gerechtfertigt erscheint.
Richtig ist nach dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens allerdings, dass die Antragsgegnerin durch eine ablehnende Einstellung gegenüber Umgangskontakten mit der Person des Vaters die Haltung des Kindes beeinflusst und damit auch dessen Bereitschaft, sich auf Umgangskontakte einzulassen. Auch erscheint es mit Blick auf das Kindeswohl sicherlich ungünstig, wenn, wie auf Seite 25 des Gutachtens ausgeführt wird, „die Mutter aufgrund ihrer eigenen ablehnenden Haltung nicht aktiv auf L. einwirkt und nicht versucht, bei dem Kind eine positive Motivation in Bezug auf den Kontakt mit dem Vater herzustellen“.
Jedoch kommt diesem insgesamt eher passiven und auf einer offensichtlichen inneren Überzeugung beruhenden Verhalten der Antragsgegnerin nach Auffassung des Senats nicht ein solches Gewicht zu, ihr die alleinige Verantwortlichkeit für die Notwendigkeit der Einholung eines gerichtlichen Gutachtens mit der Folge einer Tragung der vollständigen Gutachtenkosten zuzuweisen. So stellt die Sachverständigen andererseits auch fest, es habe während der Begutachtung keine aktive Beeinflussung des Kindes durch die Kindesmutter gegen Umgangskontakte mit dem Kindesvater beobachtet werden können (Seite 21 des Gutachtens). Die Kindesmutter sei eigenen Angaben zufolge nicht prinzipiell gegen Kontakte zwischen Vater und Tochter, erkenne hierbei jedoch keinen Nutzen und sehe daher keine Notwendigkeit, diese zu fördern. Sie versuche zwar einerseits den Kindeswillen anzuerkennen und zum Wohl ihrer Tochter zu handeln, erkenne jedoch keinen Zusammenhang zwischen ihrer eigenen und der Haltung des Kindes. Es sei zu vermuten, dass ihre eigene ablehnende Haltung gegenüber dem Vater für das Kind spürbar sei und dieses in seiner eigenen Willensrichtung maßgeblich beeinflusse (Seite 20 des Gutachtens). Tatsächlich sind die Gründe für das Scheitern der Umgangskontakte nach dem Ergebnis des Gutachtens vielschichtiger, wobei die derzeitige Verweigerungshaltung von L. nicht unwesentlich auch durch das Verhalten des Antragsgegners beeinflusst wird. Dieser zeigt nach den weiteren Feststellungen der Sachverständigen nur begrenzt Einfühlungsvermögen in die Situation des Kindes und erkennt den Kindeswillen nicht als solchen an (Seite 29 des Gutachtens). Der Vater unterschätze den Druck, den er durch wiederkehrende Anträge bei Gericht auf das Kind ausübe und den Loyalitätsdruck des Kindes, der durch die Fragen von professionellen Dritten immer wieder aktiviert werde. Anstatt L. die notwendige Zeit zu geben auf ihn zuzukommen, habe er in den letzten Jahren, vermutlich aus Verzweiflung und Angst, L. zu verlieren, den Druck erhöht und auf sein Umgangsrecht bestanden. Er signalisiere L. damit unbeabsichtigt, deren Wille und Wünsche nicht akzeptieren zu wollen (Seite 25 des Gutachtens).
10 
Insgesamt erscheint dem Senat der vorliegende Fall nicht derart außergewöhnlich beziehungsweise die Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin für die Veranlassung des gerichtlichen Sachverständigengutachtens nicht derart schwerwiegend, dass es gerechtfertigt erscheint, ihr in Abweichung von dem anerkannten Grundsatz der Kostenaufhebung in Umgangsverfahren die Gutachtenkosten alleine aufzuerlegen. Eine solche Rechtsfolge mag, abgesehen von den in § 81 Abs. 2 FamFG genannten Regelbeispielen etwa im Falle einer beharrlichen, auf nicht nachvollziehbaren Gründen beruhenden Umgangsvereitelung durch einen Elternteil angemessen sein. Ein derartiges, aktiv und nachhaltig den Umgang der Tochter mit dem Vater verhinderndes Verhalten der Antragsgegnerin kann jedoch nicht festgestellt werden.
11 
Soweit das OLG Köln in einer Entscheidung vom 01. April 2016 - FamRZ 2017, 383 - den oben genannten Grundsatz zwar anerkannt, jedoch im konkreten Fall gleichwohl ausnahmsweise der Kindesmutter die Kosten für ein familienpsychologisches Gutachten auferlegt hat, erscheint der zu Grunde liegende Sachverhalt mit dem hier zu beurteilenden schon aus dem Grunde nicht vergleichbar, weil im dortigen Falle Gutachterkosten in dem außerordentlich hohen Umfang von 12.586,00 Euro angefallen waren und das Gericht zu der Einschätzung kam, dass gerade die offensichtliche Umgangsverhinderung der Kindesmutter in der Vergangenheit die kostenaufwändige Begutachtung erst erforderlich gemacht habe (OLG Köln aaO Rn. 7, juris).
3.
12 
Die Kostenaufhebung (auch) bezüglich der Gutachtenkosten hält der Senat im Ergebnis auch noch für angemessen, wenn man mit dem Amtsgericht einbezieht, dass die Antragsgegnerin im Zuge der Gutachtenerstattung auf mehrfache schriftliche Aufforderung der Sachverständigen zur Kontaktaufnahme erst Mitte August reagiert und so einen nicht unerheblichen Beitrag zur Verzögerung des Gutachtens von gut drei Monaten geleistet habe.
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Zwar kommt insoweit die Anwendung des § 81 Abs. 2 Nr. 4 FamFG in Betracht, wonach das Gericht die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen soll, wenn dieser durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat. Auch ist grundsätzlich richtig, dass gerade in den gemäß § 155 FamFG beschleunigt zu führenden Umgangsverfahren erhebliche Verzögerungen durch einen Beteiligten grundsätzlich nicht hinnehmbar sind. Jedoch sind vorliegend bereits die Gründe für die verspätete Rückmeldung der Antragsgegnerin zwecks einer Anhörung durch die Sachverständige unklar, weshalb eine ihr vorwerfbare und mithin schuldhafte Verletzung ihrer Mitwirkungspflichten nicht festgestellt ist. Zudem kann die durch die verspätete Rückmeldung eingetretene Verzögerung des Verfahrens hier bereits deshalb nicht als erheblich angesehen werden, weil nach dem Gutachtenergebnis bis auf weiteres eine Umgangsaussetzung empfohlen worden ist. Diese Empfehlung wurde von allen Beteiligten einschließlich des Antragstellers aufgenommen und das Verfahren für erledigt erklärt. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass durch die verspätete Rückmeldung der Antragsgegnerin erhebliche zusätzliche Auslagen für die Gutachtenerstellung entstanden sind (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Feskorn in: Prütting/Helms, aaO, § 81 FamFG, Rn. 25; OLG Jena FamRZ 2012, 1898).
4.
14 
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Auch hier erscheint eine Kostenaufhebung angemessen.
15 
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 40 Abs. 1 S. 1, 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 FamGKG. Gegenstand der isolierten Kostenbeschwerde ist nicht das Umgangsrecht als solches, sondern ausschließlich das Interesse der Antragsgegnerin an der Beseitigung der Kostenlast für das Sachverständigengutachten in Höhe von 2.287,47 EUR. Dies rechtfertigt die Abweichung vom Regelverfahrenswert gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG nach § 45 Abs. 3 FamGKG.
16 
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG bestehen nicht.

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