Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 6 U 130/20

Tenor

1. Die Zwangsvollstreckung aus Ziffer I.3 (Unterlassung) des Tenors des Urteils des Landgerichts Mannheim vom 18.08.2020 (Az. 2 O 34/19) wird gegen Sicherheitsleistung in Höhe von [...] EUR einstweilen eingestellt.

2. Der weitergehende Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird zurückgewiesen.

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem die Beklagte wegen Patentverletzung erstinstanzlich verurteilenden Urteil.
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen angeblicher Patentverletzung auf Unterlassung sowie Auskunft/Rechnungslegung in Anspruch und begehrt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadenersatz.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des am 02.10.2007 angemeldeten europäischen Patents [...] (fortan „Klagepatent“), das im Kern das Ordnen von Wurzelsequenzen (Zadoff-Chu-Sequenzen) in eine vorgegebene Reihenfolge betrifft und als Teilanmeldung aus der Stammanmeldung [...] vorgegangen ist, auf die am 09.12.2015 das europäische Patent [...] erteilt wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des in Kraft stehenden Klagepatents wurde am 10.05.2017 bekannt gemacht. Der unabhängige Anspruch 1 des Klagepatents hat in der englischen Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:
A device (10, 20, 30) comprising:
a searching unit (12, 22, 32) configured to search a set of specific sequences, comprising a set of root sequences and cyclic shifts thereof, wherein the searching unit (12, 22, 32) is configured to start from a root sequence index indicating a root sequence of ordered root sequences, include available cyclic shifts of the root sequence, and continue with a next root sequence if necessary for filling the set, wherein the searching unit (12, 22, 32) is further configured to interpret the ordered root sequences in a cyclic manner, and wherein the ordered root sequences are obtained by ordering sequences of a predetermined length and number in accordance with cubic metric of each of the sequences and a size of a high mobility cell each of the sequences supports, wherein the ordering comprises:
- dividing the sequences into a first set with cubic metric values below a predetermined threshold and a second set with cubic metric values above the threshold,
- forming two or more subsets of the sequences in the first set and two or more subsets of the sequences in the second set according to the supported cell sizes, wherein the subsets are arranged such that supported cell sizes of the sequences increase between subsets of the first set and decrease between subsets of the second set or vice versa, and
- ordering the sequences in each subset according to their cubic metric values, wherein the sequences of adjacent subsets are ordered with alternating decreasing and increasing cubic metric values.“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als [...] 2 vorgelegte Klagepatentschrift verwiesen.
10 
Die Klägerin hat das Klagepatent gegenüber der Standardisierungsorganisation ETSI, deren Mitglied sie ist, als standardessentiell für den Mobilfunkstandard der vierten Generation (fortan: (LTE-)Standard) deklariert.
11 
Das Klagepatent ist Gegenstand einer beim Bundespatentgericht unter dem Aktenzeichen [...] anhängigen Nichtigkeitsklage der Beklagten vom 14.10.2019, die als Anlage [...]7 vorliegt. Überdies wurde am gleichen Tag eine weitere Nichtigkeitsklage der Streithelferin [...] eingereicht, die beim Bundespatentgericht unter dem Aktenzeichen [...] anhängig ist (Anlage [...] 1). Die Nichtigkeitsklagen machen insbesondere geltend, der Gegenstand des Klagepatents gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Weitere Schriftsätze der Parteien in den Nichtigkeitsverfahren liegen als Anlagen [...] 5, [...] 6 sowie [...] 28 und [...] 29 vor.
12 
Die Klägerin ist Teil einer Unternehmensgruppe, die – nach eigenen Angaben – einer der weltweit führenden Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen, Hardware- und Softwareprodukten sowie Serviceleistungen für die Telekommunikationsbranche mit Sitz in [...] ist. Als Teil dieses Unternehmensverbunds ist die Klägerin Inhaberin zahlreicher weiterer Schutzrechte, unter anderem auf dem Gebiet der Mobilfunktelekommunikation der zweiten (GSM), dritten (UMTS) und vierten (LTE) Generation.
13 
Die Beklagte ist eine deutsche Herstellerin von Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen mit Sitz in [...].
14 
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin ausweislich ihrer Ausführungen in der Klageschrift gegen Kraftfahrzeuge der Beklagten, die entweder direkt oder indirekt von ihr (zum Teil) in Deutschland hergestellt oder nach Deutschland importiert sowie bundesweit angeboten oder vertrieben werden und einen oder mehrere der Standards GSM/GPRS-Standard, UMTS-Standard, CDMA-Standard und/oder LTE-Standard (wie veröffentlicht von den Standardisierungsorganisationen ETSI, 3GPP, TIA oder 3GPP2) implementieren sowie Komponenten (beispielsweise „telematics control units“ [Telematik-Steuergeräte, nachfolgend „TCU“], Drahtlosmodule oder andere Netzwerkzugriffsmodule) der [...], [...], [...], [...], [...], [...] / [...] oder [...] oder eines mit diesen Unternehmen verbundenen Unternehmens enthalten.
15 
Die TCUs bezieht die Beklagte von Tier 1-Zulieferern wie z.B. den Streithelferinnen der [...]-Gruppe. Diese TCUs beinhalten ein sog. Network Access Device („NAD“), welches die Tier 1-Zulieferer meist von weiteren Zuliefern (sog. Tier 2-Zulieferer) beziehen. Das NAD dient dazu, die TCU, die auch weitere Funktionen beinhaltet, mit Mobilfunknetzen zu verbinden. Diese Verbindung mit Mobilfunknetzen durch das NAD erfolgt durch einen Telekommunikations-Chip, der im NAD verbaut ist und die Datenübertragung und Funkaufgaben wahrnimmt. Der Telekommunikations-Chip stammt regelmäßig von weiteren Zulieferern (sog. Tier 3-Zulieferer).
16 
Die in den angegriffenen Ausführungsformen implementierten vorstehend genannten Module sind in der Lage, nach dem LTE-Standard zu arbeiten. Hierin sieht die Klägerin eine Verletzung des Klagepatents.
17 
Die Parteien führen zu dem Patentportfolio der Klägerin einschließlich für 2G-, 3G- und 4G-Standards u.a. mit Blick auf das Klagepatent Lizenzverhandlungen, die bislang keinen Abschuss gefunden haben.
18 
Die Verhandlungen wurden mit E-Mails der Klägerin am [d] bzw. [d+62] eingeleitet. Sie wies darin auf ihr Patentportfolio hin, das für mehrere in den angegriffenen Ausführungsformen implementierten Mobilfunkstandards standardessentiell sei. Eine Liste ihrer als essentiell deklarierten Patente und Patentanmeldungen (umfassend das Klagepatent) übermittelte die Klägerin an die Beklagte am [d+82] ([...] 12). Die Informationen ergänzte die Klägerin mit E-Mail vom [d+223] ([...] 15), die zudem ein erstes Lizenzangebot enthielt, und E-Mail vom [d+251] ([...] 13). Auf die Anschreiben reagierte die Beklagte wie aus den Anlagen [...]-KAR 4 bis [...]-KAR 9 ersichtlich.
19 
Anschließend überließ die Beklagte die Verhandlungen von [ca. d + 10 Monate] bis [ca. d + 2 Jahre 11 Monate] ihren Zulieferern und nahm an diesen nicht teil. Für die Tier 1-Zulieferer entwickelte die Klägerin [ca. d + 10 Monate] ein eigenes Lizenzmodell ([...] 17), das sie in [zwei Jahre später] zu einem [...]-Lizenzmodell (nachfolgend „[...]L“) modifizierte (z.B. [...]-KAR 9, [...]-KAR 9a, [...]-KAR 12a). Das [...]L ist so strukturiert, dass es den Tier 1-Zulieferern dergestalt Zugang zu der Technologie gewährt, dass sie ein Lizenzentgelt für jede „connectivity unit“, die verkauft wird, an die Klägerin zahlen und jeglichen Automobilherstellern das Recht vermitteln, die „connectivity units“ in Fahrzeuge einzubauen und diese zu verkaufen. Die Lizenzgebühr i.H.v. [...] EUR bei LTE-Funktionalität errechnet sich genauso wie die Lizenzgebühr, die die Klägerin von der Beklagten fordert (siehe sogleich zum zweiten Lizenzangebot vom [d+1063]). Zudem ist eine bilaterale Lizenz an die Zulieferer für Forschung und Entwicklung bzw. andere Zwecke sowie für den Aftermarket (z.B. im Fall von Nachrüstungen) vorgesehen.
20 
Die Beklagte und einige ihrer Tier 1/Tier 2-Zulieferer sowie der Chiphersteller [...] reichten [ca. d+1000] Beschwerden gegen die Klägerin bei der EU-Kommission ein ([...]-KAR 1, [...] 8), in welchen sie im Kern bemängelten, dass die Klägerin nicht bereit sei, Lizenzverträge mit den Zulieferern zu Konditionen abzuschließen, die auf den Komponenten der Zulieferer basierten. Es hat in dem Rahmen eine vertrauliche Mediation zwischen den Parteien und einigen Zulieferern stattgefunden. Ein Verfahren eröffnete die EU-Kommission bislang nicht; zuletzt richtete die EU-Kommission ein Auskunftsverlangen an die Beteiligten ([...]-KAR 4a, [...]-KAR 20; [...] 9).
21 
Nachdem die Verhandlungen zwischen der Klägerin und den Zulieferern nicht zu einer Lizenznahme führten, übermittelte die Klägerin an die Beklagte am [d+1063] weitere Claim Charts (u.a. zum Klagepatent) und unterbreitete ihr ein zweites Lizenzangebot zu ihrem Patentportfolio ([...] 14). Das Angebot schließt das Recht ein, Komponenten für die lizenzierten Produkte von Dritten herstellen zu lassen (sog. Have-Made-rights). Die Lizenzgebühr i.H.v. [...] EUR pro Fahrzeug bei LTE-Funktionalität ist ausgehend von einem Wert der Konnektivität im Automobilbereich in Höhe von [...] EUR und einem Anteil der Klägerin an SEPs von [...] % unter Berücksichtigung einer prozentualen Gesamtlizenzbelastung von [...] % errechnet. Der Wert der Konnektivität im Automobilbereich ist einer Studie der Unternehmensberatung [...] entnommen, die die Bereitschaft von Verbrauchern in Deutschland und der USA, für die Konnektivität ein Entgelt zu erbringen, auf einen durchschnittlichen Wert zwischen [...]–[...] EUR (in Deutschland) bzw. [...]–[...] USD (in den USA) beziffert hat (Anlage [...] 16, ABl. I 112 f.).
22 
Auf dieses zweite Lizenzangebot reagierte die Beklagte wie aus Anlage [...]-KAR 10 ersichtlich. Sodann machte sie der Klägerin nach Klageerhebung am [d+1134] ein anschließend abgelehntes Gegenangebot ([...]-KAR 12, [...]-KAR 2), das in Bezug auf Produkte, die u.a. den LTE-Standard verwirklichen, eine mithilfe des Top Down-Ansatzes ermittelte Lizenzgebühr i.H.v. [...] EUR pro Fahrzeug vorsieht. Bezugsgröße ist der durchschnittliche Einkaufspreis einer TCU der Beklagten ([...] EUR). Als prozentuale Gesamtlizenzbelastung ist [...] % berücksichtigt (Gesamtlizenzbelastung [...] EUR) und der Anteil der Klägerin an SEPs ist mit [...] % beziffert.
23 
Nach der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte der Klägerin am [d+1532] ein zweites Gegenangebot unterbreitet, das im nachgelassenen Schriftsatz vom [d+1532] mitgeteilt wurde ([...]-KAR 42). Dieses sieht die Bestimmung der Lizenzgebühr durch die Klägerin mit der Möglichkeit einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung nach § 315 BGB vor.
24 
Die Klägerin ist zusätzlich im [ca. d+930] dem Patentpool der [...] (nachfolgend „[...]“) beigetreten (Anlage Streithelferin [...] [...] 38), der diverse SEP-Inhaber gegenüber Autoherstellern vertritt und diesen einen Poollizenzvertrag anbietet, dessen Lizenzgebühr i.H.v. [...] USD pro LTE-fähigem Fahrzeug ([...] 19, [...]-KAR 5) im Top Down-Ansatz mithilfe von Durchschnittswerten aus der Mobilfunkbranche mit einer Gesamtlizenzbelastung i.H.v. [...]–[...] USD berechnet wird. [...] hat bereits Poollizenzverträge mit der [...] (Pressemitteilung vom 01.12.2017, [...] 18), der [...] und [...] (Pressemitteilung vom 25.04.2019, [...] KAR 06, [...] KAR-7) und weiteren Mitgliedern der [...] Gruppe ([...], [...], [...], [...], [...]und [...], Pressemitteilung vom 06.05.2019, [...] KAR 6, [...] KAR-7) sowie [...] (Pressemitteilung vom 03.12.2019, [...]-KAR 6) abgeschlossen. Die Beklagte verhandelt seit spätestens [ca. d+655] ebenfalls – bislang erfolglos – mit dem [...]-Patentpool über eine Lizenznahme ([...]-K[...] 30).
25 
Das Landgericht Mannheim hat mit dem in juris veröffentlichten Urteil vom 18.08.2020 – Az. 2 O 34/19 –, auf welches zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß wegen wortsinngemäßer unmittelbarer Verletzung des Patentanspruchs 1 zur Unterlassung und zur Auskunft/Rechnungslegung verurteilt sowie deren Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz festgestellt.
26 
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihren Antrag auf vollumfängliche Abweisung der Klage, hilfsweise auf Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits bis zum rechtskräftigen Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens weiterverfolgt. Vorab begehrt sie die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil.
27 
Soweit hier von Interesse beantragt die Beklagte, aufgrund der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung,
28 
die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil – erforderlichenfalls gegen Sicherheitsleistung der Beklagten, die in das Ermessen des Senats gestellt wird – einstweilen einzustellen;
29 
das vorliegende Verfahren nach § 148 ZPO auszusetzen und die Zwangsvollstreckung aus dem LGU einzustellen, bis der EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens vom 26.11.2020 aus dem parallelen Verfahren LG Düsseldorf (Az. 4c O 17/19) entschieden hat.
30 
Die Streithelferinnen [...], [...], [...], [...], [...] und [...] haben sich dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung angeschlossen.
31 
Die Klägerin tritt dem Einstellungsantrag entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
32 
Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
33 
Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung hat teilweise Erfolg und führt zur einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Ziffer I.3 (Unterlassung) des Tenors des angefochtenen Urteils gegen Sicherheitsleistung. Im Übrigen bleibt er erfolglos.
34 
1. Gemäß §§ 719 Abs. 1 S. 1, 707 Abs. 1 S. 1 ZPO kann, wenn gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Berufung eingelegt wird, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt werden. Im Rahmen der demnach zu treffenden Ermessensentscheidung hat das Gericht die widerstreitenden Interessen des Gläubigers einerseits und des Schuldners andererseits abzuwägen. Dabei hat es die Wertentscheidung des Gesetzgebers zu beachten, dass grundsätzlich den Belangen des Vollstreckungsgläubigers der Vorrang gebührt. Der Vorschrift des § 709 S. 1 ZPO ist zu entnehmen, dass der Vollstreckungsschuldner in aller Regel bereits durch die vom Gläubiger vor der Vollstreckung zu leistende Sicherheit hinreichend geschützt ist. Es entspricht daher gefestigter Rechtsprechung, dass in Fällen, in denen das angefochtene Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur in Ausnahmefällen unter besonderen Umständen in Betracht kommen kann (vgl. Senat, GRUR-RR 2015, 50 Rn. 9 - Leiterbahnstrukturen; BeckRS 2016, 10660Rn. 15 (insow. nicht abgedr. in NZKart 2016, 334)). Hierfür spricht auch, dass das angefochtene Urteil auf der Durchführung eines umfassenden Erkenntnisverfahrens mit mündlicher Verhandlung und daher auf einem Verfahren mit erhöhter Richtigkeitsgewähr beruht, während für die Frage der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht das Berufungsverfahren vorweggenommen werden, sondern im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO nur eine summarische Prüfung stattfinden kann.
35 
Das Gewicht des Interesses des Gläubigers kann im Einzelfall dadurch erhöht sein, dass der Gläubiger dringend auf eine Zwangsvollstreckung angewiesen ist oder ein weiteres Zuwarten die Realisierung des zu vollstreckenden Anspruchs gefährdet bzw. vereitelt, was insbesondere in Betracht kommt, soweit es um die Einstellung der Vollstreckung eines Unterlassungsanspruchs geht, der hierdurch für den betroffenen Zeitraum endgültig vereitelt wird (BeckOK ZPO/Ulrici, 38. Ed. 1.9.2020, ZPO § 707 Rn. 20, 20.1).
36 
Auf der anderen Seite ist anerkannt, dass die Interessen des Schuldners besonderes Gewicht erhalten und daher eine Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht kommt, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einstellungsantrag bei der im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO gebotenen summarischen Prüfung festgestellt werden kann, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird oder wenn der Schuldner die Gefahr eines besonderen Schadens darlegen und glaubhaft machen kann, der über die allgemeinen Vollstreckungswirkungen hinausgeht (vgl. Senat, GRUR-RR 2015, 50 Rn. 10 - Leiterbahnstrukturen; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2010, 122 – prepaid telephone calls, mwN).
37 
Die im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO vorzunehmende summarische Prüfung, ob das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird, muss sich zumindest im Regelfall auf diejenigen tatsächlichen Feststellungen und diejenigen rechtlichen Erwägungen beschränken, die für die erstinstanzliche Entscheidung tragend sind. Die Einstellungsentscheidung darf nicht die abschließende, auf Grund umfassenden rechtlichen Gehörs und mündlicher Verhandlung zu treffende Entscheidung im Berufungsrechtszug vorwegnehmen. Erweisen sich die Feststellungen oder rechtlichen Erwägungen im angefochtenen Urteil bereits bei der anzustellenden summarischen Prüfung als nicht tragfähig, ist die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil regelmäßig einstweilen einzustellen. Dies gilt selbst dann, wenn sich die angefochtene Entscheidung möglicherweise im Ergebnis mit anderen Feststellungen oder auf der Grundlage anderer rechtlicher Erwägungen als zutreffend erweisen kann. In diesem Fall ist es dem obsiegenden Kläger regelmäßig zuzumuten, die Überprüfung der alternativen Begründung rechtlicher oder tatsächlicher Art im Berufungsverfahren abzuwarten (Senat NZKart 2016, 334; GRUR-RR 2015, 50 Rn. 11 – Leiterbahnstrukturen; GRUR-RR 2015, 326 Rn. 15 – Mobiltelefone).
38 
Die summarische Prüfung ist regelmäßig auf offensichtliche Fehler beschränkt, die sich ohne tiefergehende Prüfung feststellen lassen. Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob sich tragende Erwägungen des angefochtenen Urteils aus materiell-rechtlichen, tatsächlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen nach diesem Prüfungsmaßstab als nicht tragfähig erweisen.
39 
Bezogen auf die Überprüfung, ob einer Erklärung des Patentverletzers die Bereitschaft entnommen werden kann, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu nehmen, bedeutet der vorgenannte Maßstab, dass es für einen offensichtlichen Fehler nicht ausreicht, dass ein hierfür angeführtes Schreiben möglicherweise auch anders als im angefochtenen Urteil gewertet werden kann. Es ist nicht Aufgabe der summarischen Prüfung, losgelöst von der Bewertung im angefochtenen Urteil die im Verfahren vorgelegte Korrespondenz einer umfassenden Bewertung zu unterziehen. Vielmehr muss eine unzutreffende Bewertung offensichtlich sein.
40 
Ebenso wenig kann die Frage, ob ein (Gegen-)Angebot FRAND-Bedingungen genügt, im Einzelnen Gegenstand der für die Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung anzustellenden Prüfung sein. Auch insoweit soll die Prüfung nicht das Berufungsverfahren vorwegnehmen und muss sich daher auf eine summarische Prüfung beschränken. Die Bewertung des Erstgerichts, ob eine angebotene Lizenzgebühr FRAND-Bedingungen entspricht, kann daher regelmäßig nur daraufhin geprüft werden, ob das angefochtene Urteil von offensichtlich unzutreffenden Maßgaben ausgegangen ist oder zutreffend erkannte Maßgaben offensichtlich fehlerhaft anwendet.
41 
Aus dem eingeschränkten Prüfungsumfang folgt weiter, dass der Senat nur die zur Begründung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung als nicht tragfähig gerügten Erwägungen der angefochtenen Entscheidung prüft, nicht aber, ob sich die Entscheidung aus anderen Gründen als unzutreffend erweisen könnte. Da die Beklagte und ihre Streithelferinnen zur Begründung des Einstellungsantrags nicht geltend machen, das Landgericht habe zu Unrecht eine Verletzung des Klagepatents bejaht, ist dies von vornherein nicht Gegenstand der Entscheidung über die Einstellung der Zwangsvollstreckung.
42 
2. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe erweisen sich die Erwägungen, mit denen das Landgericht den geltend gemachten kartellrechtlichen Missbrauchseinwand (Art. 102 AEUV, §§ 19, 20 GWB) gegen den Unterlassungsanspruch nicht hat durchgreifen lassen, bei summarischer Prüfung in einem entscheidenden Punkt als offensichtlich nicht ausreichend.
43 
a) Nicht zu beanstanden ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, dass der Patentverletzer klar und eindeutig seine Bereitschaft zum Ausdruck bringen muss, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, wie auch immer FRAND-Bedingungen tatsächlich aussehen mögen, und dass er auch in der Folge zielgerichtet an den Lizenzvertragsverhandlungen mitzuwirken hat. Diese Bereitschaft (fortan auch: qualifizierte Lizenzbereitschaft) muss unbedingt sein. Zutreffend versteht das Landgericht die Lizenzbereitschaft nicht als punktuelles Ereignis, das nach seiner Verneinung oder Bejahung zu einem bestimmten Zeitpunkt fortan unveränderlich fortbesteht. Vielmehr obliegt dem Verletzer demnach durchgehend eine ernsthafte und zielgerichtete Mitwirkung an den Lizenzvertragsverhandlungen, wobei eine Verzögerungstaktik auszuschließen ist.
44 
Dieser rechtliche Ausgangspunkt steht im Einklang mit der vom Landgericht angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung FRAND-Einwand (GRUR 2020, 961 Rn. 83) und entspricht der jüngeren Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 09.12.2020 – 6 U 103/19, juris).
45 
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landgericht nicht systematisch fehlerhaft die FRAND-Gemäßheit der Gegenangebote der Beklagten im Rahmen der Lizenzbereitschaft geprüft. Insbesondere hat es nicht die fehlende Lizenzbereitschaft mit der FRAND-Widrigkeit der Gegenangebote begründet. Vielmehr hat das Landgericht nur die bereits zuvor unabhängig davon verneinte Lizenzbereitschaft durch die von ihm angenommene FRAND-Widrigkeit der Gegenangebote maßgeblich bestätigt gesehen.
46 
Das Landgericht hat offengelassen, ob eine fehlende qualifizierte Lizenzbereitschaft im Laufe eines Patentverletzungsrechtsstreits wirksam nachgeholt werden kann. Von diesem Rechtsstandpunkt aus war es zwingend, das weitere Verhalten der Beklagten in den Blick zu nehmen und zu prüfen, ob sich aus ihm die bis dahin vermisste qualifizierte Lizenzbereitschaft ergibt. Auf dieser Grundlage kann sich eine zunächst fehlende qualifizierte Lizenzbereitschaft grundsätzlich auch aus einem Gegenangebot des Lizenzsuchers ergeben, das FRAND-Bedingungen entspricht. Umgekehrt ist dann aber auch ein Gegenangebot, das solchen Bedingungen nicht entspricht, nicht geeignet, eine bis dahin fehlende qualifizierte Lizenzbereitschaft zu begründen und kann ihr Fehlen daher weiter bestätigen.
47 
c) Jedoch vermögen die Erwägungen im angefochtenen Urteil zum Gegenangebot der Beklagten vom [d+1532] auch bei summarischer Prüfung die Schlussfolgerungen des Landgerichts nicht zu tragen, auch hieraus ergebe sich nicht die bis dahin vermisste qualifizierte Lizenzbereitschaft.
48 
aa) Das Landgericht, das offengelassen hat, ob das Angebot unter dem Gesichtspunkt der Lizenzwilligkeit noch rechtzeitig erfolgt ist bzw. nachgeholt werden konnte, hat angeführt, dass es einen Vorbehalt enthalte, mit dem die Beklagte den Streit der Parteien, auf welcher Ebene der Wertschöpfungskette die Lizenzangebote (u.a. in Bezug auf die Höhe der Lizenzgebühr) abstellen müssten, auf spätere Prozesse verlagere. Anders als bei Vertragsverhandlungen mit einem lizenzwilligen Unternehmen vor Benutzungsaufnahme könne ein solcher Vorbehalt – insbesondere, wenn wie hier der Verletzungshinweis bereits mehrere Jahre zurückliege – darauf gerichtet sein, den Patentinhaber möglichst bis zum Ablauf der Schutzdauer des Klagepatents hinzuhalten, weil ihm dann keine Verurteilung zur Unterlassung mehr drohe. Im Falle einer Drittbestimmung könne der Patentinhaber seinen Unterlassungsanspruch jedenfalls so lange nicht durchsetzen, bis eine Bestimmung erfolgt sei, was dem Patentverletzer ebenfalls ermögliche, das Verfahren in die Länge zu ziehen (LG Düsseldorf, Urt. v. 31.03.2016 – 4a O 126/14 Rn. 286 - juris; LG Düsseldorf, SchlussUrt. v. 31.03.2016, 4a O 73/14 Rn. 231 f. - juris). Falls der SEP-Inhaber einer gerichtlichen Überprüfung der Lizenzgebühr nach § 315 Abs. 3 BGB zustimme, sei dies für ihn bindend, wohingegen der Patentverletzer u.U. die Zahlung einer – aus seiner Sicht – unbilligen Leistung bis zu deren Bestimmung durch Urteil verweigern könne (Würdinger in MüKO BGB, 8. Aufl., § 315 Rn. 45; Stadler in Jauernig BGB, 17. Aufl., Rn. 11, jew. mwN zum Meinungsstand).
49 
Zusätzlich stützt sich das Landgericht darauf, dass einem Gegenangebot eine Lizenzbereitschaft nur dann entnommen werden könne, wenn es einen konkreten Lizenzsatz definiere oder zumindest eine rechtzeitig bestimmte Lizenzgebühr impliziere. Hierfür verweist es auf die Entscheidung Huawei ./. ZTE des EuGH (GRUR 2015, 764).
50 
bb) Mit diesen Erwägungen allein kann die Annahme nicht begründet werden, das Gegenangebot vom [d+1532] bringe keine qualifizierte Lizenzbereitschaft zum Ausdruck.
51 
(1) Regelmäßig bringt der Verletzer mit einem Vertragsangebot, das die Bestimmung der Lizenzgebühr dem SEP-Inhaber nach billigem Ermessen gem. § 315 Abs. 3 BGB überlässt, hinreichend zum Ausdruck, dass er bereit ist, eine Lizenzvereinbarung abzuschließen, die jedenfalls hinsichtlich der Höhe der Lizenzgebühren FRAND-Bedingungen entspricht, wie auch immer eine solche Lizenzgebühr aussehen mag.
52 
Im Allgemeinen kann es einem Patentverletzer in diesem Zusammenhang auch nicht als Ausdruck fehlender Lizenzbereitschaft vorgeworfenen werden, dass er an seiner Auffassung, wie FRAND-gemäße Bedingungen auszusehen haben, festhält und daher davon auszugehen ist, dass er die durch den SEP-Inhaber bestimmte Lizenzgebühr nicht akzeptieren wird, sondern sie gerichtlich überprüfen lassen und in diesem Rahmen für seine eigenen Vorstellungen streiten wird. Ein solches Verhalten stellt die Bereitschaft, eine Lizenzvereinbarung zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, wie auch immer solche Bedingungen aussehen mögen, regelmäßig nicht in Frage, sondern bestätigt sie, denn am Ende der gerichtlichen Überprüfung der Leistungsbestimmung erhält der SEP-Inhaber entweder die von ihm bestimmte Vergütung oder im Fall ihrer Unbilligkeit eine gerichtlich festgesetzte billige Vergütung zugesprochen. In Ermangelung abweichender Anhaltspunkte ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein Lizenzangebot mit einem solchen Leistungsbestimmungsrecht ernst gemeint ist und der Verletzer die zugesprochenen Lizenzgebühren zu zahlen bereit ist.
53 
Dass Streitigkeiten über die Höhe FRAND-gemäßer Lizenzgebühren, wenn eine Lizenzvereinbarung mit einem Leistungsbestimmungsrecht zugunsten des Patentinhabers erst während eines Patentverletzungsstreits zustande kommt, auf einen späteren Rechtsstreit verlagert werden, ist dem Leistungsbestimmungsrecht immanent, falls die Höhe dessen, was als FRAND-gemäß anzusehen ist, zwischen den Parteien streitig ist. Dieser Umstand stellt für sich genommen die Bereitschaft des Patentverletzers, eine Lizenzvereinbarung mit einer FRAND-gemäßen Lizenzgebühr, wie auch immer sie tatsächlich aussehen mag, abzuschließen, nicht ohne weiteres in Frage. Jedenfalls im Regelfall – und für eine davon abweichende Sachverhaltskonstellation im hier zu entscheidenden Rechtsstreit hat das Landgericht nichts festgestellt – widerspricht es nicht den Interessen des Patentinhabers, den von ihm als Kläger begonnenen Patentverletzungsprozess von der durch den gegnerischen FRAND-Einwand aufgeworfenen Streitfrage der exakten Bemessung einer FRAND-gemäßen Lizenzhöhe entlastet zu sehen, sondern entspricht es seinem Interesse, alsbald eine durch seine Klage veranlasste Entscheidung über die Frage herbeizuführen, ob die angegriffene Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagepatents fällt.
54 
Anders als das Landgericht möglicherweise meint, kann ein Angebot des Patentverletzers mit einem Leistungsbestimmungsrecht zugunsten des Patentinhabers grundsätzlich auch nicht dazu dienen, den Patentinhaber möglichst bis zum Schutzrechtsablauf hinzuhalten, um danach ohne den drohenden Unterlassungsanspruch eine günstigere Verhandlungsposition zu erhalten. Kommt eine Lizenzvereinbarung mit einem Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 3 BGB zustande, steht, sofern die Lizenzvereinbarung nicht wirksam gekündigt wird, am Ende eines etwaigen Rechtstreits über die Billigkeit der bestimmen Lizenzgebühr fest, ob der SEP-Inhaber die bestimmte oder im Fall ihrer Unbilligkeit eine vom Gericht festgesetzte Vergütung zugesprochen erhält.
55 
Allerdings ist es bei summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen, im Einzelfall ein Lizenzangebot des Patentverletzers mit Leistungsbestimmungsrecht zugunsten des Patentinhabers aufgrund der Umstände, etwa wenn es zur Unzeit erfolgt, ausnahmsweise nicht als Ausdruck der erforderlichen Lizenzbereitschaft, sondern als Teil einer Verzögerungstaktik zu werten mit der Folge, dass sich der SEP-Inhaber nicht kartellrechtlich missbräuchlich verhält, wenn er dieses Angebot nicht annimmt und einen Unterlassungsanspruch geltend macht bzw. hieran festhält.
56 
Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass eine Lizenzbereitschaft noch im laufenden Rechtstreit nachgeholt werden kann und auch in diesem Fall grundsätzlich noch beachtlich ist (Senat, GRUR 2020, 166 Rn. 106 – Datenpaketverarbeitung). Nach dieser Rechtsprechung muss aber ebenfalls ausgeschlossen sein, dass die verspätete Erfüllung seiner Obliegenheiten durch den Verletzer Ausdruck einer Verzögerungstaktik ist (Senat, aaO, Rn. 116).
57 
Die Möglichkeit einer Ausnahme im Einzelfall steht nicht, zumindest nicht bei summarischer Prüfung im Widerspruch zu den Entscheidungen Huawei ./. ZTE des EuGH (GRUR 2015, 764) und Orange-Book-Standard des BGH (BGHZ 180, 312 = GRUR 2009, 694). Beide Entscheidungen schließen es nicht offensichtlich aus, im Einzelfall ein Lizenzvertragsangebot des Verletzers mit einem Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 3 BGB zugunsten des Patentinhabers als Ausdruck einer Verzögerungstaktik zu werten.
58 
(2) Nach diesen Maßgaben genügen die Erwägungen des Landgerichts nicht, um anzunehmen, in dem Gegenangebot vom 10.06.2020 komme trotz des dort vorgesehenen Leistungsbestimmungsrechts zugunsten der Patentinhaberin ausnahmsweise keine qualifizierte Lizenzbereitschaft zum Ausdruck.
59 
Das Landgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob das Gegenangebot unter dem Gesichtspunkt der Lizenzwilligkeit noch rechtzeitig gewesen ist. Aus dem erwähnten späten Zeitpunkt des Gegenangebots hat es nicht den denkbaren Schluss auf eine zur Unzeit bekundete Lizenzbereitschaft gezogen. Für die summarische Überprüfung im Rahmen der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung, ob die Erwägungen des Landgerichts tragfähig sind, ist daher zu unterstellen, dass das Gegenangebot vom [d+1532] rechtzeitig erfolgt und daher beachtlich ist.
60 
Die damit verbleibende maßgebliche Erwägung des Landgerichts, bei Abschluss der angebotenen Lizenzvereinbarung mit einem Leistungsbestimmungsrecht zugunsten der Klägerin werde der Streit zwischen den Parteien auf einen anderen Rechtsstreit verlagert, genügt wie ausgeführt für sich genommen offensichtlich nicht, um trotz des Gegenangebots vom [d+1532] von einer fehlenden Lizenzbereitschaft der Beklagten auszugehen.
61 
Auch die zusätzliche Erwägung des Landgerichts, ein Angebot ohne konkreten Lizenzsatz sei nicht ausreichend, genügt für die Verneinung einer qualifizierten Lizenzbereitschaft offensichtlich nicht. Es kann dahinstehen, ob der Patentverletzer nach den Grund-sätzen der Entscheidung Huawei ./. ZTE des EuGH (GRUR 2015, 764) seiner Obliegenheit zur Abgabe eines Gegenangebots dadurch genügen kann, dass er (ausschließlich) ein Angebot mit einem Leistungsbestimmungsrecht zugunsten des SEP-Inhabers abgibt, oder er ihr nur dadurch nachkommt, dass er (auch) ein Gegenangebot mit einem konkreten Lizenzsatz, das FRAND-Bedingungen genügt, unterbreitet. Das Landgericht hat offengelassen, ob die Beklagte zur Abgabe eines FRAND-gemäßen Gegenangebots verpflichtet ist. Jedenfalls der Bekundung einer qualifizierten Lizenzbereitschaft steht es nicht entgegen, dass ein Lizenzangebot keinen konkreten Lizenzsatz, sondern ein Leistungsbestimmungsrecht zugunsten des Patentinhabers enthält.
62 
3. Erweisen sich die Erwägungen des Landgerichts demnach in einem entscheidenden Punkt als offensichtlich nicht tragfähig, führt die Interessensabwägung wie regelmäßig zu einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungstenor gegen Sicherheitsleistung.
63 
Die Verneinung der Lizenzwilligkeit auch in Ansehung des Gegenangebots vom [d+1532] ist die das Urteil des Landgerichts in diesem Punkt der Unbeachtlichkeit des FRAND-Einwands allein tragende Überlegung.
64 
Wie ausgeführt kommt es nicht darauf an, ob die Annahme des Landgerichts, die Beklagte sei nicht hinreichend lizenzwillig, mit anderen Erwägungen im Ergebnis aufrechterhalten werden könnte. Ob Ausnahmen von diesem Grundsatz dann möglich sind, wenn eine alternative Begründung klar auf der Hand liegt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung (Senat, NZKart 2016, 334, 337 – DVD-Software; GRUR-RR 2015, 50 Rn. 12 – Leiterbahnstrukturen). Grundsätzlich können Obliegenheiten der Verletzers während des anhängigen Rechtsstreits nachgeholt werden (Senat, GRUR 2020, 166 Rn. 108 ff. – Datenpaketverarbeitung). Ein Angebot zur Unzeit liegt nicht klar auf der Hand. Hiergegen spricht zumindest, dass an die Lizenzbereitschaft bis zur Entscheidung FRAND-Einwand des Bundesgerichtshofs (GRUR 2020, 961) in der Rechtsprechung der Instanzgerichte keine besonderen Anforderungen gestellt worden waren, sondern sie lediglich im Sinne einer Lizenzbitte verstanden worden war.
65 
Die festgesetzte hohe Sicherheitsleistung für die vorläufige Vollstreckbarkeit des Unterlassungsausspruchs rechtfertigt es nicht, die Interessen der Beklagten, nicht einer Vollstreckung aus einem Urteil ausgesetzt zu sein, das sich bei summarischer Prüfung hierfür als nicht tragfähig erweist, hintanzustellen.
66 
Gleiches gilt für die Befürchtung der Klägerin, im Falle der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung könnten andere Patentverletzer von einer Lizenznahme absehen, weil sie nicht mehr mit einer erfolgreichen gerichtlichen Inanspruchnahme auf Unterlassung rechnen müssten. Dabei kann dahinstehen, ob das angeführte Interesse der Klägerin, andere Patentverletzer abzuschrecken, überhaupt gegenüber dem Interesse der Beklagten Bedeutung erlangen kann, die Vollstreckung eines Unterlassungsgebots auf nicht tragfähiger Grundlage abzuwehren. Jedenfalls kommt diesem Abschreckungsinteresse keine ausschlaggebende Bedeutung zu, zumal die Einstellung der Zwangsvollstreckung gerade darauf beruht, dass die Beklagte der Klägerin ein Lizenzangebot mit einem Leistungsbestimmungsrecht zu deren Gunsten angeboten hat.
67 
Dass die Beklagte seit 2006 Patente der Beklagten ohne Lizenzzahlungen nutzen mag, rechtfertigt es ebenfalls nicht, eine Vollstreckung des Unterlassungsgebots, dessen Begründung sich bei summarischer Prüfung als nicht tragfähig erweist, zuzulassen.
68 
Soweit die Klägerin meint, es sei prohibitiv, weltweit in nationalen Gerichtsverfahren Lizenzzahlungen einzuklagen, übersieht sie, dass das Gegenangebot der Beklagten mit dem Leistungsbestimmungsrecht zu ihren Gunsten das Führen einer Vielzahl nationaler Verfahren gerade erübrigt.
69 
4. Demgegenüber ist der Einstellungsantrag hinsichtlich der Verurteilung zur Auskunft und Rechnungslegung nicht begründet. Die Verurteilung ist insoweit weder evident rechtsfehlerhaft, noch ergibt die Interessenabwägung, dass eine Einstellung der Zwangsvollstreckung geboten wäre.
70 
a) Der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung steht dem Patentinhaber selbst dann zu, wenn sich der Patentverletzer gegen den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erfolgreich auf einen FRAND-Einwand berufen kann. In diesem Fall entfallen auch die Angaben zu den Gestehungskosten und dem Gewinn nicht ohne weiteres.
71 
Letzteres folgt allein schon aus dem Umstand, dass der Schadensersatzanspruch auch in diesem Fall nicht ohne weiteres der Höhe nach auf dasjenige beschränkt ist, was sich nach Maßgabe der Lizenzanalogie ergeben würde, sondern der Verletzer dem Schadensersatzanspruch des Patentinhabers allenfalls einen eigenen gegenläufigen Schadensersatzanspruch entgegenhalten kann, der auf die Nichterfüllung seines Anspruchs auf Abschluss eines Lizenzvertrags zu angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen gestützt ist und kraft dessen er verlangen kann, so gestellt zu werden, wie er stünde, hätte der Patentinhaber diesen Anspruch unverzüglich erfüllt (vgl. BGH, GRUR 2020, 961 Rn. 110 f. – FRAND-Einwand). Selbst wenn der Patentinhaber seine Verhandlungsobliegenheiten nicht erfüllt, begründet dies indes nicht zwangsläufig einen solchen Schadensersatzanspruch, denn mit der Verletzung von Verhandlungsobliegenheiten geht nicht ohne weiteres die Verweigerung einer Lizenz einher, die inhaltlich FRAND-Kriterien entspricht (Senat, GRUR 2020, 166 Rn. 138 – Datenpaketverarbeitung). Aber auch dann, wenn ein gegenläufiger Schadensersatzanspruch des Patentverletzers gegen den Patentinhaber wegen kartellrechtswidriger Verweigerung des Abschlusses einer Lizenzvereinbarung zu FRAND-Bedingungen besteht und daher der Schadensersatzanspruch des Patentinhabers zukünftig auf die Höhe der FRAND-Lizenzgebühr beschränkt wäre, sind Kosten- und Gewinnangaben im Grundsatz als erforderlich und zumutbar anzusehen (Senat, GRUR 2020, 166 Rn. 139 – Datenpaketverarbeitung; a.A. OLG Düsseldorf GRUR-RS 2019, 6087 = GRUR 2019, 725 Ls., juris-Rn. 231 – Improving Handover)
72 
Das Landgericht hat von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig zum Vorliegen der Voraussetzungen für eine inhaltliche Beschränkung des Anspruchs auf Auskunft und Rechnungslegung keine Feststellungen getroffen. Es liegt auch nicht klar auf der Hand, dass die Klägerin ihre Obliegenheiten in Ansehung einer mit dem Gegenangebot vom [d+1532] bekundeten Lizenzbereitschaft verletzt hätte. Erst Recht liegt nicht klar auf der Hand, dass mit einer etwaigen Verletzung die Verweigerung einer Lizenzvereinbarung zu FRAND-Bedingungen einherginge und zugleich eine Konstellation vorläge, in der Kosten- und Gewinnangaben nicht erforderlich oder nicht zumutbar wären. Ob die Voraussetzungen für eine Einschränkung der Rechnungslegung vorliegen, muss daher der Klärung im Berufungsverfahren vorbehalten bleiben. Hinzu kommt, dass eine etwaige Beschränkung ohnehin frühestens ab dem Zeitpunkt in Betracht kommt, zu dem eine Lizenzbereitschaft der Beklagten angenommen werden kann.
73 
b) Soweit die Beklagte geltend macht, die Auskunft und Rechnungslegung sei im Hinblick auf den zu erwartenden Schadensersatz aufgrund des Aufwands unverhältnismäßig, ist dies schon nicht hinreichend substantiiert. Sie zeigt überdies nicht auf, dass sie sich bereits erstinstanzlich hierauf berufen habe.
74 
c) Soweit die Beklagten und ihre Streithelferinnen in den späteren ergänzenden Berufungsbegründungen weitere Beanstandungen gegen das angefochtene Urteil vorbringen, ist nicht ersichtlich, dass sie hierauf auch ihren Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung stützen. Jedenfalls ist nicht dargetan und nicht ersichtlich, dass diese Beanstandungen eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils begründen.
75 
d) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es nicht offensichtlich fehlerhaft, dass das Landgericht den Verletzungsrechtstreit nicht im Hinblick auf das anhängige Nichtigkeitsverfahren ausgesetzt hat.
76 
Bei summarischer Prüfung ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht nicht zu der Prognose gelangt ist, dass sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen wird, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 über den Inhalt der Stammanmeldung oder der Anmeldung zum Streitpatent hinausgeht.
77 
aa) Anders als die Beklagte meint, hat das Landgericht keinen unrichtigen Maßstab bei der Prüfung angelegt, ob der Gegenstand des Patentanspruchs über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinausgeht.
78 
Allerdings trifft es zu, dass es hierfür darauf ankommt, ob der Fachmann den ursprünglichen Anmeldeunterlagen in ihrer Gesamtheit den Gegenstand des Patentanspruchs als unmittelbar und eindeutig zur Erfindung gehörend entnehmen kann.
79 
Das Landgericht (LGU, S. 81 vorl. Abs.) hat zwar ausgeführt, die Kombination von Ausführungsbeispiel 2 mit der zyklischen Interpretation habe der Fachmann der Ursprungsanmeldung und der Stammanmeldung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen können. Hieraus lässt sich jedoch nicht mit der gebotenen Offensichtlichkeit ableiten, das Landgericht habe den Maßstab für die Ermittlung des Inhalts der Anmeldeunterlagen verkannt.
80 
Sehr viel näher liegt, dass das Landgericht mit der beanstandeten Formulierung lediglich verkürzt zum Ausdruck bringen wollte, dass es nach seiner Auffassung nicht mit dem für eine Aussetzung erforderlichen Grad wahrscheinlich ist, dass der Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs nicht unmittelbar und eindeutig den Anmeldeunterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnimmt. Hierfür spricht, dass damit – wenn auch missverständlich verkürzend – das im angefochtenen Urteil vorangestellte Ergebnis aufgegriffen wird (vgl. LGU S. 81 Abs. 2: „Ebenso wenig stellt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als unzulässige Erweiterung dar, dass in der erteilten Fassung des Klagepatentanspruchs 1 die Merkmale 1.2.4 und 1.3.3 kombiniert sind“, S. 79 letzt. Abs.: „Die Kammer sieht keine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Bundespatentgericht in dem Klagepatentanspruch 1 eine unzulässige Erweiterung erkennen wird.“).
81 
Entsprechendes gilt für die Formulierung auf S. 82 im dritten Absatz, wonach es vor dem Hintergrund der zuvor getätigten Erwägungen auch hinreichend naheliegend sei, die identisch gebliebene Figur 7, die das Ausführungsbeispiel 2 visualisiert, zu modifizieren. Hierfür spricht zudem, dass sich unmittelbar daran die Formulierung anschließt, mit der das Landgericht zur Neuheitsprüfung überleitet, dass „weiterhin ... keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür [besteht], dass das Bundespatentgericht die in das Nichtigkeitsverfahren eingeführten Entgegenhaltungen [...] [...] 1 und [...] [...] 2 als neuheitsschädlich für den Patentanspruch 1 ansehen wird.“
82 
Der Umstand, dass das Landgericht den zutreffenden Maßstab für die Prüfung der ursprünglichen Offenbarung nicht ausdrücklich referiert, führt zu keiner anderen Beurteilung. Hieraus kann auch in Ansehung der beanstandeten Formulierungen nicht gefolgert werden, das Landgericht habe offensichtlich einen falschen Maßstab angelegt.
83 
bb) Es ist nicht offensichtlich fehlerhaft, dass das Landgericht im Rahmen seiner Prognose der Erwähnung der zyklischen Interpretation auf S. 3 letzter Absatz in Verbindung mit S. 8 der Patentanmeldung (Anlage [...] 9, fortan nur mit „S.“ gefolgt von der Fundstelle in Bezug genommen) bzw. in den Abschnitten [0010] f. i.V.m. Abs. 19 f. der Stammanmeldung (Anlage [...] 8, fortan nur mit „Abs.“ gefolgt von der Fundstelle in Bezug genommen) entnommen hat, dass die zyklische Interpretation unabhängig vom Ordnungsschema als sinnvolle Ergänzung ursprungsoffenbart ist.
84 
(1) Dabei kann dahinstehen, ob der Stammanmeldung tatsächlich eine Offenbarung der zyklischen Anordnung als sinnvolle Ergänzung zu den allgemein gelehrten Ordnungsschemata entnommen werden kann, wie das Landgericht meint, denn es genügt, dass es jedenfalls nicht offensichtlich fehlerhaft ist, dass das Landgericht wegen dieser Offenbarungsstellen im Ergebnis eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür verneint hat, dass das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren wegen einer gegenüber den Anmeldungen unzulässig erweiterten Anspruchsfassung für nichtig erklärt werden wird.
85 
Zwar wird die zyklische Kombination an den herangezogenen Offenbarungsstellen S. 4 der Anmeldung bzw. Abs. 10 der Stammanmeldung nur als ein exemplarisches Ausführungsbeispiel bezeichnet, und das Ordnungsschema mit den drei Ordnungsschritten wird in Abs. 12 der Stammanmeldung bzw. in dem übergreifenden Absatz auf S. 4/5 der Anmeldung als ein anderes Ausführungsbeispiel bezeichnet. Dies schließt es aber, zumal die Ausführungen im allgemeinen Beschreibungsteil stehen, schon nicht offensichtlich aus, eine zyklische Interpretation als zusätzlichen Aspekt der offenbarten Erfindung, der generell vorteilhaft ist, anzusehen mit der Folge, dass sie erfindungsgemäß bei jedem Ordnungsschema Anwendung finden kann, um die hiermit verbundenen zusätzlichen Vorteile zu erzielen. Jedenfalls ist es nicht offensichtlich fehlerhaft, gestützt hierauf eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Nichtigerklärung des Klagepatents wegen einer unzulässig erweiterten Anspruchsfassung zu verneinen. Auch auf S. 8 im zweiten Absatz der Anmeldung bzw. in Abs. 19 der Stammanmeldung heißt es, dass eine Sequenzallokation über die CM-Grenze wünschenswert sei. Zwar betrifft die Passage die Ordnungsschemata 1 und 2. Es ist aber nicht offensichtlich fehlerhaft, dass das Landgericht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu der Einschätzung kommen konnte, dass eine solche Ausgestaltung nicht auch als allgemein vorteilhaft und allgemein zur Erfindung gehörend offenbart anzusehen sei. Eine solche Allokation über die CM-Grenze wird in den Erläuterungen zum Ausführungsbeispiel 1 als Folge der zyklischen Interpretation genannt (S. 9 bzw. Abs. 23).
86 
Der Umstand, dass der Fachmann komplexe Schritte unternehmen muss, um bei Anwendung des Ordnungsschema 3 eine zyklische Interpretierbarkeit zu realisieren, führt ebenfalls nicht dazu, dass die Einschätzung des Landgerichts offensichtlich fehlerhaft wäre, es bestehe keine hinreichende Wahrscheinlich dafür, dass eine zyklische Interpretierbarkeit nicht auch für den Fall der Anwendung des Ordnungsschema 3 unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörend offenbart sei.
87 
(2) Da das Absehen von einer Aussetzung bereits durch die oben unter (1) erörterten Erwägungen des Landgerichts selbständig getragen wird (vgl. LGU S. 82 Abs. 1 „Eine weitere Offenbarung...“), ist unerheblich, ob auch durch das Ausführungsbeispiel 2 (Fig. 7, Abs. 37 ff. bzw. S. 12 unten f.) eine zyklische Interpretierbarkeit offenbart ist. Selbst wenn das zu verneinen wäre, würde der engere Gegenstand des Ausführungsbeispiels 2 nicht zwingend den vom Landgericht den oben behandelten Beschreibungsstellen entnommenen Offenbarungsgehalt relativieren.
88 
Gleiches gilt für den Umstand, dass in den Anspruchssätzen zur Stammanmeldung die zyklische Interpretierbarkeit nur in den dem Ausführungsbeispiel 1 zugeordneten, nicht aber in den dem Ausführungsbeispiel 2 zugeordneten Ansprüchen ausdrücklich erwähnt ist.
89 
e) Es ist nicht offensichtlich fehlerhaft, dass das Landgericht das Verfahren nicht ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Klärung der Kriterien der Lizenzbereitschaft zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Die Vorlag steht grundsätzlich im Ermessen eines nicht-letztinstanzlichen Gerichts. Selbst wenn eine Überprüfung der Entscheidung des Erstgerichts, nicht vorzulegen, im Rahmen der Entscheidung nach §§ 719, 707 ZPO auf Ermessensfehler möglich wäre, lägen solche im Streitfall nicht vor.
90 
Dahinstehen kann, ob nicht-letztinstanzliche Gerichte zur Vorlage verpflichtet sind, wenn sie von einer Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH bewusst abweichen möchten (vgl. hierzu Streinz/Ehricke, 3. Aufl., AEUV Art. 267 Rn. 45, 72). Vom Rechtsstandpunkt des Landgerichts aus bestand hierzu keine Veranlassung, weil eine solche bewusste Abweichung nicht vorlag. Sollte es hierauf überhaupt ankommen, ist dieser Rechtsstandpunkt auch nicht offensichtlich fehlerhaft. Wie ausgeführt, hat das Landgericht nicht die fehlende Lizenzwilligkeit mit einer fehlenden FRAND-Gemäßheit des Gegenangebots begründet. Es ist damit nicht von etwaigen Vorgaben der Entscheidung Huawei ./. ZTE des EuGH (GRUR 2015, 764) abgewichen. Wie vom Senat bereits an anderer Stelle entschieden (Urt. v. 09.12.2020 – 6 U 103/19, juris), weicht der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, dass der Verletzer durchgehend lizenzwillig sein muss und keine Verzögerungstaktik betreiben darf, ebenfalls nicht von der Entscheidung Huawei ./. ZTE ab.
91 
Auf die weitere Frage, ob ein SEP-Inhaber allen Gliedern einer Lieferkette den Abschluss einer Lizenzvereinbarung mit eigenem Nutzungsrecht ermöglichen können muss und ob der Hersteller des Endprodukts dem SEP-Inhaber hierauf gestützt einen FRAND-Einwand mit Erfolg entgegenhalten kann, kam es vom Standpunkt des Landgerichts aus schon nicht an. Eine Reduzierung des Vorlageermessens auf eine Vorlage kommt daher insoweit von vornherein nicht in Betracht.
92 
f) Auch sonst überwiegen die Interessen der Beklagten an der einstweiligen Einstellung das Interesse der Klägerin an der Durchsetzung des für vorläufig vollstreckbar erklärten angefochtenen Urteils hinsichtlich der Auskunft und der Rechnungslegung nicht. Da die angefochtene Entscheidung insoweit nicht offensichtlich fehlerhaft ist, käme eine einstweilige Einstellung lediglich in Betracht, wenn die Beklagte die Gefahr eines besonderen Schadens dargelegt und glaubhaft gemacht hätte, der über die allgemeinen Vollstreckungswirkungen hinausgeht (Senat, GRUR-RS 2016, 16061 Rn. 41 mwN).
93 
aa) Die Beklagte ist durch die Sicherheitsleistung hinreichend geschützt.
94 
Soweit die Beklagte ausführt, die Sicherheitsleistung in Höhe von [...] EUR für die Vollstreckung der Rechnungslegung und Auskunft bleibe um ein Vielfaches hinter dem Aufwand zurück, ist der Vortrag nicht hinreichend substantiiert.
95 
bb) Einen unersetzlichen Nachteil durch die Vollstreckung der Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung hat die Beklagte nicht aufzuzeigen vermocht. Es ist nicht ersichtlich, dass die mit der Vollstreckung verbundenen Nachteile über die allgemeinen Nachteile für den Vollstreckungsschuldner hinausgingen, die mit der Vollstreckung eines Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs vor Rechtskraft des Urteils stets verbunden sind und die vom Gesetzgeber durch die Schaffung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auch für solche Ansprüche hingenommen werden.
96 
5. Zur Sicherung der Klägerin ist eine Sicherheitsleistung in Höhe von [...] EUR erforderlich, aber auch ausreichend. Die Voraussetzungen für eine einstweilige Einstellung ohne Sicherheitsleistung sind weder behauptet noch glaubhaft gemacht.
97 
a) Für die Bemessung der Sicherheitsleistung ist der Senat zunächst von der Differenz der von der Beklagten mitgeteilten lizenzpflichtigen Stückzahlen Stand 03.02.2020 ([...], vgl. Anlage [...]-KAR 36) und Stand 27.06.2019 ([...], vgl. Anlage [...]-KAR 14) ausgegangen, die sich auf [...]Einheiten für einen Zeitraum von [...]Tagen beläuft. Auf dieser Basis errechnen sich als grober Anhalt [...]lizenzpflichtige Einheiten pro Jahr. Multipliziert mit dem von der Klägerin angebotenen Lizenzsatz i.H.v. [...] EUR pro LTE-fähigem Fahrzeug ergeben sich jährliche Zahlungen von [...] EUR, die bei der gebotenen überschlägigen Schätzung dem wirtschaftlichen Mindestsicherungsinteresse der Klägerin hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs entsprechen. Denn der Klägerin geht es letztlich darum, ihr Schutzrecht zu einem aus ihrer Sicht angemessenen Preis zu lizenzieren und nicht darum, die Beklagte oder ihre Zulieferer von der Nutzung der Schutzrechte auszuschließen, um die Technologie allein nutzen zu können.
98 
Zwar entfällt ein Teil der mitgeteilten Verkäufe auf Lizenzprodukte, für die niedrigere Lizenzraten aufgerufen werden als für LTE-fähige Einheiten. Es ist jedoch zu erwarten, dass solche Anteile aufgrund des technischen Fortschritts und anstehender Netzabschaltungen künftig zahlenmäßig immer weniger ins Gewicht fallen werden, wie bereits ein Abgleich der Zahlen aus Anlage [...]-KAR 14 und [...]-KAR 36 bestätigt, der den größten Zuwachs bei den LTE-fähigen Einheiten zeigt. Vor diesem Hintergrund erscheint es zur Abschätzung des Sicherungsbedürfnisses der Klägerin gerechtfertigt, alle Einheiten mit dem von der Klägerin für FRAND angesehenen Lizenzsatz für LTE-fähige Einheiten zu multiplizieren.
99 
Dass die von der Beklagten mitgeteilten Zahlen weltweite Verkäufe betreffen, rechtfertigt keine Verringerung. Die Beklagte macht selbst geltend, dass sie im Fall der Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs gezwungen wäre, das Lizenzangebot der Klägerin anzunehmen, das eine weltweite Portfolio-Lizenz zum Gegenstand hat. Eine weltweite Portfolio-Lizenz ist zudem üblich. Die Beklagte selbst sieht eine solche Lizenz in ihrem Gegenangebot vor und hat auf dieser Basis Sicherheit geleistet. Daher ist es gerechtfertigt, das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Durchsetzung ihres Unterlassungsanspruchs nicht auf den Erhalt von Lizenzgebühren allein in Deutschland zu verengen. Hinzu kommt, dass die Beklagte in Deutschland über Herstellungskapazitäten verfügt, in denen offenkundig nicht nur Fahrzeuge gefertigt werden, die für den deutschen Markt bestimmt sind.
100 
Für den von der Sicherheitsleistung abzudeckenden Zeitraum hat der Senat fünf Jahre angesetzt. Dies berücksichtigt die Möglichkeit, dass der Rechtsstreit u.U. nicht vor einer Entscheidung des EuGH in dem Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Düsseldorf vom 26.11.2020 (4c O 17/19) und vor der Klärung der sich hieraus ergebenden Schlussfolgerungen ggf. in einem Revisionsverfahren rechtskräftig abgeschlossen sein wird. Hieraus errechnet sich eine Summe von [...] EUR.
101 
Der Betrag der festgesetzten Sicherheitsleistung folgt hieraus aufgrund eines Sicherheitszuschlags, mit dem insbesondere einer möglichen steigenden Anzahl von LTE-fähigen Fahrzeugen in den nächsten 5 Jahren und dem Risiko bisher nicht offengelegter Verkäufe Rechnung getragen wird. Sollte sich in der Zukunft abzeichnen, dass die Sicherheitsleistung nicht auskömmlich ist, könnte sie ggf. auf Antrag erhöht werden.
102 
6. Von der angeregten mündlichen Verhandlung hat der Senat abgesehen (§ 128 Abs. 4 ZPO), weil sie zur Klärung der maßgeblichen Fragen nicht erforderlich ist.

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