1. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 01.02.2021 wird auf seine Kosten (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 17.12.2021 aufgehoben.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen zurückverwiesen.
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| Nachdem gegen den Angeklagten zunächst ein Strafbefehl erlassen worden war, verurteilte ihn das Amtsgericht Waldshut-Tiengen am 05.11.2019 wegen Bedrohung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen zu der Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 EUR. In der Verhandlung vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen am 17.12.2020 über seine hiergegen eingelegte Berufung, zu der der Angeklagte unter Belehrung über die Folgen seines Ausbleibens geladen worden war, erschien nur der dem Angeklagten bestellte Verteidiger, nicht aber der Angeklagte selbst. Eine vom Verteidiger vorgelegte Vertretungsvollmacht erachtete das Landgericht im Hinblick darauf, dass die Vollmacht dem Verteidiger durch einfache E-Mail übermittelt worden war, nicht als ausreichenden Nachweis der Bevollmächtigung, so dass es die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO ohne Verhandlung zur Sache verwarf. Das Verwerfungsurteil wurde dem Verteidiger am 22.12.2020 zugestellt. Am 29.12.2020 beantragte der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung unter Vorlage von Mailverkehr zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger, worin der Verteidiger dem Angeklagten mitgeteilt hatte, dass eine Übersendung der Vertretungsvollmacht per E-Mail genüge. Gleichzeitig legte er Revision gegen das Urteil ein, mit der die Zurückweisung der vorgelegten Vollmacht beanstandet wird. Das Landgericht Waldshut-Tiengen lehnte den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Beschluss vom 01.02.2021, der dem Verteidiger am 03.02.2021 zugestellt wurde, als unzulässig ab. Hiergegen richtet sich die am 03.02.2021 eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten. |
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| Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat mit ihrer Antragsschrift vom 08.03.2021, zu der der Verteidiger am 15.3.2021 eine Gegenerklärung abgegeben hat, beantragt, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Revision als unbegründet zu verwerfen. |
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| Die gemäß §§ 46 Abs. 3, 329 Abs. 7 Satz 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung ist zulässig, aber im Ergebnis unbegründet. |
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| 1. Offen bleiben kann, ob - wie dies das Landgericht im angefochtenen Beschluss vom 01.02.2021 angenommen hat - es bereits an der Zulässigkeit des gestellten Wiedereinsetzungsantrags fehlt. |
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| a) Der Antrag wurde allerdings innerhalb der Frist von einer Woche nach Zustellung des Verwerfungsurteils gestellt (§ 329 Abs. 7 StPO). |
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| b) Mit dem Vorbringen, der Angeklagte habe im Vertrauen auf die Auskunft seines Verteidigers darauf vertraut, nach Erteilung der Vollmacht nicht zur Hauptverhandlung erscheinen zu müssen, ist auch ein Sachverhalt vorgetragen und durch Vorlage des Mailverkehrs glaubhaft (§§ 45 Abs. 2 Satz 1, 329 Abs. 7 Satz 1 StPO) gemacht, der grundsätzlich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen kann (OLG Hamburg StV 2021, 162). |
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| c) Die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags ist jedoch dadurch in Frage gestellt, dass der Mailverkehr zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger, der Kern des Vorbringens zur Begründung des Antrags ist, ausweislich des Protokolls bereits Gegenstand der Erörterung in der Berufungshauptverhandlung war. |
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| Zwar sind die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur anwendbar, wenn Gründe vorliegen, die dem Berufungsgericht nicht bekannt waren und auch nicht bekannt sein mussten, als es die Berufung verwarf, was auch dann gilt, wenn der Angeklagte in seinem Wiedereinsetzungsgesuch den bisherigen Entschuldigungsgrund zu ergänzen, zu verdeutlichen und glaubhaft zu machen sucht. Denn die Rechtsfehlerhaftigkeit der Verwerfung der Berufung kann nur mit der Revision geltend gemacht werden, mit der deshalb Angriffe gegen die Nichtanerkennung vorgetragener Entschuldigungsgründe anzubringen sind (KG StV 2020, 855 und ZfS 2020, 588; OLG Hamm, Beschluss vom 27.02.2020 - 4 Ws 29/20, juris). Ob der wohl überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung (KG StV 2020, 855; OLG Hamm NStZ-RR 1997, 368; OLG München NStZ 1988, 377) gefolgt werden kann, wonach dies voraussetzt, dass die geltend gemachten Entschuldigungsgründe - anders als vorliegend - im Verwerfungsurteil gewürdigt wurden, bedarf vorliegend im Hinblick darauf keiner Entscheidung, dass der Wiedereinsetzungsantrag jedenfalls unbegründet ist. |
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| 2. Die sofortige Beschwerde ist aufgrund folgender Erwägungen unbegründet: |
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| Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann gemäß § 329 Abs. 7 Satz 1 StPO nur unter den in §§ 44, 45 StPO bezeichneten Voraussetzungen beansprucht werden. Dazu ist erforderlich, dass der Angeklagte (oder der Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht) den Termin zur Berufungshauptverhandlung versäumt hat, weil er ohne sein Verschulden an der Terminwahrnehmung gehindert war (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 44 Rn. 8). Eine solche Säumnis liegt aber nicht vor, wenn der Angeklagte den Termin gar nicht wahrnehmen wollte. Wer zum Termin nicht erscheinen will, ist nicht im Sinn des § 44 Satz 1 StPO verhindert (BGH NStZ 2001, 160; NStZ-RR 2013, 381 - jeweils zu § 44 StPO; OLG Oldenburg NStZ-RR 2012, 180). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des Ausbleibens im Termin kommt dann nicht in Betracht. |
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| So aber liegt der Fall hier. Denn der Angeklagte hat sowohl in der an den Verteidiger gerichteten Mail vom 16.12.2020 (“Ich erscheine morgen nicht zu dem Verfahren [..]“) als auch in dem an das Landgericht gerichteten Schreiben vom 6.2.2021 (“[..] lies ich meinem Anwalt wissen dass ich nicht an der Verhandlung teilnehmen werde.“) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sein Ausbleiben auf einer willentlich von ihm getroffenen Entscheidung beruhte. Dass der Angeklagte dabei auf die Möglichkeit einer wirksamen Vertretung durch seinen Verteidiger vertraut haben sollte, ist dabei unbeachtlich (zum vergleichbaren Fall der Nichteinhaltung einer Frist bei „Überredung“ durch den Verteidiger BGH NStZ 2001, 160). |
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| Die frist- und formgerecht eingelegte und begründete Revision des Angeklagten führt dagegen zur Aufhebung des angefochtenen Verwerfungsurteils (§ 349 Abs. 2 StPO). |
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| Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung hatte der in der Hauptverhandlung erschienene Verteidiger seine Vertretungsvollmacht durch die Vorlage des Ausdrucks einer ihm vom Angeklagten als Bilddatei übersandten Vollmacht nachgewiesen. |
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| 1. Soweit der Senat bei Vorlage einer Vollmacht als elektronisches Dokument an das Gericht entschieden hat, dass dabei die sich aus § 32a Abs. 3 und 4 StPO ergebenden Anforderungen zu beachten sind (Beschluss vom 18.11.2020 - 2 Rv 21 Ss 483/20 = NStZ-RR 2021, 56), ist dies auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar. |
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| Unmittelbarer Anwendungsbereich des § 32a StPO ist allein der elektronische Rechtsverkehr von Verfahrensbeteiligten mit dem Gericht. Zwar lässt sich der Vorschrift darüber hinausgehend der allgemeine Gedanke entnehmen, dass die Authentizität einer Mitteilung im elektronischen Rechtsverkehr nur unter den in Abs. 3 und 4 umschriebenen Bedingungen gewährleistet ist. Allerdings sind im Rechtsverkehr auch andere Übermittlungswege als die Schriftform wahrend anerkannt, bei denen die Urheberschaft nicht mit letzter Sicherheit nachvollzogen werden kann. Insbesondere ist anerkannt, dass zu den schriftlichen Dokumenten diejenigen gehören, die im Weg der Telekopie (Telefax) übermittelt werden (BVerfG NJW 2002, 3534; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes - GmS OGB - BGHZ 144, 160), obwohl die Authentizität einer damit ebenfalls nur in Kopie übermittelten Unterschrift vom Gericht nicht abschließend beurteilt werden kann. Ist aber in diesen Fällen die Person des Erklärenden in der Regel schon dadurch eindeutig bestimmt, dass seine Unterschrift eingescannt ist oder der Hinweis angebracht ist, dass er wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann (GmS OGB a.a.O.), so trifft dies auch auf ein mittels Bilddatei übermitteltes Dokument zu. Sowohl im Hinblick darauf, dass der Zugang zu Gericht nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (BVerfGE 41, 323; 52, 203; 69, 381), als auch darauf, dass der Gesetzgeber mit der Aufgabe des Schriftformerfordernisses in § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO durch das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 05.07.2017 (BGBl. I S. 2208) eine medienneutrale und technikoffene Regelung bezweckte (BT-Drs. 18/9416 S. 70), ist danach eine Ungleichbehandlung von Telekopie und Bilddateien nicht gerechtfertigt; mit dem Ausdruck einer solchen Bilddatei ist deshalb die Schriftform gewahrt (BGH NJW 2008, 2649 - zu § 130a ZPO; NJW 2015, 1527 - zu § 64 FamFG; OLG Rostock; Beschluss vom 06.01.2017 - 20 Ws 311/16 = OLGSt StPO § 41 Nr. 1 - zu der durch § 32a StPO ersetzten Vorschrift des § 41a StPO). |
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| 2. Soweit das Landgericht Zweifel geäußert hat, ob der Bilddatei, deren Ausdruck der Verteidiger vorgelegt hat, ein Dokument mit der Originalunterschrift des Angeklagten oder aber nur mit einer eingescannten Unterschrift zugrunde lag, ist dies für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung. Denn bereits für die Wahrung der von § 329 StPO a.F. geforderten Schriftform kam es nicht auf die eigenhändige Unterzeichnung an, da auch die Schriftform nur verlangt, dass aus dem Schriftstück hervorgehen muss, dass es sich dabei nicht nur um einen Entwurf handelt, sowie ihm der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können muss (BVerfGE 15, 288; NJW 2002, 3534; GmS OGB BGHZ 75, 340; BGH NStZ-RR 2000, 305; OLG Karlsruhe - Senat - NStZ-RR 2015, 19). Diesen Anforderungen genügt die vorgelegte Vollmacht aber auch dann, wenn das der Bilddatei zugrunde liegende Schriftstück nur mit einer eingescannten Unterschrift gezeichnet gewesen sein sollte (vgl. GmS OGB BGHZ 144, 160). |
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| Da der Angeklagte danach in der Berufungshauptverhandlung durch einen Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertreten war, lagen die Voraussetzungen für eine Verwerfung der Berufung des Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht vor. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des Verwerfungsurteils zurückzuverweisen (§§ 353 Abs. 1, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO). |
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